Kapitel 1: Aussagenlogik

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Kapitel 1: Aussagenlogik
Teil II: Ein adäquater Kalkül der Aussagenlogik
(Kapitel 1.5 - 1.6)
Mathematische Logik (WS 2016/17)
Kapitel 1: Aussagenlogik (Teil II)
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Kapitel 1.5
Ein adäquater Kalkül der Aussagenlogik
Teil 1:
Kalküle und Beweisbarkeit
und die Korrektheit des Shoenfield-Kalküls
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Kapitel 1.5: Kalküle
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Syntaktischer Folgerungsbegriff: Beweisbarkeit
Wir stellen nun dem semantischen Folgerungsbegriff einen syntaktischen
Folgerungsbegriff, die Beweisbarkeit, gegenüber.
Hierzu führen wir zunächst den Begriff eines Kalküls oder Axiomensystems
sowie die zugehörigen Beweis- und Beweisbarkeitsbegriffe ein.
Wir geben dann einen Kalkül der Aussagenlogik an (den Shoenfield-Kalkül
S) und zeigen, dass Beweisbarkeit in diesem Kalkül mit dem semantischen
Folgerungsbegriff zusammenfällt. Der Beweis besteht aus zwei Teilen:
I Korrektheitssatz: nur semantische Folgerungen lassen sich beweisen
I Vollständigkeitssatz: alle semantischen Folgerungen lassen sich
beweisen
(Hier beweisen wir zunächst nur den Korrektheitssatz und behandeln den
aufwändigeren Beweis des Vollständigkeitssatzes im nächsten Abschnitt.)
Da der Beweisbegriff rein syntaktisch beschrieben ist, liefert dies die
gewünschte syntaktische Charakterisierung des Folgerungsbegriffs.
Da Folgerungen aus der leeren Menge mit der Allgemeingültigkeit (al.
Wahrheit) zusammenfallen, erhalten wir mit der Beweisbarkeit insbesondere
eine rein syntaktische Charakterisierung der aussagenlogischen Wahrheit.
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Kapitel 1.5: Kalküle
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Übersicht
1.5.1 Kalküle: Beweise und Beweisbarkeit
1.5.2 Kalküle der Aussagenlogik: Korrektheit und Vollständigkeit
1.5.3 Der Shoenfield-Kalkül der Aussagenlogik und dessen Korrektheit
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Kapitel 1.5: Kalküle
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1.5.1 Kalküle: Beweise und Beweisbarkeit
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Kapitel 1.5: Kalküle
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Kalküle (Axiomensysteme)
Ein (formaler) Kalkül K wird durch folgende Komponenten bestimmt:
1
die Sprache von K, die durch das (in der Regel abzählbare) Alphabet von K
festgelegt ist
2
die Menge der Formeln von K, wobei diese eine Teilmenge der endlichen
Folgen (d.h. der Wörter) über dem Alphabet von K ist
3
die Menge der Axiome von K, wobei diese eine Teilmenge der Menge der
Formeln von K ist
4
die Menge der Regeln von K, wobei jede Regel R die Gestalt
(R)
ϕ1 , . . . , ϕn
——————
ϕ
hat, wobei n ≥ 1 und ϕ1 , . . . , ϕn , ϕ Formeln von K sind.
ϕ1 , . . . , ϕn sind die Prämissen, ϕ die Konklusion von R.
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Kapitel 1.5: Kalküle
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Anforderungen an einen Kalkül: Sprache (Alphabet)
I.a. wird man bei einem unendlichen Alphabet verlangen, dass man die
Zeichen des Alphabets effektiv generieren kann.
Im Falle der Aussagenlogik würde man z.B. das Alphabet
{A0 , A1 , . . . , ¬, ∨, ∧, →, ↔, (, )} wählen. Wie wir bereits gesehen haben,
kann man die Aussagenvariablen An effektiv generieren, indem man diese als
Wörter über dem endlichen Alphabet {A, 1} (nämlich durch A1n ) darstellt.
Man kann statt der Junktoren ¬, ∨, ∧, →, ↔ auch irgendeinen anderen Satz
von Junktoren wählen, so lange die zugehörigen Booleschen Funktionen eine
Basis bilden.
Konkret werden wir hier einen Kalkül mit Alphabet {A0 , A1 , . . . , ¬, ∨, (, )}
(also mit dem Junktorensatz {¬, ∨}) betrachten.
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Kapitel 1.5: Kalküle
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Anforderungen an einen Kalkül: Formeln
Hier erwartet man, dass Formeln durch deren Form bestimmt sind, also
syntaktisch charakterisiert sind.
Dabei verlangt man, dass insbesondere entscheidbar ist, ob ein Wort über
dem Alphabet des Kalküls eine Formel ist oder nicht.
Interpretiert werden Formeln als Aussagen (Sätze) oder Aussageformen
(Satzformen).
Im Falle der Aussagenlogik würde man bei Zugrundelegung des Alphabets
{A0 , A1 , . . . , ¬, ∨, ∧, →, ↔, (, )} die al. Formeln als Formelmenge wählen.
Legt man einen anderen Junktorensatz zugrunde, sind die Formeln
entsprechend definiert. Für das Alphabet {A0 , A1 , . . . , ¬, ∨, (, )} werden z.B.
die Formeln induktiv definiert durch:
I
I
I
Jede Aussagenvariable An ist eine Formel.
Ist ϕ eine Formel, so auch ¬ϕ.
Sind ϕ und ψ Formeln, so auch (ϕ ∨ ψ).
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Anforderungen an einen Kalkül: Axiome
Auch hier erwartet man, dass die Axiome durch deren Form bestimmt sind,
also syntaktisch charakterisiert sind, und dass es entscheidbar ist, ob eine
Formel ein Axiom ist.
Ist die Axiomenmenge unendlich, so liegen in der Regel endlich viele
Axiomenschemata vor, wobei jedes Axiomenschema eine (unendliche) Menge
von Formeln mit einer gemeinsamen syntaktischen Eigenschaft ist.
Interpretiert werden Axiome als wahre Aussagen (Sätze) oder wahre
Aussageformen (Satzformen).
Beispiele für mögliche Axiomenschemata im Falle der Aussagenlogik sind
(ϕ ∨ ¬ϕ)
oder
(ϕ → ¬¬ϕ)
wobei ϕ eine beliebige Formel (bzgl. der zugehörigen Sprache) ist.
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Kapitel 1.5: Kalküle
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Anforderungen an einen Kalkül: Regeln
Auch hier erwartet man wie bei Formeln und Axiomen, dass die Regeln
durch deren Form bestimmt sind, also syntaktisch charakterisiert sind, und
dass es entscheidbar ist, ob eine Formelfolge eine Regel ist.
Ist die Regelmenge unendlich, so geht man entsprechend wie bei den
Axiomen davon aus, dass endlich viele Regelschemata vorliegen, wobei jedes
Regelschema eine (unendliche) Menge von Formelfolgen (fester endlicher
Länge) mit einer gemeinsamen syntaktischen Eigenschaft ist.
Interpretiert werden Regeln als zulässige Folgerungen.
Beispiele für mögliche Regelschemata im Falle der Aussagenlogik sind
ϕ
———
¬¬ϕ
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oder
ϕ, ϕ → ψ
————–
ψ
Kapitel 1.5: Kalküle
(modus ponens)
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Kalküle: Beweise und Beweisbarkeit
DEFINITION. Sei K ein Kalkül. Ein (K-) Beweis der (K-) Formel ϕ (oder eine
(K-) Herleitung von ϕ) ist eine endliche Folge ψ1 , . . . , ψn von (K-) Formeln,
sodass folgendes gilt:
ϕ ≡ ψn
Jede Formel ψm (1 ≤ m ≤ n) ist
I
I
ein (K-) Axiom oder
die Konklusion einer (K-) Regel R, deren Prämisse(n) in
{ψ1 , . . . , ψm−1 } liegen.
n ist die Länge des Beweises ψ1 , . . . , ψn .
DEFINITION. Eine (K-) Formel ϕ is (K-) beweisbar, wenn es einen (K-) Beweis
von ϕ gibt.
NB: Jedes (K-) Axiom ϕ ist ein (K-) Beweis (der Länge 1) und damit (K-)
beweisbar.
Als nächstes relativieren wir den Beweis(barkeits)begriff um so die syntaktische
Entsprechung zum semantischen Folgerungsbegriff zu erhalten:
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Kalküle: Beweise und Beweisbarkeit aus T
DEFINITION. Sei K ein Kalkül und T eine Menge von (K-) Formeln. Ein (K-)
Beweis der (K-) Formel ϕ aus T ist eine endliche Folge ψ1 , . . . , ψn von (K-)
Formeln, sodass folgendes gilt:
ϕ ≡ ψn
Jede Formel ψm (1 ≤ m ≤ n) ist
I
I
I
ein (K-) Axiom oder
eine Formel aus der Formelmenge T oder
die Konklusion einer (K-) Regel R, deren Prämisse(n) in
{ψ1 , . . . , ψm−1 } liegen.
n ist die Länge des Beweises ψ1 , . . . , ψn .
DEFINITION. Eine (K-) Formel ϕ is (K-) beweisbar aus T , wenn es einen (K-)
Beweis von ϕ aus T gibt.
NB: Jede Formel ϕ ∈ T ist ein (K-) Beweis (der Länge 1) aus T und damit (K-)
beweisbar aus T .
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Kapitel 1.5: Kalküle
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Kalküle: Beweise und Beweisbarkeit: Schreibweisen
Im Folgenden sei K ein Kalkül, T eine Menge von K-Formeln und ϕ eine
K-Formel.
SCHREIBWEISE:
T `K ϕ :⇔
`K ϕ :⇔
ϕ is K-beweisbar aus T
∅ `K ϕ
⇔ ϕ is K-beweisbar
Ist K aus dem Kontext bekannt, so schreiben wir ` statt `K . Entsprechend sagen
wir Formel, Beweis, etc. statt K-Formel, K-Beweis etc.
Weiter sagen wir statt (K-)Beweis aus T auch kurz T -Beweis und entsprechend
T -beweisbar statt (K-)beweisbar aus T .
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Kapitel 1.5: Kalküle
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Einfache Eigenschaften der Beweisbarkeit
Im Folgenden sei K ein Kalkül, T , T 0 Mengen von K-Formeln und ϕ eine
K-Formel.
Dann gelten:
MONOTONIELEMMA FÜR `. Falls T ⊆ T 0 und T ` ϕ, so gilt auch T 0 ` ϕ.
BEWEIS. Aus T ⊆ T 0 folgt, dass jeder T -Beweis auch ein T 0 -Beweis ist.
NB. Insbesondere lässt sich also jede beweisbare Formel aus allen Formelmengen
T beweisen.
TRANSITIVITÄTSLEMMA FÜR `. Gelte T ` ϕ und gelte weiter T 0 ` ψ für alle
ψ ∈ T . Dann gilt T 0 ` ϕ.
BEWEISIDEE: s. nächste Folie.
NB: Man beachte, dass die entsprechenden Aussagen auch für den semantischen
Folgerungsbegriff gelten!
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Beweis des Transitivitätslemmas und das Prinzip der
Herleitungsinduktion
TRANSITIVITÄTSLEMMA FÜR `. Gelte T ` ϕ und gelte weiter T 0 ` ψ für alle
ψ ∈ T . Dann gilt T 0 ` ϕ.
BEWEISIDEE: Nach Annahme gibt es einen Beweis ϕ
~ = ϕ1 , . . . , ϕn−1 , ϕ von ϕ
~ = ψ1 , . . . , ψm−1 , ψ von ψ aus T 0 .
aus T und für jedes ψ ∈ T einen Beweis ψ
Ersetzt man nun jede Formel ψ ∈ T , die in dem Beweis ϕ
~ von ϕ aus T vorkommt,
~ aus T 0 , so erhält man einen Beweis von ϕ aus T 0 .
durch deren Beweis ψ
Formal zeigt man die Behauptung - wie generell Aussagen über (T -)Beweise ϕ
~
bzw. die (T -)Beweisbarkeit von Formeln ϕ - durch Herleitungsinduktion, d.h.
durch Induktion nach der Länge n des (T -)Beweises ϕ
~ = ϕ1 , . . . , ϕn−1 , ϕn bzw.
durch Induktion nach der Länge des kürzesten Beweises von ϕ. Hierbei beachte
man, dass jedes nichtleere Anfangsstück ϕ1 , . . . , ϕm (1 ≤ m ≤ n) des
(T -)Beweises ϕ
~ = ϕ1 , . . . , ϕn−1 , ϕn wiederum ein (T -)Beweis (und zwar von der
Formel ϕm ) ist.
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Kapitel 1.5: Kalküle
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Der Endlichkeitssatz für die T -Beweisbarkeit
ENDLICHKEITSSATZ FÜR `. Falls T ` ϕ gilt, so gibt es eine endliche
Teilmenge T0 von T mit T0 ` ϕ.
BEWEIS.
Es gelte T ` ϕ.
Dann gibt es einen Beweis
ϕ
~ = ϕ1 , . . . , ϕn = ϕ1 , . . . , ϕn−1 , ϕ
von ϕ aus T .
Setze T0 = T ∩ {ϕ1 , . . . , ϕn }.
Offensichtlich ist T0 eine endliche Teilmenge von T .
Weiter ist ϕ
~ ein Beweis von ϕ aus T0 .
Also T0 ` ϕ.
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Kapitel 1.5: Kalküle
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Kalküle: Widerspruchsfreiheit
DEFINITION. Der Kalkül K is widerspruchsfrei (oder konsistent), falls es
(mindestens) eine K-Formel ψ mit 6` ψ gibt.
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Kapitel 1.5: Kalküle
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1.5.2 Kalküle der Aussagenlogik: Korrektheit und
Vollständigkeit
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Kapitel 1.5: Kalküle
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Kalküle der Aussagenlogik
Im Folgenden nennen wir einen Kalkül K einen Kalkül der Aussagenlogik, wenn
die Sprache von K auf dem Alphabet A = {A0 , A1 , . . . , j1 , . . . , jk , (, )}
basiert, wobei die Junktoren j1 , . . . , jk eine Basis der Booleschen Funktionen
definieren, und
die Formeln wie üblich gebildet sind. Also - im Falle, dass nur 1-stellige und
2-stellige Junktoren in A vorkommen - die Formeln induktiv definiert sind
durch:
(F1) Jede Aussagenvariable Ai (i ≥ 0) ist eine Formel.
(F2) Ist ∗ ein 1-st. Junktor und ϕ eine Formel, so ist auch ∗ϕ eine Formel.
(F3) Ist ∗ ein 2-st. Junktor und ϕ1 und ϕ2 Formeln, so ist auch (ϕ1 ∗ ϕ2 )
eine Formel.
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Kapitel 1.5: Kalküle
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Korrektheit und Vollständigkeit: Definitionen
DEFINITION. Sei K ein Kalkül der Aussagenlogik.
K ist korrekt bzgl. der Allgemeingültigkeit, falls jede K-beweisbare Formel ϕ
allgemeingültig ist, also `K ϕ ⇒ ϕ für alle K-Formeln ϕ gilt.
K ist korrekt bzgl. Folgerungen, falls jede aus einer Formelmenge T
K-beweisbare Formel ϕ aus T (semantisch) folgt, also T `K ϕ ⇒ T ϕ
für alle K-Formelmengen T und alle K-Formeln ϕ gilt.
K ist vollständig bzgl. der Allgemeingültigkeit, falls jede allgemeingültige
Formel ϕ K-beweisbar ist, also ϕ ⇒ `K ϕ für alle K-Formeln ϕ gilt.
K ist vollständig bzgl. Folgerungen, falls jede aus einer Formelmenge T
folgende Formel ϕ aus T K-beweisbar ist, also T ϕ ⇒ T `K ϕ für alle
K-Formelmengen T und alle K-Formeln ϕ gilt.
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Kapitel 1.5: Kalküle
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Korrektheit und Vollständigkeit: Bemerkungen
Wegen
`K ϕ ⇔ ∅ `K ϕ
und
ϕ ⇔ ∅ϕ
impliziert Korrektheit (Vollständigkeit) bzgl. Folgerungen auch Korrektheit
(Vollständigkeit) bzgl. der Allgemeingültigkeit. Die Umkehrung gilt i.a. nicht.
Im Folgenden sagen wir kurz Korrektheit (Vollständigkeit) anstelle von
Korrektheit (Vollständigkeit) bzgl. Folgerungen und wir nennen einen Kalkül
K der Aussagenlogik adäquat, wenn K korrekt und vollständig ist, also stets
T `K ϕ ⇔ T ϕ
gilt.
Der syntaktische Beweisbarkeitsbegriff in einem adäquaten Kalkül der
Aussagenlogik fällt also gerade mit dem semantischen Folgerungsbegriff
zusammen (und die beweisbaren Formeln sind gerade die allgemeingültigen
Formeln).
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Kapitel 1.5: Kalküle
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Nachweis der Korrektheit eines Kalküls
Um zu zeigen, dass ein Kalkül K der Aussagenlogik korrekt (bzgl.
Folgerungen) ist, genügt es zu zeigen, dass
die Axiome allgemeingültig sind und
die Regeln korrekt bzgl. Folgerungen sind.
Hierbei heißt eine Regel
(R)
ϕ1 , . . . , ϕn
ϕ
korrekt (bzgl. Folgerungen), wenn ϕ1 , . . . , ϕn ϕ gilt.
Um dies zu zeigen, beweisen wir das folgende Korrektheitslemma.
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Kapitel 1.5: Kalküle
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Korrektheitslemma
KORREKTHEITSLEMMA. Sei K ein Kalkül der Aussagenlogik, dessen Axiome
allgemeingültig sind und dessen Regeln korrekt bzgl. Folgerungen sind. Dann ist
K korrekt bzgl. Folgerungen.
BEWEIS: Es gelte T ` ϕ.
Zu zeigen: T ϕ.
Sei ϕ0 , . . . , ϕn ein Beweis von ϕ aus T . Wegen ϕ ≡ ϕn genügt es T ϕi für
i ≤ n durch Ind(i) (= Herleitungsinduktion) zu zeigen.
Zum Nachweis von T ϕi unterscheide die folgenden drei möglichen Fälle:
I
I
I
ϕi Axiom: Dann ist (nach Annahme) ϕi allgemeingültig weshalb
insbesondere T ϕi gilt.
ϕi ∈ T : Dann gilt trivialerweise T ϕi .
ϕi ist mit Hilfe einer Regel R aus ϕj0 , . . . , ϕjk mit j0 , . . . , jk < i
erschlossen. Dann gilt nach I.V. T ϕjm für m ≤ k.
Da R nach Annahme korrekt bzgl. Folgerungen ist - also
ϕj0 , . . . , ϕjk ϕi gilt - folgt T ϕi mit der Transitivität von .
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Kapitel 1.5: Kalküle
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Korrektheitslemma für die Allgemeingültigkeit
Entsprechend kann man zeigen, dass ein Kalkül K der AL korrekt bzgl. der
Allgemeingültigkeit ist, falls die Axiome allgemeingültig sind und die Regeln
korrekt bzgl. der Allgemeingültigkeit sind.
Hierbei heißt eine Regel
(R)
ϕ1 , . . . , ϕn
ϕ
korrekt bzgl. der Allgemeingültigkeit, wenn aus der Allgemeingültigkeit von
ϕ1 ∧ · · · ∧ ϕn die Allgemeingültigkeit von ϕ folgt.
KORREKTHEITSLEMMA FÜR DIE ALLGEMEINGÜLTIGKEIT. Sei K ein Kalkül
der Aussagenlogik, dessen Axiome allgemeingültig sind und dessen Regeln korrekt
bzgl. der Allgemeingültigkeit sind. Dann ist K korrekt bzgl. der Allgemeingültigkeit, d.h. jede beweisbare Formel ist allgemeingültig.
Wir verzichten auf den einfachen Beweis, da wir im Folgenden nur an der
stärkeren Korrektheit bzgl. Folgerungen interessiert sind.
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Kapitel 1.5: Kalküle
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Korrektheit von Regeln: Korrektheit bzgl. vs. Korrektheit
bzgl. ag
Wie sich schon implizit aus den vorhergehenden Korrektheitslemmata ergibt, gilt:
LEMMA. Sei R korrekt bzgl. Folgerungen. Dann ist R auch korrekt bzgl. der
Allgemeingültigkeit.
BEWEIS:
R korrekt bzgl. Folgerungen
⇒
⇒
⇒
⇒
⇒
⇒
ϕ1 , . . . , ϕn ϕ
(nach Definition der Korrektheit bzgl. )
∀ B [B(ϕ1 ) = · · · = B(ϕn ) = 1 ⇒ B(ϕ) = 1]
(nach Definition von )
∀ B [B(ϕ1 ∧ · · · ∧ ϕn ) = 1 ⇒ B(ϕ) = 1]
(nach Definition der Bewertungen)
∀ B [B(ϕ1 ∧ · · · ∧ ϕn ) = 1] ⇒ ∀ B [B(ϕ) = 1]
(logischer Schluss)
ag[ϕ1 ∧ · · · ∧ ϕn ] ⇒ ag[ϕ]
(nach Definition von ag)
R korrekt bzgl. Allgemeingültigkeit
(nach Definition der Korrektheit bzgl. ag)
Die Umkehrung gilt i.a. nicht. Wir betrachten im Folgenden zwei Beispiele zur
Korrektheit von Regeln.
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Kapitel 1.5: Kalküle
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Beispiele zur Korrektheit von Regeln: Einsetzungsregel
BEISPIEL 1. Wie wir bereits in Kapitel 1.2.2 gezeigt haben (s. Lemma 8 dort), ist
die Einsetzungsregel
(Ein)
ϕ
ϕ[ψ/X ]
korrekt bzgl. der Allgemeingültigkeit.
Die Einsetzungsregel ist aber nicht korrekt bzgl. Folgerungen. Hierzu kann man
folgendes Gegenbeispiel betrachten:
ϕ :≡ X
ψ :≡ ¬X
Also: ϕ[ψ/X ] ≡ ¬X
Wegen X 6 ¬X gilt also ϕ 6 ϕ[ψ/X ].
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Kapitel 1.5: Kalküle
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Beispiele zur Korrektheit von Regeln: Ersetzungsregel
BEISPIEL 2. Wie wir bereits in Kapitel 1.2.2 gezeigt haben (s. Lemma 9 dort), ist
die Ersetzungsregel
(Ers)
χ
falls ϕ äq ψ
χ(ϕ/ψ)
korrekt bzgl. Folgerungen (also insbesondere korrekt bzgl. Allgemeingültigkeit).
(Dies folgt aus der Formulierung von Lemma 9 unter Verwendung von Lemma 4
in Kapitel 1.2.2, wobei letzteres gerade besagt, dass eine Formel ψ1 genau dann
zu einer Formel ψ2 äquivalent ist, wenn die Äquivalenzformel ψ1 ↔ ψ2
allgemeingültig ist.)
Im Folgenden werden wir einen Kalkül der Aussagenlogik angeben und von diesem
zeigen, dass er adäquat ist.
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Kapitel 1.5: Kalküle
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1.5.3 Der Shoenfield-Kalkül der Aussagenlogik
und dessen Korrektheit
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Kapitel 1.5: Kalküle
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Shoenfields Kalkül S der Aussagenlogik: Sprache und
Formeln
Dem Shoenfield-Kalkül S liegt die Basis {¬, ∨} zugrunde. Die Sprache von
S ist also durch das Alphabet {A0 , A1 , . . . , ¬, ∨, (, )} gegeben.
Wie bereits oben ausgeführt, führt dies zu folgender induktiver Definition
der (S-)Formeln:
I
I
I
Jede Aussagenvariable ist eine Formel.
Ist ϕ eine Formel, so auch ¬ϕ.
Sind ϕ1 und ϕ2 Formeln, so auch (ϕ1 ∨ ϕ2 ).
Aussagenlogische Formeln, die nicht von diesem Typ sind, fassen wir als
Abkürzungen von S-Formeln auf, wobei wir folgende Identitäten verwenden:
(i) (ϕ ∧ ψ) :≡ ¬(¬ϕ ∨ ¬ψ)
(ii) (ϕ → ψ) :≡ (¬ϕ ∨ ψ)
(iii) (ϕ ↔ ψ) :≡ ((ϕ → ψ) ∧ (ψ → ϕ))
wobei hier → und ∧ noch wie in (i) und (ii) zu ersetzen sind.
Zur Erhöhung der Lesbarkeit verwenden wir wie bei den al. Formeln die
früher eingeführten Regeln zur Klammerersparnis.
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Kapitel 1.5: Kalküle
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Shoenfields Kalkül S der Aussagenlogik: Axiome und
Regeln
Der Schoenfield-Kalkül besitzt ein Axiomenschema und vier
Regelschemata:
AXIOME
¬ϕ ∨ ϕ (≡ ϕ → ϕ) “tertium non datur” (Ax)
REGELN
ψ
ϕ∨ψ
Expansion (E)
ϕ∨ϕ
ϕ
Kürzung (Kü)
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ϕ ∨ (ψ ∨ δ)
(ϕ ∨ ψ) ∨ δ
Assoziativität (A)
ϕ ∨ ψ, ¬ϕ ∨ δ
ψ∨δ
Kapitel 1.5: Kalküle
Schnitt (S)
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Korrektheit des Shoenfield-Kalküls S
KORREKTHEITSSATZ. Der Schoenfield-Kalkül S ist korrekt (bzgl.
Folgerungen):
T `S ϕ ⇒ T ϕ
Mathematische Logik (WS 2016/17)
Kapitel 1.5: Kalküle
31 / 92
Beweis des Korrektheitssatzes
Nach dem Korrektheitslemma genügt es zu zeigen, dass die Axiome von S
allgemeingültig und die Regeln korrekt bzgl. Folgerungen sind.
Dies lässt sich aber leicht nachweisen (und wurde zum großen Teil bereits in
Kapitel 1.2.2 gezeigt). Wir zeigen hier nur die Korrektheit der Schnittregel:
Wegen der Ersetzungsregel genügt es A ∨ B, ¬A ∨ C B ∨ C zu zeigen,
wozu es wiederum genügt zu zeigen, dass für jede Belegung
B : {A, B, C } → {0, 1}
B(A ∨ B) = 1 und B(¬A ∨ C ) = 1 ⇒ B(B ∨ C ) = 1
gilt. Gelte also B(A ∨ B) = B(¬A ∨ C ) = 1. Dann gilt:
I
B(A) = 0 ⇒ B(B) = 1 (wegen B(A ∨ B) = 1) ⇒ B(B ∨ C ) = 1
I
B(A) = 1 ⇒ B(¬A) = 0 ⇒ B(C ) = 1 (wegen B(¬A ∨ C ) = 1) ⇒
B(B ∨ C ) = 1
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Kapitel 1.5: Kalküle
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Kapitel 1.6
Ein adäquater Kalkül der Aussagenlogik
Teil 2:
Vollständigkeit des Shoenfield-Kalküls
Mathematische Logik (WS 2016/17)
Kapitel 1.6: Vollständigkeit von S
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Übersicht
1.6.1 Vollständigkeit des Shoenfield-Kalküls
1.6.1.1
1.6.1.2
1.6.1.3
1.6.1.4
Zulässige Regeln
Tautologiesatz und Vollständigkeitssatz für endliches T
Deduktionstheorem
Erfüllbarkeitslemma
1.6.2 Folgerungen aus dem Vollständigkeitssatz
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Kapitel 1.6: Vollständigkeit von S
34 / 92
1.6.1 Vollständigkeit des Shoenfield-Kalküls
Mathematische Logik (WS 2016/17)
Kapitel 1.6: Vollständigkeit von S
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Vollständigkeit des Shoenfield-Kalküls S
VOLLSTÄNDIGKEITSSATZ. Der Schoenfield-Kalkül S ist vollständig
(bzgl. Folgerungen):
T ϕ ⇒ T `S ϕ
Der Beweis ist recht aufwändig und umfasst folgende Teilschritte:
1.6.1.1 Zulässige Regeln
1.6.1.2 Vollständigkeitssatz für T = ∅ (Tautologiesatz) und für
endliches T
1.6.1.3 Deduktionstheorem: T ` ϕ → ψ ⇔ T ∪ {ϕ} ` ψ
1.6.1.4 Erfüllbarkeitslemma: Jede konsistente Formelmenge T ist
erfüllbar.
Mathematische Logik (WS 2016/17)
Kapitel 1.6: Vollständigkeit von S
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Axiome und Regeln des Shoenfield-Kalküls S
Bevor wir mit dem Beweis beginnen rufen wir uns Axiome und Regeln des
Shoenfield-Kalküls S in Erinnerung:
AXIOME
¬ϕ ∨ ϕ (≡ ϕ → ϕ) “tertium non datur” (Ax)
REGELN
ψ
ϕ∨ψ
Expansion (E)
ϕ∨ϕ
ϕ
Kürzung (Kü)
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ϕ ∨ (ψ ∨ δ)
(ϕ ∨ ψ) ∨ δ
Assoziativität (A)
ϕ ∨ ψ, ¬ϕ ∨ δ
ψ∨δ
Kapitel 1.6: Vollständigkeit von S
Schnitt (S)
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1.6.1.1 Zulässige Regeln
Mathematische Logik (WS 2016/17)
Kapitel 1.6: Vollständigkeit von S
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1. Schritt: Zulässige Regeln
Wir diskutieren zunächst den Begriff der in einem Kalkül zulässigen
Regeln und Axiome sowie den sich hieraus ergebenden Begriff der
zulässigen Erweiterung eines Kalküls.
Dann geben wir Beispiele von Regeln und Axiomen an, die im
Shoenfield-Kalkül zulässig sind.
Im Folgenden dürfen wir dann diese Regeln und Axiome dem
Shoenfield-Kalkül S hinzufügen, da sich hierdurch die Menge der (aus
einer Formelmenge T ) beweisbaren Formeln nicht ändert.
Dies wird es uns erleichtern, die Beweisbarkeit von Formeln in S zu
zeigen.
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Kapitel 1.6: Vollständigkeit von S
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Erweiterungen von Kalkülen
DEFINITION. Seien K und K0 Kalküle über derselben Sprache und mit
identischen Formelmengen. K0 heißt Erweiterung von K (K ⊆ K0 ), wenn
alle Axiome und Regeln von K Axiome und Regeln von K0 sind.
Eine Erweiterung K0 von K ist konservativ (K ⊆konserv K0 ), wenn für alle
T und ϕ
T `K0 ϕ ⇒ T `K ϕ
gilt.
BEMERKUNGEN.
Für K ⊆ K0 gilt: T `K ϕ ⇒ T `K0 ϕ.
Für K ⊆konserv K0 gilt: T `K ϕ ⇔ T `K0 ϕ.
In einer konservativen Erweiterung K0 eines Kalküls K sind also
dieselben Formeln (aus einer Formelmenge T ) beweisbar wie in K.
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Kapitel 1.6: Vollständigkeit von S
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Zulässige Regeln und Axiome
DEFINITION. Eine Regel
(R)
ϕ1 , . . . , ϕn
ϕ
ist zulässig in dem Kalkül K (oder ableitbar in K), falls
ϕ1 , . . . , ϕ n ` K ϕ
gilt.
Eine Formel ϕ ist ein zulässiges Axiom von K (oder ein ableitbares Axiom
von K), falls `K ϕ gilt.
NB: Jede Regel und jedes Axiom von K ist zulässig in K.
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Kapitel 1.6: Vollständigkeit von S
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Zulässige Erweiterungen eines Kalküls
DEFINITION. Eine Erweiterung K0 von K ist eine zulässige Erweiterung von K,
wenn jedes Axiom und jede Regel von K0 in K zulässig ist.
SATZ ÜBER ZULÄSSIGE ERWEITERUNGEN. Sei K0 eine zulässige Erweiterung
von K. Dann ist K0 eine konservative Erweiterung von K. D.h. für jede
Formelmenge T und jede Formel ϕ gilt: T `K ϕ ⇔ T `K0 ϕ
BEWEISIDEE: Zum Beweis der nichttrivialen Richtung ⇐ nehme T `K0 ϕ an.
Aus einem K0 -Beweis ϕ1 , . . . , ϕn von ϕ aus T erhält man einen K-Beweis von ϕ
aus T durch folgende Ersetzungen (i = 1, . . . n):
Ist ϕi ein Axiom von K0 aber nicht von K (also ein zulässiges Axiom von K),
so ersetze ϕi durch einen K-Beweis von ϕi .
Folgt ϕi aus Formeln ϕj1 , . . . , ϕjk , (wobei j1 , . . . , jk < i) mit Hilfe einer
K0 -Regel (R), die keine K-Regel ist (also (R) ist eine zulässige Regel in K),
so ersetze ϕi durch einen K-Beweis von ϕi aus ϕj1 , . . . , ϕjk .
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Kapitel 1.6: Vollständigkeit von S
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Zulässige Axiome und Regeln für S: Vorbemerkungen
Weisen wir eine Regel (Axiom) als zulässig im Shoenfield-Kalkül S nach, so
dürfen wir diese(s) o.B.d.A. als Regel (Axiom) von S auffassen.
Hierdurch werden Beweise einfacher, da wir diese zusätzlichen Regeln (oder
Axiome) verwenden dürfen. Dies wird uns bei dem Nachweis der
Vollständigkeit von S helfen.
Alternativ hätten wir auch die im Folgenden als zulässig nachgewiesenen
Regeln direkt zu S hinzunehmen können.
Wir hätten in diesem Fall natürlich beim Nachweis der Korrektheit des
Kalküls diese Regeln miteinbeziehen müssen, was den Beweis umfangreicher
gemacht hätte aber nicht wesentlich erschwert. Dies wäre also weniger
aufwändig als den Nachweis der Zulässigkeit zu führen.
Dieses Vorgehen widerspräche aber der Idee, einem Kalkül unabhängige
Axiome und Regeln zugrundezulegen, also mit möglichst wenigen und
einfachen Axiomen und Regeln auszukommen.
Im Folgenden werden wir Beispiele zulässiger Regeln und Axiome für S geben.
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Kapitel 1.6: Vollständigkeit von S
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Zulässige Regeln für S: Kommutativitätsregel
Kommutativität (Ko):
ϕ∨ψ
ψ∨ϕ
NACHWEIS DER ZULÄSSIGKEIT:
Z.zg.: ϕ ∨ ψ ` ψ ∨ ϕ
1.
2.
3.
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ϕ∨ψ
¬ϕ ∨ ϕ
ψ∨ϕ
Voraussetzung
Axiom
S: 1,2
Kapitel 1.6: Vollständigkeit von S
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Zulässige Regeln für S: Modus Ponens
Modus Ponens (M):
ϕ, ϕ → ψ
ψ
d.h.
ϕ, ¬ϕ ∨ ψ
ψ
NACHWEIS DER ZULÄSSIGKEIT:
Z.zg.: ϕ, ¬ϕ ∨ ψ ` ψ
1.
2.
3.
4.
5.
6.
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ϕ
ψ∨ϕ
ϕ∨ψ
¬ϕ ∨ ψ
ψ∨ψ
ψ
Voraussetzung
E: 1
Ko: 2
Voraussetzung
S: 3,4
Kü: 5
Kapitel 1.6: Vollständigkeit von S
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Zulässige Regeln für S: Verallgemeinerte Expansionsregel
Als nächstes wollen wir zeigen, dass sich die Expansionsregel
ψ
ϕ∨ψ
Expansion (E)
wie folgt verallgemeinern lässt:
Verallgemeinerte Expansion (VE):
ϕi1 ∨ · · · ∨ ϕim
ϕ1 ∨ · · · ∨ ϕn
wobei m, n ≥ 1 und ϕi1 , . . . , ϕim ∈ {ϕ1 , . . . ϕn }
Der Nachweis der Zulässigkeit ist hier jedoch aufwändiger. Als erstes zeigen wir
die Zulässigkeit eines Spezialfalls von VE, nämlich der Schwach verallg.
Expansionsregel (VE1), und verwenden diesen dann, um die Zulässigkeit der
Verallgemeinerten Expansionsregel in deren allgemeinen Form zu zeigen.
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Kapitel 1.6: Vollständigkeit von S
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Zulässige Regeln für S: Schwach verallg. Expansionsregel
Schwach Verallgemeinerte Expansion (VE1)
ϕi ∨ ϕj
ϕ1 ∨ · · · ∨ ϕn
wobei 1 ≤ i < j ≤ n
NB: ϕ1 ∨ · · · ∨ ϕn ≡ ϕ1 ∨ (. . . (ϕn−1 ∨ ϕn ) . . . )
NACHWEIS DER ZULÄSSIGKEIT durch Ind(n) mit n ≥ 2:
Da die Behauptung für n = 2 trivial ist, dürfen wir n ≥ 3 annehmen.
Zu zeigen ist also:
ϕi ∨ ϕj ` ϕ1 ∨ (ϕ2 ∨ ϕ) wobei 1 ≤ i < j ≤ n, n ≥ 3
und
ϕ :≡ ϕ3 ∨ · · · ∨ ϕn
wobei nach Induktionsvoraussetzung für beliebige ϕ0i gilt:
ϕ0i 0 ∨ ϕ0j 0 ` ϕ01 ∨ · · · ∨ ϕ0m wobei 1 ≤ i 0 < j 0 ≤ m < n
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Kapitel 1.6: Vollständigkeit von S
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Schwach verallg. Expansionsregel: Zulässigkeit (1)
Wir unterscheiden die folgenden 3 Fälle:
(1) i = 1 und j = 2
(2) i = 1 und j ≥ 3
(2) 2 ≤ i < j ≤ n
1. FALL: i = 1 und j = 2
Zu zeigen: ϕ1 ∨ ϕ2 ` ϕ1 ∨ (ϕ2 ∨ ϕ)
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Mathematische Logik (WS 2016/17)
ϕ1 ∨ ϕ2
ϕ ∨ (ϕ1 ∨ ϕ2 )
(ϕ ∨ ϕ1 ) ∨ ϕ2
ϕ2 ∨ (ϕ ∨ ϕ1 )
(ϕ2 ∨ ϕ) ∨ ϕ1
ϕ1 ∨ (ϕ2 ∨ ϕ)
Voraussetzung
E: 1
A: 2
Ko: 3
A: 4
Ko: 5
Kapitel 1.6: Vollständigkeit von S
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Schwach verallg. Expansionsregel: Zulässigkeit (2)
2. FALL: i = 1 und j ≥ 3
Zu zeigen: ϕ1 ∨ ϕj ` ϕ1 ∨ (ϕ2 ∨ ϕ)
(wobei 3 ≤ j ≤ n und ϕ ≡ ϕ3 ∨ · · · ∨ ϕn )
1.
2.
3.
4.
5.
6.
ϕ1 ∨ ϕj
ϕ1 ∨ ϕ
ϕ ∨ ϕ1
ϕ2 ∨ (ϕ ∨ ϕ1 )
(ϕ2 ∨ ϕ) ∨ ϕ1
ϕ1 ∨ (ϕ2 ∨ ϕ)
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Voraussetzung
I.V.: 1 (lasse ϕ2 in Konklusion weg)
Ko: 2
E: 3
A: 4
Ko: 5
Kapitel 1.6: Vollständigkeit von S
49 / 92
Schwach verallg. Expansionsregel: Zulässigkeit (3)
3. FALL: 2 ≤ i < j ≤ n
Zu zeigen: ϕi ∨ ϕj ` ϕ1 ∨ (ϕ2 ∨ ϕ)
(wobei 2 ≤ i < j ≤ n und ϕ ≡ ϕ3 ∨ · · · ∨ ϕn )
1.
2.
3.
ϕ i ∨ ϕj
ϕ 2 ∨ · · · ∨ ϕn
≡ ϕ2 ∨ ϕ
ϕ1 ∨ ϕ2 ∨ ϕ
Voraussetzung
I.V.: 1 (lasse ϕ1 in Konklusion weg)
E: 2
Hiermit ist der Beweis der Zulässigkeit von (VE1 ) abgeschlossen.
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Kapitel 1.6: Vollständigkeit von S
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Zulässige Regeln für S: Verallgemeinerte Expansionsregel
Verallgemeinerte Expansion (VE):
ϕi1 ∨ · · · ∨ ϕim
ϕ1 ∨ · · · ∨ ϕn
wobei m, n ≥ 1 und ϕi1 , . . . , ϕim ∈ {ϕ1 , . . . ϕn }
NACHWEIS DER ZULÄSSIGKEIT DURCH Ind(m).
Wir unterscheiden dabei die folgenden Fälle:
1. Fall: m = 1 (Unterfälle: i1 = 1, 1 < i1 < n, 1 < i1 = n)
2. Fall: m = 2 (Unterfälle: i1 = i2 , i1 < i2 , i2 < i1 )
3. Fall: m ≥ 3
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Kapitel 1.6: Vollständigkeit von S
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Verallgemeinerte Expansionsregel: Zulässigkeit (1)
Fall 1.1: m = 1 und i1 = 1 Z.zg.: ϕ1 ` ϕ1 ∨ · · · ∨ ϕn
1.
2.
3.
ϕ1
(ϕ2 ∨ · · · ∨ ϕn ) ∨ ϕ1
ϕ1 ∨ ϕ2 ∨ · · · ∨ ϕn
Voraussetzung
E: 1
Ko: 2
Fall 1.2: m = 1 und 1 < i1 < n Z.zg.: ϕi1 ` ϕ1 ∨ · · · ∨ ϕn (1 < i1 < n)
1.
2.
3.
4.
3 + (i1 − 1).
Mathematische Logik (WS 2016/17)
ϕ i1
(ϕi1 +1 ∨ · · · ∨ ϕn ) ∨ ϕi1
ϕi1 ∨ · · · ∨ ϕn
ϕi1 −1 ∨ ϕi1 ∨ · · · ∨ ϕn
...
ϕ1 ∨ ϕ2 ∨ · · · ∨ ϕn
Kapitel 1.6: Vollständigkeit von S
Voraussetzung
E: 1
Ko: 2
E: 3
E: 3 + (i1 − 2)
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Verallgemeinerte Expansionsregel: Zulässigkeit (2)
Fall 1.3: m = 1 und 1 < i1 = n Z.zg.: ϕn ` ϕ1 ∨ · · · ∨ ϕn (1 < n)
1.
2.
3.
ϕn
ϕn−1 ∨ ϕn
ϕn−2 ∨ ϕn−1 ∨ ϕn
...
ϕ1 ∨ ϕ2 ∨ · · · ∨ ϕn
n.
Voraussetzung
E: 1
E: 2
E: n − 1
Fall 2.1: m = 2 und i1 = i2 Z.zg.: ϕi1 ∨ ϕi1 ` ϕ1 ∨ · · · ∨ ϕn (1 ≤ i1 ≤ n)
1.
2.
3.
ϕi1 ∨ ϕi1
ϕ i1
ϕ1 ∨ · · · ∨ ϕn
Mathematische Logik (WS 2016/17)
Voraussetzung
Kü: 1
I.V.: 2 (m0 = 1 < 2)
Kapitel 1.6: Vollständigkeit von S
53 / 92
Verallgemeinerte Expansionsregel: Zulässigkeit (3)
Fall 2.2: m = 2 und i1 < i2 Z.zg.: ϕi1 ∨ ϕi2 ` ϕ1 ∨ · · · ∨ ϕn
(1 ≤ i1 < i2 ≤ n)
1.
2.
ϕi1 ∨ ϕi2
ϕ1 ∨ · · · ∨ ϕn
Voraussetzung
VE1: 2
Fall 2.3: m = 1 und i2 < i1 Z.zg.: ϕi1 ∨ ϕi2 ` ϕ1 ∨ · · · ∨ ϕn
(1 ≤ i2 < i1 ≤ n)
1.
2.
3.
Mathematische Logik (WS 2016/17)
ϕi1 ∨ ϕi2
ϕi2 ∨ ϕi1
ϕ1 ∨ · · · ∨ ϕn
Voraussetzung
Ko: 1
VE1: 2
Kapitel 1.6: Vollständigkeit von S
54 / 92
Verallgemeinerte Expansionsregel: Zulässigkeit (4)
Fall 3: m ≥ 3 Z.zg.: ϕi1 ∨ · · · ∨ ϕim ` ϕ1 ∨ · · · ∨ ϕn (1 ≤ ij ≤ n)
Setze ϕ :≡ ϕ1 ∨ · · · ∨ ϕn
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
ϕi1 ∨ · · · ∨ ϕim
(ϕi1 ∨ ϕi2 ) ∨ (ϕi3 ∨ · · · ∨ ϕim )
(ϕi1 ∨ ϕi2 ) ∨ ϕ
ϕ ∨ (ϕi1 ∨ ϕi2 )
(ϕ ∨ ϕi1 ) ∨ ϕi2
(ϕ ∨ ϕi1 ) ∨ ϕ
ϕ ∨ (ϕ ∨ ϕi1 )
(ϕ ∨ ϕ) ∨ ϕi1
(ϕ ∨ ϕ) ∨ ϕ
ϕ∨ϕ∨ϕ
ϕ∨ϕ∨ϕ∨ϕ
(ϕ ∨ ϕ) ∨ (ϕ ∨ ϕ)
ϕ∨ϕ
ϕ
Mathematische Logik (WS 2016/17)
Voraussetzung
A: 1
I.V.: 2 (m0 = m − 1 wobei
ϕ0i1 :≡ ϕi1 ∨ ϕi2 und ϕ0ij :≡ ϕij+1 (j ≥ 2))
Ko: 3
A: 4
I.V. : 5 (m0 = 2)
Ko: 6
A: 7
I.V. : 8 (m0 = 2)
Ko: 9
E: 10
A: 11
Kü: 12
Kü: 13
Kapitel 1.6: Vollständigkeit von S
55 / 92
Zulässige Regeln für S: Duales Assoziativgesetz
(Duale) Assoziativität (A2):
(ϕ ∨ ψ) ∨ δ
ϕ ∨ (ψ ∨ δ)
NACHWEIS DER ZULÄSSIGKEIT:
Z.zg.: (ϕ ∨ ψ) ∨ δ ` ϕ ∨ (ψ ∨ δ)
1.
2.
3.
Mathematische Logik (WS 2016/17)
(ϕ ∨ ψ) ∨ δ
δ∨ϕ∨ψ
ϕ∨ψ∨δ
Voraussetzung
Ko: 1
VE: 2
Kapitel 1.6: Vollständigkeit von S
56 / 92
Zulässige Regeln für S: Negationsregeln
1. Negationsregel (N1)
ϕ∨ψ
¬¬ϕ ∨ ψ
2. Negationsregel (N2)
¬¬ϕ ∨ ψ
ϕ∨ψ
3. Negationsregel (N3)
ϕ → δ, ψ → δ
(ϕ ∨ ψ) → δ
d.h.
¬ϕ ∨ δ, ¬ψ ∨ δ
¬(ϕ ∨ ψ) ∨ δ
Beweis der Zulässigkeit: siehe Übungen.
Mathematische Logik (WS 2016/17)
Kapitel 1.6: Vollständigkeit von S
57 / 92
Zulässige Regeln: Zusammenfassung
Kommutativität (Ko):
ϕ∨ψ
ψ∨ϕ
1. Negationsregel (N1):
ϕ∨ψ
¬¬ϕ ∨ ψ
Modus Ponens (M):
ϕ, ϕ → ψ
ϕ, ¬ϕ ∨ ψ
d.h.
ψ
ψ
2. Negationsregel (N2):
¬¬ϕ ∨ ψ
ϕ∨ψ
Verallgemeinerte Expansion (VE):
ϕi1 ∨ · · · ∨ ϕim
ϕ1 ∨ · · · ∨ ϕn
wobei ϕi1 , . . . , ϕim ∈ {ϕ1 , . . . ϕn }
3. Negationsregel (N3):
ϕ → δ, ψ → δ
¬ϕ ∨ δ, ¬ψ ∨ δ
d.h.
(ϕ ∨ ψ) → δ
¬(ϕ ∨ ψ) ∨ δ
(Duale) Assoziativität (A2):
(ϕ ∨ ψ) ∨ δ
ϕ ∨ (ψ ∨ δ)
Mathematische Logik (WS 2016/17)
Kapitel 1.6: Vollständigkeit von S
58 / 92
1.6.1.2 Tautologiesatz und Vollständigkeitssatz für endliches T
Mathematische Logik (WS 2016/17)
Kapitel 1.6: Vollständigkeit von S
59 / 92
2. Schritt: Tautologiesatz
Wir zeigen nun die folgenden Spezialfälle des Vollständigkeitssatzes
T ϕ ⇒ T `ϕ
1
T = ∅, d.h. die Vollständigkeit bzgl. der Allgemeingültigkeit
(Tautologiesatz)
2
T endlich
Mathematische Logik (WS 2016/17)
Kapitel 1.6: Vollständigkeit von S
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Der Tautologiesatz
TAUTOLOGIESATZ:
ϕ ⇒`ϕ
Zum Beweis des Tautologiesatzes benutzen wir eine trickreiche Induktion:
Wir zeigen
(∗)
ϕ1 ∨ · · · ∨ ϕn ⇒ ` ϕ1 ∨ · · · ∨ ϕn
durch Induktion nach
m :=
n
X
lz(ϕi )
i=1
NB: Der Tautologiesatz folgt aus (∗) für n = 1.
Mathematische Logik (WS 2016/17)
Kapitel 1.6: Vollständigkeit von S
61 / 92
Der Tautologiesatz: Beweis
Gegeben: ϕ1 , . . . , ϕn mit ϕ1 ∨ · · · ∨ ϕn und m :=
Pn
i=1 lz(ϕi ).
Zum Nachweis von ` ϕ1 ∨ · · · ∨ ϕn unterscheiden wir folgende Fälle,
wobei wir nach Induktionsvoraussetzung für beliebiges n0 und beliebige
ψ1 , . . . , ψn0 annehmen dürfen:
I.V. ψ1 ∨ · · · ∨ ψn0 &
Pn0
i=1 lz(ψi )
< m ⇒ ` ψ1 ∨ · · · ∨ ψn0
Fall 1: ϕ1 , . . . , ϕn sind Literale.
Wegen ϕ1 ∨ · · · ∨ ϕn gibt es dann eine Variable A und Indizes
i1 , i2 ∈ {1, . . . , n} mit ϕi1 ≡ ¬A und ϕi2 ≡ A.
Dann gilt aber ` ϕ1 ∨ · · · ∨ ϕn wegen:
1.
2.
Mathematische Logik (WS 2016/17)
ϕi1 ∨ ϕi2 (≡ ¬A ∨ A)
ϕ1 ∨ · · · ∨ ϕn
Kapitel 1.6: Vollständigkeit von S
Axiom
VE: 1
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Der Tautologiesatz: Beweis (Fortsetzung)
Fall 2: Sonst.
Nach Fallannahme gibt es zumindest ein i, sodass ϕi kein Literal ist.
Da es wegen der Verallgemeinerten Expansionsregel bei dem Beweis
von ϕ1 ∨ · · · ∨ ϕn nicht auf die Reihenfolge der Disjunktionsglieder
ankommt, können wir o.B.d.A. annehmen, dass ϕ1 kein Literal ist.
Die Formel ϕ1 muss daher eine der folgenden Gestalten haben:
I
I
I
ϕ1 ≡ ψ ∨ δ
ϕ1 ≡ ¬¬ψ
ϕ1 ≡ ¬(ψ ∨ δ)
Wir betrachten im Folgenden diese 3 Unterfälle getrennt.
Mathematische Logik (WS 2016/17)
Kapitel 1.6: Vollständigkeit von S
63 / 92
Der Tautologiesatz: Beweis (Fortsetzung)
Fall 2.1: ϕ1 ≡ ψ ∨ δ.
Wegen ϕ1 ∨ · · · ∨ ϕn folgt aus
ϕ1 ∨ · · · ∨ ϕn ≡ (ψ ∨ δ) ∨ ϕ2 ∨ · · · ∨ ϕn
äq ψ ∨ δ ∨ ϕ2 ∨ · · · ∨ ϕn ,
dass auch ψ ∨ δ ∨ ϕ2 ∨ · · · ∨ ϕn gilt.
Da lz(ψ) + lz(δ) + lz(ϕ2 ) + · · · + lz(ϕn ) = m − 1 folgt mit I.V.
` ψ ∨ δ ∨ ϕ2 ∨ · · · ∨ ϕn (≡ ψ ∨ (δ ∨ (ϕ2 ∨ · · · ∨ ϕn )))
und hieraus mit (A)
` (ψ ∨ δ) ∨ ϕ2 ∨ · · · ∨ ϕn
d.h.
` ϕ1 ∨ ϕ2 ∨ · · · ∨ ϕn
Mathematische Logik (WS 2016/17)
Kapitel 1.6: Vollständigkeit von S
64 / 92
Der Tautologiesatz: Beweis (Fortsetzung)
Fall 2.2: ϕ1 ≡ ¬¬ψ.
Wegen ϕ1 ∨ · · · ∨ ϕn folgt aus
ϕ1 ∨ · · · ∨ ϕn ≡ ¬¬ψ ∨ ϕ2 ∨ · · · ∨ ϕn
äq ψ ∨ ϕ2 ∨ · · · ∨ ϕn ,
dass auch ψ ∨ ϕ2 ∨ · · · ∨ ϕn gilt.
Da lz(ψ) + lz(ϕ2 ) + · · · + lz(ϕn ) = m − 2 folgt mit I.V.
` ψ ∨ ϕ2 ∨ · · · ∨ ϕn
und hieraus mit (N1)
` ¬¬ψ ∨ ϕ2 ∨ · · · ∨ ϕn
d.h.
` ϕ1 ∨ ϕ2 ∨ · · · ∨ ϕn
Mathematische Logik (WS 2016/17)
Kapitel 1.6: Vollständigkeit von S
65 / 92
Der Tautologiesatz: Beweis (Ende)
Fall 2.3: ϕ1 ≡ ¬(ψ ∨ δ).
Wegen ϕ1 ∨ · · · ∨ ϕn folgt aus
ϕ1 ∨ · · · ∨ ϕn
≡
¬(ψ ∨ δ) ∨ ϕ2 ∨ · · · ∨ ϕn mit
¬(ψ ∨ δ) ∨ ϕ2 ∨ · · · ∨ ϕn
¬ψ ∨ ϕ2 ∨ · · · ∨ ϕn und
¬(ψ ∨ δ) ∨ ϕ2 ∨ · · · ∨ ϕn
¬δ ∨ ϕ2 ∨ · · · ∨ ϕn ,
dass auch ¬ψ ∨ ϕ2 ∨ · · · ∨ ϕn und ¬δ ∨ ϕ2 ∨ · · · ∨ ϕn gelten.
Da lz(¬ψ), lz(¬δ) < lz(¬(ψ ∨ δ)) = lz(ϕ1 ) folgt mit I.V.
` ¬ψ ∨ ϕ2 ∨ · · · ∨ ϕn
und ` ¬δ ∨ ϕ2 ∨ · · · ∨ ϕn
und hieraus mit (N3)
` ¬(ψ ∨ δ) ∨ ϕ2 ∨ · · · ∨ ϕn
d.h. ` ϕ1 ∨ ϕ2 ∨ · · · ∨ ϕn .
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(Damit ist der Satz bewiesen.)
Kapitel 1.6: Vollständigkeit von S
66 / 92
Der Vollständigkeitssatz für endliches T
VOLLSTÄNDIGKEITSSATZ FÜR ENDLICHES T . Für endliches T gilt:
T ϕ ⇒ T `ϕ
BEWEIS durch Ind(|T |):
|T | = 0. Dann ist T = ∅ und die Behauptung gilt nach dem Tautologiesatz.
|T | = n + 1. Dann gibt es eine Formel ψ und eine Formelmenge T 0 mit
|T 0 | = n und T = T 0 ∪ {ψ}. Es folgt:
T 0, ψ ϕ
T0 ψ → ϕ
T0 ` ψ → ϕ
T ` ψ → ϕ und T ` ψ
T `ϕ
Mathematische Logik (WS 2016/17)
(nach Annahme)
(Verträglichkeit von und →)
(nach I.V.)
(wegen T 0 ⊆ T bzw. ψ ∈ T )
(Modus Ponens)
Kapitel 1.6: Vollständigkeit von S
67 / 92
1.6.1.3 Das Deduktionstheorem
Mathematische Logik (WS 2016/17)
Kapitel 1.6: Vollständigkeit von S
68 / 92
3. Schritt: Deduktionstheorem
Wie wir bereits gesehen haben, ist der semantische Folgerungsbegriff mit
dem Junktor der Implikation verträglich:
T ϕ → ψ ⇔ T ∪ {ϕ} ψ
Wir zeigen als nächstes die entsprechende Aussage für den syntaktischen
Folgerungsbegriff, die Beweisbarkeit:
DEDUKTIONSTHEOREM: T ` ϕ → ψ ⇔ T ∪ {ϕ} ` ψ
Mathematische Logik (WS 2016/17)
Kapitel 1.6: Vollständigkeit von S
69 / 92
Deduktionstheorem: Beweis
T ` ϕ → ψ ⇒ T ∪ {ϕ} ` ψ:
Einen Beweis von ψ aus T ∪ {ϕ} erhält man wie folgt:
1. ϕ → ψ
2. ϕ
3. ψ
Annahme: T ` ϕ → ψ
ϕ ∈ T ∪ {ϕ}
M: 1,2
T ∪ {ϕ} ` ψ ⇒ T ` ϕ → ψ:
I
I
I
I
I
I
T ∪ {ϕ} ` ψ nach Annahme. (Z.zg.: T ` ϕ → ψ)
Wegen der Endlichkeit von ` gibt es T0 ⊆ T endlich mit T0 ∪ {ϕ} ` ψ.
Mit dem Korrektheitssatz folgt: T0 ∪ {ϕ} ψ.
Mit der Verträglichkeit von und → folgt: T0 ϕ → ψ.
Mit der bereits gezeigten Vollständigkeit für endliches T folgt:
T0 ` ϕ → ψ.
Mit T0 ⊆ T und der Monotonie von ` folgt schließlich: T ` ϕ → ψ.
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70 / 92
1.6.1.4 Das Erfüllbarkeitslemma
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4. Schritt: Das Erfüllbarkeitslemma
Wir führen zunächst das syntaktische Gegenstück der Erfüllbarkeit,
nämlich die Konsistenz ein, definieren vollständige Formelmengen
und machen einige einfache Beobachtungen zu diesen Konzepten.
Wir zeigen dann, dass jede konsistente Menge erfüllbar ist
(Erfüllbarkeitslemma).
Der Vollständigkeitssatz ergibt sich dann unmittelbar aus diesem
Lemma.
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Kapitel 1.6: Vollständigkeit von S
72 / 92
Konsistente und vollständige Formelmengen
DEFINITION. Eine Formelmenge T ist konsistent, falls es eine Formel ϕ
gibt, mit T 6` ϕ. Andernfalls ist T inkonsistent.
NB: Wie wir gesehen haben, ist eine Formelmenge T genau dann erfüllbar, wenn
es eine Formel ϕ mit T 6 ϕ gibt. Konsistenz ist daher das syntaktische
Gegenstück zur Erfüllbarkeit.
DEFINITION. Eine Formelmenge T ist vollständig, falls für jede Formel ϕ
gilt: T ` ϕ oder T ` ¬ϕ.
NB: Vollständigkeit (einer Formelmenge) im Sinne dieser Definition und
Vollständigkeit (eines Kalküls) im Sinne des Vollständigkeitssatzes sind
unterschiedliche Konzepte, zwischen denen kein direkter Zusammenhang besteht!
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Alternative Charakterisierung der Konsistenz
Die Konsistenz einer Formelmenge T lässt sich alternativ wie folgt beschreiben:
LEMMA (CHARAKTERISIERUNGSLEMMA, CKL).
T konsistent ⇔ Es gibt kein ϕ mit T ` ϕ und T ` ¬ϕ.
BEWEIS. Die nichttriviale Richtung ⇒ zeigen wir durch Kontraposition: aus der
Annahme, dass T ` ϕ und T ` ¬ϕ gelte, leiten wir T ` ψ für ψ beliebig wie
folgt ab:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
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ϕ
¬ϕ
ϕ∨ψ
¬ϕ ∨ ψ
ψ∨ψ
ψ
Annahme
Annahme
VE: 1
VE: 2
S: 3,4
Kü: 5
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Das Endlichkeitslemma für die Konsistenz
Offensichtlich ist jede Teilmenge einer konsistenten Menge wiederum konsistent.
Aus der Endlichkeit des Beweisbegriffs ergibt sich umgekehrt, dass eine
Formelmenge bereits konsistent ist, wenn alle ihre endlichen Teilmengen
konsistent sind:
LEMMA (ENDLICHKEITSLEMMA FÜR KONSISTENZ (EK)). Eine
Formelmenge T ist genau dann konsistent, wenn jede endliche Teilmenge T0 von
T konsistent ist.
BEWEIS. Die nichttriviale Richtung zeigt man durch Kontraposition:
Sei T inkonsistent.
Nach dem CKL-Lemma gibt es dann ϕ mit T ` ϕ und T ` ¬ϕ.
Wegen des Endlichkeitssatzes für ` gibt es dann aber T0 ⊆ T endlich mit
T0 ` ϕ und T0 ` ¬ϕ.
Nach dem CKL-Lemma ist dann aber T0 inkonsistent.
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Konsistenz vs. Beweisbarkeit
Bei der Analyse des Folgerungsbegriffs haben wir den folgenden
Zusammenhang zwischen Folgerungs- und Erfüllbarkeitsbegriff beobachtet:
T ϕ ⇔ T ∪ {¬ϕ} nicht erfüllbar
(LFE)
Auf der syntaktischen Ebene ist das entsprechende Ergebnis:
LEMMA ÜBER BEWEISBARKEIT UND KONSISTENZ (LBK).
T ` ϕ ⇔ T ∪ {¬ϕ} inkonsistent
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Konsistenz vs. Beweisbarkeit: Beweis von LBK
T ` ϕ ⇒ T ∪ {¬ϕ} inkonsistent:
Annahme: T ` ϕ. Dann:
T ∪ {¬ϕ} ` ϕ
Annahme und Monotonie von `
T ∪ {¬ϕ} ` ¬ϕ Trivialerweise
Also: T ∪ {¬ϕ} inkonsistent nach dem CKL-Lemma.
T ` ϕ ⇐ T ∪ {¬ϕ} inkonsistent:
Annahme: T ∪ {¬ϕ} inkonsistent. Dann:
⇒
⇒
⇒
T
T
T
T
∪ {¬ϕ} ` ϕ
` ¬ϕ → ϕ
`ϕ∨ϕ
`ϕ
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wegen Inkonsistenz von T ∪ {¬ϕ}
Deduktionstheorem
mit N2 (NB: ¬ϕ → ϕ ≡ ¬¬ϕ ∨ ϕ)
mit Kü
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Konsistenz vs. Erfüllbarkeit: Korrektheitssatz und
Konsistenzlemma
Die Übereinstimmung des (semantischen) Folgerungsbegriffs und des (syntaktischen) Beweisbarkeitsbegriffs ist äquivalent zur Übereinstimmung des
(semantischen) Erfüllbarkeitsbegriffs und des (syntaktischen) Konsistenzbegriffs.
So erhalten wir aus dem Korrektheitssatz das folgende
KONSISTENZLEMMA. Jede erfüllbare Formelmenge T ist konsistent.
BEWEIS (durch Kontraposition): Sei T inkonsistent. Dann gibt es nach dem
CKL-Lemma eine Formel ϕ mit T ` ϕ und T ` ¬ϕ. Mit dem Korrektheitssatz
folgt: T ϕ und T ¬ϕ. Da es keine Belegung B mit B(ϕ) = B(¬ϕ) = 1 gibt,
gibt es also keine Belegung B mit B T . D.h. T ist nicht erfüllbar.
Entsprechend folgt aus der Umkehrung des Konsistenzlemmas (dem
Erfüllbarkeitslemma) der Vollständigkeitssatz:
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Konsistenz vs. Erfüllbarkeit: Erfüllbarkeitslemma und
Vollständigkeitssatz
ERFÜLLBARKEITSLEMMA (EL). Jede konsistente Formelmenge T ist erfüllbar.
Das Erfüllbarkeitslemma impliziert den Vollständigkeitssatz:
VOLLSTÄNDIGKEITSSATZ (VS). T ϕ ⇒ T ` ϕ.
Beweis des Vollständigkeitssatzes mit Hilfe von EL:
⇒
⇒
⇒
T ϕ
Annahme
nicht erfb[T ∪ {¬ϕ}]
LFE
T ∪ {¬ϕ} inkonsistent EL (Kontraposition)
T `ϕ
LBK
Um den Beweis des Vollständigkeitssatzes abzuschließen, müssen wir also nur
noch das Erfüllbarkeitslemma beweisen!
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Beweis von EL: Übersicht
Gegeben: eine konsistente Formelmenge T .
Zu zeigen: T ist erfüllbar.
Der Beweis erfolgt in 2 Schritten:
Schritt 1: Erweitere T zu einer vollständigen konsistenten Menge TV .
Schritt 2: Zeige, dass jede vollständige konsistente Menge TV
erfüllbar ist.
Da jede Teilmenge einer erfüllbaren Menge ebenfalls erfüllbar ist, folgt
hieraus die Erfüllbarkeit von T .
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Bew. von EL: (1) die vollst. kons. Erweiterung TV von T
Definition von TV :
Sei ϕ0 , ϕ1 , ϕ2 , . . . eine Aufzählung aller Formeln.
Definiere T ⊆ T0 ⊆ T1 ⊆ T2 ⊆ . . . induktiv durch
(
Tn
falls Tn ` ϕn
T0 := T und Tn+1 :=
Tn ∪ {¬ϕn } sonst
Setze
TV :=
S
n≥0 Tn .
Nach Definition ist TV eine Obermenge von T .
Zu zeigen bleibt, dass TV vollständig und konsistent ist.
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Bew. von EL: (1) die vollst. kons. Erweiterung TV von T
Vollständigkeit von TV :
Sei ϕ eine beliebige Formel. Z.zg.: TV ` ϕ oder TV ` ¬ϕ.
Wähle n mit ϕn ≡ ϕ.
Dann gilt nach Definition der Erweiterungen Tn von T : Tn ` ϕ oder
¬ϕ ∈ Tn+1 und daher Tn+1 ` ¬ϕ.
Da TV eine Obermenge von Tn und Tn+1 ist, folgt mit der Monotonie von
`, dass TV ` ϕ oder TV ` ¬ϕ gilt.
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Bew. von EL: (1) die vollst. kons. Erweiterung TV von T
Konsistenz von TV :
Wir zeigen zunächst durch Ind(n), dass die Mengen Tn konsistent sind:
I
I
n = 0: Wegen T0 = T folgt dies aus der Annahme, dass T konsistent
ist.
n + 1: Da nach I.V. Tn konsistent ist, ist die Behauptung trivial, falls
Tn+1 = Tn . Andernfalls gilt Tn+1 = Tn ∪ {¬ϕn } und Tn 6` ϕn . Aus
Letzterem folgt aber mit LBK die Konsistenz von Tn ∪ {¬ϕn } also von
Tn+1 .
Die Konsistenz von TV ergibt sich hieraus wie folgt:
Widerspruchsannahme: TV inkonsistent.
Dann gibt es (nach EK) eine endliche Teilmenge T 0 von TV , die inkonsistent
ist. Da TV die Vereinigung der aufsteigenden Kette Tn (n ≥ 0) ist, ist die
endliche Teilmenge T 0 von TV aber in einem Tn enthalten, das dann
ebenfalls inkonsistent ist (triviale Richtung von EK). Widerspruch!
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Bew. von EL: (2) Erfüllbarkeit der Erweiterung TV
Schritt 1: Definition der Belegung B, die TV wahrmacht
Die Belegung B aller Variablen ist definiert durch:
(
1 falls TV ` An
B(An ) =
0 falls TV ` ¬An .
NB: Die Abbildung B : {An : n ≥ 0} → {0, 1} ist
wohldefiniert, da wegen der Konsistenz von TV für kein n TV ` An und
TV ` ¬An gilt, und
total, da wegen der Vollständigkeit von TV für jedes n TV ` An oder
TV ` ¬An gilt.
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Bew. von EL: (2) Erfüllbarkeit der Erweiterung TV
Schritt 2: Nachweis, dass die Belegung B die Erweiterung TV wahrmacht
Zum Nachweis von B TV genügt es
(∗) B ϕ ⇔ TV ` ϕ
durch Ind(ϕ) zu zeigen.
ϕ ≡ A: Dann gilt (∗) gerade nach Definition von B.
ϕ ≡ ¬ψ: Dann gilt
Bϕ ⇔
⇔
⇔
⇔
⇔
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B ¬ψ
B 6 ψ
TV 6` ψ
TV ` ¬ψ
TV ` ϕ
(da ϕ ≡ ¬ψ)
(da B Belegung)
(nach I.V.)
(da TV vollständig und konsistent)
(da ϕ ≡ ¬ψ)
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Bew. von EL: (2) Erfüllbarkeit der Erweiterung TV
Fortsetzung des Beweises von (∗) B ϕ ⇔ TV ` ϕ durch Ind(ϕ):
ϕ ≡ ψ ∨ δ: Wegen
B ψ∨δ
⇔ B ψ oder B δ
⇔ TV ` ψ oder TV ` δ
(da B Belegung)
(nach I.V.)
genügt es TV ` ψ oder TV ` δ ⇔ TV ` ψ ∨ δ zu zeigen.
I
⇒: Wende die Regel (VE) an.
I
⇐: Der Beweis ist durch Kontraposition:
TV 6` ψ und TV 6` δ
⇒ TV ` ¬ψ und TV ` ¬δ
⇒ TV ` ¬ψ ∨ ¬(ψ ∨ δ) und
TV ` ¬δ ∨ ¬(ψ ∨ δ)
⇒ TV ` ¬(ψ ∨ δ) ∨ ¬(ψ ∨ δ)
⇒ TV ` ¬(ψ ∨ δ)
⇒ TV 6` ψ ∨ δ
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(nach Annahme)
(da TV vollständig)
(mit (VE))
(mit (N3))
(mit (Kü))
(da TV konsistent)
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Der Vollständigkeitssatz
Hiermit ist der Beweis des Erfüllbarkeitslemma abgeschlossen.
Da wir bereits gezeigt haben, dass der Vollständigkeitssatz aus dem
Erfüllbarkeitslemma folgt, ist damit auch der Vollständigkeitssatz bewiesen:
VOLLSTÄNDIGKEISSATZ. Der Kalkül S der Aussagenlogik ist
vollständig:
T ϕ ⇒ T `S ϕ
Im Folgenden betrachten wir noch einige Folgerungen aus dem
Vollständigkeitssatz.
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1.6.2 Folgerungen aus dem Vollständigkeitssatz
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Der Adäquatheitssatz
Vollständigkeits- und Korrektheitsatz lassen sich zusammenfassen zu:
ADÄQUATHEITSSATZ (für den Folgerungsbegriff). Für jede Formelmenge T
und jede Formel ϕ gilt: T ϕ ⇔ T ` ϕ
BEWEIS: “⇒”: Vollständigkeitssatz “⇐”: Korrektheitssatz
Entsprechend folgt aus dem Erfüllbarkeits- und Konsistenzlemma:
ADÄQUATHEITSSATZ (für den Erfüllbarkeitsbegriff). Für jede Formelmenge T
gilt: T erfüllbar ⇔ T konsistent
BEWEIS: “⇒”: Konsistenzlemma “⇐”: Erfüllbarkeitslemma
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Der Kompaktheitssatz (1)
Mit Hilfe des Adäquatheitssatzes überträgt sich die Endlichkeit des
Beweisbarkeitsbegriffs auf den semantischen Folgerungsbegriff:
KOMPAKTHEITSSATZ oder ENDLICHKEITSSATZ (für den Folgerungsbegriff).
Eine Formel ϕ folgt genau dann aus einer Formelmenge T , wenn es eine endliche
Teilmenge T0 von T gibt, aus der ϕ folgt:
T ϕ ⇔ Es gibt T0 ⊆ T endlich: T0 ϕ
BEWEIS:
T ϕ ⇔
⇔
⇔
T `ϕ
Adäquatheitssatz
Es gibt T0 ⊆ T endlich: T0 ` ϕ Endlichkeitssatz für `
Es gibt T0 ⊆ T endlich: T0 ϕ Adäquatheitssatz
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Der Kompaktheitssatz (2)
Alternativ lässt sich der Endlichkeitssatz auch für die Erfüllbarkeit formulieren:
KOMPAKTHEITSSATZ oder ENDLICHKEITSSATZ (für den Erfüllbarkeitsbegriff). Eine Formelmenge T ist genau dann erfüllbar, wenn jede endliche
Teilmenge T0 von T erfüllbar ist:
erfb[T ] ⇔ Für alle T0 ⊆ T endlich: erfb[T0 ]
BEWEIS:
erfb[T ] ⇔
⇔
⇔
T konsistent
Adäquatheitssatz f. Erfb.
Für alle T0 ⊆ T endlich: T0 konsistent EK
Für alle T0 ⊆ T endlich: erfb[T0 ]
Adäquatheitssatz f. Erfb.
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(Nicht)Entscheidbarkeit der Beweisbarkeit
Abschliessend bemerken wir, dass die Menge der (im Shoenfield-Kalkül)
beweisbaren Formeln {ϕ : ` ϕ} entscheidbar ist, da wegen des
Adäquatheitssatzes {ϕ : ` ϕ} = {ϕ : ϕ} gilt und da wir bereits gesehen
haben, dass die Menge der allgemeingültigen Formeln entscheidbar ist.
Für einen beliebigen Kalkül K gilt, dass wegen der Entscheidbarkeit der
Axiome und Regeln die Menge der Beweise {~
ϕ: ϕ
~ K-Beweis} ebenfalls
entscheidbar ist.
Es folgt, dass die Menge der beweisbaren Formeln aufzählbar ist.
(Nämlich: Da die Menge der Beweise entscheidbar ist, ist diese Menge
insbesondere aufzählbar. Ein Aufzählungsverfahren für die Beweise lässt sich
aber in ein Aufzählungsverfahren der beweisbaren Formeln umformen: Es
genügt statt der einzelnen Beweise jeweils nur die letzte Formel des Beweises
auszugeben!)
Es gibt aber Kalküle deren Beweisbarkeitsbegriff unentscheidbar ist. Dies gilt
z.B. für adäquate Kalküle der Prädikatenlogik, wie wir noch sehen werden.
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