GfE-Nachrichten 286 GfE-Doktorandenpreis 2003 Analyse von Neuron-Glia Interaktionen in Drosophila Jan Pielage, Department of Biochemistry, GBDS, University of California, San Francisco Die direkte Interaktion zwischen Neuronen und Gliazellen ist für die Entwicklung, Plastizität und Funktion aller höheren Nervensysteme von großer Bedeutung. In bilateral symmetrischen Organismen dienen die Zellen der Mittellinie des zentralen Nervensystems (ZNS) als bedeutendes intermediäres Ziel für kommissurale Axone, die die beiden Seiten des Nervensystems verbinden. In Drosophila besteht die Mittellinie nur aus wenigen, sehr gut charakterisierten Neuronen und Gliazellen, die durch eine enge Interaktion gekennzeichnet sind[1[. Am Ende der Embyronalentwicklung migrieren die Mittelliniengliazellen entlang der Axone der Mittellinieneurone und trennen die anteriore und posteriore Kommissur voneinander. Der Verlust oder die Fehldifferenzierung der Mittelliniengliazellen führt zu einem charakteristischen ZNS Phänotyp (Abb. 1)[1]. Zur Identifizierung von Genen, die für die Entwicklung der Mittellinienzellen benötigt werden, wurde ein genetischer Screen nach Mutationen durchgeführt, die zu einem fusionierten Kommissurenphänotyp führen[2]. Während meiner Doktorarbeit habe ich zunächst eine Reihe dieser Mutationen phänotypisch und molekular charakterisiert, um Gene zu identifizieren, die unmittelbar an Neuron-Glia Inter- aktion beteiligt sind. Im Rahmen dieser Studien konnte ich Mutationen in zwei Genen beschreiben, die an der Festlegung des Zellschicksals der Mittellinienzellen beteiligt sind: single minded und schmalspur. Beide Gene kodieren für Transkriptionsfaktoren, die an der Entwicklung des embryonalen und adulten Nervensystems beteiligt sind[3] (PIELAGE und KLÄMBT, unveröffentlicht). Im Mittelpunkt meiner Arbeit stand die Analyse der beiden Gene klötzchen und kästchen, die direkt für die Interaktion zwischen Neuronen und Gliazellen benötigt werden. Mutationen in klötzchen führen zu einem Verlust der Polarität der Mittelliniengliazellen, so dass die Gliazellen sind nicht mehr in der Lage sind, die beiden Kommissuren voneinander zu trennen (Abb. 1 B). Die genetische und molekulare Analyse zeigte, dass in klötzchen mutanten Embryonen eine Komponente des Spectrin Cytoskeletts fehlt und so die Polarität der Gliazellen beeinträchtigt wird. Im Zuge der Analyse von klötzchen konnten wir zeigen, dass Discs lost, das durch ein Gen im ersten Intron von α-spectrin kodiert wird, für die Koordination der Zellproliferation, nicht aber für die Etablierung von Zellpolarität benötigt wird[4]. Während klötzchen für die Differenzierung und Zellformveränderungen in den Mittelli- niengliazellen gebraucht wird, ist kästchen möglicherweise direkt an der Kommunikation zwischen Neuronen und Gliazellen beteiligt. In kästchen mutanten Embryonen ist nicht nur die Migration der Mittelliniengliazellen gestört (Abb. 1 C), sondern auch die Migration der longitudinalen und peripheren Gliazellen. Ein Teil der Gliazellen beendet den Migrationsprozess vorzeitig, während andere Gliazellen über ihr Ziel hinauswandern. Die molekulare und klonale Analyse zeigte, dass kästchen ein konserviertes Transmembranprotein kodiert, das nicht autonom die Migration glialer Zellen terminiert[5]. Literatur [1] Klämbt, C., J.R. Jacobs, and C.S. Goodman (1991): The midline of the Drosophila central nervous system: a model for the genetic analysis of cell fate, cell migration, and growth cone guidance. Cell 64, 801–15 [2] Hummel, T., K. Schimmelpfeng, and C. Klämbt (1999): Commissure formation in the embryonic CNS of Drosophila. Dev Biol 209, 381–98 [3] Pielage, J., Steffes, G., Lau, D. C., Parente, B. A., Crews, S. T., Strauss, R. and Klämbt, C. (2002): Novel behavioral and developmental defects associated with Drosophila single-minded. Dev Biol 249, 283–99 [4] Pielage, J., Stork, T., Bunse, I., and Klämbt, C. (2003): The cell survival gene discs lost encodes a cytoplasmic Codanin-1 like protein, not a homolog of the tight junction PDZ-protein Patj. Dev Cell 5, 841–851 [5] Pielage, J., Kippert, A., Klämbt, C. (2004): The Drosophila gene kästchen controls the migration of glial cells (submitted) Korrespondenzadresse: Dr. Jan Pielage Department of Biochemistry, GBDS University of California, San Francisco 1550 4th Street San Francisco, CA 94143-2822 [email protected] Jan Pielage Abb. 1: Die Gene klötzchen und kästchen werden für die Trennung der Kommissuren benötigt. (A) In wildtypischen Embryonen ist ein Strickleiternervensystem zu erkennen. Die anteriore und posteriore Kommissur sind durch die interkalierende Migration der Mittelliniengliazellen voneinander getrennt worden. (B, C) In klötzchen und kästchen mutanten Embryonen sind die Mittelliniengliazellen nicht in der Lage die Kommissuren voneinander zu trennen, so dass es zu einem charakteristischen Kommissurenphänotyp kommt. Jahrgang 1973, 1993–1999 Studium der Biologie an der Universität Kaiserslautern, dem University College London und der Universität Münster. 1999–2002 Promotion am Institut für Neurobiologie bei Professor Klämbt, Münster, gefördert durch ein Doktorandenstipendium des Boehringer Ingelheim Fonds. Seit März 2003 Postdoc im Labor von Professor Graeme Davis an der University of California, San Francisco. BIOspektrum · 3/04 · 10. Jahrgang