Schizophrenie Fuchs Christof Schizophrenie Inhaltsverzeichnis: 1. Definition Psychose:...................................................................................... 4 2. Was ist „Schizophrenie?“............................................................................. 4 3. Häufigkeit: ..................................................................................................... 5 4. Mögliche Entstehungsfaktoren: .................................................................. 5 4.1. Genetische Faktoren (erblich bedingt):........................................................................ 5 4.2. Somatische Faktoren: .................................................................................................... 5 4.3. Psychosoziale Faktoren: ................................................................................................ 6 4.4. Verlaufstypen: ................................................................................................................ 6 4.5. 3-Phasen-Modell der Schizophrenie (nach Ciompi 1982): ......................................... 7 5. Diagnostik:..................................................................................................... 8 6. Symptome: ..................................................................................................... 8 6.1. Plus-Symptome:.............................................................................................................. 8 6.2. Minus Symptome: .......................................................................................................... 8 6.3. Schizophrenie – Depression und Suizidalität: ............................................................. 9 7. Untersuchungsmethoden: ............................................................................ 9 8. Behandlungsverfahren: ................................................................................ 9 9. Elektrokrampftherapie – EKT:................................................................. 10 9.1. Geschichte: .................................................................................................................... 10 9.2. Indikation:..................................................................................................................... 10 9.3. Wirkung, Häufigkeit der Anwendung: ...................................................................... 10 9.4. Nebenwirkungen: ......................................................................................................... 11 10. Medikamente:............................................................................................ 11 10.1. Definition Psychopharmaka und Neuroleptika:...................................................... 11 10.2. Allgemeines zur Handhabung von Psychopharmaka:............................................ 11 10.3. Beobachten:................................................................................................................. 12 10.4. Psychopharmaka – Einteilung: ................................................................................. 12 10.5. Neuroleptika (Antipsychotika): ................................................................................ 12 10.6. Begleitende Therapien: .............................................................................................. 12 11. Pflege Allgemein: ...................................................................................... 13 März 2008, Senecura 2 Fuchs Christof Schizophrenie 12. Spezielle Pflege:......................................................................................... 14 12.1. Ratschläge für den Umgang mit Schizophrenen lt. Ciompi:.................................. 14 12.2. Soziotherapeutische Grundsätze: ............................................................................. 16 12.3. Prinzipien der Soziotherapie:.................................................................................... 16 12.4. Keine Konfrontation Wahn – Realität:.................................................................... 17 12.5. Beziehungsgestaltung zu halluzinierenden Patienten:............................................ 18 12.6. Beziehungsgestaltung bei schizophrenen Patienten die „Spalten“:...................... 19 12.7. Beziehungsgestaltung bei Denkzerfahrenheit: ........................................................ 19 12.8. Spezielle pflegerische Probleme und Maßnahmen: ................................................ 20 13. Literaturverzeichnis: ................................................................................ 25 März 2008, Senecura 3 Fuchs Christof Schizophrenie 1. Definition Psychose: = vorübergehende oder sich stetig verschlechternde psychiatrische Erkrankung oder Abnormität mit erheblicher Beeinträchtigung psychischer Funktionen mit v.a. gestörtem Realitätsbezug, mangelnder Einsicht und Fähigkeit, üblicher sozialer Norm bzw. Lebensanforderungen zu genügen. Roche Lexikon Medizin oder = schwere psychische Krankheit Unterschiedlich benutzter Begriff, der am häufigsten solche psychischen Krankheiten bezeichnet, bei denen der Kranke in seinem Kontakt zur Realität erheblich gestört ist und in die sich ein Gesunder nur schwer einfühlen kann. Manchmal soll die Bezeichnung „Psychose“ (im Gegensatz zu Neurose) auf eine besondere Schwere einer seelischen Störung hinweisen. Pflege Heute 2. Was ist „Schizophrenie?“1 Griech. schizo: gespalten; phrein: Zwerchfell, Seele. Das Wort "schizophren" kommt aus dem Griechischen und heißt wörtlich übersetzt in etwa "Spaltung der Seele". Damit ist aber nicht die Spaltung des Menschen in zwei Persönlichkeiten gemeint, sondern die Tatsache, dass der schizophren erkrankte Mensch zwei Wirklichkeiten kennt. Man könnte sie als reale und private Wirklichkeit bezeichnen. Die "reale Wirklichkeit" ist diejenige, die dem normalen Verständnis u. Empfinden der Durchschnittsbevölkerung entspricht. Gleichzeitig erleben diese Menschen aber eine "zweite, private Wirklichkeit", sie erfahren Dinge, nehmen Sinneseindrücke wahr, die Gesunde nicht nachvollziehen können. Das Vorhandensein von zwei nebeneinander stehenden Wahrnehmungswelten wird also mit dem Begriff "schizophren" umschrieben. Der umgangssprachliche Begriff "verrückt" will ebenfalls andeuten, dass das Wahrnehmungsvermögen der Erkrankten "weggerückt", ver-rückt" gegenüber dem Empfinden der übrigen Menschen ist. 1 Aus „Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis“, 1994, S.3 März 2008, Senecura 4 Fuchs Christof Schizophrenie 3. Häufigkeit: Die Häufigkeit der schizophrenen Psychosen beträgt ca. 1% der Bevölkerung. Es gibt keinen Unterschied zwischen den verschiedenen Völkern und keine Zunahme in den letzten Jahrzehnten. 4. Mögliche Entstehungsfaktoren: Trotz weltweiter wissenschaftlicher Bemühungen gibt es bisher keine letztendlich befriedigende Erklärung über die Verursachung von Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis! Man spricht von einer "multifaktoriellen Genese", d.h. zahlreiche unterschiedliche Einflüsse sind von Bedeutung. Man geht davon aus, dass „der“ Mensch praktisch eine gewisse „Neigung, Disposition“ mit sich trägt. Diese wird auch als „spezifische Vulnerabilität od. Verletzlichkeit“ bezeichnet. Man könnte auch sagen, dass diese Menschen ein weniger stabiles Nervenkostüm besitzen. Dass sie „dünnhäutiger, verletzlicher“ sind, gegenüber bestimmten Einflüssen, Gegebenheiten. Siehe dazu das „3-Phasen-Modell“ von Luc Ciompi (1986). 4.1. Genetische Faktoren (erblich bedingt): Erkrankungsrisiko von Kindern, wenn ein Elternteil erkrankt ist beide Elternteile erkrankt sind Erkrankungsrisiko von Geschwistern, wenn ein eineiiger Zwilling erkrankt ist ein zweieiiger Zwilling erkrankt ist keine Zwillingsverwandtschaft besteht - 4.2. 10-15% 30-50% 25-50% 10-15% 06-10% Somatische Faktoren: (körperlich bedingte Veränderungen der Gehirnfunktion) - - Drogen - Vergiftungen, Entzündungen des Gehirns - schwere Epilepsien Hirnverletzungen Durchblutungsstörungen des Gehirns, Mangel- und Fehlernährung Gehirnschwund, z. B. Alzheimersche Krankheit Gehirntumoren Hormonstörungen, z. B. Schilddrüsenfunktionsstörungen Erweiterungen des Ventrikelsystems Störung des Dopamin-Neurotransmittersystems (Überproduktion) März 2008, Senecura 5 Fuchs Christof 4.3. Schizophrenie Psychosoziale Faktoren: (Die Familie u. das gesellschaftliche Umfeld betreffend.) - Unklare Verhältnisse jeder Art bei äußerlich intakten Familien, z. B. durch o Widersprüchliche Gefühlsäußerungen gegenüber dem Kind (Double bind Botschaften) o Verdeckt ablehnende Haltung, die verbunden sein kann mit äußerlicher Überfürsorglichkeit o Unerfüllbare, paradoxe Erwartungen an das Kind (z. B. Sei spontan!) o Unklare Rollenverteilung zwischen den Generationen in der Familie (z. B. nimmt die Vaterrolle nicht wahr, sondern benimmt sich wie ein Bruder) - „Chaotische“ Familienverhältnisse, die für das Kind schwer berechenbar sind; z. B. dauerhafte Vernachlässigung, fehlende od. häufig wechselnde Bezugspersonen All diesen Einflüssen gemeinsam ist, dass sie zu einer dauerhaften Verunsicherung des Kindes, Jugendlichen u. damit zu einer Beeinträchtigung der Identitätsentwicklung führen können. (Identität = Erleben der inneren Einheit der eigenen Person). 4.4. Verlaufstypen: Einteilung nach vorherrschender Symptomatik! • • • • Katatone S. Paranoid-halluzinatorische Zoenästhetische S. Residuen März 2008, Senecura 6 Fuchs Christof 4.5. Schizophrenie 3-Phasen-Modell der Schizophrenie (nach Ciompi 1982): Genetische Einflüsse 1 Phase Psychosoziale Einflüsse Konstitution Reagibilität (Reaktionsfähigkeit) Sensibilität familiärer Kommunikationsstil erworbene Assoziationsu. Bezugssysteme Coping-Mechanismen Prämorbide Vulnerabilität Störung der InformationsVerarbeitung 2 Phase Unspezifischer Stress („live events“) akute psychotische Dekompensation psychosoziale Einflüsse 3 Phase Remission März 2008, Senecura Schwerste Potentialeinbuße Chronische Residualzustände 7 Fuchs Christof Schizophrenie 5. Diagnostik: Die Diagnostik der Schizophrenie erfolgt nach unterschiedlichen Manualen und Lehrmeinungen. Die Gebräuchlichsten sind nach Kurt Schneider, Eugen Bleuler und der ICD 10. 6. Symptome: Die Beziehung des Patienten zum eigenen Ich2, zu anderen Personen oder zur Umwelt ist entzwei. Er ist nicht mehr sicher, wer er ist, ob er selbst Einfluss auf seine Gedanken und Gefühle und die Gestaltung seiner Zukunft hat, oder ob dies von außen beeinflusst oder gemacht wird. Der Pat. nimmt Dinge als zusammengehörig wahr, die nicht zusammengehören, oder er nimmt Dinge fragmentiert wahr, die zusammengehören. Er misst einzelnen Gegenständen oder Menschen unangemessene Bedeutung zu, fühlt sich bedroht, verfolgt. Er nimmt seinen Körper oder Teile davon als fremd und verändert wahr, er ist von weiteren Halluzinationen geplagt. Er kann in seinem Denken Wichtiges von Unwichtigem nicht mehr unterscheiden, Gedanken reißen ab, es entstehen Gedankensprünge, die der Zuhörer nicht mehr nachvollziehen kann. Häufig ist der Patient unruhig und getrieben. Mit Hilfe von Wahnbildung versucht der Patient, ihm Unverständliches und ihn Beängstigendes für sich in ein geordnetes System zu bringen, und isoliert sich damit in seiner eigenen Welt. Die Unsicherheit in sich selbst und in der Beziehung zu anderen führt zu dauernder Angst und Anspannung, möglicherweise zum Rückzug, bei gleichzeitig gesteigerten Wünschen an einzelne. Oft scheinen verbale Aussage und emotionaler Ausdruck nicht überein zu stimmen. Der Pat. wird durch seine ambivalenten Gefühle in seinen Entschlüssen blockiert, leidet darunter und wirkt nach außen hin apathisch. Es wird zwischen Plus- und Minus-Symptomen unterschieden. 6.1. Plus-Symptome: à Vor allem bei akuten Stadien schizophrener Erkrankungen! • Hinzukommende Symptome bei psychischen Störungen • formale Denkstörungen (Gedankengang /Zerfahrenheit, Perseveration, Neologismen, Gedankenabreißen, -kreisen....) • Inhaltliche Denkstörungen (Wahnerlebnisse, Wahnstimmung) • Erregung und Anspannung (Katatonie), • Halluzinationen – vor allem akustische / Stimmenhören • Ich-Störungen • Parathymie 6.2. Minus Symptome: à Typisch für chronische Stadien schizophrener Erkrankungen! • Wegfall früher vorhandener seelischer Eigenschaften. • Affektverflachung - verarmtes Gefühlslebens, innere Leere – oft quälend erlebt 2 Praktische Psychiatrische Pflege, 1996, S.219 März 2008, Senecura 8 Fuchs Christof • • • • • • • 6.3. Schizophrenie Niedergeschlagenheit Mut- und Hoffnungslosigkeit Minderwertigkeitsgefühle Antriebslosigkeit, fehlende Spontanität, Bewegungsarmut Rückzugsverhalten und Kontaktverarmung (Sozialer Rückzug) Willensschwäche Sprachverarmung Schizophrenie – Depression und Suizidalität: Während einer schizophrenen Störung kann es zum Auftreten von Depressionen kommen, besonders wenn die Betroffenen spüren, dass die Krankheit ihr Leben sehr verändert hat. Die Betroffenen können so verzweifelt sein, das sie keinen Ausweg mehr sehen. Etwa 10% aller Patienten sterben im Verlauf ihrer Erkrankung durch Selbsttötung. Depressives Verhalten und Selbstmordgedanken müssen sehr ernst genommen werden!!! 7. Untersuchungsmethoden: • • • • Psychiatrische Untersuchung Eigen-, Fremdanamnese Psychologische Testverfahren Zum Ausschluss einer organischen Ursache: körperliche Untersuchung, Labor, EEG, CCT, MRI, Liquorpunktion, EKG, Thorax Rö. 8. Behandlungsverfahren: • • • • Elektrokrampftherapie - EKT Medikamente Begleitende Therapien Pflege März 2008, Senecura 9 Fuchs Christof Schizophrenie 9. Elektrokrampftherapie – EKT: 9.1. Geschichte: Bereits im 16. Jahrhundert versuchte ein Jesuiten-Missionar in Äthiopien mit einem elektrisierenden Fisch „psychiatrische“ Fälle zu behandeln, um den Teufel auszutreiben. Die Italiener Cerletti und Bini versuchten 1938 erstmals mittels einer am Kopf des Patienten applizierten elektrischen Entladung einen generalisierten Krampfanfall auszulösen. Schon in der damaligen Zeit war diese Behandlungsart in der Öffentlichkeit wie auch unter Fachleuten umstritten, weil einerseits die Durchführung, damals noch ohne Narkose, den Eindruck einer bestimmten Gewaltanwendung am Patienten hinterließ, anderseits weil man über den eigentlichen Wirkungsmechanismus nichts wusste. Durch die Entwicklung der Psychopharmaka in den späten 50iger Jahren wurde die EKT vorerst aus dem psychiatrischen Behandlungsrepertoire verdrängt. Da aber ca. 20% der Patienten erfahrungsgemäß nicht auf Psychopharmaka ansprechen, erlangte die EKT erneut Bedeutung. 9.2. • • • 9.3. Indikation: Die endogene uni- und bipolar verlaufende Depression Die paranoid-halluzinatorische und katatone Schizophrenie Die Manie Wirkung, Häufigkeit der Anwendung: Bis 3 Sekunden lang fließt ein bi- od. monotemporal applizierter elektrischer Strom (600 mA). Dieser Stromfluss führt zu einem generalisierten Anfall, der sich wegen der Muskelentspannung nicht motorisch manifestiert. Die elektrischen und damit auch chemischen Übertragungen werden dadurch massiv verändert, wodurch das Gehirn sozusagen die Chance hat, wieder „neu“ anzufangen. Der Elektroschock wird zumeist 3x wöchentlich und insgesamt 10 – 12 x mal verabreicht. In sehr akuten Zuständen auch in Blockform (3 Behandlungen im Abstand von je 15 bis 20 Minuten), ferner werden gute Erfahrungen mit der „Erhaltungs-EKT“ gemacht. Experten sind sich heute darüber einig, dass nur ein generalisierter Krampfanfall, ausgelöst durch Stimulation thalamo-kortikaler Bahnen, therapeutisch wirkt. Neben dem Krampfanfall wirkt die EKT auch auf verschiedene Neurotransmittersysteme. Das therapeutische Optimum bei geringsten Nebenwirkungen wird erreicht, wenn die individuelle Krampfschwelle des Patienten um 50% – 100% überschritten wird. Auf Basis dieser Forschungsergebnisse wurden neue EKT-Geräte entwickelt, mit denen die individuelle Krampfschwelle bestimmt werden kann. Zudem wird während der Behandlung ein ZweiKanal-EEG abgeleitet: „die Qualität der Krampfes wird überprüft“!! März 2008, Senecura 10 Fuchs Christof Schizophrenie Ebenso wird die periphere Krampfdauer zur Validisierung der therapeutischen Effizienz bestimmt. Zu diesem Zweck wird dem narkotisierten Patienten eine Blutdruckmanschette am Sprunggelenk angelegt und damit vor Verabreichung der Muskelrelaxans eine Blutsperre induziert, sodass bei richtiger Wahl der elektrischen Ladung ein typischer Bewegungsablauf beobachtet werden kann. 9.4. Nebenwirkungen: Sind meist vorübergehende (allerdings oft Monate anhaltende) Gedächtnisstörungen! Früher relativ häufig Frakturen – heute auf Grund der Muskelrelaxation praktisch nicht mehr vohanden! 10. Medikamente:3 10.1. Definition Psychopharmaka und Neuroleptika: Psychopharmaka: è sind Medikamente, die über den Körper auf das Seelenleben wirken. Nämlich auf Stimmung, Wachheit, Antrieb, Vitalität, Denken u. Wahrnehmung. Neuroleptika: è sind Medikamente die auch antipsychotisch wirken; also beruhigen, sowie Halluzinationen zurückdrängen, Bewegungsstörungen auflösen, das Denken wieder ordnen oder Wahnideen auf Distanz bringen können. à machen „gleichgültig“ – Reize erzeugen keinen „Stress“ beim Pat. = Filterfunktion! (lt. OA Schneider!) • • • • Neuroleptika vorwiegend gegen Plussymptome Antidepressiva gegen Depressionen und bei Minussymptomatik Benzodiazepine gegen Angst, Schlafstörungen, Unruhezustände Antiparkinson-Mittel gegen unerwünschte Wirkungen von hochpotenten Neuroleptika 10.2. Allgemeines zur Handhabung von Psychopharmaka: Die Bereitschaft, verordnete Medikamente regelmäßig und in der richtigen Dosierung einzunehmen, ist häufig gering = geringe Compliance Dies liegt zum einen an der Grunderkrankung, lässt sich aber auch durch die nicht unerheblichen Nebenwirkungen erklären. Offenheit gegenüber dem Pat. und der korrekte Umgang mit den Medikamenten ist daher sehr wichtig. Zweifel, Fragen und Misstrauen des Pat. sollte die ausgebende Pflegekraft durch Fachkompetenz entgegen treten können. Ggf. an den Arzt weiterleiten. Medikamente nie ohne Wissen des Pat. verabreichen. Jede Medikamentengabe ohne Zustimmung des Pat. ist eine Körperverletzung! 3 Klinische Psychiatrie, 1998, S.86 März 2008, Senecura 11 Fuchs Christof Schizophrenie 10.3. Beobachten: Den Pat. beobachten, ob er die Medikamente vollständig genommen hat. Bei unzuverlässiger Einnahme der Medikamente: • • • • im Gespräch mit dem Pat. um Vertrauen werben, die Notwendigkeit der medikamentösen Therapie erläutern den Arzt bitten festzulegen, welche Medikamente der Pat. evtl. ablehnen kann und welche er unbedingt einnehmen muss offene Weigerung des Pat. die Medikamente nicht zu nehmen, sollte vom Team nicht „bestraft“ werden immer dokumentieren, welche Medikamente der Pat. wann abgelehnt hat Falls eine Einnahme der Medikamente zwingend notwendig ist und der Pat. weiterhin Medikamente ausspuckt od. sammelt, können folgende Verfahren die Einnahme sichern: • • • • • Tropfen lassen sich besser kontrollieren Tbl. evtl. auflösen oder zerkleinern (nicht mit allen möglich!) Pat. bei der Einnahme u. danach genau beobachten Pat. Mund öffnen lassen Nötigenfalls auf parenterale Gabe umstellen Diese Maßnahmen müssen natürlich mit dem Pat. besprochen werden. Die Gründe müssen transparent sein. 10.4. Psychopharmaka – Einteilung: • • • • • • Neuroleptika Antidepressiva Tranquilizer Phasenprophylaktika o Lithiumsalze o Carbamazepin u. andere Antikonvulsiva zur Phasenprophylaxe Nootropika Antiepileptika (Antikonvulsiva) 10.5. Neuroleptika (Antipsychotika): Genauere Informationen siehe Skriptum Affektive Störungen 10.6. Begleitende Therapien: • • • Entspannungsverfahren stutzende Psychotherapie Verhaltenstherapeutische Verfahren März 2008, Senecura 12 Fuchs Christof • • • • • • Schizophrenie Familientherapie Psychoedukative Verfahren sind für den Langzeitverlauf der Erkrankung enorm wichtig: Patientengerechte Information über die Erkrankung, erforderliche Behandlungsmaßnahmen. Prophylaktische seelische Unterstützung durch Gespräche und persönlichen Beistand Krankheitskonzept-Bildung mit Compliance-Förderung Hilfestellung, die Erlebnisse während der akuten Erkrankung zu verstehen Unterstützung in der längerfristigen Auseinandersetzung mit der Erkrankung. Soziotherapie Ergotherapie , Kunsttherapie Sporttherapie, Musik und Tanztherapie Physikotherapie 11. Pflege Allgemein: • • • • • • • • • • • • Wahn und Wahninhalte ernst nehmen, dem Patient bei akuter halluzinatorischer Wahrnehmung nicht die eigene Sichtweise aufzwingen. Nicht versuchen, dem Patient seinen Wahn auszureden im Gespräch vom Wahnthema weglenken. Andere Themen wie Hobbys, Sport und Spiele sind unverfänglicher. Haftet der Patient am Wahnthema oder will er häufig Streitgespräche über sein Wahnthema führen, sollen Patient und Personal ein Abkommen treffen, bei dem die Realität des Patienten vom Personal zunächst einmal akzeptiert wird. Man ist sich darüber einig, dass man sich in diesem Punkt nicht einig ist (Konsens im Dissens) bei exotischen Wahnthemen den Patient fragen, was für ihn hilfreich wäre. hat der Patient das Bedürfnis, über seinen Wahn zu sprechen, soll ihm zugehört werden. Im Gespräch aber nicht zum Weitererzählen animieren. den eigenen Standpunkt sachlich vertreten, den Wahn des Patienten nicht übernehmen, jedoch zunächst einmal akzeptieren: Bei Abklingen des Wahns merkt der Patient sonst, dass man „Theater“ gespielt hat, und man wird unglaubwürdig wird die Bezugsperson in das Wahnsystem des Patienten mit eingebunden: dokumentieren, Bezugsperson wechseln und dies mit Begründung dem Patienten mitteilen. viele Wahnthemen führen das Pflegepersonal dazu, in der Akutphase zu improvisieren: Ein Patient glaubt sein Essen sei vergiftet und will nichts mehr zu sich nehmen. Eine Flasche Sondenkost vor den Augen des Patienten geöffnet, könnte diesem vielleicht die Angst vor einer Vergiftung nehmen, Obst ist oft möglich Sprechen über das Erleben in der akuten Phase einer schizophrenen Psychose ist nicht grundsätzlich schlecht: Es muss in einem geschützten und professionellen Rahmen stattfinden (Psychoedukative Verfahren). Der offene Umgang mit dem Erleben in der akuten Phasen ist stellt eine Erleichterung für den Patienten dar. selbstzufriedene, in sich versunkene Patient in den Stationsablauf einbinden, z B Mithilfe bei Stationsarbeiten und anderen Therapieangeboten enthemmtes oder läppisch und albernes Verhalten des Patienten nicht durch ähnliches Verhalten der Pflegenden verstärken unangepasste, läppisch-distanzlose Patienten vor aggressionsbereiten Patienten abschirmen, z.B. Extraspaziergang, unterschiedliche Therapieangebote geben bei weitschweifigen und zerfahrenen Patienten im Gespräch Zeit und Thema vorgeben März 2008, Senecura 13 Fuchs Christof • • • • Schizophrenie von vielen Patienten bevorzugte abstrakte Themen wie Religion, Philosophie ausweichen. bei fehlenden Zielvorstellungen und Zukunftsperspektiven den Sozialdienst einbinden Der stets lächelnde und Faxen machende Patient kann eine Bereicherung für die Station sein, weil er depressiv verstimmte Patienten mitreißen kann Unterstützende bis übernehmende Pflege bei allen ATL´s ist meist die Basis des Aufbaus der Beziehung! 12. Spezielle Pflege: Richtet sich immer nach der vorherrschenden Symptomatik. „Die“ Pflege für / bei Schizophrenie gibt es nicht! Die große Schwierigkeit der Betreuung liegt darin, den Patienten weder zu unterfordern (Unterstimulation – Gefahr d. Verstärkung von Negativ Symptomen) noch zu überfordern. (Überstimulation – Gefahr d. Verstärkung von Positiv Symptomen) 12.1. Ratschläge für den Umgang mit Schizophrenen lt. Ciompi: “Alles was Gesunden gut tut, hilft auch Schizophrenen” Grundsätzlich gibt es keinen Unterschied! Wichtig sind Klarheit in der • Lebensführung • i.d. Beziehungen • i.d. Zielsetzungen Ordnung, Überschaubarkeit und Einfachheit und Strukturiertheit des Alltags Schizophrene sollen wissen und merken woran sie sind mit ihrem Partner. Es soll klar sein wer der Patient ist, und wer der Therapeut. Es sind nicht alle gleich! Alles was diesem grundsätzlichen Konflikt aus dem Weg geht ist therapeutisch schlecht. Allerdings ist es auch schlecht, den Konflikt immer und um jeden Preis zu wollen! Diese Vorsätze können am einfachsten mit der Soziotherapie, den Soziotherapeutischen Grundsätzen zusammengefasst werden. Ganz prinzipiell geht es darum, das aus dem Gleichgewicht geratene psychische und soziale Gleichgewicht der Patienten zu beeinflussen durch • ein stabilisierendes Milieu, das korrigierende Erfahrungen ermöglicht • die Mobilisierung der gesunden Kräfte (Ressourcen), der Patienten und ihrer Umgebung • gezielte Förderung von gesundem Handeln März 2008, Senecura 14 Fuchs Christof Schizophrenie Eine Klärung und Strukturierung des Handelns wirkt sich positiv (klärend, strukturierend) aus auf das Denken und Fühlen. Eine Strukturierung, Klärung und Positivierung der äußeren Verhältnisse wirkt sich ordnend, klärend und positivierend auf das Innenleben aus. Die folgenden 15 soziotherapeutischen Grundsätze können zu einer solchen Klärung und Strukturierung des Milieus entscheidend beitragen. März 2008, Senecura 15 Fuchs Christof Schizophrenie 12.2. Soziotherapeutische Grundsätze:4 Wir helfen den Patienten am wirkungsvollsten, wenn wir: 1 Für ein möglichst einfaches, übersichtliches und klares Setting sorgen. 2 Ein möglichst "normales" Alltagsleben anstreben. 3 Die Anzahl der Bezugspersonen möglichst tief halten und häufiges Wechseln vermeiden. 4 Dafür sorgen, dass alle Bezugspersonen und die Patienten am gleichen Strick ziehen und Vereinbarungen mittragen. 5 Die Patienten weniger als "arme Kranke" behandeln, sondern als Mitmenschen mit Rechten und Pflichten. 6 Weder alles für die Patienten tun / regeln, noch vorwiegend befehlen / anordnen, sondern möglichst viel aushandeln, abmachen. 7 Möglichst wenige Tätigkeiten ausführen, welche die Patienten auch alleine oder mit uns zusammen ausführen könnten. 8 Die Patienten weder über- noch unterfordern; bei Fortschritten, Anforderungen, Verantwortung und Vergünstigungen anpassen. 9 Klar und eindeutig kommunizieren, damit die Patienten wissen, was wir meinen und wollen und was wir von ihnen erwarten. 10 Mit den Patienten eher über konkrete Probleme des Alltags reden, als über komplizierte Beziehungsprobleme und Konflikte. 11 Kontakte zur Außenwelt ermöglichen und fördern. 12 Die Patienten motivieren, sich gegenseitig zu unterstützen. 13 Den Patienten durch unser Reden und Handeln signalisieren, dass wir ihnen etwas zutrauen und ihnen möglichst viele positive Rückmeldungen geben. 14 Den Patienten vermitteln, dass Probieren oft über Studieren geht. 15 Die Patienten bei dem unterstützen, was sie für sich selber tun. (Paul/Lentz, 1977; Ciompi, 1982) 12.3. Prinzipien der Soziotherapie:5 Grundprinzip Begründung Normalität Soziotherapeutische Zielsetzungen orientieren sich an dem, was allgemein als „normal“ aufgefasst wird. Hier u. Jetzt Lebensbewältigung findet in der Gegenwart u. nicht in der Vergangenheit oder in der Zukunft statt. Die kurative Kraft Personen können sich wechselseitig helfen und zum Wachstum anregen. der Gruppe Autonomie Selbstständigkeit u. Selbstbestimmung von Menschen im Alltagsleben ist erstrebenswert. Gruppennormen Im Zusammenleben habe die Gruppennormen Vorrang vor individuellen Normen. Das Interpersonelle Interaktion zwischen Menschen dient als Übungsfeld für den Erwerb von sozialen Kompetenzen. Ressourcen Kranke od. Behinderte haben gesunde Anteile, bei denen man ansetzen kann. Realitätsbezug Vorstellungen von der Realität werden von sozialen Gruppen entwickelt u. umgesetzt. 4 5 Lehrbuch Psychiatrische Pflege, 2004, S.630; Lehrbuch Psychiatrische Pflege, 2004, S.629; März 2008, Senecura 16 Fuchs Christof Schizophrenie 12.4. Keine Konfrontation Wahn – Realität:6 Wahn u. Zwang kann für den an Abgrenzungsschwäche leidenden Schizophrenen die Funktion haben, die unbeständigen inneren und äußeren Grenzen der Person durch solche „künstliche“, aber stabile Strukturen zu ersetzen. Wird versucht, einen solchen Wahn von außen, durch Widerlegung, Gegenargumente oder sonstige „Überzeugungsarbeit“ (=Frontalangriff auf seinen Wahn) zu bekämpfen, so wird dieses Vorgehen für den Patienten vor allem die Drohung beinhalten, seiner unerträglichen inneren Brüchigkeit wieder schutzlos ausgeliefert zu sein. Statt Vertrauen zu seinen Therapeuten wird der Patient daher mit Angst und Abwehr reagieren, weil er den Angriff auf seinen, ihm unverzichtbaren „Schutzschild“ (Krücke) als Angriff auf seine Person werten muss. Er kann darauf mit Rückzug (sicher vor Angriffen) regieren, oder seinen Wahn stärken, in dem er sich auf die Konfrontation einlässt und seinerseits Beweise sucht (u. findet) die seinen Wahn/Zwang verstärken. Dass dies keine für den „Gesunden“ Menschen nachvollziehbaren Beweise sein müssen versteht sich von selbst. Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass diejenigen Menschen, die gegen seien Wahn ankämpfen, in passender Weise in seinen Wahn einbezogen werden. Der Wahn wird aufrechterhalten und bestärkt. Es gilt aber auch sehr genau darauf zu achten den Wahn nicht zu verstärken od. zu festigen, weil sich die Mitarbeiter auf den Wahninhalt einlassen, indem sie sich dem Wahn gemäß verhalten. Wie können Persönlichkeitsanteile des Patienten erreicht und gestärkt werden, die durch den Wahn nicht vereinnahmt sind? Die sinnvollste Methode scheint das „gemeinsame praktische Tun“ zu sein! Gemeinsames praktisches Tun hat im Umgang mit Wahnkranken (und nicht nur mit diesen) den entscheidenden Vorteil, dass sich in einem auf Handlung und Realität bezogenen Rahmen die therapeutische Beziehung zum Patienten auch in solchen schwierigen Situationen aufrechterhalten und verbessern lässt. Darüber hinaus wird dabei vor allem der gesunde Anteil des Patienten angesprochen und gefördert, so dass er wachsen kann. Durch die sich daraus ergebende Ich-Stabilisierung kann ein solches Wachsen der „gesunden Anteile“ , zusätzlich zur medikamentösen Behandlung, wesentlich dazu beitragen, dass für diese der Wahn entbehrlich wird. 6 Der Pflegeprozess in der Psychiatrie, 1997, S.107 März 2008, Senecura 17 Fuchs Christof Schizophrenie 12.5. Beziehungsgestaltung zu halluzinierenden Patienten:7 Wichtig ist es herauszufinden, ob die Stimmen lediglich mit dem Pat. reden bzw. sein Handeln kommentieren, oder ob er von den Stimmen auch Befehle (imperative Stimmen!) bekommt. Bei imperativen, also befehlenden Stimmen ist höchste Vorsicht geboten. Viele Pat. sind nämlich nicht in der Lage, sich diesen Befehlen zu wiedersetzen. Das kann zur Folge haben dass diese Patienten dann „Fehlhandlungen“ begehen, aus denen schwerer Schaden entstehen kann. Ich muss also feststellen inwieweit der Pat. selbst (Suizidalität!!) und seine Umwelt vor ihm geschützt werden muss. Es ist zunächst davon auszugehen, dass diese Patienten unter einer erheblichen Angst leiden, auch wenn sie diese nicht immer nach außen zeigen. Es wäre also verhängnisvoll, diese Angst durch Belastung noch zu verstärken. Es gilt „Ruhe zu bewahren“, also für ein ruhiges Milieu sorgen. Die Pat. vor äußeren Belastungen abschirmen, ihnen die Möglichkeit zu geben sich zurückziehen zu können. (auch ins Bett). Ebenso ist zu große soziale Nähe unbedingt zu vermeiden. Gespräche sollten eher kurz gehalten werden und sich um „unverfängliche“ Themen drehen. Ist der Pat. bereit über sein inneres Erleben zu sprechen ist es wichtig, nicht forschend in den Pat. einzudringen, um möglichst auch noch das letzte Detail dessen zu erfahren, was die Stimmen ihm sagen. Wichtiger ist es deutlich zu machen, dass die Mitarbeiter solche Phänomene kennen, und weder Angst davor haben, noch diese als etwas „ganz Schlimmes“ ansehen. Nur dann wird der Pat. wieder Mut dazu finden, einigermaßen angstfrei darüber zu reden, was ihm helfen kann, zwischen seinen Halluzinationen, und seinem „gesunden Innenleben“ zu unterscheiden, also eine Grenze ziehen zu lernen. Ablauf der Wiederabgrenzung: Pat. sind praktisch völlig in der Psychose gefangen – praktisch keine adäquate Kommunikation möglich Halluzinationen werden als Ich-fremd erlebt - ist ihnen jedoch weiterhin ausgesetzt – können sich nicht wiedersetzen, erkennen sie jedoch als nicht von ihnen gewollt Stimmen werden zwar gehört – jedoch als Einmischung erlebt – können klar von ihrem „ich“ ausgegrenzt werden Stimmen verschwinden ganz – werden entmachtet – ist jedoch nicht immer auf Dauer möglich Rückfälle sind die „Regel“. Es ist daher sinnvoll, die Pat. von vornherein auf einen solchen Heilungsverlauf hinzuweisen. 7 Der Pflegeprozess in der Psychiatrie, 1997, S.114 März 2008, Senecura 18 Fuchs Christof Schizophrenie Auch die Methode des „praktischen Tuns“ ist hier anzuwenden. Hier gilt es jedoch zu beachten, dass die Leistungsfähigkeit dieser Menschen zum Teil doch erheblich herabgesetzt ist. Grund ist das ständige „Dazwischenfunken“ der Halluzinationen. Also möglichst wenig „leistungsorientiertes“ Handeln verlangen od. erwarten. Immer wieder darauf hinweisen dass durch Halluzinationen geminderte Aufmerksamkeitsleistungen „keine Schande“ sind. 12.6. Beziehungsgestaltung bei schizophrenen Patienten die „Spalten“:8 Schizophrene, zumindest in akuten Krisen, neigen teilweise zu einer Art „Schwarz-WeißMalerei“, das heißt ihre soziale Umwelt in gute u. böse Menschen spalten. Sie können nicht berücksichtigen, dass Menschen beide Teile in sich haben. Die jeweilige „Einordnung“ ändert sich häufig nach der gerade aktuellen Situation. Das heißt einmal sind die einen u. dann wieder die anderen die Guten od. die Bösen. Vorsicht ist geboten was im Team passiert. Es kann für manche Mitarbeiter leicht der Eindruck entstehen, sie könnten tatsächlich besser mit dem Pat. umgehen als die anderen. Man muss sich also nicht nur die Frage stellen: „Was machen wir mit dem Patienten?“ sondern auch „Was macht der Patient mit uns?“. Vermeiden sollte man in eine „Beziehungsfalle“ zu tappen. Die „Guten“ freuen sich, und sind zu dem Pat. nett u. freundlich, die „Bösen“ wehren sich, und lassen den Pat. spüren, dass er so nicht mit ihnen umgehen soll. Schon wandelt sich die Welt für den Pat. in genau diese, die er schon „vorangekündigt“ hat = sich selbst erfüllende Prophezeiung?! Man muss sich also bewusst sein, dass die Spaltung von der Krankheit des Pat. ausgeht. Man sollte sich so wenig wie möglich von diesen „Wechselbädern“ i. d. Beziehungsgestaltung beeindrucken lassen. Der Pat. soll die Möglichkeit erhalten, alle Mitarbeiter als „sowohl gut, wie böse“ zu erleben. 12.7. Beziehungsgestaltung bei Denkzerfahrenheit: Kommt in abgeschwächter Form als „gelockerter Gedankengang“ und/oder „mangelnde Leitbarkeit des Denkens“ vor. In der Praxis stellt sich dies als zum Teil massives sprachliches Verständigungsproblem dar. Es ist also wichtig, zuerst einmal die Aussagen des Pat. zu verstehen. Das heißt aus dem sprachlichen Durcheinander von Innenwelt u. Außenwelt des Pat. den wirklichkeitsbezogenen Anteil herauszufiltern. Auf diesen kann dann erst Antwort gegeben werden. Auch Denkstörungen werden unter Belastung normal schlimmer. Viele Pat. bemerken selbst ihre Störungen und reagieren darauf mit Angst (Wut - Aggression) od. Rückzug aus der Gesprächssituation. Es gilt also eine angstfreie Atmosphäre zu erzeugen, geduldig zu sein (Kommunikation ist verlangsamt, Wesentliches kann nicht von Unwesentlichem getrennt werden.....), und für eine Gesprächsumgebung zu sorgen, die wenig äußere Ablenkung zulässt. 8 Der Pflegeprozess in der Psychiatrie, 1997, S.117 März 2008, Senecura 19 Fuchs Christof Schizophrenie 12.8. Spezielle pflegerische Probleme und Maßnahmen:9 Der Patient leidet darunter, dass die Umgebung ihn nicht mehr versteht. • • • Wir erkennen, auf welcher Ebene der Patient (noch) nicht erreichbar ist und bieten ihm auf dieser Ebene unsere Beziehung an. Wir finden durch geschicktes Fragen heraus, wo der Patient zu sich und seiner Umgebung noch beziehungsfähig ist und wo er den Bezug verloren hat. Wir spiegeln ihm unsere Wahrnehmungen und ermutigen ihn dazu, diese zu korrigieren. Wir teilen dem Patient mit, was wir verstanden haben und was nicht. Wir schaffen ein Milieu, indem der Patient erkennen kann, dass er angenommen wird, auch wenn er sich nicht ganz verständlich machen kann. Wir bemühen uns darum, dass trotz der vorhandenen Verständigungsschwierigkeiten der Kontakt zu den Angehörigen nicht abreißt. Der Patient hat Angst, dass er fremdgesteuert ist. • • • Wir erkennen, wenn der Patient wegen seiner Angst unter Hochspannung gerät und handeln entsprechend. Wir finden mit dem Patienten heraus, in welcher Umgebung er weniger Angst hat, wie viel Distanz er braucht und welches Ausmaß an Nähe er zulassen kann. Wir vermitteln dem Patienten, dass seine Wünsche nach Nähe und Distanz respektiert werden. Wir erklären den Angehörigen, warum der Patient in Ruhe gelassen werden möchte. Der Patient ist wegen seiner veränderten Wahrnehmung räumlich und / oder zwischenmenschlich orientierungslos und hat Angst. • • • Die Angehörigen oder wir begleiten den Patienten nach draußen und ersetzen ihm die Orientierung. Wir teilen dem Patienten unsere Wahrnehmungen mit und stellen damit unsere Realität neben seine. Wir suchen mit ihm nach Tätigkeiten, bei denen er Realitätsbezug findet, und führen sie mit ihm durch. Wir ermutigen den Patienten, bei sich selber zu suchen, wie er bisher mit seiner Angst fertiggeworden ist und was davon er jetzt anwenden kann. Bei jeder Gelegenheit geben wir Orientierungshilfen. Der Patient ist unruhig und getrieben. • • • 9 Wir unterscheiden, ob die Unruhe krankheits- oder medikamentenbedingt ist und handeln entsprechend. Wir sorgen dafür, dass der Patient sich genügend bewegen kann. Wir berücksichtigen seine Unruhe bei der Zimmerverteilung, damit er seine Mitpatienten möglichst wenig stört. Wir klären den Patient über die Ursache seiner Unruhe auf. Praktische Psychiatrische Pflege, 1996, S.220 März 2008, Senecura 20 Fuchs Christof Schizophrenie Der Patient vernachlässigt seine äußere Erscheinung, weil er seinen Körper oder Teile davon als fremd wahrnimmt. • • • Wir ergänzen seine Wahrnehmung durch unsere Beobachtungen und fordern ihn direktiv dazu auf, sich z.B. zu baden oder die Kleidung zu wechseln. Wir erkennen, wenn er wegen seiner fehlenden Körperwahrnehmung im Begriff ist, sich körperlich zu schädigen, z. B. wenn er wegen Druckstellen nur noch schlecht gehen kann, und handeln entsprechend. Wir finden mit dem Patienten heraus, welche Funktion störender Körpergeruch für ihn hat, z.B. wen er sich damit vom Hals halten will oder ob er sich damit selbst besser wahrnimmt. Wir versuchen, mit ihm an seinen früheren Gewohnheiten bei Körperpflege und Kleidung anzuknüpfen und sie wieder einzuüben. Dabei achten wir darauf, dass der Patient sich Regelmäßigkeit angewöhnt. Wir nutzen alle Aktivitäten bei denn er seien Körper spürt, z. B. Gymnastik, Schwimmen... Wir geben dem Patienten Rückmeldung, wenn er ungepflegt aussieht. Wir regen ihn dazu an, sich zu überlegen, in welcher Kleidung er sich wohlfühlt, welche zu seinem Selbstbild passt und welcher er sich leisten kann. Wir überlegen mit dem Patienten, welche sozialen Folgen seine äußere Erscheinung für ihn hat. Wir beraten ihn bei Hilfsmitteln zur Körper- und Wäschepflege. Der Patient ist handlungsunfähig, weil seine Ambivalenz ihn blockiert. • • • Falls notwendig, entscheiden und handeln wir für den Patient Wir versuchen, mit dem Patienten den Hintergrund seiner Ambivalenz zu erarbeiten und seine Möglichkeiten, wie er damit umgehen kann. Wir probieren bei kleinen anstehenden Entscheidungen aus, ob er wieder Verantwortung übernehmen kann. Wir muten ihm Entscheidungen zu, die er alleine treffen kann. Wir schaffen ein Klima, in dem sich der Patient seien Ambivalenz zugestehen kann, solange er keine andere Möglichkeit sieht. Wenn er es schafft, in kleinen Ansätzen Verantwortung wieder zu übernehmen, bestärken wir ihn. Der Patient zieht sich zurück, weil er sich auf seinen Wahn konzentriert, den andere nicht teilen. • • • Wir lassen den vollständigen Rückzug des Patienten nicht zu und gehen immer wieder auf ihn zu. Wir vermitteln, dass wir von ihm erwarten, dass er trotz Wahn seine alltäglichen Pflichten nachkommt. Wir achten darauf, dass er die Balance zwischen allein sein und Gesellschaft hält. Wir fordern den Patient auf, sich an Aktivitäten zu beteiligen, bei denen er sich auf etwas anderes konzentrieren muss. Wir wissen, dass wir geduldig warten müssen, bis der Patient seinen Wahn nicht mehr braucht und er ihm nicht auszureden ist. Wir informieren uns beim Patienten und seinen Angehörigen, wofür er sich interessiert und setzen dies gezielt zur Ablenkung ein. Wir bieten dem Patienten nur selten die Gelegenheit, seine Wahninhalte zu wiederholen und vermitteln ihm, dass die Bewältigung seines Alltags vordringlich ist. März 2008, Senecura 21 Fuchs Christof Schizophrenie Der Patient nimmt mit der Umwelt keinen Kontakt auf, zeigt keine Eigenaktivität mehr, sitzt stumm u. teilnahmslos herum. • • • • • • Schizophrene Katatonie – Stupor – Raptus!10 Pat. sind bei klarem Bewusstsein – hören u. verstehen was i. d. Umgebung gesprochen wird. Übernahme der Flüssigkeits- u. Nahrungszufuhr, sowie Ausscheidung, Waschen u. Kleiden! Vorsicht!! Nie alleine pflegen! Es kann zu überfallsartigen Raptuszuständen kommen! Pat. kämpfen dabei mit enormen Kräften, weil sie eine furchtbare Bedrohung auf sich zukommen sehen! Leitsatz ist das gemeinsame Vergegenwärtigen des Krankheitsbildes Keine gefährlichen Gegenstände wie Glasflaschen, Glasaschenbecher, Scheren in Reichweite des Patienten Katatonie: Psychisches Krankheitsbild mit ausgeprägter Störung der Willkürmotorik – entweder im Sinne einer Bewegungsstarre (katatoner Stupor) od. als katatoner Erregungszustand (Raptus). Große Gefahr ist das plötzliche Wechsel vom katatonen Stupor in den akuten Erregungszustand (Raptus). Katalepsie: Starres beibehalten unnatürlicher Haltung, in denen die Kranken lange verweilen. Pat. halten die ihnen passiv vorgegebenen Gliedmaßenstellung über lange Zeit, als ob ihre Gliedmaßen aus Wachs wären. Stupor: Krankheitszustand mit Fehlen jeglicher körperlicher u. jeglicher geistiger Aktivität bei wachem Bewusstsein als Folge von Antriebsverlust. Der Pat. zeigt kaum od. keine mimische Bewegungen, er ist auch fast immer stumm (mutistisch). Man unterscheidet schizophrenen, depressiven u. psychogenen Stupor. Negativismus: anscheinend unmotivierter Widerstand gegenüber allen Aufforderungen oder Versuchen, bewegt zu werden, oder Bewegung in die entgegengesetzte Richtung Der Patient ist im Kontakt mit anderen Menschen unsicher und deshalb angespannt und ängstlich. • • 10 Ich nehme wahr, wenn der Patient sich in meiner Anwesenheit unbehaglich fühlt und spreche dies aus. Dasselbe gilt, wenn ich mich in seiner Anwesenheit unwohl fühle. Ich versuche, mit dem Patienten unsere unterschiedlichen Rollen zu klären. Wir finden mit dem Patienten heraus, in welchen Situationen er sich besonders, in welchen er sich weniger unwohl fühlt. Auf diesem Hintergrund üben wir Kontaktverhalten mit ihm ein und ermutigen ihn, Neues auszuprobieren. Wir schaffen Strukturen, in denen der Patient mit andern Menschen Beziehungen klären kann. Allgemeine Psychopathologie (Scharfetter), 1985, S. 221 März 2008, Senecura 22 Fuchs Christof • Schizophrenie Wir informieren uns bei den Angehörigen und beim Patienten über sein früheres Kontaktverhalten. Im Team finden wir heraus, in welchen Situationen der Patient entspannt ist. Wir spiegeln ihm seine unterschiedlichen Verhaltensweisen. Der Patient ist misstrauisch und leicht irritierbar, weil er Außenreize häufig missdeutet oder falsch versteht. • • • Wir wissen, dass ein Patient mit einer Schizophrenie eine erhöhte Verletzlichkeit und kognitive Störungen hat. Wir richten unsere Kommunikationsverhalten danach und konzentrieren uns im Kontakt mit dem Patienten vollständig darauf, was zwischen uns abläuft. Wir vermeiden im Umgang mit dem Patienten Anspielungen, Zweideutigkeiten und Ironie. Wir fragen ihn danach, was er unter unseren verbalen und averbalen Äußerungen verstanden hat und korrigieren dies bei Bedarf. Wir ermutigen den Patient dazu, nachzufragen, wenn er nicht weiß, ob er etwas richtig verstanden hat und stellen die dazu notwendige Atmosphäre her. Wenn wir merken, dass wir aneinander vorbeireden, sprechen wir dies sofort an und bieten ihm damit ein Vorbild an. Der Patient leidet unter den Nebenwirkungen der Neuroleptika. • • • Wir wissen über die Nebenwirkungen der verschiedenen NL, ihrer Erscheinungsformen und darüber, was dagegen unternommen werden kann, genau Bescheid. Wir erkennen frühzeitig, wenn beim Patienten Nebenwirkungen auftreten, und handeln entsprechend. Wir sprechen den Patient auf seine Nebenwirkungen an und fordern ihn auf, die entsprechenden Hilfsmittel einzusetzen. Wir nehmen sein Leiden ernst und suchen im Team nach Alternativen. Wir unterstützen ihn im Einzelfall, die Medikation zu verändern. Wir klären den Patient über die möglichen Nebenwirkungen seiner Medikation auf und darüber, was er dagegen tun kann. Einen erfahrenen Patienten fragen wir danach, mit welchen Medikamenten er gut zurechtkommt. Der Patient ist suizidal. • • • Pflegehandlungen wie im Kapitel Suizid beschrieben! Wir wissen dass sich ca. 10% aller Patienten im Verlauf ihrer Erkrankung das Leben nehmen! Vor allem auf imperative Stimmen und Depressionen achten! März 2008, Senecura 23 Fuchs Christof Schizophrenie · März 2008, Senecura 24 Fuchs Christof Schizophrenie 13. Literaturverzeichnis: • Ciompi, L. (2001). Wie wirkt Soteria? Eine atypische Psychosebehandlung kritisch durchleuchtet. Bern: Verlag Hans Huber. • Kipp, J., Unger, H. P., Wehmeier, P.(1996). Beziehung u. Psychose. Stuttgart: Thieme Verlag. • Sauter, D., Richter, D. (1999). Experten für den Alltag. Bonn: Psychiatrie-Verlag. • Schädle-Deininger, H.,Villinger, U. (1996). Praktische Psychiatrische Pflege. Arbeitshilfen für den Alltag. Bonn: Psychiatrie-Verlag. • Kistner Walter (1997). Der Pflegeprozess in der Psychiatrie. Stuttgart: Gustav Fischer Verlag. • Thiel, H., Jensen, M. (1997). Klinikleitfaden Psychiatrische Pflege. Stuttgart: Gustav Fischer Verlag. • Lenz, Küfferle (1998). Klinische Psychiatrie. Grundlagen, Krankheitslehre u. spezifische Therapiestrategien. Wien: Facultas Verlag. • Dörner, Plog (2000). Irren ist Menschlich. Lehrbuch der Psychiatrie u. Psychotherapie. Bonn: Psychiatrie Verlag. März 2008, Senecura 25