TWINCORE Experimentelle Virologie Direktor: Prof. Dr. Thomas Pietschmann Tel.:0511/220027130 • E-Mail: [email protected] • http://www.helmholtz-hzi.de/translation/ Forschungsprofil Die Abteilung für Experimentelle Virologie hat im Oktober 2007 ihre Arbeit am Twincore aufgenommen. Seither ist die Abteilung von fünf Mitarbeitern auf elf angewachsen. Die Finanzierung wird überwiegend mit Hilfe von Drittmitteln sichergestellt. Doktorandinnen der Abteilung sind in die regionalen Graduiertenschulen der Hannover Biomedical Research School (HBRS) integriert. Die Mitarbeiter tragen aktiv zur Graduiertenausbildung in den entsprechenden Programmen bei. Im Zentrum des wissenschaftlichen Interesses der Abteilung steht die Entwicklung und der Einsatz von Zellkulturmodellen zur Untersuchung der Replikation des Hepatitis C Virus (HCV). Die Infektion mit HCV, das zur Familie der Flaviviren gehört, ist eine der Hauptursachen für chronische Erkrankungen der Leber. Nach Schätzungen der WHO hatten weltweit bis zu 170 Millionen Menschen Kontakt mit dem Virus. Von diesen gelten rund 100 bis 130 Millionen Menschen als chronisch infiziert. Das Ziel unserer Arbeit ist die Erforschung der molekularen Mechanismen der Vermehrung des HCV in Leberzellen. Wir untersuchen insbesondere die frühen Schritte der HCV Infektion, welche die Aufnahme des Virus in Leberzellen vermitteln. Darüber hinaus analysieren wir die Abläufe, die zur Verpackung des viralen Erbguts in Nachkommenviren und deren Ausschleusung aus der Wirtszelle führen. Auf diese Weise sollen wesentliche Grundlagen der Infektionsstrategie dieses humanpathogenen Erregers erarbeitet werden und so neue Ansatzpunkte und Perspektiven für die Entwicklung von Therapien sowie deren Überprüfung entstehen. In „Twinning-Projekten“ mit Partnern an der Medizinischen Hochschule Hannover und dem Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig setzen wir das HCV Zellkultursystem ein, um neue Wirkstoffe zu identifizieren und charakterisieren, welche die Vermehrung des HCV stören. Im Rahmen des Verbundprojekts der Helmholtz-Allianz Immuntherapie von Krebserkrankungen ist die Abteilung seit 2008 an der Entwicklung einer Immuntherapie zur Behandlung von HCV und HCV-assoziiertem hepatozellulärem Karzinom beteiligt. Forschungsprojekte Untersuchungen zur Morphogenese des Hepatitis C Virus HCV besitzt ein plussträngiges RNA Genom, das für ein langes Polyprotein kodiert. Die einzelnen Virusproteine entstehen durch proteolytische Spaltungen, die von viralen und zellulären Proteasen vermittelt werden. Die Freisetzung der einzelnen Virusproteine ist exakt reguliert, um eine abgestimmte Genomreplikation, -verpackung sowie Viruspartikelbildung zu gewährleisten. Da Translation, RNAReplikation und RNA-Verpackung jeweils auf die genomische virale RNA zugreifen, ist eine präzise 798 Forschungsbericht 2008 TWINCORE Koordinierung dieser Prozesse von entscheidender Bedeutung. Hierbei spielen nicht nur Virus- und Wirtszellproteine sondern auch die Eigenschaften der viralen RNA mit ihren Sekundärstrukturen, die als wichtige Erkennungsstellen dienen, eine wichtige Rolle. Die HCV RNA-Replikation wird direkt von den Virusproteinen initiiert, welche vorher von der jeweiligen HCV RNA translatiert wurden. Die RNA Replikation ist demnach ein „cis“-aktiver Vorgang. Lediglich HCV NS5A, ein RNA bindendes Phosphoprotein, kann auch wenn es von einer nicht viralen RNA gebildet wird, zur HCV RNA Replikation beitragen und ist deswegen auch „trans“-aktiv. Neben diesen Befunden zur Assemblierung und Architektur des HCV Replikationskomplexes wurden in den vergangenen Jahren verschiedene cis-aktive RNA Elemente identifiziert, die das Virus für die RNA-Replikation benötigt. Die Rolle cisaktiver Determinanten bei der Virusproduktion war bislang nicht untersucht worden und steht im Vordergrund unseres Interesses. Ein Ziel dieses Projekts besteht darin, mögliche Verpackungssignale auf der viralen RNA zu identifizieren und charakterisieren. Zu diesem Zweck haben wir ein sogenanntes Abb. 1: Etablierung von HCV Verpackungszelllinien zur Herstellung von HCV-TCP Viren. (A) Schematische Darstellung des HCV Genoms, des HCV Replikons sowie der lentiviralen Vektoren Trans-Komplementations-System aufgebaut, bei dem die Virusproduktion einer Mutante durch ein geeignetes Helfervirus in „trans“ komplementiert wird. Auf diese Weise konnten wir belegen, dass HCV Minigenome, denen die kodierende Region für die Strukturproteine (Core, E1, E2) sowie für p7 und NS2 fehlt, durch Helferviren verpackt werden können. Dementsprechend beinhaltet dieser Genomabschnitt (Core-NS2) keine essentiellen Verpackungssignale. Diesen Befund machten wir uns zunutze, um stabile Verpackungszelllinien für die Herstellung von nicht ausbreitungsfähigen, „single round infectious“, HCV Partikeln zu etablieren [Abbildung 1]. Zunächst wurden durch lentiviralen Gentransfer humane Huh-7 Hepatomazellen etabliert, welche konstitutiv HCV Core, E1, E2, p7 und NS2 produzieren. Hierbei wurde die HCV kodierende Region in zwei getrennte genetische Elemente (C-E1- und E2-p7-NS2) zerlegt. Wir konnten zeigen, dass nach Transfektion von HCV Replikons in diese Zellen sogenannte HCV trans-komplementierte Partikel (HCV-TCP) entstehen, welche in der Lage sind das Replikon auf naive Zielzellen zu übertragen. Da die genetische Information des Virus auf drei getrennte Kassetten aufgeteilt ist (HCV-Replikon, C-E1 und E2-p7NS2), und nur das Replikon alle Determinanten für die Genomvermehrung trägt, wird nur die Replikon RNA auf die Zielzellen übertragen. Deshalb fehlen in den infizierten Zellen entscheidende virale Faktoren für die Virusproduktion, so dass die HCV-TCP nur eine Infektionsrunde vermitteln und nicht ausbreitungsfähig sind. Das Risiko für die rekombinationsbedingte Bildung von Wildtypviren wird durch die Aufteilung der genetischen Forschungsbericht 2008 799 TWINCORE Information auf drei unabhängige Teile minimiert, was die Sicherheit des Systems wesentlich erhöht. Mit Hilfe von quantitativer RT-PCR konnten wir das Auftreten von ausbreitungsfähigen Wildtypviren mit hoher Sensitivität ausschließen. Durch Deletion der C-NS2 Region auf der Replikon RNA entsteht Raum für die Aufnahme verschiedener Transgenen. So konnten wir zeigen, dass Replikons mit unterschiedlichen Reportergenen (z.B. GFP oder Luziferase) effektiv in HCV-TCP verpackt werden. Die Infektion mit diesen Viren lässt sich mit Hilfe der jeweiligen Reportergene fluoreszenzmikroskopisch und mit Hilfe von Biolumineszenz nachweisen und quantifizieren [Abbildung 2]. Durch Markierung von Virusproteinen mit Fluoreszenzproteinen (z.B. NS5A-GFP, Abbildung 2) sind Untersuchungen zur Etablierung von HCV Replikasekomplexen in infizierten Zellen möglich. In Zukunft wird dieses System zur Identifizierung cis-aktiver Determinanten und für die Charakterisierung der Funktion der einzelnen Virusproteine bei der Morphogenese eingesetzt. Darüber hinaus sollen diese Arbeiten beitragen, Abb. 2: Verpackung von Reporter-Replikons in HCV-TCP (A) Naive Huh-7 Zellen wurden mit HCV-TCP inokuliert. Die Infektion wurde anschließend mit Hilfe von Fluoreszenzmikroskopie und Reportergentests dokumentiert und quantifiziert. Die DNA der Zellkerne wurde mit DAPI angefärbt (blaue Fluoreszenz). Die Luziferase Reporteraktivität ist in RLU („relative light units“) angegeben und wird mit der Hintergrundaktivität nicht-infizierter Zellen (mock) verglichen. attenuierte Hepatitis C Viren zu konstruieren. In Zukunft könnten solche nicht-ausbreitungsfähigen Hepatitis C Viren als Genfähren für therapeutische Zwecke oder als Impfstoffe in Frage kommen. Projektleitung: Pietschmann, Thomas (Prof. Dr. rer. nat.); Kooperationspartner: Nicole Zitzmann (Dr. rer. nat.), Oxford University, Department of Biochemistry, UK; Francois Penin (Dr. rer. nat.), Institut de Biologie et Chimie des Protéines, Université de Lyon, France; Förderung: DFG, PI734/1-1 Weitere Forschungsprojekte Humoral and cellular immunotherapy of HCV and HCV-related HCC Projektleitung: Thomas Pietschmann (Prof. Dr. rer. nat.); Kooperationspartner: Bruder, Dunja (Dr. rer. nat), Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung, Braunschweig; Förderung: Helmholtz-Allianz Immuntherapie von Krebserkrankungen, ein Instrument des Impuls- und Vernetzungsfonds der Helmholtz-Gemeinschaft, HA-202 800 Forschungsbericht 2008 TWINCORE Hepatitis C Virus – Human Immunodeficiency Virus Coinfection: Immune Mechanisms, Viral Interactions and Pathogenesis Projektleitung: Thomas Pietschmann (Prof. Dr. rer. nat.); Kooperationspartner: Frank, Ronald (Dr. rer. nat.), Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung; Förderung: Indo German Science Centre (IG SCID) der Helmholtz Gemeinschaft, TWIN-Pro-3 Role of the hypervariable regions of the hepatitis C virus for immune recognition and viral fitness Projektleitung: Thomas Pietschmann (Prof. Dr. rer. nat.); Kooperationspartner: Sällberg, Matti, (DDS, PhD) Division of Clinical Microbiology, Karolinska Institutet at Karolinska University Hospital Huddinge, Stockholm, Schweden; Förderung: IRTG1273: Strategies of human pathogens to establish acute and chronic infections, DFG Molecular interactions in the course of hepatitis C virus assembly Projektleitung: Thomas Pietschmann (Prof. Dr. rer. nat.); Förderung: Zentrum für Infektionsbiologie Characterization of virus-host interactions crucial for hepatitis C virus replication Projektleitung: Thomas Pietschmann (Prof. Dr. rer. nat.); Förderung: Impuls- und Vernetzungsfonds der Helmholtz-Gemeinschaft, SO-024 Originalpublikationen Jirasko V, Montserret R, Appel N, Janvier A, Eustachi L, Brohm C, Steinmann E, Pietschmann T, Penin F, Bartenschlager R. Structural and functional characterization of non-structural protein 2 for its role in hepatitis C virus assembly. J.Biol.Chem. 2008;283(42):28546-28562 Steinmann E, Brohm C, Kallis S, Bartenschlager R, Pietschmann T. Efficient trans-encapsidation of hepatitis C virus RNAs into infectious virus-like particles. J.Virol. 2008;82(14):7034-7046 Steinmann J, Becker B, Bischoff B, Paulmann D, Steinmann J, Steinmann E. Das murine norovirus - Ein neues surrogatvirus für die humanen noroviren? Hygiene + Medizin 2008;33(5):184-188 H, Pietschmann T. The suppressive effect that myriocin has on hepatitis C virus RNA replication is independent of inhibition of serine palmitoyl transferase. J.Infect.Dis. 2008;198(7):1091-1093 Pietschmann T, Steinmann E, Ciesek S. Hepatitis C virus cell culture models--new perspectives for research and clinic. Dtsch.Med.Wochenschr. 2008;133(30):1580-1584 Buchbeiträge, Monografien Pietschmann T. Full-length infectious HCV chimeras.-United States:, 2009.-S.347-359 Abstracts 2008 wurden 10 Abstracts publiziert. Übersichtsarbeiten Stipendien Ciesek S, Steinmann E, Manns MP, Wedemeyer Bitzegeio,Julia: Reisestipendium der GSK-Stiftung Forschungsbericht 2008 801 TWINCORE Haid, Sibylle: Travel Award für das 15th International Symposium on Hepatitis C Virus and related virusus in San Antonio, USA Weitere Tätigkeiten in der Forschung Thomas Pietschmann (Prof. Dr. rer. nat.): Editorial Board Mitglied von Journal of Virology und Journal of Hepatology; Fachgutachter für die Zeitschriften Journal of Virology, Gastroenterology, Virology, Gut, Journal of Hepatology, PLoS Pathogens, PLoS One, Nature; Fachgutachter für die DFG; Fachgutachter für AERES, Frankreich. 802 Forschungsbericht 2008