Praxis Journal Nur für unsere Patienten, nicht zur Weitergabe bestimmt. Gemeinschaftspraxis für Hämatologie und Onkologie Dr. med. Renate Uhle Dr. med. Gerd Müller Dr. med. Hendrik Kröning Fachärzte für Innere Medizin, Hämatologie und Internistische Onkologie Spezielle Schmerztherapie (Dr. Müller) Hasselbachplatz 2 · 39104 Magdeburg Tel. 0391 / 561 65 68 · Fax 0391 / 561 66 87 eMail: [email protected] Internet: www.onkologie-magdeburg.de Inhalt Diagnose S.2 Biopsie – Lebendes Gewebe betrachten. Besteht der Verdacht, dass Blutzellen sich zu Krebszellen entwickelt haben, muss eine Knochenmarksprobe untersucht werden. Nachrichten aus der Praxis S.3 Studien von heute sind die Therapien von morgen. Überblick Liebe Patientin, lieber Patient, Praxisbesonderheiten: Parenterale Chemotherapie, Transfusion von Blut und Blutprodukten, Knochenmarkdiagnostik, tagesklinische Betreuung wer auf eine obst- und gemüsereiche Ernährung und damit auf eine ausreichende Vitaminversorgung achtet, der hatte in den letzen Monaten einiges einzustecken: Im Januar 2005 zeigten Wissenschaftler, dass sich mit der Ernährung allein Brustkrebs nicht verhindern lässt. Insgesamt ist die krebsverhütende Wirkung der Ernährung in den letzten Jahren offensichtlich überschätzt worden. Erst wenn angemessene Bewegung und regelmäßiger Stressabbau hinzukommen, pflegt der Mensch einen gesunden Lebensstil. Und wer gesund lebt, fühlt sich wohler, wird seltener krank – aber ist dennoch vor Krebs nicht zwangsläufig gefeit. Das ist die eigentliche Erkenntnis aus den aktuellen Studien. Wer anderes behauptet und außerdem noch meint, Sie müssten für Vitaminoder andere Präparate teuer bezahlen, dem sollten Sie nicht blind vertrauen. Fragen Sie im Zweifelsfall uns, wir helfen Ihnen weiter. Lassen Sie sich durch solche Meldungen nicht verunsichern. Eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst und Gemüse ist und bleibt elementarer Bestandteil eines gesunden Lebensstils; aber Ernährung allein ist eben nicht alles. S.4 Leukämien – weißes Blut. Wenn Vorläuferzellen im Knochenmark entarten. Stichwort S.6 Blut – Ein ganz besonderer Saft. Blutzellen haben nur eine begrenzte Lebensdauer. Diagnose S.7 Stenographie für Onkologen – So werden die Stadien bösartiger Tumoren in Kurzform beschrieben. Kurz berichtet S.8 Mit Blutzellen gegen Krebs – PET beim nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom. PraxisJournal 07 | Juli 2006 Ihr Praxisteam Dr. Renate Uhle, Dr. Gerd Müller, Dr. Hendrik Kröning Der durch das Innere der Wirbelsäule verlaufende Rückenmarkskanal und alle Hohlräume im Gehirn, die so genannten Hirnventrikel, sind mit Liquor gefüllt. Bei der Probenentnahme sitzt der Patient entweder vornüber gebeugt oder liegt in der Seitenlage. Mit einer sehr feinen und langen Hohlnadel sticht der untersuchende Arzt zwischen dem dritten und vierten Lendenwirbel in den Rückenmarkskanal. Bei dieser Prozedur ist in der Regel keine Betäubung erforderlich. Lebendes Gewebe betrachten 2 Diagnose Biopsie Ob ein verdächtiger Gewebeknoten wirklich von Krebs befallen ist oder nicht, lässt sich mit letzter Sicherheit oft nur anhand einer Gewebeprobe feststellen. Sie wird im Rahmen einer Biopsie entnommen. Das Wort stammt aus dem Griechischen und bedeutet soviel wie „lebend betrachten“. Knochenmark wird vorrangig durch Punktion aus dem Beckenkamm gewonnen Knochenmarksbiopsie Immer dann, wenn Blutzellen im Verdacht stehen, sich zu Krebszellen entwickelt zu haben, wie das bei einer Leukämie oder bei einem malignen Lymphom der Fall ist, muss eine Knochenmarksprobe untersucht werden. Denn im Knochenmark entstehen letztlich alle unsere Blutzellen, rote und weiße Blutkörperchen ebenso wie die für die Blutgerinnung wichtigen Blutplättchen. Besonders reich an Mark sind die Enden der langen Röhrenknochen an Oberarm und Oberschenkel sowie das Brustbein und der Beckenknochen. Die Knochenmarkspunktion wird meist am Beckenknochen, selten am Brustbein durchgeführt, denn der obere Beckenkamm liegt selbst bei korpulenteren Personen fast direkt unter der Haut. Die Stanze Zunächst wird dazu eine etwa 2-EuroStück große Fläche örtlich betäubt. Anschließend führt der Arzt eine Hohlnadel von etwa zwei Millimeter Durchmesser ins Knochenmark ein und entnimmt einen bis zu fünf Zentimeter langen Knochenmarkszylinder, der als "Stanze" bezeichnet wird. Diese Stanze wird für verschiedene Untersuchungen an ein spezialisiertes Labor weitergeschickt. Falls der Verdacht auf eine Leukämie besteht, führt der Arzt zusätzlich eine so genannte Knochenmarkspunktion durch. Mit einer dünneren Hohlnadel entnimmt er durch den Stanzenkanal noch einige Milliliter Mark aus dem Knochen. Diese Knochenmarksprobe wird in der Praxis unter dem Mikroskop untersucht. Knochenmarksbiopsie und -punktion dauern zusammen etwa eine Viertelstunde. Manche Patienten bezeichnen die Punktion als schmerzhaft, die meisten beurteilen sie als gut verträglich. Entnahme von Rückenmarksflüssigkeit Bestimmte Krankheiten des Blutes können über die Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit, den Liquor cerebrospinalis, auch auf die Hirnhäute übergreifen. Deshalb ist es manchmal notwendig, auch den Liquor auf verdächtige Zellen hin zu untersuchen. Die Liquorentnahme, genauer: der Flüssigkeitsverlust, wird von den Hirnhäuten registriert – leichte Kopfschmerzen können die Folge sein. Aus diesem Grund ist nach der Liquorentnahme eine zwei- bis dreistündige Bettruhe empfehlenswert. Lymphknotenbiopsie Bei Verdacht auf ein malignes Lymphom muss das Gewebe eines dauerhaft geschwollenen Lymphknotens genau untersucht werden. Die Technik der Probenentnahme hängt von der genauen Lage des Lymphknotens ab. Liegt der vergrößerte Lymphknoten oberflächlich, wird er meist bei örtlicher Betäubung als Ganzes herausgeschnitten. Handelt es sich um einen tiefer gelegenen Lymphknoten, wird mit einer Hohlnadel oft nur ein Teil des verdächtigen Gewebes entnommen. Mikroskopie und mehr Das Gewebematerial können Fachleute unter dem Mikroskop beurteilen. Sie achten vor allem auf charakteristische Gestaltveränderungen und darauf, ob „verdächtige“ Zellen besonders zahlreich sind oder sich an bestimmten Orten häufen. Neben der mikroskopischen Untersuchung kommen heute auch so genannte immunhistochemische Methoden zur Anwendung. So kann man zum Beispiel eine Knochenmarksprobe mit im Labor hergestellten Antikörpern mischen. Antikörper sind in der Lage, verdächtige Zellen mit bestimmten Eigenschaften zweifelsfrei zu erkennen. Damit lassen sich Tumorzellen fast immer eindeutig charakterisieren und der behandelnde Arzt kann ein passgenaues Konzept zur Behandlung seines Patienten entwickeln. Praxis Journal Nachrichten aus unserer Praxis Studien von heute sind die Therapien von morgen Medizinischer Fortschritt ist ohne Studien nicht möglich. In der Medizin und vor allem in der Onkologie werden immer wieder neue Substanzen entwickelt oder bereits vorhandene verbessert. Neue Behandlungsverfahren und Medikamente müssen aber sorgfältig erprobt werden, bevor sie allgemein zum Einsatz kommen. Neue Medikamente werden in drei Phasen getestet Neu entwickelte Substanzen werden zunächst im Labor und im Tierversuch getestet. Erst danach folgt die so genannte klinische Prüfung am Menschen, die in drei Phasen abläuft. In der ersten Phase wird überprüft, wie die Substanz in welcher Dosis vertragen wird. In der zweiten Phase soll herausgefunden werden, gegen welche Tumoren genau die Substanz wirksam ist. In Phase III schließlich wird die Substanz mit anderen Behandlungsmethoden verglichen, um zu prüfen, ob sie wirklich einen echten Fortschritt bringen würde. Erst wenn die Phase III erfolgreich abgeschlossen wurde, steht das Medikament allen Patientinnen und Patienten zur Verfügung. Auch unsere Praxis nimmt seit Jahren an verschiedenen Phase-II oder -III-Studien teil. Zur Zeit betreuen wir unter anderem Patienten mit Darmkrebs, die in die so genannte AVANT-Studie aufgenommen wurden. In dieser weltweit durchgeführten Studie wird untersucht, ob die kombinierte Gabe verschie- dener Wirkstoffe in unterschiedlicher Dosierung ein erneutes Auftreten des Krebses verhindern kann. Für die Koordination der Studien im Bereich gastrointestinaler Tumoren ist in unserer Praxis Herr Dr. Kröning verantwortlich. Wir behandeln in diesem Rahmen Darmkrebs-Patienten der Stadien II und III nach einer Operation mit verschiedenen Kombinationstherapien. Einige unserer Patientinnen nehmen an der so genannten SUCCESS-Studie teil, die die Verbesserung des rezidivfreien Überlebens bei operierten Patientinnen mit Mammakarzinom untersucht. In dieser Studie wird eine Behandlung von Brustkrebs mit sogenannten Zytostatika, also Medikamenten zur Hemmung der Zellteilung, im Rahmen einer wissenschaftlichen Therapieoptimierungsstudie durchgeführt, die die Wirksamkeit von unterschiedlichen Kombinationen verschiedener Medikamente vergleicht. Alle im Rahmen der Studie verordneten Medikamente werden bereits erfolgreich bei Brustkrebserkrankungen eingesetzt. Ziel der Untersuchung ist es, festzustellen, welche der Kombinationen zu besseren Ergebnissen führt. Neben den genannten sind wir noch an verschiedenen weiteren Studien beteiligt – unter anderem an wissenschaftlichen Untersuchungen über verschiedene Blutkrebserkrankungen (Chronisch Lymphatische Leukämie, Chronisch Myeloische Leukämie) und einer Studie zur Behandlung von Knochenmetastasen. All diesen Studien ist gemein, dass die kombinierten Wirkstoffe immer spezifischer und für den einzelnen Patienten sozusagen maßgeschneidert verordnet werden, was unter anderem auch zur Folge hat, dass sich unerwünschte Nebenwirkungen zunehmend reduzieren lassen. Neue Erkenntnisse über die genetischen Ursachen der Erkrankung, die Entdeckung hochwirksamer Substanzen sowie neu ent- 3 wickelte Behandlungsmethoden haben zahlreiche Therapien in den letzten Jahren grundlegend verbessert. So haben sich zum Beispiel die Heilungschancen beim Morbus Hodgkin in den letzten 30 Jahren auf circa 90 Prozent erhöht. Patienten profitieren von der intensiven Zusammenarbeit mit den Forschern Selbstverständlich darf die Teilnahme an einer Studie keinem Patienten zum Schaden gereichen. Um das zu gewährleisten, muss jede Studie durch eine so genannte Ethikkommission geprüft und genehmigt worden sein. Die Kommission achtet genau darauf, dass Patienten durch die Teilnahme keinerlei Nachteile entstehen. Andererseits können wir Studienteilnehmern natürlich nicht von vornherein garantieren, dass die zu prüfende Behandlung auf jeden Fall bessere Ergebnisse bringt als die konventionelle Therapie. Studienpatienten werden sehr intensiv und individuell betreut. Ist eine Behandlungsmethode vielversprechend, gehören die Studienteilnehmer zu den ersten, die von ihr profitieren. Das ist übrigens auch das Ergebnis einer Analyse, die österreichische Wissenschaftler Anfang des Jahres 2003 veröffentlicht haben: Es stellte sich heraus, dass Brustkrebs-Patientinnen, die an Studien teilgenommen hatten, deutlich länger überlebten. Natürlich wird nicht für jede Erkrankung zu jeder Zeit eine geeignete Studie durchgeführt. Sprechen Sie uns an, wenn Sie sich für eine Studienteilnahme interessieren. Wir klären die Möglichkeiten dann im persönlichen Gespräch. Leukämien – weißes Blut Über blick 4 Wenn Vorläuferzellen im Knochenmark entarten Ungefähr einer von 11.000 Menschen in Deutschland erkrankt im Laufe seines Lebens an einer Leukämie. Bei bestimmten Formen vermehren sich die – dann funktionslos gewordenen – weißen Blutkörperchen auf das 10- bis 50-fache des normalen Wertes. Bereits im Jahre 1845 beschrieb der Berliner Arzt Rudolf Virchow dieses Phänomen deshalb als „weißes Blut“, auf griechisch: Leukämie. Eine große Familie Weiße Blutkörperchen oder Leukozyten sind keine einheitlichen Zellen, sondern bilden eine große Familie mit rund einem Dutzend unterschiedlicher Zelltypen. Sie alle spielen in der Immunabwehr eine wichtige Rolle – und sie alle können zur Krebszelle entarten. Mit anderen Worten: Es gibt nicht nur eine Leukämie, sondern eine Reihe unterschiedlicher Leukämieformen. Lymphatische und myeloische Zellen Alle Blutkörperchen und -plättchen entstehen im Knochenmark. Die Reifung der Leukozyten verzweigt bereits zu Anfang in zwei Richtungen: Es bilden sich lymphatische und myeloische Vorläuferzellen. Aus den lymphatischen Vorläuferzellen entwickeln sich die B- und T-Lymphozyten. Nach ihrer Reifung wandern sie in die Gewebe, die für die Immunabwehr besonders wichtig sind: in die Lymphknoten, die Rachenmandeln, die Milz und in die Schleimhäute von Darm und Lunge. Diese Gewebe nennen Mediziner daher auch lymphatische Gewebe. Lymphozyten sind in der Lage, körperfremde Strukturen wie etwa Bakterien, Pilze und Viren zu erkennen. Im Falle einer Infektion leiten sie die Abwehrreaktion des Körpers ein. B-Lymphozyten sind für die Produktion von Antikörpern zuständig, T-Lymphozyten können eine Ab- wehrreaktion ein- oder ausschalten und wickeln sich rasch und verursachen schwezum Teil auch virusinfizierte oder krebs- re Symptome. Bei den entarteten Zellen befallene Körperzellen abtöten. handelt es sich meist um unreife Formen, also um Zellen, die im Reifungsprozess Die myeloischen Vorläuferzellen entwi- noch nicht weit vorangeschritten sind. Sie ckeln sich im Knochenmark unter anderem vermehren sich derart rasant, dass die norzu großen und kleinen Fresszellen, den so male Blutzellbildung im Knochenmark gegenannten Makrophagen und den neutro- stört ist. Die Patienten klagen über ein philen Granulozyten. Sie sind in gewisser plötzlich einsetzendes Krankheitsgefühl, Weise die ausführenden Organe der Lym- sie leiden unter Fieber und häufig auch phozyten; denn alles, was diese zur Ver- unter einer hartnäckigen Infektion. Aber nichtung freigegeben haben, verleiben sich keines dieser Symptome beweist, dass der die Fresszellen ein und verdauen es. Patient an einer Leukämie erkrankt ist. Die exakte Diagnose kann erst durch eine Blutbeziehungsweise eine KnochenmarkunterLymphatische und myeloische suchung gesichert werden. Leukämie Wenn Lymphozyten oder ihre Vorformen entarten und eine Leukämie verursachen, Chronische Leukämien beginnen schleispricht man von einer lymphatischen Leu- chend und verursachen lange keine Sympkämie. Sind Zellen der myeloischen Reihe tome. Häufig werden sie im Rahmen einer Ursprung des bösartigen Wachstums, so Routineuntersuchung diagnostiziert. Urhandelt es sich um eine myeloische Leukä- sache sind ausgereifte oder fast ausgereifmie. Entartete Zellen der lymphatischen te Blutzellen, die zu Krebszellen entarten. Leukämien kommen im Knochenmark oder Im weiteren Krankheitsverlauf klagen die im lymphatischen System vor, je nachdem Patienten wie bei den akuten Leukämien auf welcher Entwicklungsstufe die Entar- über Leistungsminderung, Unwohlsein, tung stattgefunden hat. Ist das lymphati- Gewichtsverlust oder auch Nachtschweiß sche System betroffen, kommt es wegen der und Fieber. Aber auch hier gilt: Anhand der ungehemmten Zellteilung zur Aus- Symptome allein lässt sich keine chronischwemmung ins Blut und häufig auch zu sche Leukämie diagnostizieren. Lymphknotenschwellungen. Im weiteren Krankheitsverlauf können auch andere Or- Vier häufige Leukämieformen gane befallen werden. Ausgehend von den entarteten Ursprungszellen und den Verlaufsformen werden Entartete myeloische Zellen teilen sich im vier häufige Formen der Leukämie unterKnochenmark unkontrolliert und über- schieden: die akute lymphatische Leukäschwemmen anschließend regelrecht das mie (ALL), die akute myeloische Leukämie Blut. Auf diesem Weg können sie jedes (AML), die chronisch lymphatische (CLL) Organ des Körpers und über die Rücken- sowie die chronisch myeloische Leukämie marks-Gehirn-Flüssigkeit (Liquor) sogar (CML). das Gehirn erreichen und sich dort ansiedeln. Die ALL ist die häufigste bösartige Erkrankung bei Kindern, an der AML erkranken vorwiegend Erwachsene. Die CLL kommt Akut oder chronisch? Sowohl lymphatische als auch myeloische meist bei Patienten im höheren die CML Leukämien kommen in akuter oder chro- zusätzlich auch bei Patienten im mittleren nischer Form vor. Akute Leukämien ent- Lebensalter vor. Übrigens ist die CMS die Praxis Journal noch der Kopf und die obere Halswirbelsäule bestrahlt, da die entarteten Zellen auch das Gehirn befallen können. An eine erfolgreiche Erstbehandlung schließt sich in der Regel eine mindestens 12-monatige Erhaltungstherapie an. CML: Stammzelltransplantation Erkrankung, die Rudolf Virchow vor mehr gegenseitig verstärken. Bei nahezu allen Leukämieformen wird derzeit aber auch als 150 Jahren diagnostiziert hatte. untersucht, inwieweit die Patienten von einer so genannten Hochdosis-ChemotheAbsicherung der Diagnose Anhand der Symptome allein lässt sich rapie mit anschließender Stammzellüberkeine Leukämie-Diagnose stellen. Zur Ab- tragung profitieren. sicherung müssen eine Blut- und eine Knochenmarkprobe, bei Verdacht auf CLL Bei dieser Hochdosistherapie werden die auch Lymphknotengewebe untersucht Chemotherapeutika in so hohen Dosen werden. In diesen Proben lassen sich Art verabreicht, dass nicht nur die Krebszellen, und Ausmaß der entarteten Blutzellen sondern alle Zellen des blutbildenden Sysgenau bestimmen. Zur Gewinnung einer tems im Knochenmark vernichtet werden. Knochenmarkprobe betäubt der Arzt ein etwa 2-Euro-Stück großes Hautareal am Stammzelltransplantation oberen Beckenkamm. Mit einer etwas di- Im Anschluss daran erhält der Patient ckeren Hohlnadel sticht er dann in den Be- mittels Infusion gesunde Blutstammzellen. ckenknochen hinein und entnimmt eine Diese Zellen wandern vom Blut ins Knozylinderförmige Probe, die so genannte chenmark, vermehren sich dort und sorStanze. Ergänzend zu dieser Stanzbiopsie gen so für den Aufbau eines komplett kann anschließend durch den Stanzkanal neuen, krebsfreien blutbildenden Systems. auch flüssiges Mark in eine Spritze gesaugt Was als theoretisches Konzept einfach und und direkt unter dem Mikroskop beurteilt überzeugend klingt, lässt sich praktisch werden. nur in spezialisierten Zentren durchführen. Denn während der Behandlung können Komplikationen wie UnverträglichkeitsChemo- und Strahlentherapie Eine Leukämie lässt sich im Unterschied reaktionen oder schwere Infektionen aufzu Organtumoren nicht operieren, weil sie treten. nicht nur ein Organ, sondern den gesamten Organismus befällt. Chemo- und Akute Formen sofort behandeln Strahlentherapie bilden deshalb die beiden Grundsätzlich gilt, dass die akuten LeukäSäulen jeder Leukämiebehandlung. Häu- mieformen (ALL und AML) sofort mit fig werden bei der Chemotherapie zwei einer konventionellen oder einer Hochdooder drei verschiedene Medikamente sis-Chemotherapie behandelt werden kombiniert, die sich in ihrer Wirkung müssen. Bei der ALL werden zusätzlich Wenn sie sich in gutem Allgemeinzustand befinden, ist für CML-Patienten die HochdosisChemotherapie mit anschließender Stammzellübertragung die aus heutiger Sicht vielversprechendste Therapie. Aus den Blutstammzellen eines geeigneten Fremdspenders können sich Abwehrzellen entwickeln, die sogar gegen möglicherweise noch vorhandene Krebszellen im Körper des Patienten aktiv werden. Als besonders geeignete Fremdspender gelten gesunde Geschwister des Patienten. Daneben steht mittlerweile ein noch recht neuer Wirkstoff gegen die CML zur Verfügung: Imatinib blockiert die krankhafte Entstehung desjenigen Eiweißes, das die Zelle zu unkontrolliertem Wachstum veranlasst. Bei etwa 90 Prozent der CML-Patienten ist der Einsatz von Imatinib sinnvoll. Wachsames Beobachten Bei der chronisch lymphatischen Leukämie (CLL) ist es häufig ratsam, zunächst gar keine Medikamente einzusetzen; denn die Erkrankung schreitet nur sehr langsam fort. Erst wenn die roten Blutkörperchen beziehungsweise die Blutplättchen stark abfallen oder Abgeschlagenheit, Nachtschweiß, Fieber und andere Symptome den Patienten zu sehr belasten, wird in der Regel eine chemotherapeutische Behandlung eingeleitet. Bis heute ist unklar, warum die Vorläufer der Blutzellen im Knochenmark entarten. Keine Diät und kein Lebensstil können davor schützen. Radioaktive Strahlen und das Lösungsmittel Benzol gehören zu den bekannten Risikofaktoren. Eine echte Vorbeugung gegen die Leukämie gibt es leider nicht. 6 Stich Wort Blut: Ein ganz besonderer Saft Schon für Mephistopheles in Goethes Faust war Blut ein „ganz besonderer Saft”. Es versorgt das Gewebe mit Sauerstoff, entsorgt Kohlendioxid und Stoffwechselschlacken und beeinflusst die Körpertemperatur. Hier lesen Sie, wie Blut entsteht. meinsamen zellulären Ursprung. Sie alle entwickeln sich aus den so genannten blutbildenden Stammzellen oder kurz Blutstammzellen. Wegen ihrer Vielseitigkeit werden sie auch als pluripotent – alles könnend – bezeichnet. Stammzellen vermehren sich – wie andere Zellen auch – durch Zellteilung, aber: Die beiden entstehenden Tochterzellen entwickeln sich jeweils in eine andere Richtung. Die eine wird wieder eine pluripotente Stammzelle, die andere beginnt einen mehrere Tage dauernden Reifeprozess, den Fachleute als Differenzierung bezeichnen. Sie verlieren ihre „Alles-Könner-Eigenschaft“ und entwickeln sich zu einer spezialisierten Blutzelle. Blut: Wasser, Eiweiß, Zellen Blut ist dicker als Wasser: In dieser Volksweisheit steckt mehr Wahrheit als man gemeinhin annimmt. Denn in der unvorstellbar kleinen Menge von einem Millionstel Liter Blut tummeln sich mehrere Millionen Blutzellen. Die meisten haben nur eine begrenzte Lebensdauer. Pro Sekunde müssen etwa zwei Millionen aussortiert und wieder ersetzt werden. Den notwendigen Nachschub liefert das so genannte blutbildende System im Knochenmark: Jede Minute produziert es etwa 160 Millionen rote und mehr als 100 Millionen weiße Blutkörperchen. Die roten Blutkörperchen, auch Erythrozyten genannt, transportieren Sauerstoff von den Lungen zu jeder einzelnen Körperzelle, und die weißen Blutkörperchen (Leukozythen) benötigen wir für unsere Immunabwehr. Auch die für die Blutstillung und -gerinnung notwendigen Blutplättchen (Thrombozyten) entstehen im Knochenmark, und zwar etwa 30 Millionen pro Minute. Multitalente im Knochenmark Erythrozyten, Leukozyten und Thrombozyten haben im Knochenmark einen ge- Fähren für den Sauerstoff Die Spezialität roter Blutkörperchen sieht man dem Blut mit bloßem Auge an: die rote Farbe. Sie stammt von einem Eiweißmolekül, dem Hämoglobin, mit dem jedes rote Blutkörperchen vollgestopft ist. Es ist in der Lage, Sauerstoff oder Kohlendioxid an sich zu binden und wieder abzugeben. Dank dieser Eigenschaft des Hämoglobins wirkt jedes rote Blutkörperchen wie eine Fähre, die Sauerstoff von der Lunge in die Gewebe und Kohlendioxid von den Geweben in die Lunge transportiert. Plättchen bilden Pfropfen Die Thrombozyten reifen über das Zwischenstadium der so genannten Knochenmarksriesenzellen (Megakaryozyten). Jede dieser Riesenzellen schnürt etwa 4.000 bis 5.000 flache, kernlose Blutplättchen ab, die anschließend aus dem Knochenmark ins Blut auswandern. Diese Plättchen oder Thrombozyten prüfen ständig, ob die Wände der Blutgefäße intakt sind oder nicht. Sobald eine Gefäßverletzung auftritt, sammeln sie sich am Ort der Verletzung, bilden einen Pfropf und leiten so die Blutstillung beziehungsweise Blutgerinnung ein. Spezialisten mit Hilfspersonal Die komplexeste Entwicklung durchlaufen die weißen Blutkörperchen, die Leukozyten. Während der Differenzierung reifen zunächst zwei Zelltypen heran: die lymphatischen und die myeloischen Vorläuferzellen. Aus lymphatischen Vorläuferzellen entwickeln sich die Spezialisten der Immunabwehr: die B- und T-Lymphozyten. Die meisten befinden sich in Lymphknoten, in den Rachenmandeln und in den Schleimhäuten des Magendarmtraktes, immer auf der Suche nach Infektionserregern. Die BLymphozyten reifen im Knochenmark (engl. bone marrow) heran und sind für die Produktion von Antikörpern zuständig. Die T-Lymphozyten absolvieren ihren letzten Reifungsschritt in der Thymusdrüse hinter dem Brustbein und steuern die Abwehrreaktion oder können sich auch selbst zu spezialisierten Killerzellen entwickeln. Aus myeloischen Vorläuferzellen entwickeln sich die sozusagen ausführenden Organe der Immunabwehr, beispielsweise die großen Fresszellen (Makrophagen) und die kleinen (neutrophile Granulozyten). Alles, was die Lymphozyten zur Vernichtung freigegeben haben, verleiben sie sich ein und machen es unschädlich. Mephisto hatte Recht Seit Goethes Tagen wissen wir sehr viel mehr über Blut, und wir wissen auch, dass Mephisto Recht hatte; denn Störungen in der Blutbildung bedrohen unsere Gesundheit, beispielsweise in Form von Immunschwächekrankheiten, Leukämien oder Lymphdrüsenkrebs. Praxis Journal Stenographie für Onkologen 7 Diagnose: So werden die Stadien bösartiger Tumoren beschrieben N Lymphknoten (Nodi) Wenn es darum geht, die für den einzelnen Patienten optimale Behandlungsstrategie festzulegen, ist nicht nur die Tumorart, sondern auch das Stadium der Krebserkrankung von großer Bedeutung. Weltweit wird zur Stadienbestimmung das so genannte TNM-System genutzt. Vielleicht haben Sie es in Ihrem Befundbericht ja selbst schon einmal gesehen: In einer Reihe merkwürdig anmutender Kürzel beschreiben Onkologen das Stadium einer Krebserkrankung, beispielsweise so: pT1pN2pM0C3G2V0L0G1R0 Was aussieht wie ein kompliziertes Passwort für ein Computerprogramm, ist tatsächlich so etwas wie die Kurzschrift der Onkologen, das so genannte TNM-System. Es wurde vor etwa 30 Jahren von der Internationalen Gesellschaft gegen den Krebs (Union Internationale contre le Cancer, UICC) entwickelt und wird seither ständig fortgeschrieben. Die aktuelle Ausgabe der TNM-Klassifikation ist Anfang 2005 erschienen. Tumor T Mit diesem Buchstaben wird die Ausdehnung des Primärtumors beschrieben. In unserem Beispiel folgt auf T eine 1, das heißt, der Tumor ist klein und auf das befallene Organ (beispielsweise die Brust) beschränkt. Die Ziffern 2 und 3 werden für größere Tumoren vergeben, die ebenfalls auf das Organ beschränkt sind, die 4 bedeutet, dass der Tumor die Organgrenze überschritten hat. Lymphknoten werden fachsprachlich als Nodi bezeichnet. Folgt auf N eine Zahl größer als Null, so sind Lymphknoten befallen. Die Ziffern 1 oder 2 bedeuten, dass Lymphknoten in der unmittelbaren Umgebung des Primärtumors befallen sind. Die Ziffer 3 zeigt den Befall entfernter Lymphknoten oder sehr großer Lymphknotenpakete an. M = Metastasen M Metastasen sind Tochtergeschwulste des Primärtumors. Ist das M wie in unserem Beispiel mit 0 bezeichnet, so konnten keine Metastasen nachgewiesen werden. M1 dagegen zeigt an, dass Fernmetastasen in anderen Organen vorhanden sind. Um welches Organ es sich genau handelt, kann durch einen abgekürzten Zusatz wie HEP (für Leberbefall) oder PUL (für Lungenbefall) bezeichnet werden. C = Sicherung des Befundes Mit dem englischen Begriff certainty (= Sicherheit) beschreiben Onkologen die Sicherheit oder Zuverlässigkeit, mit der ihre Einschätzungen bezüglich T, N und M zu beurteilen sind. Diese Sicherheit steigt mit der Qualität der eingesetzten Untersuchungsverfahren. C1 bedeutet, dass die Befunde durch Tastuntersuchungen oder Standard-Röntgenaufnahmen erhoben worden sind. Unter C2 fallen spezielle apparative Untersuchungen wie Computertomografie, Kernspintomographie, Ultraschalluntersuchung oder Endoskopie mit Probenentnahme. C3 bedeutet, dass eine Operation mit Probenentnahme stattgefunden hat, C4 wird vergeben, wenn die Stadienbeurteilung im Licht aller Befunde eindeutig ist. G G = Grad der Differenzierung Mit dem englischen Begriff grading beschreiben Onkologen, inwieweit das Tu- morgewebe noch gesundem Gewebe ähnelt. Gesundes Gewebe ist nie unreif, sondern in Hinblick auf Gestalt und Funktion ausgereift, in der Fachsprache der Mediziner ist gesundes Gewebe komplett differenziert. Ein vergleichsweise noch stark differenzierter Tumor ist gesundem Gewebe recht ähnlich und wird mit G1 bezeichnet. Je unreifer das Tumorgewebe ist und je schneller es wächst, desto unähnlicher wird es gesundem Gewebe und um so größer ist die Ziffer hinter dem G. Wird ein Tumor mit G4 beurteilt, bedeutet das, dass seine Zellen völlig unreif sind und völlig unkontrolliert wachsen. V und L: Invasion der Gefäße V steht für venöse, L für lymphatische Invasion, also für das mögliche Eindringen von Tumorzellen ins Blut- oder Lymphgefäßsystem. V0 beziehungsweise L0 bedeutet, dass in den Gefäßen keine Tumorzellen nachweisbar sind. V1 beziehungsweise L1 zeigt an, dass Tumorzellen in den Gefäßen gefunden wurden. V L R R = Resektionsrand Mit R wird beschrieben, ob der Tumor im Gesunden herausgeschnitten werden konnte (R0) oder ob das Tumorgewebe bis an den Schnittrand reichte (R1). Bei R1 ist nicht auszuschließen, dass noch Tumorzellen im Körper verblieben sind. Kleinbuchstaben Die Buchstaben T, N und M können mit zusätzlichen Kleinbuchstaben versehen sein. In unserem Beispiel ist es der Buchstabe „p“. Das bedeutet, die Stadienbestimmung ist auf Grundlage einer pathologischen Untersuchung unter dem Mikroskop durchgeführt worden. Fehlt das p, so ist die Bestimmung lediglich auf Grundlage klinischer Untersuchungen, zum Beispiel auf Grundlage eines Tastbefundes, durchgeführt worden. Praxis Journal Kurz berichtet seite ausstatten, der Zielstrukturen auf Tumorzellen erkennt. Außerdem muss dafür Neues aus der Forschung gesorgt werden, dass nach der Bindung an den Rezeptor auf der äußeren Membran im Inneren der T-Zelle genau die Schritte ablaufen, die notwendig sind, um eine Immunreaktion auszulösen. Wie die UniverMit sität Köln mitteilt, haben Forscher in Köln Blutzellen und Manchester kürzlich im Reagenzglas gegen zeigen können, dass diese Strategie tatKrebs sächlich funktioniert. 8 Die Idee ist so genial wie einfach: Man verändere körpereigene Blutzellen so, dass sie zielgenau einen Tumor im Organismus des Krebspatienten zerstören. Genau das ist das Ziel eines internationalen Forschungsverbundes, der von der Europäischen Union gefördert wird. Ein Tumor kann deshalb entstehen, weil seine Zellen sich der Überwachung durch das Immunsystem zu entziehen vermögen. Genau an dieser Stelle wollen die Forscher ansetzen. T-Zellen, das sind weiße Blutzellen, die wesentliche Funktionen bei der Steuerung und der Ausführung der Immunreaktion haben, sollen fit gemacht werden für den Kampf gegen den Tumor. Dazu wollen die Forscher menschliche TZellen mit einem Rezeptor auf der Außen- Quelle: Pressemitteilung der Universität zu Köln vom 13.03.2006 PET beim nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom Seit dem 3. März 2006 dürfen gesetzliche Krankenversicherungen die Kosten für die Positronen-Emissions-Tomographie, kurz PET, bei Patienten mit nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom übernehmen. Allerdings in der Regel nur dann, wenn die betroffenen Patienten sich zur stationären Behandlung in einem Krankenhaus befinden. So lautet der Beschluss des für die Be- Anzeige Das Menschenmögliche tun. Impressum © 2006, LUKON GmbH Chefredaktion: Dr. Renate Uhle, Dr. Gerd Müller, Dr. Hendrik Kröning Grafik-Design, Illustration: Charlotte Schmitz Druck: DigitalDruckHilden GmbH urteilung der Kostenübernahme durch gesetzliche Krankenversicherungen zuständigen gemeinsamen Bundesausschusses. PET-Experten in Deutschland erhoffen sich von der Zulassung der Untersuchung eine Signalwirkung; denn in vielen europäischen Ländern und den USA gehört die PET zu den etablierten Untersuchungstechniken. Mit der PET lassen sich Zellen mit hohem Glukoseverbrauch bildlich darstellen. Tumorzellen verbrauchen sehr viel Glukose und sind mit Hilfe der PET bei bestimmten Krebsformen schon auffindbar, wenn sich mit herkömmlichen Verfahren wie Röntgen, Computer- oder Kernspintomographie noch keine Tumorherde nachweisen lassen. Quelle: Pressemitteilung des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 02.03.2006