Ab wann ist ein Experiment mit Zebrabärblingen

Werbung
Ab wann ist ein Experiment mit Zebrabärblingen antragspflichtig?
Stellungnahme zum Zeitpunkt der externen Nahrungsaufnahme von Danio rerio
(Zebrabärbling-) Larven geben.
Die Direktive 2010_63 der EU beinhaltet explizit die Formulierung „independently
feeding larval forms“ als Kriterium ab wann Experimente mit freilebenden
Embryonen und Larven als Tierversuche eingestuft werden sollen. Es gilt daher eine
einheitliche Abschätzung des Beginns des Fressverhaltens zu erstellen.
Wir betrachten hier ein Verhalten, dessen Beginn nicht so präzise definiert ist wie
die vorhergehenden Entwicklungsschritte. Tatsächlich handelt es sich beim Beginn
der externen Nahrungsaufnahme um einen kontinuierlichen Prozess, so dass es nur
eine ungefähre Abschätzung geben kann, ab wann die Futteraufnahme beginnt.
Anatomisch müssen dazu bestimmte Voraussetzungen gegeben sein:
1. Der Mund muss sich ausreichend weit geöffnet haben (ab 72 SnB, Kimmel et
al, Developmental Dynamics 203 (1995) 253ff), die Verdaungsorgane
müssen voll differenziert sein (ab 76 SnB, Field et al., Dev. Biol. 261 (2003),
197ff; Ng et al., Dev. Biol. 286 (2005), 114ff) und der Anus muss sich geöffnet
haben (96 SnB, Ng et al., Dev. Biol. 286 (2005), 114ff).
2. Die Schwimmblase muss mit Luft aufgeblasen worden sein, damit die Tiere
frei schwimmen und Beute jagen können (zwischen 96 und 144 SnB, Kimmel
et al, Developmental Dynamics 203 (1995) 253ff, Robertson et al., J
Morphology 268 (2007), 967ff).
Um Verwirrung in den Zeitangaben zu vermeiden, beziehen wir alle Stadien auf
Stunden nach der Befruchtung (SnB) unter Standardhaltungsbedingungen (27 bis
28.5° Celsius)
Das Tübinger Zebrafischzentrum empfiehlt Fütterung ab 120 SnB also ab Tag 6, um
optimale Wachstumsbedingungen zu schaffen (C. Nüsslein-Volhard und K. Dahm,
Zebrafish, Oxford University Press, (2002), 24f). Im Tübinger Max-Planck-Institut
wurden die Haltungs- und Fütterungsbedingungen für Zebrabärblinge über viele
Jahre optimiert, um die Tiere so effizient wie möglich für genetische Studien
hochzuziehen. Dabei spielen vor allem schnelles Wachstum und hohe
Überlebensraten eine wichtige Rolle. Die Beobachtung, dass durch Fütterung ab 120
SnB optimale Wachstumsbedingungen geschaffen werden, deutet daraufhin, dass ab
dann die zusätzliche Nahrungsaufnahme notwendig wird, da der Dotter
aufgebraucht ist. Im Verlauf des 6. Tages, also zwischen 120 SnB und 144 SnB, ist
auch zu beobachten, dass zwischen 50 und 60% der Larven frei zu schwimmen
beginnen. Damit wären erst ab 120 SnB die Voraussetzungen geschaffen, dass ein
substanzieller Teil der Tiere effektiv Jagd auf Nahrung wie Paramecien machen
können.
In einer vor kurzem erschienenen Arbeit von Belanger et al. werden Evidenzen
dargelegt, die belegen sollen, dass das Fressverhalten bereits zwischen 96 SnB und
120 SnB bei 75 bis 85% der Larven einsetzt (Tab. 1, Belanger et al., Aquatic
Toxicology 97, (2010), 88-95). In dieser Studie wurden Larven entweder mit
Einzellern, die mit
fluoreszenten
Nanopartikeln
markiert waren,
oder mit
autofluoreszenten
Einzellern
gefüttert. Bei 96
Tabelle 1 Prozent Embryonen die am Tag 4 (96SnB), am Tag 5 (120 SnB) und am
Tag 6 (144 SnB) nach Befruchtung Einzeller nach Fütterung im Magen hatten. SnB, 120 SnB und
CND deutet Messungen an, wo auf Grund der Autofluoreszenz keine
144 SnB wurde der
Nahrungsaufnahme nachgewiesen werden konnte. Tabelle von Belanger et al.,
Mageninhalt von
Aquatic Toxicology,, 97, (2010), 88-95
intakten Tieren mit Hilfe der Fluoreszenzmikroskopie untersucht. Die Autoren kamen
zum Ergebnis, dass bis 96 SnB noch kein Futter aufgenommen wurde. Erst bei 120
SnB konnte Fluoreszenz im Magen von Larven nachgewiesen werden. Es wurden
keine quantitativen Daten erhoben, wie viel gefressen wurde. Auch wurde nicht
geklärt wann das Fressen zwischen 96 und 120 SnB begonnen hat. Die Analysen
wurden zudem durch die Eigenfluoreszenz der Magen- und Darmgewebe behindert.
Es wurde auch nicht rigoros ausgeschlossen, dass Nanopartikel über die Atmung in
den Körper der Tiere gelangt sind. Es ist weiterhin bemerkenswert, dass die Zahl der
Tiere, die Futter aufgenommen haben, bei 144 SnB nicht 100% erreicht (Tab). Vor
120 SnB sitzen die meisten Larven noch auf dem Becherboden, da ihre
Schwimmblase noch nicht voll aufgeblasen ist und sie somit noch gar nicht
schwimmen bzw. nach Futter jagen können. Die Schlussfolgerungen von Belanger et
al., dass das aktive und gezielte Fressen zwischen 96 und 120 SnB signifikant
einsetzt, muss daher kritisch bewertet werden.
Die Tatsache, dass die Tiere optimal gedeihen wenn die Fütterung mit 120 SnB
beginnt, deutet daraufhin, dass die Futteraufnahme vor 120 SnB nicht notwendig ist.
Somit erscheint im Gesamten gesehen, die Futteraufnahme erst ab 120 SnB, also Tag
6, wirklich physiologisch relevant zu sein. Zu diesem Zeitpunkt schwimmen auch
mehr als 50% der Tiere frei. Somit sollten Tiere, wie bisher, erst ab 120 SnB unter
die Richtlinien des Tierschutzes fallen.
Prof. Dr. Uwe Strähle
Dr. Robert Geisler
European Zebrafish Resource Centre
Karlsruhe Institute of Technology
Updated: May 24th , 2011
Prof. Dr. Thomas Braunbeck
Centre for Organismal Studies
University of Heidelberg
Herunterladen