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GfE-Doktorandenpreis 2005
Entstehung regionaler Unterschiede im
embryonalen ZNS von Drosophila
Christian Berger
Institut für Genetik, Johannes Gutenberg Universität, Mainz
Alle höheren Organismen weisen einen
segmentierten Körperbau auf. Oftmals fusionieren einzelne Segmente jedoch und bilden Funktionseinheiten, sogenannte Tagmata. Die Voraussetzungen für solche Tagmata werden bereits in der embryonalen
Entwicklung geschaffen – auch auf Ebene
des Zentralen Nervensystems (ZNS).
Das embryonale Nervensystem von Drosophila geht in jedem Hemisegment des
Rumpfes aus 30 neuralen Vorläuferzellen
(Neuroblasten, NB) hervor, die nach Gastrulation in einem räumlich und zeitlich
hochgeordneten Muster entstehen. Die individuelle Identität der NBs wird bereits im
Neuroektoderm über Positionsinformationen festgelegt, die durch Segmentpolaritätsgene (entlang der anterioposterioren
Achse), dorsoventrale Musterbildungsgene
und die homöotischen Gene vermittelt werden[1]. Darüber hinaus konnte ich zeigen,
dass ebenfalls extrinsische, über die Zeit
veränderliche Signale im Neuroektoderm an
der Spezifizierung der NBs beteiligt sind.
Die Natur dieser nicht zellautonom wirkenden Signale bleibt jedoch vorerst unbekannt[2].
Durch die Expression der Musterbildungsgene entlang der Körperachsen wird
das Neuroektoderm in eine Art Koordina-
tensystem unterteilt. Dieses Expressionsmuster ist in den Segmenten des Thorax und
Abdomen nahezu identisch, weshalb NBs,
die an gleichen Positionen entstehen, aber
in unterschiedlichen Segmenten, dieselbe
Identität erhalten – sie sind serielle Homologe. Dies spiegelt sich zum Beispiel in den
annähernd identischen Zellstammbäumen
wider, die diese NBs generieren. Dennoch
produzieren sieben dieser seriell homologen
NBs unterschiedliche Zellstammbäume.
Die Mechanismen, die zu diesen intersegmentalen Zelldiversitäten führen, habe ich
am Modellstammbaum NB6-4 untersucht.
Dieser NB produziert im Thorax Neurone
und Gliazellen, im Abdomen hingegen nur
Gliazellen (Abb. 1A, C). Bereits bekannt war,
dass homöotische Gene die segmentalen
Identitäten der NBs bestimmen[3]. In meiner Arbeit konnte ich nun zeigen, dass sie
dies im NB6-4 über die Regulation des Zellzyklusgens CyclinE (CycE) bewirken. Die
thorakale Variante des NB6-4 stellt dabei eine Grundidentität dar, die keine homöotische Genfunktion benötigt. Hier wird CycE
im NB exprimiert. Der Funktionsverlust von
CycE zeigte, dass es notwendig ist, neuronales Zellschicksal in thorakalen Segmenten
entstehen zu lassen (Abb. 1B). Die abdominale Identität des NB6-4 wird über die
Abb. 1: A, C. Seriell homologe Neuroblasten generieren tagmaspezifische Stammbäume. NB6-4 produziert Neurone (grün) und Gliazellen (magenta/weiss) im Thorax (A.) – nur Gliazellen im Abdomen (C.).
B. Funktionsverlust von CycE führt zum Verlust der Neurone – nur Gliazellen werden produziert.
D. Ektopische Expression von CycE in abdominalen Segmenten führt zur Bildung von Neuronen. CycE
ist notwendig und ausreichend, neuronales Schicksal zu induzieren. Homöotische Gene bewirken
diese tagmaspezifischen Unterschiede, indem sie den Zellzyklusregulator CycE differenziell regulieren
(siehe Schema).
BIOspektrum · 5/05 · 11. Jahrgang
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Funktion der homöotischen Gene abdominal-A und Abdominal-B bestimmt. Diese Gene reprimieren die Expression von CycE. Eine ektopische Expression von CycE im abdominalen NB6-4 führte zu einer Transformation des abdominalen Zellstammbaums
in einen thorakalen, Neurone und Glia generierenden Stammbaum. CycE ist demnach
auch ausreichend, neuronales Schicksal entstehen zu lassen (Abb. 1D). Faktoren, die normalerweise mit CycE interagieren, um den
Zellzyklus zu kontrollieren (z. B. dacapo,
dE2F, dRbf), zeigten keine ähnlichen Effekte[4]. Insofern könnte diese neue zelldeterminierende Funktion von CycE unabhängig von seiner Funktion im Zellzyklus
sein. Diese Hypothese wird zurzeit geprüft.
Somit konnte ich in meiner Doktorarbeit
zeigen, dass regionale Unterschiede im embryonalen ZNS von Drosophila über homöotische Gene und deren Regulation von CycE
vermittelt werden.
Literatur
[1] Technau G.M., Berger C., Urbach R. (2005):
Generation of cell diversity and segmental pattern in the
embryonic CNS of Drosophila. Dev Dyn (Submitted).
[2] Berger C., Urban J., Technau G.M. (2001):
Stage-specific inductive signals in the Drosophila neuroectoderm control the temporal sequence of neuroblast
specification. Development 128: 3243–3251.
[3] Prokop A., Technau, G.M. (1994): Early tagmaspecific commitment of Drosophila CNS progenitor
NB1-1. Development 111: 79–88.
[4] Berger C., Pallavi S.K., Prasad M., Shashidhara, L.S., Technau G.M. (2005): A critical role for
Cyclin E in cell fate determination in the central nervous
system of Drosophila. Nat Cell Biol 7: 56–62.
Korrespondenzadresse:
Dr. Christian Berger
Institut für Genetik
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Johannes-Joachim-Becherweg 32
D-55099 Mainz
[email protected]
Christian Berger
Jahrgang 1972,
1992–2000 Studium der
Biologie an der Universität Mainz. 2000–2004
Promotion am Institut
für Genetik bei Prof.
Technau. Projekt in Kooperation mit Prof Shashidhara am CCMB Hyderabad/Indien. Seit
2005 Postdoc im Labor
von Prof. Technau.
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