Adressierungsfreie Quanten-Zellularautomaten - Max

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Vollbrecht, Karl-Gerd et al. | Adressierungsfreie Quanten-Zellularautomaten
Tätigkeitsbericht 2007
Adressierungsfreie Quanten-Zellularautomaten
Vollbrecht, Karl-Gerd; Wolf, Michael;
Max-Planck-Institut für Quantenoptik, Garching
Korrespondierender Autor
Vollbrecht, Karl-Gerd
E-Mail: [email protected]
Zusammenfassung
Quanten-Zellularautomaten bieten eine mögliche Realisierung von Quanten-Computern, die ohne
lokale Adressierung auskommt. Die Quanteninformation wird dabei delokalisiert gespeichert und
verarbeitet – das System bleibt stets translationssymmetrisch. Physikalisch lassen sich solche Zellularautomaten in optischen Gittern realisieren.
Abstract
Quantum cellular automata provide possible realizations of quantum computers without the need of
local addressing. The storage and processing of quantum information is then completely delocalized
such that the system remains translationally invariant throughout. Possible physical implementations
can be atoms trapped in optical lattices.
Adressierungsfreie Quanten-Zellularautomaten.
Die Regeln, die in der Welt der Quantenteilchen gelten, widersprechen unserer Intuition und unseren
Erfahrungen aus der Alltagswelt. Auf ähnliche Überraschungen stößt man, wenn man von der klassischen Informationstheorie zur Theorie der Quanteninformationsverarbeitung übergeht: der Speicherung von Information auf und Übertragung zwischen so genannten Quantenbits. Die Grundpfeiler für
die Quanteninformationstheorie schuf der amerikanische Informationstheoretiker Peter Shor (1994)
mit der Entwicklung eines Algorithmus, der es erlaubt, sehr große Zahlen in ihre Primfaktoren zu
zerlegen. Der Algorithmus erzielt seine besondere Effektivität durch die Ausnutzung eines Phänomens,
das nur Quantenteilchen eigen ist: mehrere Input-Werte können gleichzeitig verarbeitet werden, indem
man ihre Zustände kohärent überlagert. Dadurch und durch eine geschickte Ausnutzung von Quantenkorrelationen sind Quanten-Computer in der Lage Probleme zu lösen, welche die Möglichkeiten klassischer Rechnerarchitekturen sprengen, da hier die Zahl der notwendigen Speichereinheiten exponentiell mit der Länge des Problems anwächst. Zu dieser Art von Problemen zählen z.B. das Faktorisieren
großer Zahlen und andere zahlen- und gruppentheoretische Probleme, oder das Potenzieren großer
Matrizen und das Berechnen von Knoteninvarianten. Eine vor allem für Geheimdienste interessante
Anwendung des Shor’schen Algorithmus ist die dadurch mögliche Dekodierung von verschlüsselten
Daten.
In der klassischen Informationstheorie werden Bits und Bytes unabhängig davon definiert, wie sie
physikalisch implementiert werden. Universelle Turing-Maschinen oder Zelluläre Automaten bieten
von der Physik losgelöste Konzepte zur Datenverarbeitung. Dieser hohe Grad der Abstraktion erlaubt
es, Informationstheorie als ein übergeordnetes Konzept zu betreiben, statt für jedes physikalische
System eine eigene Informations- und Datenverarbeitungstheorie zu entwerfen. Die Erfolge dieses
Ansatzes sind unbestritten und haben einen nicht zu vernachlässigen Beitrag für den Übergang in das
heutige Informationszeitalter geleistet.
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Die Quanten-Informationstheorie versucht, nach dem klassischen Vorbild eine neue Abstraktion
der Begriffe der Quanteninformation und der Quantenverarbeitung losgelöst von deren physikalischen
Implementierungen zu definieren. Dabei tritt das Quanten-Bit (Qubit) an die Stelle des klassischen
Bits: ein abstrahierter zwei-dimensionaler Hilbertraum, der neben den klassischen Zuständen 0 und 1
auch sämtliche Überlagerungen (Superpositionen) der beiden Zustände zulässt (siehe Abb.1).
Abb. 1: Während ein klassisches Bit (links dargestellt) lediglich die Werte 0 oder 1 annehmen kann,
bildet der Raum der möglichen Werte eines Qubits eine Vollkugel („Bloch-Sphäre“, rechts) mit den
klassischen Werten als Pole.
Urheber: Max-Planck-Institut für Quantenoptik
Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Konzepte und Modelle, wie Quanten-Datenverarbeitung gestaltet werden kann: schaltkreisbasierte Quantencomputer, Quanten-Turingmaschinen, messbasierte
Quantencomputer, adiabatische Grundzustands-Quantencomputer, etc. Für all diese Konzepte stellt
sich die Frage nach ihrem theoretischen rechnerischen Potential sowie nach möglichen physikalischen
Realisierungen. Ein weiteres Modell ist der Quanten-Zellularautomat, der sowohl als theoretisches
Konzept in Analogie zum klassischen Zellulären Automaten als auch als konkreter Implementierungsvorschlag in optischen Gittern von Interesse ist.
Zellularautomaten kann man sich als ein Netz von miteinander verbundenen autonomen kleinen
Einheiten, den Zellen, vorstellen. Übergangsregeln, die nur von der Wechselwirkung mit den nächsten Zellen-Nachbarn abhängen, legen fest, wie sich der interne Zustand der Zelle mit der Zeit ändert.
Anhand dieser Regeln wird der interne Zustand für alle Zellen gleichzeitig nach festen diskreten
Taktzyklen neu berechnet. Bereits unter Verwendung relativ einfacher Übergangsregeln zeigen die
Zellen als Verbund ein komplexes Verhalten. Sie können als universelle Rechenmaschinen dienen,
deren unterschiedliche Rechenprogramme bereits in die Anfangszustände der einzelnen Zellen kodiert
werden. Aufgrund der dadurch erzielten massiven Parallelität sind Zellularautomaten für die Lösung
bestimmter Probleme besser geeignet als z.B. Turing Maschinen.
Ein Quanten-Zellularautomat besteht nun ebenfalls aus solchen vernetzten elementaren Zellen, deren
interner Zustand jeweils durch ein Quantensystem beschrieben wird. Die Definition einer Übergangsregel ist hier weitaus schwieriger als beim klassischen Analogon. Um die zugrunde liegende Quantenstruktur auszunutzen, sollten solche Übergangsregeln in der Lage sein, Verschränktheit zwischen
verschiedenen Zellen zu erzeugen. Operationen, die Verschränktheit erzeugen, vertauschen aber im
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Allgemeinen nicht miteinander, so dass es hier eine Rolle spielt, in welcher Reihenfolge die Übergangsregel auf die einzelnen Zellen angewendet wird. Dies verträgt sich aber nicht mit dem charakteristischen Merkmal, das einen klassischen Zellularautomaten von einem herkömmlichen Rechner
unterscheidet: die Übergangsregeln gleichzeitig auf alle Zellen anzuwenden.
Die Definition eines Quanten-Zellularautomaten verzweigt sich darum an dieser Stelle in eine Vielzahl möglicher Ansätze. Für jedes dieser Modelle stellt sich unter anderem die Frage, ob es dieselben,
bessere oder schlechtere rechnerische Möglichkeiten als ein schaltkreisbasierter Quantencomputer
erlaubt. Ein Ansatz besteht z.B. darin, nur solche Übergangsregeln zuzulassen, deren zugehörige Operationen miteinander vertauschen. Dies stellt aber eine so massive Einschränkung dar, dass es fraglich
ist, ob noch das volle Potential der Quantentheorie ausgenutzt werden kann.
Die klassische Informationstheorie basiert auf der Adressierbarkeit der kleinsten Speichereinheiten.
Bei der experimentellen Realisierung von Quanten-Bits kann sich diese schwierig gestalten oder
sogar ausgeschlossen sein. Eine der viel versprechenden Möglichkeiten zur Darstellung von QuantenZellularautomaten stellen z.B. Atome in optischen Gittern dar. Ein optisches Gitter entsteht durch eine
Überlagerung gekreuzter Laserstrahlen in der Art, dass ein Lichtfeld entsteht, dessen Form an einen
Eierkarton erinnert. Neutrale Atome können in den Vertiefungen dieses Feldes festgehalten werden
und bilden so eine regelmäßige Struktur. Jedes Atom mit seinen internen Zuständen kann als eine einzelne Zelle eines Quanten-Zellularautomaten betrachtet werden. Durch Veränderung der Parameter des
optischen Gitters (indem Intensität und Wellenlänge des Laserlichtes modifiziert werden) sowie durch
Anwendung zusätzlicher elektromagnetische Felder können eine Vielzahl von möglichen Übergangsregeln realisiert werden. Die Atome sind dabei allerdings sehr dicht beieinander, so dass die Adressierung einzelner Atome an die experimentellen und auch physikalischen Grenzen stößt. Die Präpäration
von komplizierten Anfangszuständen sowie das Messen einzelner Zellen gestalten sich hier daher als
schwierig.
Das Konzept des Zellulären Automaten wird daher an dieser Stelle so modifiziert, dass der Zwang zur
Adressierbarkeit umgangen wird. Das bedeutet auch, dass die Rechenprogramme nicht mehr in den
Anfangszustand der einzelnen Zellen kodiert werden. Vielmehr wird der Startzustand so festgelegt,
dass alle Zellen einheitlich in demselben Zustand‚ z.B. ‚0‘ sind. Auch das Ergebnis einer Berechnung
muss daher durch eine kollektive globale Messung ausgelesen werden, ohne dabei einzelne Zellen zu
adressieren. Die Übergangsregel hingegen darf nun von Schritt zu Schritt geändert werden. Die Möglichkeiten eines solchen adressierungsfreien Zellularautomaten scheinen im Vergleich zu der adressierbaren Bauart sehr beschränkt. Da sowohl der Ausgangszustand symmetrisch, d.h. für alle Zellen gleich
ist, als auch die Übergangsregeln translationssymmetrisch sind, d.h. auf alle Zellen in der gleichen
Weise wirken, lassen sich auch nur Zustände erzeugen, die selbst wieder translationssymmetrisch sind.
Im klassischen (deterministischen) Fall würde das eine sehr starke Einschränkung bedeuten, denn hier
verfügt jede Zelle nur über eine begrenzte Anzahl von Zuständen, so dass keine komplexen Berechnungen mehr möglich sind. In einem adressierungsfreien Quanten-Zellularautomat skaliert hingegen
die Anzahl der möglichen translationssymmetrischen Zustände weiterhin mit der Anzahl der Zellen,
wenn auch weit weniger stark als ohne diese Einschränkung. Da aber der (reduzierte) Zustand aller
Zellen gleich ist, können nicht in verschiedene Zellen unterschiedliche Informationen kodiert werden.
Es muss daher ein neues Konzept gefunden werden, mit dem mehrere Qubits gleichzeitig realisiert und
verarbeitet werden können.
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Um Informationen auszulesen, kann man einen Lese/Schreibe-Kopf – realisiert durch eine Störstelle –
über das Gitter der Speicherzellen laufen lassen. Dieses Verfahren setzt aber voraus, dass die Störstelle
adressierbar ist, was z.B. bei neutralen Atomen in optischen Gittern nicht machbar ist. Die Stärke der
Quantenmechanik liegt in der Möglichkeit, verschiedene Zustände miteinander zu überlagern. So ist es
möglich, einen beliebigen, auf wenige Zellen beschränkten Zustand (i.e. die Störstelle) in einen globalen (translationssymmetrischen) Zustand zu überführen, indem man ihn durch eine Superposition aus
allen möglichen verschobenen Versionen des Ausgangszustandes ersetzt. Es wird also global (in allen
Zellen) eine Überlagerung von einem Defekt und einem normalen Zustand erzeugt, und die Information wird relativ zu dem delokalisierten Defekt gespeichert.
Eine Idee ist nun, einen kompletten Quantencomputer bzw. eine Quanten-Turingmaschine nach diesem
Konzept aufzubauen. Eine solche Quanten-Turing-Maschine besteht aus einer bestimmten Menge
von Daten-Qubits und einem Lese/Schreibe-Kopf. Dies kann zum Beispiel auf einem Quanten-Zellularautomaten mit Zellen, die jeweils drei Qubits beinhalten, realisiert werden (siehe Abb.2).
Abb. 2: Eine Quanten-Turingmaschine (oben dargestellt) besteht aus einer bestimmten Menge von
Daten-Qubits und einem Lese/Schreibe-Kopf. Diese kann auf einem Quanten-Zellularautomaten mit
Zellen, die jeweils drei Qubits beinhalten, realisiert werden (unten). Das unterste Qubit eine Zelle ist
jeweils das Daten-Qubit, das zweite Qubit definiert die An- bzw. Abwesenheit des Schreibkopfes und
das dritte Qubit erlaubt die Speicherung eines internen Zustandes des Schreibkopfes.
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Das erste Qubit ist jeweils das Daten-Qubit, das zweite Qubit definiert die An- bzw. Abwesenheit des
Schreibkopfes und das dritte Qubit erlaubt die Speicherung eines internen Zustandes des Schreibkopfes. Der symmetrisierte Zustand besteht aus der Superposition von allen möglichen Positionen, an
der diese Quanten-Turing-Maschine sitzen könnte, d.h. man erhält eine Art delokalisierte QuantenTuringmaschine (siehe Abb.3). Um diese Quanten-Turing-Maschine zu betreiben, muss sich der Lese/
Schreibe-Kopf bewegen und mit den Daten-Qubits wechselwirken können. Diese Aufgabe lässt sich
leicht in die jeweiligen Übergangsregeln für den Quanten-Zellularautomaten übersetzen. Da die DatenQubits nur mit dem Kopf wechselwirken und nicht miteinander, vertauschen die Übergangsregeln
der einzelnen Zellen miteinander.
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Abb. 3: Da die Position des Lese/Schreibe-Kopfes nun durch einen Quantenzustand beschrieben wird,
kann man
alle möglichen verschiedenen Positionen des Kopfes überlagern. Obwohl im so entstandenen Superpositionszustand der Lese/Schreibe-Kopf vollkommen delokalisiert ist, bleibt die Quanten-Turingmaschine weiterhin funktionstüchtig
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Man erhält so eine Superposition von Quanten-Turingmaschinen, die alle gleichzeitig dieselbe Berechnung durchführen, d.h. eine voll funktionstüchtige delokalisierte Quanten-Turingmaschine. Das Auslesen der Daten-Qubits nach Beendigung des Rechenvorgangs lässt sich ebenfalls ohne Adressierung
durchführen. Man muss nur durch eine entsprechende Übergangsregel das gewünschte Daten-Qubit
in den internen Speicher des Kopfes transferieren. Dessen Zustand kann dann global ausgelesen und
davon ausgehend auf den Zustand des Daten-Qubits zurück geschlossen werden. Die einzelnen DatenQubits sind hier nicht in den einzelnen Zellen des Quanten-Zellularautomaten gespeichert, sondern in
dem kollektiven Superpositionszustand kodiert. Dasselbe Konzept funktioniert auch, wenn man statt
nur einer solchen Quanten-Turingmaschine mehrere Quanten-Turingmaschinen im Quanten-Zellularautomaten implementiert und symmetrisiert.
Dieser Ansatz bietet also die Möglichkeit, trotz der Translationssymmetrie mehrere verschiedene
Qubits zu kodieren und zu verarbeiten. Die Frage bleibt, wie es möglich ist, die notwendige Anfangsstruktur zu erzeugen. Eine Möglichkeit besteht darin, alle Zellen in eine Überlagerung von ‚Kopf
Anwesend‘ und ‚Kopf Abwesend‘ zu bringen, welches leicht aus dem Anfangszustand erreicht werden
kann. Dieser Zustand verhält sich dann genau so, als hätte man zufällig Lese/Schreibköpfe auf die
Zellen verteilt. Bei geeigneter Wahl der Amplituden von ‚Kopf Anwesend‘ und ‚Kopf Abwesend‘,
sind diese Köpfe im Mittel weit auseinander, so dass sie sich nicht gegenseitig behindern.
Im Ergebnis erhält man einen adressierungsfreien Quanten-Zellularautomaten, der in der Lage ist,
eine Superposition von verschiedenen Konfigurationen von delokalisierten Quanten-Turing-Maschinen
effektiv zu simulieren. Er hat damit dieselben rechnerischen Möglichkeiten wie ein herkömmlicher
Quantencomputer, ist aber physikalisch viel leichter umzusetzen.
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