Depression Was ist eine Depression? Klinische Depressionen sind vorübergehende oder chronische affektive Störungen, die mit einem Gefühl der Traurigkeit, Einsamkeit und Verzweiflung sowie mit einem geringen Selbstwertgefühl und Selbstvorwürfen einhergehen. Weitere häufige Symptome sind Antriebslosigkeit und Schlafstörungen, seltener Unruhe, der Rückzug vom Kontakt mit anderen Menschen und Appetitlosigkeit. Eine mildere Form der Depression ist die mindestens zwei Jahre oder auch länger anhaltende Dysthymie. Bei bipolaren Störungen (früher als manische Depressionen bezeichnet) kommt es zu starken Stimmungsschwankungen zwischen rastloser Unruhe und tiefer Verzweiflung. Während es bei schweren Depressionen gewisse Anzeichen für eine genetische Veranlagung gibt, ist dies bei leichteren Formen vermutlich nicht der Fall. In manchen Fällen können Erlebnisse in der Kindheit eine Rolle spielen, insbesondere Vernachlässigung durch die Eltern und körperlicher sowie sexueller Missbrauch. Zudem gibt es eine klare Häufung in Abhängigkeit von Geschlecht und sozialer Situation: Depressionen sind häufiger bei Frauen sowie bei Personen, die arbeitslos sind, getrennt leben, geschieden oder verwitwet sind. Depressionen dürfen jedoch nicht verwechselt werden mit alltäglichen Verstimmungen, wie sie jeder kennt, wenn er einmal ‘niedergeschlagen’ ist oder ‘die Nase voll’ hat. Die Depression ist eine affektive Störung, die mit einem Gefühl der Traurigkeit, Einsamkeit und Verzweiflung einhergeht. Sie kann bei bis zu 80% der Patienten mit antidepressiven Medikamenten behandelt werden. Das Ziel der heutigen Forschung ist, Medikamente zu entwickeln, die noch gezielter auf die betroffenen Gehirnfunktionen wirken. Pharmaunternehmen arbeiten an dieser Aufgabe, um Millionen von depressiven Menschen ein besseres Leben zu ermöglichen. Wer ist von Depressionen betroffen? Depressionen treten in allen Altersschichten auf, sind jedoch zwischen 25 und 44 Jahren am häufigsten. Schwere Depressionen gehen mit einem hohen Selbstmordrisiko M E D I K A M E N T E F Ü R M E N S C H E N 1/4 3 Medikamente mit Serotonin-ähnlicher Wirkung (Agonisten) 2 Medikamente, die die Wiederaufnahme von Serotonin hemmen Serotonin Abbau 1 Medikamente, die den Abbau von Serotonin hemmen Ms S1R 6 Medikamente mit kombiniertem Bindungs verhaltenan unterschiedliche Rezeptor-Subtypen (teilweise agonistisch/ teilweise antagonistisch) S2R S Synaptischer Spalt Serotonin Wiederaufnahmepumpe S S Richtung des Nervensignals NA NA NA1R NA Wiederauf nahmepumpe NA2R MNA 4 5 Medikamente, die die Wiederaufnahme von Noradrenalin hemmen Medikamente mit Nordadrenalinähnlicher Wirkung (Agonisten) ABBILDUNG 1: Wirkungsweisen der üblichen Antidepressiva an den Synapsen im Gehirn Anmerkung: Die Freisetzung von Serotonin (S) und Noradrenalin (NA) sowie deren Rezeptoren sind an ein und derselben Synapse dargestellt, obwohl sie normalerweise zu verschiedenen Nervenzellen gehören. einher und sind nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs die dritthäufigste Ursache für einen frühen Tod. Von den 30.000 Männern, die jedes Jahr in der EU durch Suizid sterben, sind 70 Prozent zum Zeitpunkt des Todes depressiv. Depressionen sind die häufigste Ursache für Einweisungen in die Psychiatrie. M E D I K A M E N T E F Ü R M E N S C H E N Die Weltgesundheitserhebung 2007 der Weltgesundheitsorganisation (WHO World Health Survey) hat Daten über die Häufigkeit von Depressionen bei Erwachsenen über 18 Jahren erhoben. Die Erhebung umfasste etwa 245.000 Teilnehmer aus 60 Ländern in allen Regionen der Welt. Die Einjahresprävalenz für eine depressive Episode betrug insgesamt 3,2 Prozent. Schätzungen zufolge gibt es in der EU ungefähr 23 Millionen Menschen mit ärztlich diagnostizierter Depression. Man geht jedoch davon aus, dass drei Viertel aller Fälle unerkannt und unbehandelt bleiben. Die europaweite Studie DEPRES, in der die Daten von fast 79.000 Menschen in sechs europäischen Ländern analysiert wurden, ergab, dass nur 18 Prozent der Patienten mit schwerer Depression mit antidepressiven Medikamenten behandelt wurden. 2/4 Aktuelle Therapie Die Behandlung erfolgt in der Regel mit Antidepressiva und wird gegebenenfalls durch psychiatrische Analyse und Betreuung wie etwa kognitive Verhaltenstherapie und Teilnahme an Selbsthilfegruppen begleitet. Die derzeit verfügbaren Antidepressiva haben verschiedene Wirkungsmechanismen im Gehirn, an denen überwiegend biochemische Botenstoffe, sogenannte Neurotransmitter, vor allem Serotonin (S) und Noradrenalin (NA), beteiligt sind. Das Spektrum der verfügbaren Medikamente umfasst: • • • • Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) Selektive Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (NARI) Monoaminooxidase-Hemmer (MAOI). Ältere Präparate sind die trizyklischen Antidepressiva (TCA) und Lithiumsalze. Als sie vor 50 Jahren entdeckt wurden, waren die TCA ein bedeutender Fortschritt. Mit ihnen können die Symptome einer Depression wirksam behandelt werden, leider haben sie jedoch alle ein relativ breites Spektrum an Nebenwirkungen, wie Mundtrockenheit, Schwindel, Obstipation, Schweißausbrüche und Müdigkeit. Für Patienten, deren Motivation ohnehin bereits gering ist, ist dies nicht gerade ermutigend. Zudem tritt die Wirkung langsam ein, sodass es drei Wochen oder länger dauern kann, bis sich eine Besserung bemerkbar macht. Ungefähr 70 Prozent aller Menschen mit Depressionen sprechen auf diese Medikamente an. Besser verträglich sind die selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI). Aufgrund ihres günstigeren Nebenwirkungsprofils im Vergleich zu den trizyklischen Antidepressiva sind die Patienten eher bereit, die Behandlung fortzusetzen. Allerdings können auch die SSRI Nebenwirkungen hervorrufen, vor allem Übelkeit, Kopfschmerzen und Tremor, die so schwer sein können, dass einige Patienten die Behandlung abbrechen. Der Hauptwirkungsmechanismus von dualen Wiederaufnahmehemmern (SNRI) ist die gleichzeitige Hemmung der Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin, ohne dadurch die Wiederaufnahme von Dopamin zu beeinflussen oder auf postsynaptische Rezeptoren einzuwirken. Man geht davon aus, dass die klinische Wirksamkeit und Verträglichkeit dieser Antidepressiva auf diese gezielte Wirkungsweise zurückzuführen ist. Eine weitere neue Gruppe von Antidepressiva sind die spezifischen NoradrenalinWiederaufnahmehemmer (NARI). Neue Wege in der Entwicklung Auf dem Gebiet der Antidepressiva wird weiterhin sehr aktiv geforscht. Denn es besteht nach wie vor Bedarf an besseren Medikamenten zur Behandlung der Depression, insbesondere in schwereren Fällen. Bis zu 30 Prozent der Patienten mit schweren depressiven Störungen sprechen nicht ausreichend auf die derzeit verfügbaren Medikamente an, vor allem wenn psychotische Symptome vorliegen. Da die Neurotransmittersysteme, an denen Antidepressiva ansetzen, im Gehirn weit verbreitet sind, können bei Depressionen auch Substanzen Anwendung finden, die für andere Störungen des Zentralnervensystems wie etwa Angststörungen, Schizophrenie oder Parkinson bereits zugelassen sind oder entwickelt werden. Unter den konventionelleren Antidepressiva wird ein hoch selektiver 5HT1A-Rezeptor-Inhibitor in der späten Phase der klinischen Entwicklung geprüft. Von einer weiteren Substanz, die am 5HT1A-Rezeptor ansetzt, wenn auch nicht als Antagonist (Inhibitor), sondern als Agonist (Stimulans), verspricht man sich gleichzeitig eine anxiolytische (angstlösende) und antidepressive Wirkung. F Ü R M E N S C H E N Ein weiterer Ansatz ist die Entwicklung von Antagonisten für Neurokinin-1 (NK 1), den Rezeptor für den als ‘Substanz P’ bekannten Peptid-Neurotransmitter, der beim Schmerzempfinden und der Stimmungsregulierung eine Rolle spielt. Viele dieser Substanzen haben keine klinischen Wirkungen gezeigt, doch einige Moleküle werden M E D I K A M E N T E Einige weitere Substanzen mit kombinierter Wirkung sind in Phase 3 der klinischen Prüfung. Eine dieser Substanzen ist ein SSRI, der gleichzeitig 5HT2A-Rezeptoren hemmt und die adrenerge Übertragung verstärkt. Ein weiteres Molekül ist ein 5‑HT1ARezeptor-Stimulator, der gleichzeitig als Antagonist an 5-HT2A-Rezeptoren wirkt und von dem man aufgrund dieser kombinierten Eigenschaften eine rasche antidepressive Wirkung erwartet. Auch Dreifach-Wiederaufnahmehemmer, die gleichzeitig auf Serotonin, Noradrenalin und Dopamin einwirken, werden geprüft. In Forschungsprojekten wird versucht, die beiden antidepressiven Mechanismen der Noradrenalin- und der Serotonin-Wiederaufnahmehemmung mit einer Stimulation des dopaminergen Systems im Gehirn zu kombinieren. 3/4 zurzeit noch in klinischen Studien der Phase 1 oder 2 untersucht. Seit einigen Jahren weiß man, dass die Hemmung der Monoaminooxidase A mit einer antidepressiven Wirkung assoziiert ist. Reversible MAO-Hemmer befinden sich derzeit in der klinischen Prüfung. Mögliche Auslöser von Depressionen sind psychische Belastungen durch schwere Erkrankungen oder schmerzliche Schicksalsschläge. Unter solchen Umständen produziert der Hypothalamus im Gehirn das lokal wirkende Hormon Corticotropin-Releasing-Faktor (CRF), welches die Hirnanhangdrüse (Hypophyse) dazu anregt, das adrenocorticotrope Hormon (ACTH) in den Blutkreislauf auszuschütten. Das im Blut zirkulierende ACTH stimuliert die Nebenniere, das Steroid Cortisol freizusetzen, welches, wie man weiß, die Stimmung drücken kann. In zahlreichen Forschungsarbeiten mit mehreren Inhibitoren des Typ-1-Rezeptors für CRF wird versucht, in diese komplexen Mechanismen einzugreifen. Langzeitperspektiven Die bestehenden antidepressiven Therapien lassen weiterhin Raum für Verbesserungen und die Entwicklung alternativer Ansätze. Eines der unbefriedigendsten Merkmale der aktuell verfügbaren Antidepressiva ist die Tatsache, dass es einige Wochen dauert, bis sich eine Wirkung einstellt. In einer kleinen Studie hat man herausgefunden, dass das intravenös verabreichte Narkosemittel Ketamin innerhalb weniger Stunden eine Besserung von depressiven Symptomen bewirken kann. Aufgrund seiner halluzinogenen Eigenschaften ist das Narkosemittel selbst nicht für die allgemeine Anwendung als Antidepressivum geeignet, doch die Erkenntnisse aus der Studie unterstreichen, dass es möglich ist, schneller wirkende Medikamente zu entwickeln. Eine wichtige neuere Entdeckung ist die Art und Weise, in der bestimmte Moleküle aus der Familie der SSRI wirken. Es war bereits bekannt, dass eine dieser Substanzen das Wachstum neuer Gehirnzellen in einer Region des Hippocampus auslöst, und nun hat man herausgefunden, dass sie dabei auf eine bestimmte Zellart, die sogenannten amplifizierenden neuralen Progenitoren, einwirkt. Dass der Wirkungsmechanismus darin bestehen könnte, dem bei Depressionen nachweisbaren Zellverlust im Hippocampus entgegenzuwirken, ist eine faszinierende Hypothese. Sie könnte es ermöglichen, diesen Angriffspunkt noch genauer zu erforschen und nach Substanzen mit noch stärkerer nervenzellstimulierender Wirkung zu suchen. M E D I K A M E N T E F Ü R M E N S C H E N HAFTUNGSABLEHNUNGSERKLÄRUNG EFPIA hat alle angemessenen Anstrengungen unternommen, um akkurate und aktuelle Informationen in dieser PDF zur Verfügung zu stellen, wobei keine Garantie für Vollständigkeit oder Richtigkeit übernommen werden kann. Im Falle spezifischer Fragestellungen oder Problemfälle sollten sie zusätzlich zu den in dieser PDF veröffentlichten informationen/Materien einen Arzt oder Apotheker zu Rate ziehen.Dieser PDF “Medikamente für Menschen” wird unter der Voraussetzung zur Verfügung gestellt, dass kein Teil der Veröffentlichung inklusive der Abbildungen ohne vorherige Absprache mit und Zustimmung durch den Europäischen. Verband der Pharmazeutischen Industrien und Verbände (EFPIA) kopiert oder entnommen werden kann. In keinem Falle kann das Material für werbliche Zwecke verwendet werden. Redaktion: Dr. Robert Geursen (Herausgeber), Peter Heer, Bill Kirkness, Philippe Loewenstein, Steve Mees, Dr. Jean-Marie Muschart, Marie-Claire Pickaert (Koordinator). Bilder: ABPI, Allergan, AstraZeneca, EFPIA/Lander Loeckx, Damian Foundation, Galderma, Hilaire Pletinckx, Roche, sanofi-aventis; Design und Produktion: Megaluna Fassung vom: Juni 2008 4/4