Regulation der Zellteilung in Caulobacter crescentus - Max

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Thanbichler, Martin | Regulation der Zellteilung
Tätigkeitsbericht 2008
Mikrobiologie/Ökologie
Regulation der Zellteilung in Caulobacter crescentus
Thanbichler, Martin;
Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie, Marburg
Selbständige Nachwuchsgruppe - Prokaryontische Zellbiologie (MPG)
Korrespondierender Autor
Thanbichler, Martin
E-Mail: [email protected]
Zusammenfassung
In den letzten Jahren wurden im Verlauf der Untersuchung zellulärer Organisation bei Bakterien große
Fortschritte gemacht. Es stellte sich heraus, dass Bakterien ähnlich wie Eukaryonten komplexe regulatorische Mechanismen besitzen, um molekulare Prozesse in ihrem Inneren räumlich und zeitlich aufeinander abzustimmen. Die Funktion solcher Systeme soll in diesem Bericht am Beispiel der Koordination von Chromosomensegregation und Zellteilung in Caulobacter crescentus veranschaulicht werden.
Abstract
Recent advances in the study of bacterial cell biology have demonstrated that bacteria use complex
regulatory mechanisms to ensure proper temporal and spatial regulation of cellular processes. In this
article, the complexity of such systems is illustrated by the molecular pathway that coordinates chromosome segregation with cell division in Caulobacter crescentus.
Einleitung
Bakterien gehören, evolutionär gesehen, zu den erfolgreichsten Organismen auf unserem Planeten
und sind in fast jeder ökologischen Nische in großer Artenvielfalt vertreten. Auf Grund ihrer überwiegend einzelligen Lebensweise und der Optimierung ihrer Physiologie auf hohe Energieeffizienz und
schnelle Wachstumsraten sind ihre Genome im Vergleich zu denen eukaryotischer Zellen sehr klein.
Dieser Umstand galt lange Zeit als Indiz für ein weitgehendes Fehlen intrazellulärer Organisation. Die
Verbesserung mikroskopischer Verfahren und eine Anpassung zellbiologischer Methoden an prokaryotische Systeme hat in den letzten Jahren jedoch ungeahnte Einblicke in die Struktur und Funktion
bakterieller Zellen ermöglicht. Dabei zeigte sich, dass Bakterien über zahlreiche molekulare Systeme
verfügen, die zuvor ausschließlich eukaryotischen Zellen zugeschrieben worden waren. Besonders
hervorzuheben ist unter anderem ihr reiches Repertoire an Zytoskelett-Elementen und dynamisch lokalisierten Proteinkomplexen, denen bei der räumlichen und zeitlichen Koordination zellulärer Prozesse
zentrale Aufgaben zufallen [1]. Die Fortschritte der letzten Jahre führten zur Etablierung einer zellbiologisch ausgerichteten Mikrobiologie, deren Ziel es ist, ein umfassendes Verständnis zellulärer Organisation in Bakterien zu erlangen.
Das Problem der Zellteilung
Ein grundlegende Fragestellung in der Zellbiologie ist der Mechanismus der Zellteilung, also der Spaltung einer einzelnen Mutterzelle in zwei oder auch mehrere Tochterzellen. Die Nachkommenschaft
muss dabei jeweils mit einer vollständigen Kopie der mütterlichen Erbinformationen ausgestattet
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werden, um lebensfähig zu sein. Voraussetzung dafür sind eine korrekte Replikation des mütterlichen
Chromosomensatzes, eine zuverlässige Verteilung der Kopien auf die zukünftigen Tochterzellen und
schließlich eine präzise Teilung der Mutterzelle zwischen den separierten Tochterchromosomen.
Um ein fehlerfreies Ablaufen der Zellteilung sicherzustellen, ist eine strikte räumliche und zeitliche
Koordination der beteiligten Prozesse erforderlich. Die dafür verantwortlichen regulatorischen Mechanismen wurden bisher außer an Escherichia coli [2] vor allem am Modellorganismus Caulobacter
crescentus untersucht.
Der Zellzyklus von C. crescentus
Ein charakteristisches Merkmal von C. crescentus ist dessen asymmetrische Zellteilung, die zur Entstehung von zwei morphologisch und physiologisch unterschiedlichen Tochterzellen führt [3]. Diese
Asymmetrie bildet den Ausgangspunkt für einen ungewöhnlichen Entwicklungszyklus, in dessen
Verlauf sich die begeißelte Tochterzelle zu einer Stielzelle differenziert (Abb. 1). Dazu wirft sie ihr
Flagellum ab und generiert an demselben Zellpol, der vorher das Flagellum trug, einen Stiel. Dieser
Entwicklungsschritt ist Voraussetzung für die Initiierung der Zellteilung, die anschließend über die
restlichen Stadien des Zellzyklus hinweg abläuft. Nach Bildung eines neuen Flagellums an dem Stiel
gegenüberliegenden Zellpol schnüren sich die beiden Tochterzellen voneinander ab. Dadurch entsteht
eine neue Schwärmerzelle sowie eine Stielzelle, die unmittelbar mit dem nächsten Teilungszyklus
beginnen kann. Dieser morphologische Zyklus ist eng mit der Dynamik der chromosomalen DNA
verknüpft [4]. Die Schwärmerzelle enthält exakt eine Kopie eines zirkulären Chromosoms, das die
gesamte Erbinformation von C. crescentus trägt. Dessen Replikation wird während der Differenzierung zur Stielzelle eingeleitet und dauert bis kurz vor Abschluss der Zellteilung an. Die beiden Kopien
werden dabei im Lauf ihrer Synthese sukzessive auf die beiden Hälften der Stielzelle aufgeteilt, sodass
nach deren medialer Teilung zwei Tochterzellen entstehen, die jeweils wieder eine Kopie des Chromosoms enthalten.
Abb. 1: Zellzyklus von C. crescentus. Eine Schwärmerzelle, die immer exakt eine Kopie des Chromosoms (blau)
enthält, differenziert sich nach Abwerfen des Flagellums zu einer Stielzelle. Diese initiiert die Replikation der
chromosomalen DNA, wächst in die Länge und teilt sich medial nach Bildung eines neuen Flagellums. Dadurch
werden eine Stielzelle und eine neue Schwärmerzelle freigesetzt, die beide jeweils wieder ein Chromosom tragen.
Die Stielzelle kann unmittelbar mit dem nächsten Teilungszyklus beginnen, während die Schwärmerzelle vor der
nächsten Zellteilung erst wieder den obligatorischen Differenzierungsschritt zur Stielzelle absolvieren muss.
Urheber: Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie/Thanbichler
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Organisation und Dynamik der chromosomalen DNA
Die Organisation bakterieller Chromosomen und die Dynamik ihrer Segregation waren bis vor kurzem
noch weitgehend ungeklärt. Vielfach wurde vermutet, dass chromosomale DNA zufällig in der Zelle verteilt ist und die beiden Schwesterchromosomen nach Abschluss der Chromosomenreplikation
passiv durch das Längenwachstum der Zelle voneinander separiert werden. Arbeiten an C. crescentus
trugen aber wesentlich dazu bei, diese Vorstellung zu revidieren [5]. Die Arbeiten basierten auf einem
Verfahren, das es erlaubt, beliebige Bereiche des Chromosoms mit fluoreszierenden Proteinen zu markieren und ihre Lokalisation in der Zelle anschließend mittels Fluoreszenzmikroskopie zu bestimmen.
Eine Analyse von 112 verschiedenen Bereichen, die über das gesamte Chromosom verteilt waren, und
die Auswertung von mehr als 50000 Zellen führte zu dem Schluss, dass chromosomale DNA eine
definierte Architektur aufweist, die jedem Gen eine bestimmte Position innerhalb der Zelle zuweist
(Abb. 2). Aufeinander folgende Abschnitte des Chromosoms sind dabei in kondensierter Form wie
Perlen auf einer Kette aneinandergereiht und ringförmig in der Zelle angeordnet. Der Replikationsursprung, also der Bereich des Chromosoms, in dem dessen Replikation beginnt, liegt dabei als Fixpunkt
am begeißelten Zellpol.
Abb. 2: Architektur chromosomaler DNA in C. crescentus. A Schematische Darstellung der Organisation
chromosomaler DNA in der Zelle. Der Replikationsursprung (ori) und der Terminus des Chromosoms (ter) sind
an gegenüberliegenden Zellpolen positioniert, während alle anderen Bereiche des Chromosoms in kondensierter Form als ringförmige Struktur zwischen diesen beiden Punkten angeordnet sind. B Position verschiedener
chromosomaler Abschnitte in der Zelle. Definierte Regionen des Chromosoms wurden mithilfe fluoreszierender
Proteine markiert und anschließend mittels Fluoreszenzmikroskopie in der Zelle lokalisiert. Jeder Punkt des
Graphen repräsentiert den Durchschnitt von Werten, die aus der Analyse von 500 Zellen mit identischer Markierung resultierten.
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Das verwendete Markierungsverfahren ermöglichte es auch, die Bewegung von chromosomalen
Bereichen während des Replikationsprozesses zu verfolgen. Diese Studien zeigten, dass die beiden
Kopien des Replikationsursprungs unmittelbar nach ihrer Entstehung voneinander separiert werden,
indem eine von ihnen schnell und in gerichteter Weise zum gegenüberliegenden Zellpol wandert. Ein
ähnliches Verhalten wurde auch für andere chromosomale Abschnitte beobachtet. In allen untersuchten
Fällen verblieb eine der beiden Kopien an ihrer ursprünglichen konservierten Position, während die
andere kurz nach ihrer Synthese an die entsprechende Position in der gegenüberliegenden Zellhälfte
bewegt wurde. Diese Ergebnisse führen zu dem Schluss, dass in Bakterien – anders als in Eukaryonten
– die Segregation neu synthetisierter DNA schon während der Replikation erfolgt und die definierte
Architektur des Chromosoms im Zuge der Segregation duplizierter Chromosomenabschnitte etabliert
wird. Der molekulare Mechanismus, der für die Segregation der Chromosomen verantwortlich ist, ist
Gegenstand intensiver Forschung, aber bisher noch ungeklärt.
Positionierung des Zellteilungsapparats
Es zeigte sich, dass die Architektur und Dynamik des Chromosoms in C. crescentus einen entscheidenden Einfluss auf die Positionierung des Zellteilungsapparats und somit auf das korrekte Ablaufen
der Zellteilung haben. Die Einschnürung der Zelle wird durch einen Multienzymkomplex vermittelt,
der als ringförmige Struktur an der Zellteilungsebene vorliegt [6]. Die Stelle, an der sich dieser Komplex formt, wird im Wesentlichen durch die Position des Proteins FtsZ bestimmt. Es handelt sich hierbei um ein zum eukaryotischen Tubulin homologes Protein, das den zukünftigen Ort der Zellteilung
in Form von zellumspannenden, polymeren Filamenten markiert. FtsZ rekrutiert direkt und indirekt
alle anderen Komponenten des Zellteilungsapparats und spielt eine entscheidende katalytische Rolle
beim anschließenden Konstriktionsprozess. Die regulatorischen Mechanismen, die FtsZ den Weg zur
Zellteilungsebene weisen, waren in C. crescentus lange Zeit unbekannt. Vor kurzem konnte jedoch
das Protein MipZ als zentraler Regulator der Zellteilung in diesem Bakterium identifiziert werden [7].
Zellbiologische und biochemische Analysen zeigten, dass MipZ über ein Adapterprotein namens ParB
mit einem bestimmten Bereich des Chromosoms in der Nähe des Replikationsursprungs interagiert.
Genauso wie der Replikationsursprung befindet sich das Protein daher in Schwärmerzellen am begeißelten Zellpol, während es in späteren Stadien des Zellzyklus an beiden Polen der Zelle nachweisbar
ist (Abb. 3). Im Gegensatz zu ParB, das einen klar definierten, punktförmigen Komplex bildet, ist
der Regulator MipZ jedoch in Form eines Gradienten in der Zelle verteilt, wobei seine Konzentration
an den Zellpolen am höchsten ist und zur Zellmitte hin langsam abnimmt. Es zeigte sich, dass MipZ
die Polymerisierung des Zellteilungsproteins FtsZ inhibiert. Eine effiziente Assemblierung des Zellteilungsapparats ist daher nur in Bereichen der Zelle möglich, die kein MipZ aufweisen, also in der
Regel in der Zellmitte. Dieser Mechanismus stellt sicher, dass die Teilung der Zelle erst nach Beginn
der Chromosomenreplikation und -segregation eingeleitet wird und exakt zwischen den beiden neu
entstehenden Kopien des Chromosoms stattfindet.
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Abb. 3: Modell der Koordination von Chromosomensegregation und Zellteilung durch MipZ. Die Schwärmerzelle enthält ein Chromosom, dessen Replikationsursprung am begeißelten Zellpol positioniert ist. MipZ
interagiert über das Adapterprotein ParB mit einem bestimmten Bereich des Chromosoms in der Nähe des Replikationsursprungs und wird so ebenfalls an den begeißelten Pol rekrutiert. Die inhibitorische Wirkung von MipZ
auf die Polymerisation von FtsZ führt dazu, dass sich FtsZ am gegenüberliegenden Pol sammelt (A). Der Beginn
der Chromosomenreplikation führt zur Duplikation des Replikationsursprungs. Beide Kopien werden sofort
wieder mit MipZ und ParB besetzt. Im Zuge der Chromosomensegregation bewegt sich einer der beiden Komplexe an das gegenüberliegende Ende der Zelle, während der andere am Ausgangspunkt verbleibt (B). Durch
die Positionierung von MipZ an beiden Zellpolen verschiebt sich das Konzentrationsminimum von MipZ (C). Es
kommt zur Depolymerisation von FtsZ (C) und zur Bildung neuer FtsZ-Filamente in der Zellmitte, wo nun der
inhibitorische Einfluss von MipZ am geringsten ist (D).
Urheber: Nach [7], Wiedergabe mit Einverständnis des Elsevier Verlags
Genomanalysen zeigen, dass MipZ in einer Vielzahl von Bakterien konserviert vorliegt und daher den
Prototyp einer neuen Familie von Zellteilungsregulatoren darstellt [8]. Das Lokalisationsmuster von
MipZ ist das erste Beispiel für einen stabilen Proteingradienten in Bakterien. Da in bakteriellen Zellen
reine Diffusionsgradienten auf Grund ihrer geringen Ausmaße nicht über längere Zeit aufrecht erhalten
werden können, müssen in diesem Fall Prinzipien zur Anwendung kommen, die bislang unbekannt
sind. Aktuelle Ergebnisse deuten darauf hin, dass trotz der konstanten Dimensionen des Gradienten ein
schneller Austausch von MipZ-Molekülen stattfindet, der über die Bindung und Hydrolyse von ATP
reguliert wird. Wie diese Dynamik zur Etablierung des beobachteten Gradienten beiträgt, wird gegenwärtig im Detail untersucht.
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Literaturhinweise
[1] M. Thanbichler, L. Shapiro:
How bacterial cells move proteins and DNA.
Nature Reviews Microbiology 6, 28-40 (2008).
[2] J. Lutkenhaus:
Assembly dynamics of the bacterial MinCDE system and spatial regulation of the Z ring.
Annual Review of Biochemistry 76, 539-562 (2007).
[3] J. S. Poindexter:
Biological properties and classification of the Caulobacter group.
Bacteriological Reviews 28, 231-295 (1964).
[4] M. Thanbichler, L. Shapiro:
Chromosome organization and segregation in bacteria.
Journal of Structural Biology 156, 292-303 (2006).
[5] P. H. Viollier, M. Thanbichler, P. T. McGrath, L. West, M. Meewan, H. H. McAdams, L. Shapiro:
Rapid and sequential movement of individual chromosomal loci to specific subcellular locations
during bacterial DNA replication.
Proceedings of the National Academy of Sciences USA 101, 9257-9262 (2004).
[6] N. W. Goehring, J. Beckwith:
Diverse paths to midcell: Assembly of the bacterial cell division machinery.
Current Biology 15, R514-R526 (2005).
[7] M. Thanbichler, L. Shapiro:
MipZ, a spatial regulator coordinating chromosome segregation with cell division in Caulobacter.
Cell 126, 147-162 (2006).
[8] W. Margolin:
Bacterial division: Another way to box in the ring.
Current Biology 16, R881-R884 (2006).
Drittmittelfinanzierung
DFG, Humboldt-Stiftung, DAAD, Higher Education Commission (Pakistan)
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