Depression – mehr als Burnout Prof. Dr. med. Wolfgang Schwarzer, M.A. Facharzt für Nervenheilkunde/Psychotherapie Facharzt für Psychotherapeutische Medizin Kath. Hochschule NRW., Abt. Köln Vortrag am 16. Oktober 2014 in Trier Was ist Burnout ? • Burnout ist keine Depression, aber aus Burnout kann eine Depression werden ! • ICD-10: Kapitel XXI: „Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme von Gesundheitsdiensten führen (Z 00- Z 99) • Z 73: „Probleme verbunden mit Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung“ • Z73.0 „Erschöpfungssyndrom (BurnoutSyndrom)“ Burnout: Symptome Psychische Symptome: •Hoffnungslosigkeit •Hilflosigkeit •Schuldgefühle •Konzentrationsprobleme •Verlangsamtes Denken •Nervosität •Aggressive Impulse Burnout: Symptome • • • • • • • • Erschöpfung Kopfschmerzen Übelkeit Appetitverlust Schlafstörungen Verdauungsprobleme („funktionelle Störungen“) Herzbeschwerden Sexuelle Probleme (Möller/Laux/Deister: Psychiatrie und Psychotherapie, 2009) Was ist Burnout ? • • • • • • • • • Begriff stammt aus der Arbeitspsychologie „Nur wer brennt, kann ausbrennen“ Unsichere Arbeitsverhältnisse/ Verträge Gefühl von Arbeitsplatzunsicherheit Lange Arbeitszeiten (keine festen Zeiten) Intensivierung der Arbeit, Arbeitsverdichtung Höhere emotionale Anforderungen Ständige Erreichbarkeit Beruf-Privatleben schwer vereinbar (OSHA = Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, 2007) Burnout: Phasen • Phase 1: große Aktivität, Leistungsfähigkeit, Gefühl, unentbehrlich zu sein (noch) keine aktuellen Probleme • Phase 2: zunehmende Unzufriedenheit und Leistungsfähigkeit („alles zuviel“), Qualität nimmt ab • Phase 3: Flucht in Passivität, Hoffnungslosigkeit, Leidensdruck > Übergang in die Depression möglich Affektive Störungen (ICD-10: F 3) • Depressive Episode/Störung • Rezidivierende depressive Störung • Anhaltende affektive Störungen • Manische Episode / Manie • Bipolare affektive Störung / Manisch depressive Erkrankung Depression: eine Volkskrankheit • 5 % = 4 Mio. Menschen mit Depression /D • ~ 15 % der Bevölkerung erleidet Depression im Laufe des Lebens (Lebenszeitprävalenz) • Hohe Dunkelziffer • Viele Depressive sind nicht in Behandlung • 2/3 der Behandelten in hausärztlicher Therapie • 10-15 % der schwer Depressiven suizidieren sich • Depression ist mehr als Burn-out • Depression ist eine behandlungsbedürftige Erkrankung Spezielle Depressionsformen • Saisonale Depression (SAD) • Wochenbettdepression; Perinatale Depression • Atypische Depression Ältere Bezeichnungen: • Involutionsdepression • Altersdepression • Endogene Depression • Neurotische Depression • Larvierte Depression Symptome der Depression: • mindestens 2 Wochen; meist ~ ¼- ½ Jahr • Schweregrade: leicht, mittel, schwer • Depressive Verstimmung • Depressive Antriebsstörung • Depressive Denkhemmung (selten: Wahn) + Körperliche Symptome • Suizidalität ! (ernst nehmen! Ansprechen!) • Suchtgefahr („ …wer Sorgen hat, hat auch Likör…) (Wilhelm Busch) Was spricht für eine Depression ? • Ein Mensch verändert sich …, entwickelt • „-losigkeiten“ : Antriebs-, Appetit-, Energie-, Freud-, Interesse-, Kraft-, Konzentrations-, LustPerspektiv-, Schlaflosigkeit • Innere Unruhe, Grübelneigung, Wahn Entscheidungsunfähigkeit • „Gefühl der Gefühllosigkeit“ • Körperliches Unwohlsein ohne organische Ursache > Gefahr der Fehldiagnose • Suizidale Gedanken Ursachen und Auslöser der Depression • Genetische Faktoren • Biografische Faktoren - ängstlicher, überbehütender Erziehungsstil - Verlusterlebnisse, Verlustängste - Vernachlässigung; Traumatisierung • Aktuelle akute/ chronische Belastungen (Arbeit…) Blockierung/ Ungleichgewicht im Neurotransmittersystem des Gehirns: Serotonin, Noradrenalin u.a. Botenstoffe Depression: Ursachen und Auslöser Quelle: praxispsychotherapie.de Depression: was passiert im Gehirn? Quelle: docmed.tv.vitamet.de Depression: was passiert im Gehirn? Quelle: docmed.tv.vitamet.de Depression: Gehirnstoffwechsel Quelle: deutsches-depressionsportal.de Behandlung der Depression • Medikamente: moderne Antidepressiva: SSRI, SNRI keine Abhängigkeit! Mindestens 6 Monate nehmen! Relativ wenig Nebenwirkungen Ältere Antidepressiva: Schlaf, Beruhigung • Psychotherapie: Verhaltenstherapie tiefenpsychologische PT • Zusatztherapien: Bewegung ! Wachtherapie Elektrokrampftherapie Depression: Medikamentöse Therapie Ältere Antidepressiva: • Amitriptylin, Doxepin, Trimipramin … Neuere Antidepressiva: SSRI: Citalopram, Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin, Sertralin, Mirtazapin SNRI: Duloxetin, Venlafaxin machen nicht „dick, dumm und müde“ oder abhängig! Sind keine „Beruhigungsmittel“ Verändern nicht die Persönlichkeit Prophylaxe der Depression • Bei familiärer Belastung besondere Sorgfalt • Bei eigenen Depressionen in der Vergangenheit • Ausgewogener Lebensstil (Balance; das rechte Maß finden…) • Extreme und Überlastungen vermeiden • Ansprüche herunterschrauben; Ausgleich finden • Auf Frühwarnzeichen achten (Schlafstörungen, innere Unruhe, Erschöpfung, Überforderung…) • Rechtzeitig professionelle Hilfe suchen (Hausarzt > Psychiater > Psychotherapeut) Umgang mit der Depression • • • • • • • • • Depression als Krankheit ernst nehmen Gut gemeine Ratschläge/Appelle vermeiden Ablenkung und Zerstreuung helfen nicht Liebe/Zuwendung ist gut, reicht aber nicht keine wichtigen Entscheidungen fällen keine größeren Veränderungen Ausreichend lange, aber nicht zu lange Auszeit Geduld, aber auch notwendige Abgrenzung Suizidalität klären und für Schutz sorgen Literatur • • • • • • • Bischkopf, Jeanette: So nah und doch so fern. Mit depressiv erkrankten Menschen Leben. 2. 2010 Burisch, Matthias: Das Burnout-Syndrom: Theorie der inneren Erschöpfung. 5. 2014 Hegerl Ulrich/ Niescken Svenja: Depressionen bewältigen, 2008 (TRIAS) Möller H.J./ Laux G./ Deister A.: Psychiatrie und Psychotherapie,2009 Niklewski, Günter/ Riecke-Niklewski Rose: Depressionen überwinden: Niemals aufgeben, 6. 2012 (Stiftung Warentest) Schwarzer, Wolfgang: Depression, in: Trost A./ Schwarzer W. (Hg.): Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie…, 2013, S.176-184 Wolfersdorf, Manfred: Depression: Die Krankheit bewältigen. 2010