Infektionen mit multiresistenten Erregern: Prävalenzund Kostenanalysen auf Basis von GKV-Routinedaten Linder R1, Horenkamp-Sonntag D1, Pfenning I2, Verheyen F1 1 2 WINEG - Wissenschaftliches Institut der TK für Nutzen und Effizienz im Gesundheitswesen, Hamburg Fachbereich Stationäre Versorgung der Techniker Krankenkasse, Hamburg www.wineg.de Einleitung - Hintergrund Material - Methode Multiresistente Erreger (MRE) stellen im Hinblick auf steigende Prävalenzen eine ernste Bedrohung dar. Vor diesem Hintergrund hat das WINEG analysiert, ob und inwieweit sich die GKV-Routinedaten der Techniker Krankenkasse (TK) zur Prävalenzbestimmung und Prädiktion der Kostenentwicklung eignen. Untersucht wurden die stationären Abrechnungsdaten aller TK-Versicherten in den Jahren 2006-2010. Aufgreifkriterium waren der OPS-Code 8-987* (Komplexbehandlung bei Besiedlung oder Infektion mit MRE) sowie die ICD-Codes U80.-! (Erreger mit bestimmten Antibiotikaresistenzen) und U81! (Bakterien mit Multiresistenz gegen Antibiotika). Die so ermittelte (Sekundärdaten-) Prävalenz wurde mit der für die Versicherten der TK hochgerechneten (Primärdaten-) Prävalenz von MRE verglichen, wie sie vom Nationalen Referenzzentrum (NRZ) angegeben wird. Darüber hinaus wurden die Kosten für stationäre Aufenthalte inklusive ambulantem Operieren nach § 115b SGBV im Laufe eines Jahres ab Aufnahme ins Krankenhaus analysiert. Ausgewertet wurden winsorisierte Kosten einer Versichertensubgruppe mit stationär neu aufgetretenen MRE (Verlegung auf eine Isoliereinheit frühestens am 4. Tag nach Aufnahme). Diese Gruppe wurde mit einer Kontrollgruppe (ohne MRE, 1:1 Matching) verglichen, deren statistische geschlechtsgleiche Zwillinge im selben Jahr und selben Krankenhaus bei gleicher BasisDRG behandelt wurden und eine vergleichbare Verweildauer (±3d) und Alter (±5y) aufweisen. Abbildung 1 | Kosten p.a. für stationäre Aufenthalte von 2007 bis 2009 Abbildung 2 | Mittlere Kosten p.a. für stationäre Aufenthalte nach Altersdekaden Mittlere Kosten für stationäre Aufenthalte (inklusive ambulantem Operieren nach § 115b SGBV) pro Versichertem im Laufe des ersten Jahres ab Aufnahme ins Krankenhaus Mittlere Kosten pro Versichertem für stationäre Aufenthalte (inklusive ambulantem Operieren nach § 115b SGBV) für Versicherte im Laufe des ersten Jahres ab Aufnahme ins Krankenhaus 30.000 35.000 Versicherte mit MRE Versicherte mit MRE Versicherte ohne MRE Versicherte ohne MRE 30.000 25.000 23.977 25.000 18.377 17.618 16.411 15.000 10.000 11.658 10.632 5.000 Mittlere Kosten pro Versichertem [EUR] Mittlere Kosten pro Versichertem [EUR] 20.000 20.000 15.000 10.000 5.000 0 0 2007 2008 2009 Ergebnisse Im 4-Jahreszeitraum 2007-2010 wurden bei insgesamt 32.926 Krankenhausaufenthalten MRE über ICD (n = 31.425) und OPS (n = 14.116) dokumentiert. Bei 7.415 Aufenthalten kam es ab dem 4. Tag zu einer Verlegung auf eine Isoliereinheit (23,6%). Dies deckt sich mit den Angaben des NRZ (Modul MRSA-KISS), wonach ca. 75% der MRSAInfektionen bereits bei Stationsaufnahme vorhanden sind. Nach Alters- und Geschlechtsadjustierung beträgt die Prävalenz in den Routinedaten etwa die Hälfte der erwarteten Prävalenz: In 2009 wurden für TK-Versicherte 8.286 stationäre MRE-Behandlungsfälle dokumentiert. Alters- und geschlechtsadjustiert entspricht das 13.110 Behandlungsfällen. Der SARI-Studie zufolge kam es in 2009 bundesweit hochgerechnet zu 147.823 stationären MRSA-Fällen. Nach Angaben des NRZ (Modul 0-9 10-19 20-29 30-39 40-49 50-59 60-69 70-79 80-89 90-99 Schlussfolgerungen MRSA-KISS) machen MRSA einen Anteil von 57% an den MRE aus, so dass unter den TKVersicherten (ca. 10% der Bevölkerung) ca. 26.000 MRE-Fälle zu erwarten waren. Hinsichtlich der Kostenbetrachtungen wurden für 888 Versicherte mit neu aufgetretener MRE-Infektion statistische Zwillinge ohne MRE identifiziert. Von 2007 bis 2009 stiegen die mittleren Krankenhauskosten im ersten Jahr pro Versichertem ab Aufnahme ins Krankenhaus in beiden Gruppen um ca. 38%; im Mittel bedeutet ein MRE-Fall für die Krankenkasse stationäre Mehrkosten in Höhe von 7.091 EUR (Abb. 1). Bei der Interpretation von Abb. 2 ist zu beachten, dass mehr als die Hälfte aller Versicherten mit nosokomialer Infektion 70 Jahre oder älter waren. Die Balken für die 4. Lebensdekade basieren auf 24 Versicherten mit MRE und 23 Versicherte ohne MRE. Kontakt | Prof. Dr. Roland Linder | [email protected] WINEG | Bramfelder Straße 140 | 22305 Hamburg Erstmals wurden Kostenbetrachtungen nicht aus Leistungserbringer- sondern aus Krankenkassenperspektive angestellt. Da aus eigenen Voruntersuchungen bekannt ist, dass die Krankenhauskosten beim Vergleich der Sektoren absolut dominieren, liegt der Fokus für die vorliegende Auswertung auf den im stationären Bereich anfallenden Kosten. Im Vergleich zur Kontrollgruppe fallen insbesondere im Erwerbsalter (v.a. in der 4. Lebensdekade) deutliche Mehrkosten an. Die Prävalenz von MRE in den TK-Routinedaten entspricht nur etwa der Hälfte der nach Studienlage erwarteten Auftretenshäufigkeit. Der Unterschied ist durch das im bundesweiten Vergleich gesündere Klientel der TK zu erklären sowie durch Nicht-Dokumentation von auf MRE hinweisenden ICD- und OPSZiffern bedingt durch Fehlanreize im DRGSystem. Ausgehend von diesen Ergebnissen ist die Eignung von Routinedaten zur Inzidenzbestimmung nosokomialer Infektionen als QS-Indikator zu prüfen, nicht zuletzt im Rahmen selektivvertraglicher Regelungen. Quellen SARI MRSA-KISS Surveillance der Antibiotika-Anwendung und der bakteriellen Resistenzen auf Intensivstationen, Studie des Instituts für Hygiene und Umweltmedizin der Charité Universitätsmedizin Berlin. http://sari.ipse-freiburg.de Surveillance-Protokoll Methicillin-resistenter Stapyhlococcus aureus in Krankenhäusern, Modul des Nationalen Referenzzentrums für Surveillance von nosokomialen Infektionen. http://www.nrz-hygiene.de/surveillance/kiss/mrsa-kiss 10. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e.V.) und 18. GAA-Jahrestagung (Gesellschaft für Arzneimittelanwendungsforschung und Arzneimittelepidemiologie e.V.) | 20. bis 22. Oktober 2011| Köln