DGBS Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen e.V. (manisch

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DGBS
Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen e.V.
(manisch-depressive Erkrankungen)
DGBS Arbeitskreis Junge Wissenschaftler
Gründungstreffen
Berlin im November 2005
Mit freundlicher Unterstützung
2
Vorsitzende
Michael Bauer
Dietrich van Calker
Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen e.V.
(manisch-depressive Erkrankungen)
Postfach 920249, 21132 Hamburg
Tel. 040/85408883
E-Mail: [email protected] www.dgbs.de
3
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© 2006, Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen e.V. und die Autoren
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4
Inhaltsverzeichnis
07 Vorwort DGBS Arbeitskreis Junge Wissenschaftler
M. Bauer, D. van Calker
08 Grußwort
F. Hohagen
09
11
Mitglieder des Arbeitskreises
DGBS Arbeitskreis Junge Wissenschaftler
Gründungstreffen in Berlin
S. Gerber
13 Bericht vom 2. Treffen des Arbeitskreises
S. Gerber
14 Erstes Projekt: Screening bipolarer Störungen
Th. D. Meyer
Laufende Forschungsprojekte zu bipolaren Störungen in Deutschland
mit Beteiligung der Mitglieder des DGBS Arbeitskreises Junge Wissenschaftler:
Klinische Forschung
17 Epidemiologie
Epidemiologie und Therapieansätze bei unipolar depressiven und bipolaren affektiven Erkrankungen
A. Pfennig
19 Diagnostik
Temperament bei Patienten mit unerklärten körperlichen Symptomen – Teil des bipolaren Spektrums?
B. Amann, et. al.
20
Bildgebung
Langzeiteffekte von Lithium auf die Hirnvolumina sowie die Kognition bipolarer Patienten:
Eine sMRT und neuropsychologische Untersuchung
A. Forsthoff, H. Grunze, et. al.
21
22
Neurobiologie bipolarer affektiver Störungen: Bildgebung, Neuropsychologische Defizite und Genetik
H. Scherk, et. al.
Pharmakotherapie
Dosis-Wirkungsbeziehungen in der Erhaltungstherapie/ Rezidivprophylaxe bipolarer Erkrankungen
W. E. Severus, et. al.
5
23 L-Thyroxin in der Behandlung der bipolaren Depression
Th. Stamm, et. al.
25
Psychotherapie
Psychotherapie, Stress und andere psychologische Faktoren im Zusammenhang mit bipolaren Störungen
Th. D. Meyer
27
Neue Technologien
Eine neue, elektronische Selbsterfassung des longitudinalen Verlaufs bipolarer Störungen: ChronoRecord Software
M. Adli, et. al.
29 Evaluation von Verläufen, die mit der NIMH Life Chart Methode dokumentiert wurden
C. Born, et. al.
30 Aufbau eines internationalen Patientenregisters für bipolare Störungen
L. Schärer
32
Soziale Dimension
Soziale Dimension der bipolaren Erkrankung und die individuellen Bedürfnisse Betroffener im Hinblick auf angemessene medizinisch-therapeutische Behandlung und soziale Unterstützung
S. Scheiter, S. Krüger, et. al.
Grundlagenforschung
34
Genetik
Genetische Untersuchung bei Patienten mit einer bipolaren affektiven Störung und deren Familienangehörigen zur besseren Vorhersage der Arzneimittelwirkung
J. Sasse, et. al.
36 Neurobiologie
Lithium und neurale Stammzellen
J. Benninghoff
37 Neuropsychologie
Neuropsychologie und infektiöse Erreger bei euthymen Patienten mit bipolarer Erkrankung
S. Gerber, J. Langosch et. al.
38
6
Neuropathologie
Makrostrukturelle, immunhistochemische und zytoarchitektonische Untersuchungen zu bipolaren
affektiven Störungen
H. Bielau
Vorwort
DGBS Arbeitskreis Junge Wissenschaftler
Die Förderung der Forschung auf dem Gebiet der bipolaren Störungen zählt zu den zentralen, satzungsgemäßen Anliegen der gemeinnützigen Deutschen
Gesellschaft für Bipolare Störungen e.V. (DGBS).
Um diesem Ziel näherzukommen, wurde der „DGBS
e.V. Arbeitskreis Junge Wissenschaftler“ gegründet,
denn bipolare Störungen werden im Vergleich zu
anderen häufigen und schweren Krankheitsbildern
immer noch relativ wenig erforscht.
über die DGBS e.V. Geschäftsstelle Kontakt aufzunehmen.
Der Vorstand der DGBS e.V. wünscht dem neu gegründeten Arbeitskreis viel Erfolg!
Prof. Dr. Dr. Michael Bauer Prof. Dr. Dr. Dietrich van Calker
April 2006
Der Arbeitskreis strebt eine intensivere Vernetzung
der verschiedenen deutschen Forschungszentren
und -gruppen an, um eine effizientere Ausnutzung
der Kapazitäten im Bereich bipolarer Störungen zu
ermöglichen.
Vom 26.-27. November 2005 trafen sich in Berlin
unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. Michael Bauer,
Berlin, und Prof. Dr. Dr. Dietrich van Calker, Freiburg, erstmals 13 junge Wissenschaftler aus sechs
verschiedenen deutschen Universitätskliniken. Bereits am 21. Februar 2006 fand in München ein Folgetreffen statt. Im ersten Schritt werden Forschungsfelder identifiziert, die in den nächsten Jahren von
besonderem Interesse sind. Die Treffen wurden
ermöglicht durch Mittel der gemeinnützigen HertieStiftung.
Die DGBS e.V. möchte interessierte Kollegen, die
bereits im Bereich bipolarer Erkrankungen forschen,
herzlich einladen, sich über den Arbeitskreis näher
zu informieren (www.dgbs.de) und gegebenenfalls
7
Grußwort
Grußwort
Alleine in Deutschland leiden mindestens 2
Millionen Menschen an einer bipolaren Störung
und den z. T. sehr gravierenden gesundheitlichen
und psychosozialen Folgen dieser Erkrankung. Die
Förderung des Erkenntnisgewinns zur Therapie
bipolarer Erkrankungen und die Etablierung
leitliniengerechter moderner Behandlungsmethoden
in der Praxis ist der Deutschen Gesellschaft für
Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde
(DGPPN) ein besonderes Anliegen. Die DGPPN
strebt auf diesem Gebiet eine enge Zusammenarbeit
mit der Deutschen Gesellschaft für Bipolare
Störungen (DGBS) an. Die Gründung des „DGBS
Arbeitskreis Junge Wissenschaftler“ als jüngste
Initiative der DGBS e.V. wird von der DGPPN
daher sehr begrüßt. Insbesondere die Tatsache, dass
es sich hierbei um junge, ambitionierte und hoch
motivierte Wissenschaftler handelt, welche sich
zusammen geschlossen haben, um gemeinsam im
Dienste der bipolar erkrankten Personen zu forschen
und damit die Situation dieser Menschen langfristig
zu verbessern, verdient besondere Beachtung. Die
DGPPN bemüht sich besonders, gerade den Nachwuchs unseres Faches zu fördern und gemeinsam
mit Meinungsbildnern aus Klinik, Wissenschaft
und Politik an einer Optimierung von klinischer
Versorgung, Forschung und Lehre zu arbeiten. Die
Einrichtung eines solchen Arbeitskreises ist dabei
ein wichtiger Schritt in Richtung Zukunft. Sie kann
zugleich als Anreiz sowie als Vorbildsfunktion für
andere Bereiche der Psychiatrie und Psychotherapie
dienen, um in ähnlicher Weise Engagement,
Begeisterung und Kompetenz von jungen
8
Kollegen aus ganz Deutschland zu bündeln und
somit eine leistungsfähige und ergebnisorientierte
Forschungskultur zu fördern. Dies trägt dazu bei,
die Öffentlichkeit in noch größerem Maße als bisher
für psychiatrische Erkrankungen zu sensibilisieren
und einer sozialen Ausgrenzung von Betroffenen
wie auch negativen ökonomischen Folgen für die
Gesellschaft entgegenzuwirken.
Die DGPPN wünscht den jungen Wissenschaftlern
bei ihrer Arbeit viel Glück und Erfolg!
Prof. Dr. Fritz Hohagen
Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie,
Psychotherapie und Nervenheilkunde DGPPN
April 2006
Mitglieder des Arbeitskreises
Vorsitzende
Prof. Dr. Dr. Michael Bauer
2. Vorsitzender der DGBS e.V.
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Campus Charité Mitte (CCM)
Klinik für Psychiatrie u. Psychotherapie
Schumannstraße 20/21
10117 Berlin
E-Mail: [email protected]
Prof. Dr. Dr. Dietrich van Calker
Universitätsklinikum Freiburg
Abt. für Psychiatrie und Psychotherapie
Hauptstraße 5
79104 Freiburg
E-Mail: [email protected]
Mitglieder
Dr. Mazda Adli
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Campus Charité Mitte (CCM)
Klinik für Psychiatrie u. Psychotherapie
Schumannstraße 20/21, 10117 Berlin
E-Mail: [email protected]
Dr. Benedikt Amann
Ludwig Maximilians-Universität
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Nussbaumstraße 7, 80336 München
E-Mail: [email protected]
Dr. Jens Benninghoff
Ludwig Maximilians-Universität
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Nussbaumstraße 7, 80336 München
E-Mail: [email protected]
Dr. Hendrik Bielau
Otto-von-Guericke-Universität
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Leipziger Straße 44, 39120 Magdeburg
[email protected]
Christoph Born
Ludwig Maximilians-Universität
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Nussbaumstraße 7, 80336 München
E-Mail: [email protected]
Dr. Anna Forsthoff
Ludwig Maximilians-Universität
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Nussbaumstraße 7, 80336 München
E-Mail: [email protected]
Dr. Sonja Gerber
Universitätsklinikum Freiburg
Abt. für Psychiatrie und Psychotherapie
Hauptstraße 5, 79104 Freiburg
E-Mail. [email protected]
Dr. Heinz Grunze
Ludwig Maximilians-Universität
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Nussbaumstraße 7, 80336 München
E-Mail: [email protected]
PD Dr. Stephanie Krüger
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus
Technische Universität Dresden
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und
Psychotherapie
Fetscherstraße 74, O1307 Dresden
E-Mail: [email protected]
Dr. Jens Langosch
Universitätsklinikum Freiburg
Abt. für Psychiatrie und Psychotherapie
Hauptstraße 5
79104 Freiburg
E-Mail: [email protected]
9
10
PD Dr. Thomas D. Meyer
Eberhard Karls Universität Tübingen
Psychologisches Institut
Abteilung für Klinische und
Entwicklungspsychologie
Christophstraße 2
72072 Tübingen
E-Mail: [email protected]
Dr. Andrea Pfennig
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Campus Charité Mitte (CCM)
Klinik für Psychiatrie u. Psychotherapie
Schumannstraße 20/21
10117 Berlin
E-Mail: [email protected]
Johanna Sasse
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Campus Charité Mitte (CCM)
Klinik für Psychiatrie u. Psychotherapie
Schumannstraße 20/21
10117 Berlin
E-Mail: [email protected]
Dr. Lars Schärer
Universitätsklinikum Freiburg
Abt. für Psychiatrie und Psychotherapie
Hauptstraße 5
79104 Freiburg
E-Mail: [email protected]
Susan Scheiter
Klinikum Chemnitz
Klinik für Psychiatrie, Verhaltensmedizin und
Psychosomatik
Dresdner Straße 178
09131 Chemnitz
E-Mail: [email protected]
Dr. Harald Scherk
Universitätsklinikum des Saarlandes
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Kirrberger Straße
D-66424 Homburg/Saar
E-Mail: [email protected]
Dr. Emanuel Severus
Ludwig Maximilians-Universität
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Nussbaumstraße 7
80336 München
E-Mail: [email protected]
Thomas Stamm
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Campus Charité Mitte (CCM)
Klinik für Psychiatrie u. Psychotherapie
Schumannstraße 20/21, 10117 Berlin
[email protected]
11
Abdruck mit freundlicher Genehmigung
des Springer Medizin Verlages
aus „Der Nervenarzt“ 1 · 2006
12
Der DGBS Arbeitskreis stellt sich vor
Bericht vom 2. Treffen des DGBS Arbeitskreises Junge Wissenschaftler
Erste Schritte und ein gemeinsames Ziel
Nach dem Erfolg des Gründungstreffens in Berlin
im November 2005 trafen sich die Mitglieder der
jungen Initiative bereits im Februar 2006 erneut, um
an der weiteren Realisierung der gemeinsamen Idee
zu arbeiten. Als Tagungsort wurde München
gewählt, wo man sich in der altehrwürdigen Bibliothek der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
der Ludwig Maximilians-Universität München in
der Nussbaumstraße begrüßte, um neue Mitglieder
aus Chemnitz, Homburg und München willkommen
zu heißen und sich in bewährter Weise sowohl über
neue Forschungsvorhaben als auch den Fortgang
des in Berlin ins Leben gerufenen Projektes über
Screening-Methoden von bipolaren Störungen in
Deutschland auszutauschen. Letzteres hat bereits
konkrete Formen angenommen – nächstes Ziel wird
nun sein, bei der Jahrestagung der DGBS. e.V. im
September 2006 in Nürnberg einen Zwischenstand
der Ergebnisse vorzustellen.
Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN).
Darüber hinaus wurde angeregt, künftig ein DGBS
Symposium auf der Jahrestagung der DGPPN zu
gestalten.
Neue Projekte
Abschließend wurden weitere gemeinsame Vorhaben rege diskutiert, welche eine prospektive
Untersuchung zur Pharmakotherapie der bipolaren
Erkrankung sowie die Erforschung störungsspezifischer Psychotherapie-Methoden zum Inhalt haben.
Dazu wird das nächste Arbeitskreistreffen im
Rahmen der 6. Jahrestagung der DGBS e.V. in
Nürnberg stattfinden. Sonja Gerber
Februar 2006
Kooperationen und Öffentlichkeitsarbeit
Ein weiterer Schwerpunkt dieses Treffens bestand in
der Planung von Maßnahmen zur Bekanntmachung
der Initiative, wie beispielsweise einer Präsenz und
Referaten auf der Jahrestagung der DGBS e.V., sowie
in der Kooperation mit anderen Fachgesellschaften.
Da einige der Teilnehmer sich in der Weiterbildung
befinden oder ihre Fach-arztanerkennung noch nicht
lange inne haben, bietet sich eine Kontaktaufnahme
zu den „Young Psychiatrists“ an, dem Referat
für Ärztinnen und Ärzte in der Weiterbildung
in der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie,
13
Erstes Projekt des DGBS Arbeitskreises Junge Wissenschaftler
Thomas Daniel Meyer
Eberhard Karls Universität Tübingen, Psychologisches Institut, Abteilung für Klinische und Entwicklungspsychologie
Screening bipolarer Störungen.
Überprüfung der Validität und Vergleich zweier Instrumente: MDQ und HCL-32
Screeninginstrumente sollen im präklinischen
bzw. epidemiologischen Bereich solche Personen
zu identifizieren erlauben, die möglicherweise an einer bestimmten Problematik – in diesem
Fall an einer Störung aus dem bipolar affektiven
Spektrum – erkrankt sind oder deren Risiko für
die Entwicklung einer entsprechenden Störung
erhöht ist. Entscheidend für diese Form der
(Vor-)Diagnostik ist, dass die Verfahren einfach zu
handhaben sind, schnell beantwortet werden können, wenig Abwehr (Verleugnung) bei den Befragten
hervorrufen und möglichst alle betroffenen Personen
(keine falsch Negativen) damit erfasst werden.
Screeninginstrumente sollten eine hohe Sensitivität
aufweisen, d.h. möglichst alle möglicherweise betroffenen Personen identifizieren und gleichzeitig nicht betroffene Personen richtigerweise ausschließen, d.h. eine hinreichende Spezifität zeigen.
Ein Screeninginstrument sollte deswegen idealerweise folgenden Ansprüchen genügen: (a) das Vorgehen
sollte für die untersuchten Personen akzeptabel und
tolerabel sein, (b) das Instrument sollte hoch effizient
sein, um die tatsächlichen klinischen Fälle zu identifizieren. Hinzu kommen weitere Kriterien, die aber
eher als Nebenkriterien zu betrachten sind. Es sollte
ernsthafte psychische Störungen von weniger ernsthaften unterscheiden können und Patienten dahingehend differenzieren, welche Behandlung für sie besonders erfolg-versprechend ist. Für das Screening
depressiver Symptome sind zahlreiche Instrumente
entwickelt wurden, die z.T. hinreichend sensitiv
und spezifisch sind (Hautzinger & Meyer, 2002).
14
Im Bereich bipolarer bzw. manischer Störungen dienen die meisten bislang validierten Skalen eigentlich
nur der Erfassung der Schwere einer bereits bestehenden und diagnostizierten bipolaren Störung (z.B.
MSS von Krüger et al., 1996).
Zwei Skalen wurden aber in letzter Zeit speziell als
potentielle Screeninginstrumente entwickelt: der
Mood Disorder Questionnaire (MDQ; Hirschfeld et
al., 2000) sowie die Hypomania Check-List (HCL32; Angst et al., 2005). Bei beiden Skalen geht es
nicht um das Vorliegen einer aktuellen Manie oder
Hypomanie, sondern um die Frage, ob davon auszugehen ist, dass bei der Person jemals eine hypomane oder manische Episode aufgetreten ist.
Einige Untersuchungen belegen die Validität des
MDQ als Screeninginstrument, v.a. wenn es um den
Ausschluss einer bipolaren Störung ging (Hirschfeld
et al., 2000, 2003), aber in Deutschland fehlen entsprechende Daten. Im Gegensatz zum MDQ ist
das erklärte Ziel der von Jules Angst und Kollegen
(2005) erarbeiteten HCL-32, Bipolarität bei unipolar depressiven Patienten zu identifizieren und
auch leichtere Fälle von maniformen Zuständen zu
erkennen (z.B. Bipolar-II, Zyklothymie). Bewusst
wird in der HCL-32 deswegen von „Hochs“ gesprochen, und es werden nicht nur potentielle negative
Konsequenzen, sondern auch positive Konsequenzen
von solchen Hochs erfragt.
In zwei Pilotstudien aus Schweden und Italien gelang es, mit einer Sensitivität von 80 % und einer
Spezifität von 51 % zwischen bipolar und unipolar
depressiven Patienten anhand des Cut-offs zu trennen (Angst et al., 2005).
In nicht-klinischen Stichproben kommt es zu einer
Prävalenzschätzung bipolarer Spektrumstörungen
von etwa 5-10 % (Holzwarth & Meyer, in press;
Meyer et al., in preparation). Bei diesen 5-10%
würde man im Fall eines Screenings eine intensivere Diagnostik für indiziert halten, was aber
noch nicht untersucht wurde. Als positiv ist aber
zu bewerten, dass die Skala gleichzeitig europaweit in mehreren Sprachen (z.B. Englisch,
Spanisch, Französisch) parallel evaluiert wird.
Ziel
Ziel des geplanten Projekts der DGBS ist, den
MDQ und die HCL-32 erstmalig gemeinsam in
einer Studie an mehreren deutschen Orten zu evaluieren, wobei als Goldstandard das Strukturierte
Klinische Interview für DSM-IV (SKID; Wittchen et
al., 1997) zur Diagnosestellung eingesetzt werden soll.
Methodik
Patienten: Patienten mit psychischen Störungen werden untersucht, wobei das Vorliegen einer bipolaren
Störung weder ein Ein- noch Ausschlusskriterium
für die Studie darstellt. Um eine Differenzierung
zwischen Richtig-Positiven (Sensitivität) und
Falsch-Negativen zu ermöglichen und somit auch
die Spezifität zu schätzen, werden Patienten mit unterschiedlichen Diagnosen eingeschlossen.
A priori wurden keine bestimmten Störungsgruppen
ausgeschlossen, wobei spezifischere Analysen im
Einzelvergleich erst ab einer Mindestgröße von ca.
50 Patienten pro Diagnose möglich sein werden.
Der Fokus bei der Datensammlung liegt aktuell auf
Patienten mit unipolaren Störungen, Schizophrenie,
Sucht und Zwang. Als Minimum wird von einer Stichprobe von 200 Personen ausgegangen.
Verschiedene Zentren wollen sich an der Studie
beteiligen, u.a. Berlin, München, Homburg/Saar.
Instrumente und Vorgehen: Die von Angst et al.
(2005) entwickelte HCL-32 und der von Hautzinger
und Meyer (2002) ins Deutsche übersetzte MDQ
werden den Patienten als Selbstberichtsfragebogen
vorgelegt. Unabhängig davon wird im jeweiligen
Zentrum von einer klinisch erfahrenen und entsprechend geschulten Person das SKID für DSMIV-Diagnosen (Wittchen et al., 1997) durchgeführt.
Aktueller Stand
In Berlin und Tübingen wurden bereits die ersten
Patienten in die Untersuchung eingeschlossen.
Als erstes Ziel gilt, bis Spätsommer hinreichend
viele Patienten eingeschlossen zu haben, um zu
sehen, in welche Richtung die Ergebnisse gehen
und Zwischenergebnisse präsentieren und intern
diskutieren zu können. Aufbauend darauf könnte
z.B. definiert werden, auf welche spezifischen
Störungsgruppen man sich konzentriert oder auf
welche Aspekte ein besonderer Fokus gelegt werden
kann. Sofern die Rekrutierung in den verschiedenen
Zentren es erlaubt, ist angestrebt, die komplette
Datenerhebung bis Ende des Jahres abgeschlossen zu
haben und Ergebnisse zur Sensitivität und Spezifität
des MDQ und der HCL-32 im Vergleich vorlegen
zu können.
Literatur
Angst, J., Adolfsson, R., Benazzi, F., Gamma, A., Hantouche,
E., Meyer, T.D., Skeppar, P., Vieta, E. & Scott, J. The HCL32: Towards a self-assessment tool for hypomanic symptoms in
outpatients. Journal of Affective Disorders, 2005; 84, 217-233.
Hautzinger, M. & Meyer, T.D. (2002). Diagnostik affektiver
Störungen (Kompendium Psychologische Diagnostik, Band 3).
Göttingen: Hogrefe.
Hirschfeld, R.M.A., Williams, J.B., Spitzer, R.L., Calabrese, J.R.
et al. Development and validation of a screening instrument for
bipolar spectrum disorder. The mood disorder questionnaire.
American Journal of Psychiatry 2000; 157, 1873-1875.
15
Hirschfeld, R.M.A., Holzer, C., Calabrese, J.R., Weissman,
M., Reed, M., Davies, M., Frye, M.A., Keck, P., McElroy, S.,
Lewis, L., Tierce, J., Wagner, K.D. & Hazard, E. Validity
of the Mood Disorder Quesitionnaire: A general population
study. American Journal of Psychiatry, 2003; 160, 178-180.
Holzwarth, K. & Meyer, T.D. (accepted for publication).
The dysregulation of the Behavior Activation System. An
independent dimension. Personality and Individual Differences.
Meyer, T.D., Adolfsson, R., Hammelstein, P., Skeppar, P. &
Angst, J. (in preparation). The HCL-32: its factorial structure and
associations with signs of impairment in a non-clinical German and
Swedish sample. Wittchen, H.U., Zaudig, M., Fydrich, T. (1997).
SKID. Strukturiertes Klinisches Interview für DSM IV. Achse I und
II. Göttingen: Hogrefe
16
Epidemiologie
Andrea Pfennig
Charité – Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie und Institut für Sozialmedizin,
Epidemiologie und Gesundheitsökonomie, Berlin
Epidemiologie und Therapieansätze bei unipolar depressiven und
bipolaren affektiven Erkrankungen
In den letzten Jahren habe ich mich hauptsächlich
mit geno- und phänotypischen Charakteristika
unipolar depressiver und bipolarer Patienten,
insbesondere im Hinblick auf suizidales Verhalten,
beschäftigt (Pfennig A et al. 2005). Derzeit arbeite
ich in einem Projekt mit, dass sich der Untersuchung
des Einflusses genetischer Variabilität auf das
Therapieansprechen und die Tolerabilität bzw. das
Auftreten unerwünschter Wirkungen vor allem bei
der Einnahme von Mood Stabilizern bei bipolaren
Patienten widmet (Projektleiter: Johanna Sasse,
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie).
Die enge Kooperation der Klinik für Psychiatrie und
Psychotherapie und des Instituts für Sozialmedizin,
Epidemiologie und Gesundheitsökonomie an der
Charité ermöglicht eine vielseitige Erforschung sowohl der Krankheitsursachen, Therapiemöglichkeiten als auch der Versorgungssituation der Patienten.
So bin ich an der Durchführung einer Studie zur
Depressionsbehandlung sogenannter Hochnutzer
des Gesundheitswesens in der hausärztlichen Versorgung in Berlin beteiligt (Projektleitung: Dr. med.
Anne Berghöfer, Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie).
Wir untersuchen, ob ein strukturiertes Interventionsprogramm gegenüber einer Behandlung „wie
üblich“ sowohl die Depressionsschwere als auch das
Hochnutzerverhalten günstig beeinflussen kann und
inwieweit es in den Praxisalltag integrierbar ist. In
einem von mir selbst geleiteten Projekt erheben wir
die Prävalenz neurokognitiver Beeinträchtigungen
und die Versorgungssituation mit Mood Stabilizern
von bipolaren Patienten in Institutsambulanzen und
bei niedergelassenen Nervenärzten im Raum Berlin
und Brandenburg. Dazu werden Fragebögen an Ärzte und Patienten verteilt, und die Ärzte führen ein
Screening auf dementielle Veränderungen bei ihren
Patienten durch.
Als Mitglied der International Group for the
Study of Lithium Treated Patients (IGSLI e.V.)
bin ich koordinierender Wissenschaftler eines
internationalen multizentrischen Projektes, welches
mögliche neuroprotektive Effekte einer LithiumLangzeitbehandlung bei bipolaren Patienten erfassen
möchte (Projektleitung: Prof. Dr. Dr. Michael
Bauer, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie).
Entgegen früherer Annahmen leiden viele
Patienten auch in euthymen Phasen unter einer
residualen Symptomatik und neurokognitiven
Beeinträchtigungen.
Aus tierexperimentellen wie auch Zellkultur- und
postmortem-Studien lässt sich vermuten, dass Lithium sowohl Nervenzellschädigungen verhindern
als auch eingetretene Schäden wieder rückführen
kann (siehe u.a. Nonaka und Chuang 1998).
Derzeit gibt es nur Studien mit Patienten über eine
Behandlungsdauer von 4-8 Wochen (Moore et al.
2000a, Moore et al. 2000b, Silverstone et al. 2003).
Daher werden in unserem Projekt Patienten, die
mindestens 10 Jahre erkrankt sind und die entweder
seit mindestens zwei Jahren eine Lithiumbehandlung
erhalten oder aus den unterschiedlichsten Gründen kein
Lithium einnehmen, mittels neuropsychologischer
Testverfahren für Lernverhalten und Gedächtnis und
17
einer Bildgebungsuntersuchung (mit struktureller
Magnet-Resonanz-Tomographie,
MRT;
MRSpektroskopie und Diffusions-Tensor-Imaging)
untersucht.
Literatur
Moore GJ, Bebchuk JM, Hasanat K, Chen G, Seraji-Bozorgzad N,
Wilds IB, Faulk MW, Koch S, Glitz DA, Jolkovsky L, Manji HK:
Lithium increases N-acetyl-aspartate in the human brain: in vivo
evidence in support of bcl-2‘s neurotrophic effects? Biol Psychiatry
2000a; 48:1-8
Moore GJ, Bebchuk JM, Wilds IB, Chen G, Manji HK, Menji
HK: Lithium-induced increase in human brain grey matter. Lancet
2000b; 356:1241-1242
Nonaka S, Chuang DM: Neuroprotective effects of chronic lithium
on focal cerebral ischemia in rats. Neuroreport 1998; 9:2081-2084
Pfennig A, Kunzel, H. E., Kern, N., Ising M, Majer M, Fuchs B,
Ernst, G., Holsboer, F., and Binder E. Hypothalamus-pituitaryadrenal system regulation and suicidal behavior in depression. Biol
Psychiatry 57(4), 336-342. 2005.
Silverstone PH, Wu RH, O‘Donnell T, Ulrich M, Asghar SJ,
Hanstock CC: Chronic treatment with lithium, but not sodium
valproate, increases cortical N-acetyl-aspartate concentrations in
euthymic bipolar patients. Int.Clin.Psychopharmacol. 2003; 18:7379
18
Diagnostik
Benedikt Amann, Andreas Erfurth , Karen Reimers, Thomas Baghai, Julia Damm, Gregor Laakmann
Ludwig-Maximilians-Universität München, Psychiatrischer Konsiliardienst Grosshadern
Temperament bei Patienten mit unerklärten körperlichen Symptomen –
Teil des bipolaren Spektrums?
Hintergrund
Bereits Kraepelin hat die Grundtemperamente (depressiv, manisch, irritabel und cyclothym) als subklinische Varianten von affektiven Erkrankungen angesehen (1). Dieses Konzept wurde Jahrzehnte später
erneut von anderen Autoren wiederaufgenommen
(2,3) und eine Skala zur Evaluation des Temperamentes entwickelt, in der das manische durch ein hyperthymes ersetzt und ein ängstliches Temperament
hinzugefügt wurde (4). Patienten mit unerklärten
somatischen Symptomen erscheinen häufig chronifiziert ängstlich, depressiv oder auch dysphorisch
verstimmt mit begrenzter Krankheitseinsicht. Psychotherapeutische oder psychopharmakologische
Interventionen werden ungern angenommen und
erscheinen klinisch bei den oft chronisch kranken
Patienten wenig hilfreich.
Methodik/Ziel
Alle im psychiatrischen Konsiliardienst untersuchten
Patienten erhalten einmalig standardisiert eine Fragenbogenserie, bestehend aus MMPI, Manie-Selbstbeurteilungs-Skala, Beck- Depressions-Inventar,
SOMS und TEMPS-M (5). In dieser Untersuchung
wird retrospektiv die Hypothese überprüft, ob 1. das
Temperament von Patienten mit unerklärten körperlichen Symptomen auffällig ist und 2. die Patienten
eher dem bipolaren Spektrum als subklinische Variante zuzurechnen sind.
Störung nach ICD-10. Von 42 Patienten weisen 30
(71%) mindestens ein auffälliges Temperament auf.
Ausblick
Ein verändertes Temperament könnte im Somatisierungsprozess eine Rolle spielen, wobei endgültige
Ergebnisse bei einem geplanten Einschluss von insgesamt 80 Patienten abgewartet werden müssen.
Literatur
Kraepelin, E., 1909-1915. Psychiatrie Ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte. (8. Auflage). Johann Ambrosius Barth, Leipzig.
Cassano GB, Akiskal HS, Savino M, Musetti L, Perugi G. Proposed
subtypes of bipolar II and related disorders: with hypomanic episodes (or cyclothymia) and with hyperthymic temperament. J Affect Disord. 1992;26(2):127-40.
Akiskal HS, Djenderedjian AM, Rosenthal RH, Khani MK. Cyclothymic disorder: validating criteria for inclusion in the bipolar
affective group. Am J Psychiatry. 1977;134(11):1227-33.
Akiskal HS, Placidi GF, Maremmani I, Signoretta S, Liguori A,
Gervasi R, Mallya G, Puzantian VR. TEMPS-I: delineating the
most discriminant traits of the cyclothymic, depressive, hyperthymic and irritable temperaments in a nonpatient population. J Affect
Disord. 1998;51(1):7-19.
Erfurth A, Gerlach AL, Michael N, Boenigk I, Hellweg I, Signoretta
S, Akiskal K, Akiskal HS. Distribution and gender effects of the
subscales of a German version of the temperament autoquestionnaire briefTEMPS-M in a university student population. J Affect
Disord. 2005;85(1-2):71-6.
Vorläufige Ergebnisse
Von derzeit 49 untersuchten Patienten erfüllen 42
die Kriterien einer dissoziativen oder somatoformen
19
Bildgebung
Anna Forsthoff*, Heinz Grunze*, David Hoehn*, Florian Seemueller*, Thomas Zetzsche*, Gisela Schmitt*,
Thomas Frodl*, Tobias Rüther*, Christoph Born*, Martin Reiser**, Hans-Jürgen Möller*, Eva Meisenzahl*
*Ludwig-Maximilians-Universität München, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
**Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für klinische Radiologie
Langzeiteffekte von Lithium auf die Hirnvolumina sowie die Kognition bipolarer Patienten:
Eine sMRT und neuropsychologische Untersuchung
Lithium wird als eine der effektivsten pharmakologischen Behandlungsmöglichkeiten in der Akutund Langzeitbehandlung bipolarer Störungen betrachtet. Dennoch ist der Wirkmechanismus von
Lithium nicht vollständig geklärt. Ob Lithium neurotrophe und neuroprotektive Effekte oder eine neurotoxische Wirkung in vitro und vivo auf das ZNS
aufweist, wird nach wie vor kontrovers diskutiert.
Eigene Vorarbeiten an bisher 16 Patienten und 16
Kontrollen konnten vorläufige Hinweise geben, dass
eine langfristige Therapie mit Lithium keine neuroprotektiven Eigenschaften im Hinblick auf die Hirnvolumina aufzuweisen scheint. Zusätzlich konnten
indirekt strukturelle Veränderungen durch Zunahme
der Ventrikelvolumina des Temporallappens bei bipolaren Patienten gezeigt werden.
Untersuchungen der kognitiven Leistungsfähigkeit
erfolgten am selben Patientenkollektiv und zeigten
deutliche Einschränkungen bipolarer Patienten in
Funktionen des verbalen Gedächtnisses sowie exekutiven Funktionen (Dittmann et al. submitted).
Die Studie untersucht die Langzeiteffekte von Lithium auf das Volumen der grauen Substanz bipolarer
Patienten in einem größeren Kollektiv. Dazu werden
30 Patienten mit bipolar I- oder II- Erkrankung mittels des strukturellen MRT (sMRT) untersucht und
das Volumen der grauen Substanz in Vergleich zu
30 bipolaren Patienten, die eine medikamentöse Behandlung ohne Lithium erhalten, und 30 gesunden
Kontrollpersonen gesetzt. Beim selben Patientenkollektiv wird eine neuropsychologische Untersuchung
20
durchgeführt, und die Ergebnisse der Untersuchungen werden miteinander korreliert.
Erste Auswertungen von 20 Patienten der Untersuchung konnten keine Volumenunterschiede der
grauen Substanz zwischen den Gruppen feststellen
und widerlegen damit die neuroprotektiven Eigenschaften von Lithium auf das Volumen der grauen
Substanz. Weitere Ergebnisse konnten eine Volumenzunahme der subcortikalen Strukturen feststellen, welche im Einzelnen noch zu differenzieren
sind.
Bildgebung
Harald Scherk, Oliver Gruber, Peter Falkai
Universitätsklinikum des Saarlandes, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Neurobiologie bipolarer affektiver Störungen:
Bildgebung, Neuropsychologische Defizite und Genetik
Einleitung
Die neurobiologische Grundlage der bipolaren affektiven Störungen ist weitgehend ungeklärt. Durch
die Charakterisierung eines neurobiologischen Phänotyps ließen sich Phänotyp-Genotyp-Zusammenhänge im Sinne eines Endophänotyps beschreiben.
Im Bereich bipolarer Störungen stellen Bildgebung
und Neuropsychologie geeignete Parameter zur
Phänotypcharakterisierung dar. Bisherige bildgebende Untersuchungen des Gehirns bei Patienten
mit einer bipolaren Störung konnten strukturelle
Veränderungen in Schlüsselregionen emotionalen
Erlebens wie dem präfrontalen und dem anterioren
cingulären Cortex sowie der Amygdala nachweisen
(1). Durch magnetresonanzspektroskopische (MRS)
Untersuchungen zum Hirnstoffwechsel wurden
ebenfalls sich teilweise widersprechende Auffälligkeiten in corticalen und subcorticalen Regionen
beschrieben. Derzeit liegen erst einzelne Studien mit
funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT)
vor, die sich vor allen Dingen mit Paradigmen zur
Affektregulation beschäftigen und hier eine verminderte Reagibilität des neuronalen Netzwerkes
bei bipolaren Patienten beschreiben. Die neuropsychologischen Defizite umfassen schwerpunktmäßig Arbeitsgedächtnis-Funktionen wie Verbalgedächtnis und visuell-räumliche Fähigkeiten.
Studienplan
Innerhalb von drei Jahren sollen 65 Patienten mit
einer Bipolar-I-Störung (DSM-IV-Kriterien) und
65 gesunde parallelisierte Kontrollprobanden in die
Studie eingeschlossen werden. Nach ausführlicher
klinischer Charakterisierung der Probanden werden 1. eine strukturelle MRT-Untersuchung, 2. eine
MRS-Untersuchung des Hirnstoffwechsels, 3. bei
einer Untergruppe eine funktionelle MRT-Untersuchung mit einem Paradigma zu Arbeitsgedächtnisfunktionen, 4. eine klassische umfangreiche neuropsychologische Testung und 5. eine genetische Untersuchung bisheriger Kandidatengene durchgeführt.
Zwischenergebnisse
Bislang konnten 35 Patienten und 32 Kontrollprobanden eingeschlossen werden. Auf dieser Grundlage wurden erste Auswertungen unternommen.
Eine Untersuchung zur Hirnstruktur mit der voxelbasierten Morphometrie zeigte keine Unterschiede
des Volumens der grauen Substanz zwischen den
Patienten und den Kontrollen (2). Eine Auswertung
der MRS-Untersuchungen zeigte, dass bei euthymen
bipolaren Patienten im linken Hippokampus der
Quotient NAA/CRE signifikant erniedrigt ist. Dies
deutet auf eine verminderte Funktion der Nervenzellen in dieser Region hin. Für andere Hirnregionen
(präfrontaler und anteriorer cingulärer Cortex, Thalamus) konnten keine signifikanten Veränderungen
beobachtet werden (3).
Literatur
Scherk H, Reith W, Falkai P. Hirnstrukturelle Veränderungen bei
bipolaren affektiven Störungen. Nervenarzt. 2004;75(9):861-72.
Scherk H, Backens M, Schneider-Axmann T, Kemmer C, Reith W,
Falkai P, Gruber O. Neurochemical pathology in hippocampus, thalamus and putamen in euthymic patients with bipolar I disorder:
a proton magnetic resonance spectroscopy study. submitted 2006
Scherk H, Wobrock T, Kemmer C, Reith W, Falkai P, Gruber
O.Unchanged volume of grey and white matter in patients with bipolar disorder and first episode schizophrenia. submitted 2006
21
Pharmakotherapie
W. Emanuel Severus*, Nikolaus Kleindienst**, Nicki Seitz*, Waldemar Greil*, ***
*Ludwig-Maximilians-Universität München, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie **Zentralinstitut für Seelische Gesundheit,
Mannheim ***Psychiatrische Privatklinik Sanatorium Kilchberg, Schweiz
Dosis - Wirkungsbeziehungen in der Erhaltungstherapie / Rezidivprophylaxe
bipolarer Erkrankungen
Einleitung
Verschiedene akut antimanisch wirksame Medikamente sind mittlerweile zur Rezidivprophylaxe/Erhaltungstherapie bipolarer Erkrankungen zugelassen
(z.B. Lithium, Valproat, Olanzapin). Während in der
Akuttherapie manischer Episoden höhere Dosierungen eines Medikamentes oftmals auch mit einer
größeren Wirksamkeit einher zu gehen scheinen, ist
dies für die Erhaltungstherapie bipolarer Erkrankungen weniger klar. Insbesondere gibt es keine Untersuchungen, die sich mit der Frage beschäftigen, ob
zur Rezidivprophylaxe depressiver Episoden andere
Dosierungen optimal sind als zur Rezidivprophylaxe
hypomaner, manischer oder gemischter Episoden.
Bisherige Arbeiten
Bezüglich Lithium konnten wir in einer Übersichtsarbeit zeigen, dass Lithiumkonzentrationen über
0.8 mmol/l offenbar keine zusätzliche Wirksamkeit bezüglich der Rezidivprophylaxe depressiver
Episoden im Vergleich zu Konzentrationen zwischen 0.6 – 0.8 mmol/l haben. Für manische Episoden mag sich dies anders darstellen (Severus et
al., 2005). Des weiteren finden sich bei höheren
Lithiumkonzentrationen relativ mehr depressive als
manische Rezidive als im Vergleich zu niedrigeren
Konzentrationen (Kleindienst et al., 2005). In der
MAP Studie haben wir außerdem zeigen können,
dass die Lithiumkonzentrationen, die depressiven
Rezidiven vorausgehen, signifikant höher sind als
die, die manischen Rezidiven vorausgehen, während
sich die Lithiumkonzentrationen von denen, die
kein Rezidiv hatten, zwischen den beiden genann-
22
ten Gruppen befanden (Kleindienst et al., 2005).
Aktuelle bzw. zukünftige Projekte
Analyse der Carbamazepin Daten aus der MAP Studie sowie der Lithium Daten aus beiden Lamotrigin
Erhaltungstherapiestudien unter der oben dargestellten Fragestellung, Analyse der publizierten Lithiumaugmentationsstudien mit Hinblick auf die optimal
wirksame Lithiumkonzentration (in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Bauer, Charité, Berlin)
Literatur:
Severus WE, Grunze H, Kleindienst N, Frangou S, Moeller HJ. Is
the prophylactic antidepressant efficacy of lithium in bipolar I disorder dependent on study design and lithium level? J Clin Psychopharmacol. 2005;25:457-462.
Kleindienst N, Severus WE, Moller HJ, Greil W. Is polarity of recurrence related to serum lithium level in patients with bipolar disorder? Eur Arch Psychiatry Clin Neurosci. 2005;255:72-74.
Kleindienst N, Severus WE, Moller HJ, Greil W. Are low lithium
levels needed to prevent bipolar depression and high lithium levels
to prevent mania? Poster at the AEP, Munich, 2005
Pharmakotherapie
Thomas Stamm, Florian Schlagenhauf, Roland Ricken, Max Pilhatsch, Michael Bauer
Charité – Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
L-Thyroxin in der Behandlung der bipolaren Depression
Dass es eine bedeutende Schnittmenge von Symptomen von Schilddrüsen- und affektiven Erkrankungen gibt, ist seit über hundert Jahren bekannt. Erst
seit ca. 40 Jahren werden Schilddrüsenhormone
jedoch auch systematisch bei der Behandlung von
affektiven Erkrankungen erforscht. Symptome wie
Interessenverlust, motorische und psychische Verlangsamung, gedrückte Stimmung, Konzentrationsverlust, Obstipation und Lethargie sind gemeinsame
Symptome sowohl einer Schilddrüsenunterfunktion wie auch der Depression. Zudem scheint vor
allem bei komplizierten Verläufen der bipolaren
Erkrankung (Rapid Cycling) überzufällig häufig
eine subklinische Hypothyreose vorhanden zu sein.
Das in der inneren Medizin am häufigsten zum
Ausgleich von Schilddrüsenunterfunktionen eingesetzte Hormon L-Thyroxin ist dabei aktuell
Gegenstand unserer Forschung. In vielen offnen
Studien konnte es seine gute Wirksamkeit und
Verträglichkeit bei der Depressions-, aber auch
phasenprophylaktischen
Behandlung
zeigen.
Allerdings gibt es bisher keine doppelblinde, placebokontrollierte Studie, die einen wissenschaftlichen
Beweis dafür liefern könnte. Diese Lücke schließen
wir zur Zeit durch eine seit 2004 laufende, von der
Stanley-Foundation geförderte Studie zur Wirksamkeit von L-Thyroxin in der Behandlung der bipolaren
Depression, die an mehreren Zentren in Deutschland
und den USA durchgeführt wird.1
Neben diesem klinischen Aspekt interessieren
wir uns in der psychiatrischen Klinik der Charité
auch für die zugrunde liegenden Mechanismen der
Schilddrüsenhormonwirkung. Zum einen führen
wir, mit dem Einverständnis unserer Patienten, genetische Untersuchungen durch, die nach Mutationen im Schilddrüsenhormonrezeptor fahnden.
Außerdem wollen wir durch elektrophysiologische
Untersuchungen (akustisch evozierte Potentiale:
eine Form des EEG´s) und durch bildgebende Verfahren wie Positronen-Emissionstomographie (PET)
und
Magnetresonanztomographie/spektroskopie
(MRT/MRS) Veränderungen im Gehirn durch die
2
Hormonbehandlung erfassen. In Kooperation mit
Prof. Vennström aus Stockholm untersuchen wir
außerdem genetisch veränderte Mäuse (mTRα1knock-in), die durch eine Veränderung im Schilddrüsenhormonrezeptor deutlich ängstlich und verhaltensauffällig wurden.
1
2
The Stanley Medcal Research Institute (grant 02T-238)
NARSAD Independent Investigator Award 2005 (M.B.)
Literatur
Bauer M, Berghofer A, Bschor T, Baumgartner A, Kiessliner U,
Hellweg R, Adli M, Baegthe C, Muller-Oerlinghausen B. Supraphysiological doses of L-thyroxine in the maintenance treatment of
prophylaxis-resistant affective disorders. Neuropsychopharmacology. 2002 Oct;27(4):620-8
Bauer M, Whybrow PC. Thyroid hormone, neural tissue and mood
modulation. World J Biol Psychiatry. 2001 Apr;2(2):59-69
Bauer M, London ED, Rasgon N, Berman SM, Frye MA, Altshuler
LL, Mandelkern MA, Bramen J, Voytek B, Woods R, Mazziotta
JC, Whybrow PC. Supraphysiological doses of levothyroxine alter
regional cerebral metabolism and improve mood in bipolar depression. Mol Psychiatry. 2005 May;10(5):456-69.
23
DGBS
Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen e.V.
(manisch-depressive Erkrankungen)
Unabhängige, gemeinnützige Fachgesellschaft
für Professionelle, Betroffene und Angehörige
Bipolare Störungen –
Wir fördern den Trialog
Ziele
• Förderung der Forschung und Lehre über die Ursachen, Diagnose und Therapie
• Mehr Aufmerksamkeit für bipolare Erkrankungen in Fachkreisen, der Gesundheitspolitik und Öffentlichkeit
• Verbesserung der medizinischen Versorgung
• Unterstützung der Selbsthilfeinitiativen
Informationen:
24
Spendenkonto:
Deutsche Gesellschaft für bipolare Störungen e.V., (DGBS e.V.)
DGBS e.V. Konto: 0205031826
Postfach 920249
Deutsche Apotheker- und Arztbank eG. Hamburg
21132 Hamburg
Tel. 040 / 85 40 88 83
BLZ 20030602
Psychotherapie
Thomas Daniel Meyer
Eberhard Karls Universität Tübingen, Psychologisches Institut, Abteilung für Klinische und Entwicklungspsychologie
Psychotherapie, Stress und andere psychologische Faktoren im Zusammenhang
mit bipolaren Störungen
Hintergrund
Ausgehend von Modellen, die bei bipolaren Störungen neben genetisch-biologischen Prozessen
auch den Einfluss psychosozialer Faktoren betonen,
wurden verschiedene Studien initiiert. Sowohl eher
grundlagen- als auch anwendungsorientierte Fragestellungen kommen hierbei zur Geltung. Zum einen
geht es um die Rolle von Temperament und kognitiven Faktoren wie z.B. Attributionsstilen als möglichen Risikofaktoren für bipolare Störungen, zum anderen in Kooperation mit Martin Hautzinger um die
Wirksamkeit kognitiver Verhaltenstherapie (KVT)
als Baustein in der Behandlung bipolarer Störungen.
Auch die Bedeutung von Stress auf den Verlauf der
Erkrankung ist Gegenstand meiner Forschung.
Methodik/Ziele
Je nach Studie kommen unterschiedliche Forschungsstrategien zum Tragen. Zur Untersuchung
der Wirksamkeit der KVT wurde eine Studie realisiert, in der zufällig Betroffene einer von zwei
Bedingungen zugeteilt und behandelt wurden (plus
mindestens ein Jahr Nachuntersuchung).
Die beiden Therapiebedingungen wurden engmaschig supervidiert. Es ging in dieser Studie dabei
nicht um die Effektivität der KVT an sich, sondern
um die Frage, inwieweit KVT Effekte aufweist, die
über die einer sehr intensiven, aber eher unspezifischen supportiven Therapie hinausgehen. Im Rahmen der High-risk-Forschung ging es darum aufzuzeigen, dass psychologische Risikofaktoren bei
Jugendlichen/jungen Erwachsenen, die aber nicht
erkrankt waren, mit typischen Auffälligkeiten as-
soziiert sind, z.B. Stimmungsschwankungen oder
Schlafrhythmus. Dies ermöglicht Schlussfolgerungen, inwieweit psychologische Faktoren tatsächlich
Risikomerkmale für Bipolarität sind. Eng verknüpft
ist damit auch der Versuch, die Diagnostik und das
frühzeitige Erkennen bipolarer Störungen mit unterschiedlichen Instrumenten zu verbessern.
Wenn es um das Thema Stress geht, so versuchen
wir, den aktuellen Stand der Forschung in Form
einer Metaanalyse aufzuzeigen. Das bedeutet, dass
es um eine methodisch fundierte Zusammenstellung und Aggregation bisheriger Befunde geht, um
zu sehen, wie stark der Einfluss von Stress auf den
Verlauf bipolarer Störungen ist und wo noch Forschungslücken sind.
Ergebnisse: Die Studie zur spezifischen Wirksamkeit
kognitiver Verhaltenstherapie sowie die Metaanalyse zur Rolle von Stress werden aktuell ausgewertet.
Im Rahmen meiner High-risk-Forschung konnten
wir hingegen die Brauchbarkeit und Validität von
bestimmten psychologischen Merkmalen (z.B. Temperament) als potentielle Risikofaktoren bereits dokumentieren (z.B. Blechert & Meyer, 2005; Meyer
& Maier, 2006).
Ausblick
Aufbauend auf den Ergebnissen sollen fortführend
z.B. Fragestellungen untersucht werden, inwieweit
bestimmte belastende Lebensereignisse sich als relevanter für Manie oder Depression herausstellen als
andere oder welche Aspekte psychotherapeutischer
Arbeit besondere Bedeutung für die Rezidivprophylaxe haben. Auch die Entwicklung und Evaluation
25
eines kognitiven Modells maniformer Symptome ist
Gegenstand gegenwärtiger Untersuchungen
Literatur
Blechert, J. & Meyer, T.D. Are the scales Hypomanic Personality,
Impulsive Nonconformity and Rigidity predictors of bipolar symptoms? British Journal of Clinical Psychology, 2005; 44, 15-27.
Meyer, T.D. & Hautzinger, M. Manisch depressive Störungen
– Kognitive Verhaltenstherapie zur Rückfallprophylaxe. Weinheim:
Beltz 2004
Meyer, T.D. & Maier, S. Social rhythm irregularities in individuals
putatively at risk for affective disorder. Psychiatry Research,2006;
141, 103-114.
26
Neue Technologien
Mazda Adli1, Kathrin Neuhaus1, Katja Wiethoff1, Julia Kiermeir1, Roland Ricken1, Peter Whybrow2, Stefan
Priebe3, Tasha Glenn3,4, Michael Bauer1,2
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Charité - Universitätsmedizin Berlin, Campus Charité-Mitte (CCM), Berlin
Neuropsychiatric Institute & the Department of Psychiatry and Biobehavioral Sciences of the David Geffen School of Medicine,
University of California at Los Angeles (UCLA), Los Angeles, California, USA 3 Social & Community Psychiatry, Queen Mary’s School of
Medicine and Dentistry, University of London, UK 4 ChronoRecord Association (www.chronorecord.org), Inc., Fullerton, California, USA
1
2
Eine neue, elektronische Selbsterfassung des longitudinalen Verlaufs bipolarer Störungen:
ChronoRecord Software
Hintergrund
Eine geeignete Methode zur Untersuchung des äußerst variablen, individuellen und heterogenen Verlaufs von bipolaren affektiven Störungen stellen
Longitudinalstudien dar. Diese sind jedoch kostspielig und anfällig für Datenerhebungsfehler. Durch
eine automatisierte Erhebung von Daten könnte
sowohl eine Fehlerreduzierung erreicht, als auch
die Datenqualität verbessert werden. Die ChronoRecord-Software wurde entwickelt, um eine automatisierte Datenerhebung etablieren zu können. Diese
für bipolare affektive Erkrankungen speziell entwickelte Software kann von Patienten auf den Heimcomputer installiert werden, damit diese täglich
ihre Stimmung, die eingenommene Medikation, die
Schlafdauer, wichtige Lebensereignisse, Gewichtsveränderungen und gegebenenfalls den Menstruationszyklus erfassen können.
Methodik
Um die Validität der elektronischen Patientendokumentation zu testen, wurden die mittels ChronoRecord erhobenen Daten bezüglich der Stimmung des
Patienten mit den Fremdbeurteilungsskalen Hamilton Depression Rating Scale (HDRS) und Young
Mania Rating Scale (YMRS) verglichen. Die aufgeführten Testinstrumente wurden nacheinander zu
vier verschiedenen Messzeitpunkten innerhalb von
drei Monaten angewandt; die erhobenen Daten wurden mit Hilfe verschiedener statistischer Modelle
analysiert.
Ergebnisse
In einer ersten Pilotstudie zeigten 80 der 96 eingeschlossenen Patienten (83%) mit bipolarer Störung
eine hohe Akzeptanz für dieses computerbasierte
„Selbstbeurteilungs-System“, wobei über drei Monate täglich Daten aufgezeichnet wurden. Der Pearson Korrelationskoeffizient zwischen der HDRS und
der durch ChronoRecord erhobenen Daten war -.68
(p<0.001) und zwischen der YMRS und ChronoRecord -.607 (n=57, p<.001).
Schlussfolgerung und Ausblick
Die gestiegene Akzeptanz in der Allgemeinbevölkerung für Computertechnologien bietet die Gelegenheit, die Qualität von Datenerhebungen in
longitudinalen Studien zu verbessern. Dieses neue,
weltweit erste Computer-gestützte Instrument zur
Selbsterfassung von affektiver Symptomatik, ermöglicht eine präzise longitudinale Datensammlung
für Forschungszwecke, während es gleichzeitig eine
laufende Patientenrückmeldung und eine genaue
Studienkontrolle im Rahmen von wissenschaftlichen Untersuchungen liefert.
Die weitläufige Akzeptanz von Heimcomputern kann
somit genutzt werden kann, um die Entwicklung von
longitudinalen Studien bezüglich affektiver Störungen zu verbessern. Eine automatisierte Datenkollektion kann bei minimaler Kostenerhöhung fehlende
Daten reduzieren, die Datenqualität verbessern und
die Anzahl der Patienten für standardisierte Protokolle erhöhen. Die ChronoRecord-Software wurde
genutzt, um eine tägliche Erfassung der Stimmung
von Patienten mit einer bipolaren Erkrankung zu ge-
27
Neue Technologien
währleisten. Die Akzeptanz der Patienten für diese
automatisierte Form der Selbstbeurteilung war sehr
gut und es bestand eine hohe Validität zwischen
der durchgeführten Selbstbeurteilung der Patienten
mittels ChronoRecord und den erhobenen Fremdbeurteilungsskalen zur Erfassung depressiver und manischer Symptomatik. Die erhobenen Daten in einer
solchen Längsschnittstudie können nicht nur für klinische Entscheidungen eine Hilfe darstellen, sondern
auch für eine Schulung der Patienten nützlich sein.
In einem nächsten Schritt wird die Wirksamkeit des
ChronoRecord Selbstdokumentationssystems gemeinsam mit einem Kurzzeit-Psychoedukationsprogramm in einer randomisierten Studie geprüft.
Literatur
Adli M, Whybrow PC, Grof P, Rasgon N, Gyulai L, Glenn T, Bauer
M. Use of polypharmacy and self-reported mood in outpatients with
bipolar disorder. Int J Psychiat Clin 2005; 9:251-256
Bauer M, Grof P, Gyulai L, Rasgon N, Glenn T, Whybrow PC
Using Technology to Improve Longitudinal Studies: Self-Reporting in Bipolar Disorder. Bipolar Disorders 2004;6:67-74
Rasgon NL, Bauer M, Grof P, Gyulai L, Elman S, Glenn T,
Whybrow PC. Sex-specific self-reported mood changes by patients
with bipolar disorder. J Psychiatr Res 2005;39:77-83
28
Neue Technologien
Christoph Born*, Lars Schärer**, Benedikt Amann*, Heinz Grunze*
*Ludwig-Maximilians-Universität München, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, **Universitätsklinikum Freiburg, Abteilung für
Psychiatrie und Psychotherapie
Evaluation von Verläufen, die mit der NIMH Life Chart Methode dokumentiert wurden
Hintergrund
Seit 1999 dokumentierten Patienten mit bipolaren
affektiven Störungen an den Zentren München und
Freiburg ihr Befinden nach der Lifechart-Methode
(LCM). Allein in München liegen bis heute 1853
Monate (154,4 Jahre) prospektiv erstellter Life
Charts in der Clinician-Form von etwa 180 Patienten vor. In Ergänzung 1069 Monate (89,1 Jahre)
prospektiv erstellt in der Self-Form, für 627 Monate
enthalten diese Angaben über den täglichen Konsum
von Kaffee, Alkohol, Nikotin und Cannabis. Aus den
Jahren von 1995 bis zum Behandlungsbeginn liegen
etwa 495 Jahre retrospektiver Lifecharts vor.
Methodik (Ziele)
Ziel ist es, diese Verlaufsdokumentation für verschiedenste Auswertungen mit den gängigen statistischen
Verfahren aufzubereiten. Hierzu wurden die Daten
dieser Charts in eine Datenbank eingegeben.
In einer ersten Auswertung von 49 Verläufen
(Mindestlänge 12 Monate; Mw. 24), wurden
(hypo)manische und (sub)depressive sowie euthym
markierte Tage pro Halbjahr errechnet und mit Last
Observation Carried Forward Method, chi quadrattest und student´s t-Test ausgewertet.
stetig zu, während dieser Anteil bei Bipolar-II-Patienten von 49,3% (1. Hj.) auf 57,6% (8. Hj.) anstieg.
Subdepressiv oder hypomanisch markierte Tage waren wesentlich häufiger als depressive (etwa 3:1) oder
manische Tage (10:1 bis 20:1). (Sub)depressive waren in jedem Halbjahr häufiger als (hypo)manische
Stimmungsauslenkungen (2:1 bis 1,3:1).
Ausblick
Da bisher nur die Validität der Clinician-Form untersucht ist, wird zunächst einmal die Frage nach der
Validität der Self-Form zu beantworten sein. Darüber hinaus soll untersucht werden, ob und wie sich
Patienten, die einen Lifechart nutzen, gegenüber
anderen charakterisieren lassen. Des Weiteren sollen die Begriffe „Switch“, Episode, Response und
Remission diskutiert werden. Außerdem soll die
Auswirkung von Stimmungsauslenkungen auf den
Genuss von Kaffee, Alkohol, Nikotin und Cannabis
ausgewertet werden.
Literatur
Born C, Dittmann S, Post RM, Grunze H. Newer Prophylactic
Agents for Bipolar Disorder and their Influence on Suicidality. Arch
Suicide Res, 2005 ; 9: 1-6,
(Vorläufige) Ergebnisse
Das Alter der 49 Patienten betrug nach Mittelwert
40,9 Jahre. 28 (54,8%) Patienten waren Frauen. 31
Patienten (60,8%) hatten eine Bipolar-I- und 18
(35,3%) eine Bipolar-II-Störung.
Der Anteil euthym markierter Tage nahm von 50,2%
(1. Hj.) auf 78,6% (8. Hj.) bei Bipolar-I-Patienten
29
Neue Technologien
Lars Schärer
Universitätsklinikum Freiburg, Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie für die Arbeitsgruppe Neue Medien der DGBS e.V.
Aufbau eines internationalen Patientenregisters für bipolare Störungen
Hintergrund/Vorergebnisse
Früh hat die Deutsche Gesellschaft für bipolare Störungen e.V. (DGBS) die Bedeutung von Patiententagebüchern erkannt. Das erste Forschungsprojekt der
DGBS war die Entwicklung eines elektronischen
Patiententagebuchs, des sog. Palm Life Charts, in
dem täglich u. a. soziale Funktionsfähigkeit, Stimmung, Medikation, Nebenwirkungen, Lebensereignisse und Schlaf dokumentiert werden.
Ziel dieses Projekts war es, den großen Nutzen der
Life Chart Methodik auch außerhalb von aufwendigen Forschungsprojekten jedermann zugänglich zu
machen. Dies scheint gelungen:
-
-
-
-
-
30
5 von 6 Patienten berichten, einen großen oder
sehr großen Nutzen vom Einsatz des Palm Life
Charts als Selbstmanagement Tool zu haben.
Kliniker schätzen die Zeitersparnis, wenn sie
durch die Life Chart-Grafiken rasch über den
Krankheitsverlauf seit dem letzten Besuch des
Patienten informiert werden und vermuten, so
sicherer und erfolgreicher therapieren zu können.
Selbsthilfegruppen führen ihre Mitglieder mit
einem Modul eines Selbstmanagement-Trainingsprogramms in die Life Chart Methodik
ein.
In der klinischen Forschung werden durch die
kosteneffiziente Datenerfassung neue alltagsnahe Fragestellungen untersucht.
Auftragsforschungsinstitute (CROs) schätzen
die aus dem kontinuierlichen Patienten-moni-
-
-
toring resultierende verbesserte Datenqualität,
die sofortige Verfügbarkeit von Daten und Auswertungen, die verbesserte Patientensicherheit
und die dadurch möglichen kostengünstigeren
Studiendesigns.
Sponsoren profitieren vom High-Tech Image
der elektronischen Methoden und von der Zufriedenheit auf allen Kundenebenen.
Aus der Perspektive der Gesundheitsadministration schließlich stellen sich die elektronischen Life Charts als hochwertiges Instrument
der Qualitätssicherung dar.
Das Palm Life Chart ist mittlerweile in 13 Sprachen
übersetzt, es wird international an renommierten
Zentren in verschieden Studien eingesetzt, darunter
auch in einer internationalen Zulassungsstudie.
In technischer Hinsicht ist das Palm Life Chart System sehr flexibel geworden. So können die Benutzer zwischen 11 verschiedenen Wegen (PDA, PC,
Handy, etc.) wählen, um das Life Chart zu führen.
Welcher Weg für einen Benutzer oder ein Projekt der
beste ist, hängt von vielen Faktoren
ab; da man
aber fast beliebig zwischen den verschiedenen Wegen wechseln kann, läßt sich das PLC-System nahezu unter allen Gegebenheiten effizient nutzen. Patienten finden sich bei einem Wechsel zwischen den
einzelnen Wegen rasch zurecht, da auf größtmögliche Ähnlichkeit der Wege für den Benutzer geachtet wurde. Egal, welche Methode gewählt wird, das
dadurch aufgebaute Life Chart sieht genauso aus, die
zugrunde liegende Datenbank ist die gleiche.
Methodik / Ziele
Für den weiteren Ausbau des Systems werden in folgenden Bereichen Sponsoren1 benötigt:
-
-
-
-
Nebenwirkungserfassung: Durch die kontinuierliche Dokumentation resultiert aus den im
Palm Life Chart erfassten „Nebenwirkungen“
ein realistisches Bild hinsichtlich Häufigkeit
und Schwere­grad unerwünschter therapieassoziierter Ereignisse. Die bisherige Erfassung als
Freitext soll abgelöst werden durch eine bereits
ausgearbeitete, mit dem Standard der WHO
kompatible Erfassungsmethode im Selbstbeurteilungsverfahren.
SMS - Life Chart: Die Rückmeldung an den
Patienten via SMS ist dauerhaft mit Kosten
verbunden. Einige Patienten können sich selbst
die tägliche SMS an das PLC-System nicht
leisten.
Validierung: Ziel der DGBS ist es, alle Zugangswege in allen Sprachen zu validieren.
Derzeit arbeiten 6 Doktoranden an verschiedenen Teilprojekten. Zuschüsse für Reisekosten
und Telefonkosten sind vordringlich erforderlich.
Weitere Kosten fallen an durch die Übersetzung
von Benutzerhandbüchern und anderen Materialien, Druckkosten, Hotline (0800 BIPOLAR),
Vorträge, allgemeine Bürokosten.
entwickeln, in das aus verschiedenen kooperativen
Teilprojekten realistische Alltagsdaten einfließen,
die dann zur raschen Beantwortung persönlicher,
klinischer, wissenschaftlicher, regulatorischer, wirtschaftlicher und administrativer relevanter Fragestellungen genutzt werden können.
Eine sichtbare Würdigung der Sponsoren ist entsprechend den
Richtlinien der DGBS in unterschiedlichem Umfang möglich.
1
Ausblick
Das PLC-System soll sich international zum führenden Patientenregister für bipolare Störungen
31
Soziale Dimension
Susan Scheiter*, Peter Bräunig**, Stephanie Krüger***
*Klinikum Chemnitz. Klinik für Psychiatrie, Verhaltensmedizin und Psychosomatik
**Vivantes Humboldt Klinikum Berlin, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
***Universitätsklinikum Carl-Gustav Carus Dresden, Klinik und Polyklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Soziale Dimension der bipolaren Erkrankung und die individuellen Bedürfnisse Betroffener,
im Hinblick auf angemessene medizinisch – therapeutische Behandlung und soziale
Unterstützung
Ausgangspunkt
Bipolare Erkrankungen zählen zu den zehn häufigsten Erkrankungen, die zu dauernder Behinderung
führen (WHO-Report, 2002). Krankheitsbedingte
psychosoziale Probleme, Folgen von Stigmatisierung und sozialer Benachteiligung bipolar erkrankter Menschen und ihrer Angehörigen sind in der
breiten Öffentlichkeit, aber auch in Teilen der Medizin, Psychologie und sozialpsychiatrischer Unterstützungssysteme bislang nur mangelhaft untersucht
und werden dadurch gravierend unterschätzt. Dieses
gilt gleichermaßen für die individuellen Bedürfnisse im Hinblick auf eine angemessene klinische
und ambulante Behandlung und soziale Unterstützung. Es fehlen Informationen, deren Vermittlung
und Verbreitung dazu beitragen können, die medizinische Versorgung und soziale Unterstützung
für bipolar erkrankte Menschen zu verbessern.
Wenngleich der Anteil der Forschung bezüglich
psychosozialer Auswirkungen psychischer Erkrankungen vergleichsweise gering ist, sind bei
der Literaturrecherche dennoch zunehmende Tendenzen erkennbar, die subjektiven Belange Betroffener stärker in den Betrachtungsmittelpunkt
zu rücken. Auch die Auswirkungen der bipolaren
Erkrankung auf Berufs- und Familienleben, vorzeitige Berentung etc. wurden bereits thematisiert.
Ziele
Anliegen des vorliegenden Projektes ist es, Auswirkungen der bipolaren Erkrankung auf unterschiedlichen sozialen Dimensionen systematisch
und umfassend zu erheben sowie individuelle Be-
32
dürfnisse und Zufriedenheit Betroffener bezüglich
der Behandlung zu erfassen. Unter dem Begriff
„soziale Dimensionen“ sind verschiedene Aspekte des sozialen Lebens zusammengefasst, die die
aktuelle Lebenssituation der Betroffenen, die Einbindung in das soziale Umfeld, die biographische
Entwicklung und den Umgang mit der Erkrankung
betreffen. Auf Grundlage dieser Bedürfniserfassung erfolgt ein Vergleich des Ist- und Sollzustandes bezüglich des aktuellen Behandlungsangebotes.
Daraus sollen sich wiederum langfristig Verbesserungen für Therapie, psychosoziale Rehabilitation
und Unterstützung im sozialen Umfeld ergeben.
Methode
Mit Unterstützung der Deutschen Gesellschaft für
Bipolare Störungen e.V. (DGBS e.V.) wurde ein bundesweites Projekt initiiert, um im Zeitraum zwischen
Januar und Dezember 2006 eine repräsentative Patientengruppe (min. 300 Patienten) zu untersuchen.
Grundlage soll eine Befragung möglichst zahlreicher
Betroffener sein: Patienten, die aktuell in Kliniken
oder ambulant behandelt werden, DGBS-e.V-Mitglieder und Mitglieder von Selbsthilfegruppen. Das
Untersuchungsinstrumentarium besteht aus verschiedenen Fragebögen, die den Teilnehmern zur eigenständigen Bearbeitung übergeben bzw. zugesandt
werden sollen: zwei selbst entwickelte Fragebögen,
in denen verschiedene Aspekte sozialen Lebens und
individuelle Bedürfnisse sowie Zufriedenheit Betroffener bezüglich Behandlung und sozialer Unterstützung erhoben werden, die Manie Selbstbeurteilungsskala und das Beck Depression Inventory.
Auswertung
Die Beurteilungsdaten werden mit Hilfe des Computerprogramms SPSS ausgewertet und weiter bearbeitet. Die Ergebnisse sollen als Bericht über die
sozialen Dimensionen der bipolaren Erkrankung
und die individuellen Bedürfnisse bipolar erkrankter Menschen im Hinblick auf angemessene medizinisch-therapeutische Behandlung publiziert werden.
Das Projekt wird unterstützt von der Deutschen Gesellschaft für Bipolare Störungen e.V.
Literatur
Lish, J. D., Dime-Meenan, S., Whybrow, P. C., Arlen Price, R., Hirschfeld, R. (M.A.). The National Depressive and Manic-depressive
Association (DMDA) survey of bipolar members. Journal of Affectice Disorders, 1994; 31, 281-294.
Hakkaart-van Roijen, L., Hoeijenbos, M.B., Regeer, E.J. et al., The
societal costs and quality of life of patients suffering from bipolar
disorder in the Netherlands. Acta Psychiatrica Scandinavia, 2004;
110, 383-392.
Morgan, V.A., Mitchell, P.B., Jablensky, A.V. The epidemiology of
bipolar disorder: sociodemographic, disability and service utilization data from the Australian National Study of Low Prevalence
(Psychotic) Disorders. Bipolar Disoders, 2005; 7, 326-337.
Pollack, L.E. Informational Needs of Patients Hospitalized for Bipolar Disorder. Psychiatric Services, 1995; 46, 1191-1194.
33
Genetik
Johanna Sasse*, Andrea Pfennig*, Julia Carolin Kirchheiner**, Michael Bauer*
*Charité - Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie **Universität Köln, Institut für Pharmakologie
Genetische Untersuchung bei Patienten mit einer bipolaren affektiven Störung und
deren Familienangehörigen zur besseren Vorhersage der Arzneimittelwirkung
Die Arzneitherapie der bipolaren affektiven Störung
ist nicht bei allen Patienten erfolgreich. Genetische
Polymorphismen in Genen des Arzneimittelmetabolismus und der Arzneimittelresponse spielen als
Prädiktoren für einen substanzspezifischen Therapieerfolg und für eventuelle medikamentöse Nebenwirkungen eine wichtige Rolle.
Zur Untersuchung genetischer Prädiktoren für den
Erfolg der Therapie ist es notwendig, eine große
Zahl an Patienten systematisch und ausreichend
klinisch zu charakterisieren. Die hier vorgestellte
Initiative dient dazu, eine optimale Basis für genetische Untersuchungen zur Arzneimittelwirkung bei
bipolaren affektiven Störungen zu schaffen, indem
genetische Daten und klinische Parameter von Erkrankten, deren Verwandten ersten Grades und einer
Vergleichsgruppe gesunder Probanden erhoben und
dokumentiert werden sollen.
Zur exakten Beschreibung möglicher Assoziationen
zwischen Geno- und Phänotyp der bipolaren affektiven Erkrankung ist neben der Genotypisierung (einmalige venöse Blutentnahme) die exakte Erhebung
und Dokumentation der Psychopathologie, des individuellen Krankheitsverlaufes und des Ansprechens
einer erfolgten Pharmakotherapie und deren aufgetretener unerwünschter Wirkungen notwendig. Die
Erhebung der Daten erfolgt retro- und prospektiv. Genetische Zielparameter sind direkte Zielgene der Arzneimittelwirkung wie Serotoninrezeptor- und transportergene, Dopaminrezeptor- und transportergene,
Gene des Arzneimittelmetabolismus- und transports
sowie Gene, die für die Langzeitwirkungen von Pha-
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senprophylaktika eine Rolle spielen. Multizentrisch
sollen mindestens 300 Patienten und deren Familienangehörige in die Studie eingeschlossen werden.
Ziel der Studie ist es, genetische Faktoren, welche
die Entstehung von psychiatrischen Erkrankungen,
aber auch die Wirksamkeit und Nebenwirkungen
der bei der bipolaren affektiven Erkrankung eingesetzten Medikamente beeinflussen, zu identifizieren. Genetisches Material dient dazu, Zielgene für
die Response von Phasenprophylaktika gezielt auf
Häufigkeit in den Gruppen der Erkrankten, der Angehörigen und einer gesunden Vergleichsgruppe zu
untersuchen.
Die Studie wird finanziell unterstützt von der Firma
AstraZeneca.
Literatur
McGuffin P, Rijsdijk F, Andrew M, Sham P, Katz R, Cardno A. The
heritability of bipolar affective disorder and the genetic relationship
to unipolar depression. Arch Gen Psychiatry. 2003;(5):497-502.
Müller-Oerlinghausen B, Berghöfer A, Bauer M. Bipolar disorder.
Lancet. 2002;359(9302): 241-7.
Kirchheiner J, Nickchen K, Bauer M, Wong ML, Licinio J, Roots
I, Brockmoller J. Pharmacogenetics of antidepressants and antipsychotics: the contribution of allelic variations to the phenotype of
drug response. Mol Psychiatry. 2004;(5): 442-73.
Ruzickova M, Turecki G, Alda M. Pharmacogenetics and mood
stabilization in bipolar disorder. Am J Med Genet. 2003;123C(1):
18-25.
Kirchheiner J, Sasse J, Meineke I, Roots I, Brockmoller J. Trimipramine pharmacokinetics after intravenous and oral administration
in carriers of CYP2D6 genotypes predicting poor, extensive and
carriers of CYP2D6 genotypes predicting poor, extensive and ultrahigh activity. Pharmacogenetics. 2003 Dec;13(12):721-8.
Binder EB, Salyakina D, Lichtner P, Wochnik GM, Ising M, Putz
B, Papiol S, Seaman S, Lucae S, Kohli MA, Nickel T, Kunzel HE,
Fuchs B, Majer M, Pfennig A, Kern N, Brunner J, Modell S, Baghai T, Deiml T, Zill P, Bondy B, Rupprecht R, Messer T, Kohn-
lein O, Dabitz H, Bruckl T, Muller N, Pfister H, Lieb R, Mueller
JC, Lohmussaar E, Strom TM, Bettecken T, Meitinger T, Uhr M,
Rein T, Holsboer F, Muller-Myhsok B. Polymorphisms in FKBP5
are associated with increased recurrence of depressive episodes
and rapid response to antidepressant treatment. Nat Genet. 2004
Dec;36(12):1319-25.
35
Neurobiologie
Jens Benninghoff
Ludwig-Maximilians-Universität München, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Lithium und neurale Stammzellen
In eigenen Vorarbeiten konnte die in-vitro Technik des
Generierens von adulten neuralen Stammzellen aus
Maus-Hippocampi erlernt werden. Weitere Arbeitsmethoden der Stammzellbiologie wie Vitalitätsprüfung, Untersuchungen zum Proliferationsverhalten
und das Ausdifferenzieren der Stammzellen wurden
ebenfalls in einem Referenzlabor (Prof. Vescovi´s
Stem Cell Research Institute in Mailand) erlernt.
Auch konnten bereits auf das oben beschriebene Projekt zulaufende Daten gewonnen werden, die sich
jedoch bisher auf Kurzzeit-Versuche zu Lithium beziehen. Um hier eine klinische Relevanz zu bekommen, sind ausgedehntere Versuche, die eine chronische Lithiumtherapie simulieren sollen, notwendig.
Hinsichtlich der molekularen Ausrichtung wurde bereits Vorarbeit geleistet. So konnten beide Isoformen
des Schlüsselenzyms der Serotonin-Synthese, die
Tryptophan-Hydroylase 1 und 2, in undifferenzierten
Stammzellen nachgewiesen werden.
Ein weiterer wichtiger Wirkmechanismus, der Apoptose-Proteine wie BCL-2 und BAX beinhaltet,
konnte in den Stammzellen detektiert werden.
Wir wollen also in diesem Projekt, das in enger Kooperation mit Prof. Husseini Manji vom National Institute of Mental Health (NIMH) durchgeführt wird,
uns mit den genauen Mechanismen der Wirkung des
Lithiums auf die adulte Neurogenese bzw. auf adulte
neurale Stammzellen auseinandersetzen und die in
den Vorarbeiten gewonnenen Erkenntnisse vertiefen
und ausbauen.
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Neuropsychologie
Sonja Gerber*, Gabi Valerius*, Lars Schärer*, Nane Christine Biedermann*, Sandra Dittmann**,
Heinz Grunze**, Jens Langosch*
*Universitätsklinikum Freiburg, Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie
**Ludwig-Maximilians-Universität München, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Neuropsychologie und infektiöse Erreger bei euthymen Patienten mit bipolarer Erkrankung
Hintergrund
Für die Entstehung von psychiatrischen Erkrankungen
gewinnen infektiöse Erreger wie Herpes Simplex
Virus Typ 1 und 2 (HSV-1, -2), Zytomegalievirus,
Toxoplasma gondii, Bornavirus und Retroviren
zunehmend an Bedeutung (Yolken et al. 1995).In
den USA wurde bei schizophrenen und bipolaren
Patienten ein Zusammenhang von verminderter
kognitiver Leistungsfähigkeit und Antikörpern
gegen HSV-1 nachgewiesen (Dickerson et al. 2004).
Methode/Ziele
Unsere Studie vergleicht das Vorhandensein von
Antikörpern im Hinblick auf die geistige Funktion
bei euthymen bipolaren Patienten und gesunden
Kontrollpersonen sowie mit den amerikanischen
Ergebnissen.
Wir führten Blutabnahmen zur Antikörperanalyse,
klinische Interviews (PANNS, HAMD-21, YMRS),
eine kognitive Untersuchung (Repeatable Battery
for the Assessment of Neuropsychological Status,
Trail Making Test TMT, Letter Number Sequencing
Test LNST und HAWIE-R-Untertest Allgemeines
Wissen) und zwei Tests zur Einschätzung von
Lebensqualität und sozialer Funktionsfähigkeit
(Social Adjustment Scale SAS und Lancashire
Quality of Life Profile LQLP) durch. Die Ergebnisse
wurden hinsichtlich der Existenz von Antikörpern
verglichen und auf medikamentöse Effekte überprüft.
schlechtere Ergebnisse in den Bereichen SofortGedächtnis, figurales Gedächtnis, Sprache,
Aufmerksamkeit, Langzeit-Gedächtnis, Flexibilität,
Psychomotorik und Allgemeinbildung, was mit
gravierenden Einbußen von Lebensqualität und sozioökonomischem Status verbunden war. Ein Einfluss
von Stimmung und Medikation bestand größtenteils
nicht. Die Seroprävalenzraten unterschieden sich
nicht. Eine HSV-1-Infektion war bei den bipolaren
Patienten mit geringeren Leistungen von Sprache,
Aufmerksamkeit und Sofortgedächtnis korreliert.
Schlussfolgerung/Ausblick
Die kognitive Leistungsfähigkeit der bipolaren
Patienten ist signifikant vermindert und bedingt
eine geringere Lebensqualität. Einige dieser
Einschränkungen sind mit der Existenz von
Antikörpern gegen HSV-1 assoziiert.
Wir vermuten eine erhöhte Empfindlichkeit der
Patienten für Infektionen mit Erregern, welche das
ZNS befallen. Eine denkbare Konsequenz unserer
Erkenntnisse könnte eine antivirale Therapie zur
Prävention und Begrenzung dieser Defizite sein.
Literatur
Dickerson F, Boronow JJ, Stallings C, Origoni A, Cole S,
Krivogorsky B and Yolken: Infection with herpes simlex virus
type 1 is associated with cognitive deficits in bipolar disorder.
Biol Psychiatry 2004;55:588-593. Yolken RH, Torrey EF. Viruses,
schizophrenia and bipolar disorder. Clin Microbiol Rev. 1995
Jan;8(1):131-45.
Ergebnisse
30 Patienten sowie 20 Kontrollpersonen wurden
eingeschlossen. Die Patienten hatten siginifikant
37
Neuropathologie
Hendrik Bielau
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin
Makrostrukturelle, immunhistochemische und zytoarchitektonische Untersuchungen
zu bipolaren affektiven Störungen
Ziel
Ziel des Forschungsprojektes sind makrostrukturelle, immunhistochemische und zytoarchitektonische Untersuchungen zu Neurotransmittersystemen
und Neuromodulatoren in Postmortem-Hirnen von
Patienten mit uni- und bipolaren affektiven Störungen. Neurotransmittersysteme und assoziierte Neuromodulatoren stehen nach wie vor im Blickpunkt
der biologischen Erforschung affektiver Störungen.
Während frühere Forschungsansätze eher einen peripheren Zugang suchten, ermöglichen neurohistologische Verfahren unmittelbarere Einsicht in Struktur
und Funktion dieser Systeme.
Im vorliegenden Projekt sollen an Serienschnitten
von ca. 30 in Paraffin eingebetteten Hirnen von Patienten mit der Diagnose einer affektiven Störung
histologische Untersuchungen zu Neurotransmittern
und Neuropeptiden durchgeführt werden, die für affektive Störungen als relevant gelten. Als Kontrollgruppe dienen ca. je 30 Hirne neuropsychiatrisch
unauffälliger Kontrollpersonen und schizophrener
Patienten. Topographisch sollen diese Systeme entsprechend der Hauptlokalisation der neuronalen Perikarya im Hirnstamm und in anderen, für die affektive Regulation bedeutsamen Hirnregionen wie dem
präfrontalen Kortex, striatal-pallidalen Basalganglien, Thalamus, Hypothalamus und Amygdala sowie
Hippokampus analysiert werden.
Die Verwendung von Ganzhirnserienschnitten ermöglicht die Untersuchung dieser Regionen in
identischen Fallgruppen und bietet damit ideale Voraussetzungen für eine Beurteilung des Verhältnisses
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der neurochemischen Systeme untereinander. Von
anderen Hirnbanken, wie z.B. der des Consortiums
der Stanley-Foundation, grenzt sich die vorliegende
zudem durch die Möglichkeit der bilateralen Untersuchung von Hirnregionen ab.
Mit der bilateral analogen Prozessierung der Hirne
der Mageburger Bank in Form der Paraffineinbettung sind Lateralitätseffekte, die für die Biologie
psychiatrischer Störungen als entscheidend gelten,
beurteilbar. Aus der verbesserten Charakterisierung
der Neurotransmitter-Systeme und assoziierter Neuropeptide werden Ansatzpunkte für Therapieoptimierungen und Entwicklung neuer, gezielterer biologischer Behandlungsansätze erwartet.
Unterstützt aus Mitteln des BMBF (NBL-3/2), der
Stanley-Foundation und des BrainNets.
Literatur
Bielau H, Mawrin C, Krell D, Agelink MW, Trubner K, Davis
R, Gos T, Bogerts B, Bernstein HG, Baumann B, Differences in
activation of the dorsal raphe nucleus depending on performance
of suicide. Brain Res. 2005; 1039: 43-52.
Bielau H, Trübner K, Krell D, Agelink MW, Bernstein HG, Stauch
R, Mawrin C, Danos P, Gerhard L, Bogerts B, Baumann B, Volume deficits of subcortical nuclei in mood disorders. A postmortem
study. Eur Arch Psychiatry Clin Neurosci. 2005; 255: 401-412.
Baumann B, Normann C, Bielau H, Neurobiologische Grundlagen
bipolarer affektiver Erkrankungen. Nervenarzt, 2003; 74:607-623
DGBS
Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen e.V.
www.dgbs.de
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