Barrierestörung beim atopischen Ekzem – Filaggrin

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Barrierestörung beim atopischen Ekzem
– Filaggrin-Gen als Verursacher
In der Pathogenese des atopischen Ekzems sind sowohl immunologische
Veränderungen als auch eine Störung der Hautbarriere entscheidend.
Mehrere Studien konnten nun eine genetische Ursache der Störung der
epidermalen Barriere identifizieren: eine Mutation im Filaggrin-Gen, dem „filament aggregating protein“. Bereits zuvor wurde gezeigt, dass ­
das Gen eine entscheidende Rolle bei der Entstehung der Ichthyosis
­vulgaris spielt.
A
ls Indikator der Barrierestörung ist
beim atopischen Ekzem in charak­
teristischer Weise sowohl über läsionaler
als auch nicht läsionaler Haut der trans­
epidermale Wasserverlust (TEWL) er­
höht. Auf der Suche nach den zugrunde
liegenden Mechanismen fand man Un­
terschiede in der Zusammensetzung der
Barrierelipide, die von den Keratinozyten
freigesetzt werden. Weiterhin wurden
strukturelle Veränderungen der Korneo­
zyten beobachtet.
Filaggrin bewirkt durch Aggregation
des Zytoskeletts eine Abflachung der
Zellen und spielt damit eine zentrale Rol­
le in der terminalen Differenzierung der
Keratinozyten zu kernlosen Korneozyten.
Diese bilden dachziegelartig übereinan­
der liegend das Stratum corneum und
damit die entscheidende äußerste epider­
male Schicht (Abb. 1). Filaggrin liegt in
den Keratohyalingranula des Stratum
granulosum als 400-kDa-Protein Pro­
filaggrin vor, welches im letzten Diffe­
renzierungsschritt im Stratum granulo­
sum durch proteolytische Prozessierung
in 10–12 Filaggrin-Polypeptide von ca.
37 kDa gespalten wird.
Bereits in den 80er-Jahren wurde
gezeigt, dass Ichthyose-Patienten (vgl.
Kasten) eine gestörte Filaggrin-Expressi­
on auf­weisen. Eine schottisch-irische
Ichthyosis vulgaris (OMIM 146700) ist die häufigste angeborene Verhornungsstörung mit einer Inzidenz von 1 : 250 bis
1 : 300. Sie manifestiert sich im Säuglings­
alter mit verstärkter Hauttrockenheit
und streckseiten­betonter weißlicher bis
bräunlicher Schuppung mit relativer
Aussparung der großen Beugen. Zusätzlich zeigen die Betroffenen häufig eine
Hyper­linearität der Palmae und Plantae
(„Ichthyosis-Hände“) sowie eine Kera­
tosis pilaris (reibeisenartige, follikuläre,
­hyperkeratotische Papeln an Oberarmund Oberschenkelstreck­seiten). Der
trans­epidermale Wasserverlust ist deutlich erhöht. Bei 35–50% der Betroffenen
sind ­Erkrankungen des ­atopischen Formenkreises, insbesondere ein atopisches
Ekzem assoziiert. Entzündliche Hautveränderungen bestehen nicht. Die Erkrankung ist subjektiv meist sym­ptomlos.
Die Arbeitsgruppe um Alan Irwine und
Irwin McLean wies in 15 Familien mit Ichthyosis vulgaris zwei Mutationen (R501X
und 2282del4) im Filaggrin-Gen nach, die
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Foto: Schnopp
Ursache der Ichthyosis vulgaris: Mutation im Filaggrin-Gen
Ichthyosis vulgaris bei einem Kind
einen Verlust des Genprodukts zur Folge
haben (Null-Mutationen). Die klinische
Heterogenität der Erkrankung spiegelt
den semi-dominanten Vererbungs­
modus wieder: Homozygote oder compound heterozygote (beide Allele betroffen, jedoch zwei verschiedenen Mutationen) Genträger zeigen eine ausgeprägte Symptomatik während hetero­
zygote Genträger nur leichte Symptome
der Erkrankung aufweisen. ­ rbeitsgruppe identifizierte nun in einer
A
aktuellen Studie Mutationen (R501X
und 2282del4) im Filaggrin-Gen, einem
Protein des epidermalen Differenzie­
rungskomplexes (Chromosom 1q21), als
Auslöser der Ichthyosis vulgaris in 15
Familien mit moderater bis schwerer
Ichthyosis ­vulgaris [2]. Aufgrund über­
lappender klinischer Charakteristika, lag
es nahe, die Häufigkeit von Mutationen
im Filaggrin-Gen bei Patienten mit ato­
pischem Ekzem zu untersuchen.
Filaggrin-Mutation bei
­Neurodermitis
Zur Bedeutung der Filaggrin-Mutationen
beim atopischen Ekzem liegt inzwischen
die Auswertung mehrerer Kohorten vor.
Übereinstimmend zeigten irische, schot­
tische, dänische [1] und deutsche [3]
Kinder mit atopischem Ekzem eine ge­
genüber Gesunden um ein Mehrfaches
erhöhte Frequenz der bisher bekannten
Mutationen im Filaggrin-Gen: Zwischen
15 und 50% der Patienten wiesen eine
der bekannten Mutationen auf, gegenü­
ber rund 8% in den entsprechenden
Kontrollgruppen. Damit liegt die Stärke
der Assoziation von Mutationen im Fil­
aggrin-Gen bei weitem über allen bisher
im Zusammenhang mit dem atopischem
Ekzem beschriebenen genetischen Prä­
dispositionsfaktoren.
Bei 52 irischen Kindern mit gesi­
chertem atopischen Ekzem lag die Allel­
frequenz für eine der Mutationen (FLG
R501X und 2282del4) mit 33% deutlich
über der Kontrollgruppe mit 4,2% (Odds
Ratio [OR] 13,4; p < 0,0001). Knapp
die Hälfte litt zusätzlich an einem Asth­
ma bronchiale. Im Folgenden wurden
604 schottische Schulkinder mit gesi­
chertem Asthma bronchiale (aus der
BREATHE-Studie) im Vergleich zu
1.008 unselektierten schottischen Schul­
kindern analysiert. 15,7% der asthma­
kranken Kinder hatten mindestens ein
Allel mit einer der obengenannten Filag­
grin-Mutationen, während dies nur bei
9,6% der Kontrollen der Fall war [1].
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein
asthmatisches Kind gleichzeitig eine Neu­
rodermitis hatte, korrelierte in dieser
Kohorte mit dem Nachweis von Muta­
tionen im Filaggrin-Gen: So hatten von
den Kindern mit mindestens einer Filag­
grin-Null-Mutation 72% gleichzeitig
pädiatrie hautnah 2·2007
Kurz gemeldet
Dauerhaft krank
In westlichen Ländern kommt es in­
zwischen bei rund 80% der krebskranken
Kinder zu einer kompletten Remission.
­Jedoch bleibt die Krankheit nicht ohne
Folgen: Wie Forscher nun fest­stellten,
­leiden die Patienten als Erwachsene häufig an chronischen Erkrankungen. In ihrer
Studie wurden rund 10.000 ehe­malige
Krebspatienten mit ­ihren ­ge­sunden Geschwistern verglichen. 62,3% litten an
mindestens einer, 37,6% an mindestens
zwei chronischen Erkrankungen, wie eine
weitere Krebserkrankung oder kardio­
vaskuläre Erkrankungen. Unter den Geschwistern waren dies nur 36,8% bzw.
13,1%. Besonders schwer betroffen waren
Patienten, die einen Knochen- oder ZNSTumor sowie Morbus Hodgkin überlebt
hatten. nz
Stratum corneum
Keratohyalingranula
Profilaggrin
Stratum granulosum
Stratum spinosum
Stratum basale
Abb. 1: Die epidermale Differenzierung
Symptome eines atopischen Ekzems ge­
genüber 46% der Kinder ohne nachge­
wiesene Filaggrin-Mutationen. Alle sie­
ben Kinder mit homozygoten FilaggrinMutationen zeigten die typischen Haut­
veränderungen.
Die erhöhte Wahrscheinlichkeit für
Filaggrin-Muationen bei Asthmatikern
gegenüber Kontrollen (OR 1,8; p =
0,0002) war auf die Untergruppe der
Asthmatiker mit koexistierendem ato­
pischen Ekzem zurückzuführen (OR 3,3;
p = 0,000013). Bei Asthmatikern ohne
atopisches Ekzem bestand keine Assozia­
tion mit Filaggrin-Muationen (OR 0,8).
In einem Editorial im Journal of
Investigative Dermatology (2006) spe­
kulieren Alan Irvine und Irwin McLean,
dass die epidermale Barrierstörung über
die erleichterte Penetration von unspezi­
fischen Antigenen, Allergenen und Ir­
ritanzien, die durch die Haut in Kontakt
mit dem Immunsystem treten, zumindest
bei einem Teil der Patienten die Entwick­
lung eines allergischen Asthma bronchi­
ale begünstigt.
Die Analyse einer deutschen Kohor­
te klinisch sehr gut charakterisierter Kin­
der mit atopischem Ekzem einschließlich
ihrer Eltern unterstützt diese These [3]:
Bei den 22,8% der Kinder, die mindes­
tens ein mutiertes Filaggrin-Gen aufwie­
sen, zeigte sich eine starke Assoziation
der Filaggrin-Mutationen mit dem Nach­
weis allergischer Sensibilisierungen und
erhöhtem Gesamt-IgE. Dagegen bestand
pädiatrie hautnah 2·2007
Oeffinger KC et al. N Engl J Med 2006; 355: 1572–82
keine signifikante Assoziation mit intrin­
sischen Formen.
Kommentar: Mutationen im Filaggrin-
Gen konnten als Ursache der Ichthyosis
vulgaris identifiziert werden. Sie liegen
bei ausgeprägtem Phänotyp meist in ho­
mozygoter oder compound heterozygoter
Form mit vollständigem Verlust von Fi­
laggrin vor. Eine verminderte FilaggrinExpression stellt über die Störung der
epidermalen Barriere einen Prädispositi­
onsfaktor für die Entwicklung eines ato­
pischen Ekzems und allergischer Sensi­
bilisierungen und damit möglicherweise
auch für die Entwicklung eines aller­
gischen Asthma bronchiale dar.
Dr. Christina Schnopp
1. Palmer CNA et al. Common loss-offunction variants of the epidermal
­barrier protein filaggrin are a major
predisposing factor for atopic derma­
titis. Nat Genet 2006; 38: 441–6
2. Smith FJD et al. Loss-of-function
­mutations in the gene encoding
­filaggrin cause ichthyosis vulgaris. Nat
­Genet 2006; 38: 337–42
3. Weidinger S et al. Loss-of-function
­variations within the filaggrin gene
predispose for atopic dermatitis with
allergic sensitizations. J Allergy Clin
Immunol 2006; 118: 214–9
Herpes-Screening
für alle Schwangeren?
Einige US-amerikanische Fachblätter forderten in jüngster Zeit die allgemeine
Einführung eines Herpes-simplex-Screenings von Schwangeren. Sie argumentierten, dass sich positiv getestete Frauen
einer antiviralen Prophylaxe unterziehen könnten, was eine Ansteckung des Kindes verhindert.
Dies würde rund ein Viertel
aller Schwangeren betreffen.
„Einen schlechten Einfall“
nennen Adam C. Urato und
Aaron B. Caughey von der University of South Florida das
Screening in einem Kommentar der Zeitschrift
Lancet. Zum einen
­liegen noch keine
Langzeitdaten zur
­Sicherheit von
Aciclovir bzw.
Valaciclovir bei
Schwangeren
vor, zum anderen ­wären die als
positiv getesteten
Frauen stigmatisiert
und Kaiserschnitte
­würden unkontrolliert in
die Höhe schnellen. Auch
konnten Kosten-Nutzen-Analysen keinen
finanziellen Vorteil des Screenings finden.
nz
Urato AC, Caughey AB. Lancet 2006; 368: 898–9
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