NICHTSTÄNDIGER AUSSCHUSS FÜR HUMANGENETIK UND ANDERE NEUE TECHNOLOGIEN IN DER MODERNEN MEDIZIN ANHÖRUNG am 26. April 2001 Carlos Alonso BEDATE Akademische Laufbahn Diplomabschluss Philosophie Diplomabschluss Theologie Master in Genetik Diplomabschluss Biologie Doktor der Naturwissenschaften Doktor der Naturwissenschaften Universität Alcalá de Henares Theologische Fakultät Granada Universität California, Davis, USA Universität Granada Universität Granada Universität Nijmegen, Holland 1960 1966 1969 1973 1974 1972 Wissenschaftlicher Forschungsleiter, CSIC, Zentrum für Molekularbiologie Anschrift: Postanschrift: Centro de Biología Molecular Facultad de Ciencias Universidad Autónoma de Madrid 28049 MADRID Telefon: +34-913975070 / +34-913974863 E-mail: [email protected] Ehrenprofessur an der Universidad Autónoma de Madrid, Madrid Internationaler Beobachter bei „Vaccination trial against malaria Tanzania”, 1992-1994 (CSIC Spanien - MRI (Schweiz) WHO) Vorsitzender des Komitees für Bioethik des Wissenschaftsrats beim Erziehungsministerium (Consejo Superior de investigaciones científicas, CSIC), 19941998 Stellvertretender Vorsitzender des Komitees für Bioethik des CSIC, 1998-2001 Mitarbeit bei nationalen Projekten Mitarbeit bei industriellen Projekten Betreute Doktorarbeiten Kapitel in Büchern Internationale Arbeiten 24 4 19 16 125 DV/437357DE.doc Externe Übersetzung 1 Patente 1- Carlos Alonso, José María Requena, Manuel Carlos López Methode zur Diagnose und Klassifizierung von Arten der Trypanosoma cruci Inhaber: CSIC Nr. 9102521 2- Carlos Alonso, José María Requena, Manuel Soto Chimärisches Gen zur Diagnose von Leishmaniasis und assoziiertes Protein Nr. P-9701430 Inhaber: Laboratorios Leti *** Genetik und Medizin – Forschung an Embryos und Klonen (wissenschaftliche, medizinische, ethische, rechtliche und psychologische Aspekte) (therapeutische Klonierung zur Gewinnung totipotenter Stammzellen, andere Quellen von Stammzellen, Organe und Gewebe für die Transplantation, Gewebe- und Organtechnik). Die Differenzierung der Zellen wird durch eine fortschreitende Sequenz morphologischer und molekularer Stadien erreicht, die durch die differenzierte Ausprägung der Gene ihres Genoms bestimmt wird. Doch auch wenn sich die Stadien der Zellspezialisierung und Determination größtenteils auf diese transkriptive Aktivität zur Differenzierung zurückführen lassen, beruhen die dynamischen Eigenschaften, insbesondere der embryonalen Zellen, nicht zwangsläufig auf dieser differenzierten Ausprägung, denn es gibt möglicherweise Signale, die diesen Prozess steuern und beeinflussen. Aufgrund dieser markanten Eigenschaften wird insbesondere zwischen embryonalen Zellen und Zellen mit endgültiger Differenzierung unterschieden. Der Embryo verfügt über mehrere Systeme, von denen diese Signale ausgehen und die den embryonalen Zellen ihre besonderen Differenzierungsstadien zuweisen. Die Determinanten können topologischer (zytoplasmatisch lokalisiert), chromosomaler (Veränderungen) oder molekularer (Induktion) Natur sein. Zu Beginn ihres Entwicklungsprozesses teilen sich embryonale Zellen normalerweise ohne zu wachsen, wodurch die Tochterzellen ein bestimmtes Teilstück der Eizelle und damit eine eigene, festgelegte topologische Information erhalten. Daher wird, wenn eine zytoplasmatisch lokalisierte Information zur Regulierung oder Determination in einem spezifischen Bereich des jungen Embryos vorhanden ist, dieses Signal nur dann weitergegeben, wenn es einen Mechanismus gibt, der bei den Blastomeren das Stadium der Determination herbeiführt. Ebenso kann von Stadien der Veränderung in den Chromosomen als Reaktion auf Signale zur Regulierung oder von der Zellepigenese gesprochen werden. Eine andere Art von Signal, die nicht unbedingt auf der differenzierten Ausprägung der Gene beruht und besondere Stadien der Differenzierung und Entwicklung auszulösen vermag, entsteht durch induzierte Signale, die von einer einzelnen Zelle oder einer Zellgruppe ausgehen. Beim Erwachsenen ist die Zelldifferenzierung nicht bei allen Zellen endgültig, und es lassen sich in seinem Organismus im Wesentlichen drei Arten von Zellen unterschieden. Eine Gruppe von Zellen, wie z. B. die Muskel- oder Nervenzellen, kann sich nicht teilen. Eine andere wächst nur dann, wenn das betreffende Organ in irgendeiner Form geschädigt wird oder sie spezifischen Reizen ausgesetzt ist. Schließlich gibt es Zellen, die sich konstant vermehren und aus einer nicht differenzierten oder nicht endgültig differenzierten Mutter- oder Stammzellenpopulation hervorgehen. Eine Stammzelle ist eine nicht differenzierte Zelle, die sich differenzieren kann, um mindestens einen, DV/437357DE.doc Externe Übersetzung 2 deutlich differenzierten Zelltyp hervorzubringen. Man unterscheidet zwischen embryonalen Stammzellen und somatischen Stammzellen. Embryonale Stammzellen sind totipotente Zellen, da sie in ihrer Eigenschaft als nicht determinierte Zellen praktisch jeden Zelltyp hervorbringen können. Zu den somatischen Stammzellen zählen solche Zellen, die determiniert, nicht jedoch differenziert sind (z. B. multipotente Mesenchymzellen des Knochenmarks, aus denen entweder Knochen oder Knorpel entstehen kann). Hinzugezählt werden könnte außerdem noch ein Zwischentyp von Stammzellen, die restringierten Stammzellen oder Zellerzeuger, die ein eingeschränktes Proliferationspotenzial aufweisen und aus einer multipotenten, jedoch noch nicht differenzierten Stammzelle hervorgehen. Diese Zellen können zwar unterschiedliche, jedoch ausschließlich zum gleichen Gewebe gehörende Zellen hervorbringen, wie beispielsweise die Erzeugerzelle von Neuronen oder Gliazellen. Das grundlegende Merkmal der Stammzellen ist, dass es sich bei ihnen um nicht differenzierte Zellen handelt, die sich selbst erneuern und hoch differenzierte Zellen erzeugen können. Das bedeutet, dass sie entweder konkrete Zelltypen hervorbringen können oder Tochterzellen erzeugen, die die gleichen Eigenschaften aufweisen, wie sie (Selbsterneuerung und Differenzierung). Diesen Zellen wird die Eigenschaft der asymmetrischen Zellteilung zugeschrieben, das heißt, dass mit jeder Teilung sowohl eine Erzeugerzelle als auch eine Stammzelle entsteht, die der Zelle gleicht, aus der sie hervorgegangen ist. Dies scheint jedoch nicht für Säugetiere zu gelten, die vielmehr eine symmetrische Zellteilung vermuten lassen, bei der sich die Stammzellen zu einem bestimmten Zeitpunkt selbst erneuern und zu einem anderen differenzieren. Ein weiteres Merkmal dieser Stammzellen ist, dass sie sich in der Regel langsam oder nur selten teilen, wie z. B. die Haut- (1) und Knochenmarkszellen (2). Andere Zellarten vermehren sich rasch, wie beispielsweise die Stammzellen der Krypten, die sich etwa alle 12 Stunden teilen. Nach dem heutigen Stand wissenschaftlicher Erkenntnis beschränkt sich das Vorkommen pluripotenter Stammzellen nicht ausschließlich auf einen oder einige wenige Gewebetypen, sondern betrifft wahrscheinlich alle Gewebearten. Diese Zellen fungieren dort vermutlich als „Vorratskammer“ für differenzierte und spezialisierte Gewebezellen, um die Homöostase des Gewebes aufrechtzuerhalten. Der bedeutende Fortschritt in dieser Hinsicht betrifft nicht nur die Identifizierung dieser Zellen an sich, sondern auch die Klonierung, Reproduktion (genetisch identisch) und Erhaltung dieser Zellen sowie die Fähigkeit, den Prozess der Determination, den sie in ihrem Muttergewebe durchlaufen haben, umzukehren oder umzuwandeln. Unter diesen Voraussetzungen wäre die pluripotente Fähigkeit einer Stammzelle Realität. Die Medizin der Zukunft hängt davon ab, ob sich die hier beschriebenen Prozesse in die Tat umsetzen lassen. Die bekannten Daten zur Plastizität der Zelle lassen vermuten, dass isolierte cerebellare Vorläufer über ausreichend Potenzial verfügen, um im Gehirn verschiedenartige Stämme hervorzubringen. Aus diesem Grund zeigt die Bedeutung der Zellarchitektur, die die Art und Weise bestimmt, in der die implantierten Zellen z. B. im Kleinhirn aufgenommen werden, dass die lokalen Signale der Umgebung eine entscheidende Rolle bei der Differenzierung der Vorläuferpopulationen spielen. Darüber hinaus legt die bezeichnete Plastizität der zellularen Vorläufer in den Regionen aktiver Histogenese nahe, dass das Entwicklungspotenzial der Vorläufer extrem groß sein kann, wenn entsprechende Umgebungssignale darauf einwirken. Dieser Sachverhalt wurde in einer Studie bestätigt, die darauf abzielte, die Bestimmung beständiger cerebellarer Zellvorläufer im ZNS des Embryos zu definieren. Unklar ist weiterhin, ob bei Säugetieren das Verlassen des Stammzellstadiums und der Beginn der DV/437357DE.doc Externe Übersetzung 3 Differenzierung unabhängig voneinander gesteuert werden. Die Differenzierung könnte die Folge des Verlassens einer Mikroumgebung sein, die die Zelle im Stammzellstadium hält, während spezifische Signale die Differenzierung und folglich das Verlassen dieses Stadiums auslösen könnten. Es gibt Erkenntnisse, nach denen diese beiden Mechanismen im Nervensystem existieren. Kritische Aspekte in Bezug auf die Therapie mit Stammzellen Das therapeutische Potenzial der Stammzellen ist unumstritten. Sobald es routinemäßig möglich sein wird, die Differenzierungsweise dieser Zellen zu isolieren, zu kultivieren und zu steuern, kann sowohl aus embryonalen als auch aus reifen Stammzellen Gewebe für die Zelltransplantation gewonnen werden. Durch die Isolierung von (reifen) Stammzellen eines Patienten und die Steuerung ihrer Differenzierung in vitro kann Gewebe gewonnen werden, das Zellpopulationen wiederherstellt, ohne dabei eine Abstoßungsreaktion durch das Immunsystem zu provozieren. Im Falle der Verwendung embryonaler Stammzellen könnte ihre Umwandlung in Erzeugerzellen induziert und eine große Population dieser Vorläuferzellen implantiert werden, die den jeweils geschädigten Zelltyp hervorbringt. Auch wenn diese therapeutischen Alternativen vom theoretischen Standpunkt aus durchführbar erscheinen, bringen sie dennoch einige Schwierigkeiten mit sich: Wie bei Versuchen mit Mäusen beobachtet wurde, verwandeln sich einige Stammzellen beim Implantieren in Teratome (Tumore mit Differenzierungspotenzial); es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser Vorgang beim Menschen auszuschließen ist. Gewinnung multi-, pluri- und totipotenter Zellen aus reifem Gewebe aus Fetalgewebe aus Zellen der inneren Masse der Blastozyste aus Embryos durch Klonierung mit Kerntransfer Wissenschaftliche Problemstellung Die größte wissenschaftliche Herausforderung im Hinblick auf die Anwendung der im Modellversuch mit Nagetieren gewonnenen Erkenntnisse ist, dass sich diese nicht unmittelbar auf den Menschen übertragen lassen. Die menschlichen Vorläuferzellen unterscheiden sich grundlegend von denen der Nagetiere und müssen daher unabhängig voneinander untersucht werden. Außerdem sind Mäuse wenig repräsentativ, da aufgrund ihrer kurzen Lebensdauer die Prozesse der Determination und Differenzierung nicht in dem Umfang untersucht werden können, in dem sie sich im menschlichen Organismus vollziehen. Alle bisherigen Untersuchungen sowie die durch Kerntransfer erreichte Klonierung von Zellen mit embryogener Eigenschaft haben gezeigt, dass es im Organismus eine Vielzahl multi- und pluripotenter Zellen gibt, dass die Phänomene der Determination und Differenzierung nicht irreversibel, sondern modulierbar sind und die Plastizität der Zellen daher als außerordentlich hoch einzustufen ist. Die Wissenschaftler stehen jedoch noch immer vor einer Unmenge ungelöster Fragen: Gibt es einen speziellen Spenderzellentyp? Welcher Mechanismus der Reprogrammierung greift bei somatischen Zellen? DV/437357DE.doc Externe Übersetzung 4 Wie funktioniert der Synchronisationsmechanismus zwischen der Funktionalität des Kerns und des Wirtzytoplasmas? Welche Signale aktivieren den neu gebildeten Embryo? Welche Signale sind für die Weiterentwicklung dieses Embryotyps erforderlich? Anwendungen im Hinblick auf die Erzeugung und Identifizierung von Stammzellen • Identifizierung von Induktions- und Übertragungsfaktoren bei der Determination und Differenzierung. • Bestimmung der Funktion der Gene im Differenzierungsprozess. Proteomik der Zwischenphasen • Entwicklung von Arzneimitteln • Zelltherapie Mukopolysaccharid-Speicherkrankheit Typ VII Neurodegenerative Krankheiten Verwendung neuraler Vorläufer in situ Therapie des hämatopoetischen Gewebes Heilung von Diabetes des Typs 1 Ethische Fragen Ethische Einstufung embryonaler Stammzellen Die Möglichkeit, spezifische Zellstämme im Labor zu züchten, ist derzeit noch mit der Schwierigkeit konfrontiert, Erkenntnisse darüber zu gewinnen, welches die erforderlichen Signale für die Determination und Differenzierung der Zellen sind. Dennoch ist für die notwendige Forschung in diesem Bereich das Experimentieren mit einem speziellen Zelltyp mit totipotenter Eigenschaft unerlässlich. Aus diesem Grund wurde vorgeschlagen, im Labor embryonale Zellen zu züchten, um einen Vorrat an totipotenten Zellen zu erhalten. Die einfachste Art und Weise dies zu verwirklichen, wäre die Befruchtung von Ei- und Spermazelle. Die daraus resultierenden ethischen Einwände beruhen darauf, dass diesen Zellen ein individuell menschlicher und potenziell persönlicher Charakter zugesprochen wird, da sie sich in einem geeigneten Umfeld zu einem menschlichen Organismus entwickeln würden. Die Verwendung dieser Zellen käme daher der Verwendung von Menschen gleich. Da jedoch Experimente am Menschen verboten sind, dürfen diese embryonalen Zellen nicht zur Züchtung anderer Zellstämme verwendet werden. Diese Argumentation ist landläufig die heute am meisten gebrauchte. Aus meiner Sicht wurde die Durchschlagskraft dieser Einwendung einerseits durch wissenschaftliche und seinerzeit gültige Paradigmen gestützt und andererseits durch unsere Angst – die Angst derjenigen, die für das Leben eintreten – genährt, ein menschliches Wesen oder biologische Elemente, die menschliche Wesen hervorbringen können, zu zerstören. Das wissenschaftliche Fundament dieser Argumente, die der Voraussetzung für die informative Potenzialität des Embryos zugrunde liegen, gerät jedoch immer mehr ins Wanken. DV/437357DE.doc Externe Übersetzung 5