Cannabis und Schizophrenie – ein komplexes Phänomen Prävalenz für Komorbidität Schizophrenie / Sucht NIMH ECA Studie (Regier et al. JAMA 1990), n=20.291 Life-time Prävalenz in Allgemeinbevölkerung von Schizophrenie von Missbrauch/Abhängigkeit darunter: Alkoholmissbrauch/Abhängigkeit Missbrauch/Abhängigkeit außer Alkohol 1,5% 16,7% 13,5% 6,1% unter schizophrenen Patienten Life-time Prävalenz von Missbrauch/Abhängigkeit ?? Prävalenz für Komorbidität Schizophrenie / Sucht NIMH ECA Studie (Regier et al. JAMA 1990), n=20.291 Life-time Prävalenz in Allgemeinbevölkerung von Schizophrenie von Missbrauch/Abhängigkeit darunter: Alkoholmissbrauch/Abhängigkeit Missbrauch/Abhängigkeit außer Alkohol 1,5% 16,7% 13,5% 6,1% unter schizophrenen Patienten Life-time Prävalenz von Missbrauch/Abhängigkeit 47% Prävalenz für Komorbidität Schizophrenie / Sucht NIMH ECA Studie (Regier et al. JAMA 1990), n=20.291 Life-time Prävalenz in Allgemeinbevölkerung von Schizophrenie von Missbrauch/Abhängigkeit darunter: Alkoholmissbrauch/Abhängigkeit Missbrauch/Abhängigkeit außer Alkohol 1,5% 16,7% 13,5% 6,1% unter schizophrenen Patienten Life-time Prävalenz von Missbrauch/Abhängigkeit 47% darunter: Alkoholmissbrauch/Abhängigkeit Missbrauch/Abhängigkeit außer Alkohol 33,7% 27,5% Komorbidität in psychiatrischen Kliniken/kompl. Einrichtungen höher !! Komorbidität mit Sucht kompliziert den Verlauf der Psychose Prävalenz von Missbrauch / Abhängigkeit NIMH ECA Studie (Regier et al. JAMA 1990), n=20.291 in Allgemeinbevölkerung unter schizophrenen Patienten 16,7% 47% unter Bipolar I Patienten unter Bipolar II Patienten 60,7% 48,1% Konsum stärker assoziiert mit manischen Episoden, insb.THC (dep. Phasen eher mit Alkoholkonsum assoziiert) unter Patienten mit Dysthymie unter Patienten mit Major Depression 31,4% 27,2% unter Patienten mit Panikstörung 35,8% Wilens et al. 97: Unter Patienten mit ADHS bis 71 % Lieb et al. 2004: Unter Patienten mit BPS bis 80 % (erklärt sich bei beiden Störungen u.a. durch Kriterium der Impulsivität) Prävalenz in Europa Wittchen & Jacobi (2005): Size and Burden of Mental Disorders in Europe – A critical review and appraisal of 27 studies Prävalenz in Europa neueste Studiendaten aus anderen europäischen Länder liegen etwa 10 Jahre zurück Prävalenzdaten aus Europa stammen aus relativ kleinen klinisch-epidemiologischen Untersuchungen mit uneinheitlichen Prävalenzdaten zwischen 20-50% Prävalenz in Europa – (Schnell et al. 2010) … bei Patienten in Köln (LVR-Klinik & Uniklinik) N = 2337 Patienten mit schizophrenem Formenkreis Psychose Lifetime-Prävalenz für Suchterkrankungen 29,4% aus Prävalenz in Europa – (Schnell et al. 2010) … bei Patienten in Köln (LVR-Klinik & Uniklinik) N = 2337 Patienten mit schizophrenem Formenkreis Psychose aus Lifetime-Prävalenz für Suchterkrankungen 29,4% Ambulant: 21,1% Männer: 39,1% Stationär: 37,7% Frauen : 15,5% Prozentuale Verteilung substanzspezifischer Präferenzen F. 19 Polytoxikomanie F. 12 Cannabis 30,6% 27,7% F. 10 Alkoho l 32,6% F. 14 Kokain 2,2% sonstige 9,1% F. 15 Stimulanzien 1,6% F. 16 Halluzinogene 1,1% F. 13 Sedativa 2,7% F. 11 Opioide 1,3% Drogenpsychose vs. Schizophrenie … in einem solchen Fall spräche man jedoch von einer drogenassoziierten Psychose 12 Drogenpsychose vs. Schizophrenie Tritt eine psychotische Symptomatik nach dem Konsum von Drogen auf, kann eine - drogenassoziierte Psychose (= Schizophrenien; Doppeldiagnosepatienten) oder eine - drogeninduzierte Psychose vorliegen ( Doppeldiagnose) Drogenpsychose vs. Schizophrenie Worin unterscheiden sich beide Störungen ??? Unterschiede hinsichtlich… …des Verlaufs …der Behandlung* …der Ursachen - biologische Veranlagung und Umweltfaktor (Stress vs. Konsum propsychotischer Drogen) * z.B. Symptmaufrechterhaltung durch Antipsychotika bei Cannabisinduzierter Psychose (Bsp. Herr V.: einjährige Behandlung bis zur Remission nach Umstellung antipsychotischer Medikation auf Benzodiazepine …) 14 Modell für Komorbidität Schizophrenie / Sucht 1. Schizophrenie Suchtverhalten (Selbstmedikation bzw. Affektregulation) 2. Konsum (Mit)verursachung / Induktion der Psychose 3. Gemeinsame (biologische) Faktoren 4. Integratives Modell als Kompromiss / Fazit Problematik differenter kurz- und lanfristiger Konsequenzen für den Konsequenzen Verlauf kurzfristig subjektiv positive Effekte möglich Angst, Depressivität, Spannung, Coping Negativ-Symptome Affektregulation mittel- bis langfristig: Positiv-Symptome, Akut-Hospitalisationen, NL-Dosen, teils Negativ-Symptome Compliance, tardive Dyskinesien Wohnverhältnisse, soziale Integration Fremdaggressivität, Delinquenz, Suizidalität Psychoseinduktion Schlechterer Verlauf mit Neigung zur Chronifizierung 16 Modell für Komorbidität Schizophrenie / Sucht 1. Schizophrenie Suchtverhalten (Selbstmedikation bzw. Affektregulation) 2. Konsum (Mit)verursachung / Induktion der Psychose 3. Gemeinsame (biologische) Faktoren Zur Erinnerung … Konsequenzen für den Verlauf kurzfristig subjektiv positive Effekte möglich Angst, Depressivität, Spannung, Coping Negativ-Symptome … Menschen lassen sich in ihrem Verhalten häufig eher von kurz- als von langfristigen Verstärkern leiten ! Von hoher Relevanz bezüglich Konsum(rückfall)verhalten sind insbesondere 2 Aspekte: - Konsummotivation - Craving 18 eigene Studie, bislang unveröffentlichte Daten Reasons for Cannabis Use at Onset and During Continued Use: A Comparison of Patients with Schizophrenia and Healthy Controls Thomas Schnell,,Yvonne Kressin, Euphrosyne GouzoulisMayfrank, Jörg Daumann Fragestellung: Entwickelt sich die Cannabis-Konsummotivation bei Menschen, die im Zeitverlauf eine Psychose entwickeln anders als bei ansonsten gesunden Konsumenten? Kurvenraten: Ausprägungen von 0 (min) bis 7 (max) • social enhancement • image of smoking cannabis • fun and leasure • relief of dysphoria • controlling emotionality • regulating desorganisation SCH +CAN (n=51) CAN (n=109) df t-value p social enhancement 5,79 (1,12) 4,8 (1,33) 147 -4,188 .000 image of smoking cannabis 4,85 (1,63) 4,12 (1,64) 146 -2,437 .016 fun and leasure 5,13 (1,02) 5,17 (1,0) 146 0,225 .822 relief of dysphoria 3,52 (1,72) 3,18 (1,55) 147 -1,159 .248 controlling emotionality 3,69 (1,31) 3,49 (1,12) 142 -0,919 .360 regulating desorganisation 2,79 (1,61) 2,70 (1,24) 148 -0,343 .732 social enhancement 3,55 (1,26) 3,53 (1,98) 146 -0,066 .947 image of smoking cannabis 2,16 (1,48) 2,82 (1,22) 148 2,796 .006 fun and leasure 3,80 (1,26) 5,41 (0,91 146 3,163 .002 relief of dysphoria 4,24 (1,66) 2,93 (1,4) 147 -4,816 .000 controlling emotionality 3,71 (1,2) 3,64 (1,0) 140 -0,432 .667 regulating desorganisation 2,28 (1,24) 2,75 (1,37) 148 1,939 .054 PAST ACTUAL MANOVA mit Messwiederholung Unterscheiden sich die Gruppen hinsichtlich ihrer Veränderungen im Zeitverlauf ? Fun and Leisure (signifikant) ! 6 5,5 5 4,5 4 SCH+CAN CAN 3,5 3 2,5 2 past actual Relief of Dysphoria (signifikant) ! 6 5,5 5 4,5 4 SCH+CAN CAN 3,5 3 2,5 2 past actual Social Enhancement (signifikant) 6 5,5 5 4,5 4 SCH+CAN CAN 3,5 3 2,5 2 past actual Image (signifikant) 6 5,5 5 4,5 4 SCH+CAN CAN 3,5 3 2,5 2 past actual Desorganisation (signifikant) 6 5,5 5 4,5 4 SCH+CAN CAN 3,5 3 2,5 2 past actual Controlling Emotionality (nicht signifikant) 6 5,5 5 4,5 4 SCH+CAN CAN 3,5 3 2,5 2 past actual eigene Studie, bislang unveröffentlichte Daten Craving bei schizophrenen und gesunden Cannabiskonsumenten im Vergleich Thomas Schnell,,Theresa Becker, Euphrosyne GouzoulisMayfrank Charakteristika der Abhängigkeit unangemessener Körperliche Schäden übermäßiger überlanger unkontrollierter zwanghafter Konsum Psychische Schäden Soziale Schäden Aspekt des zwanghaften Konsums … Zwanghafter Konsum „Ein starkes Verlangen oder eine Art Zwang, die Substanz zu konsumieren“ Craving = Suchtdruck = starkes Verlangen Und gilt als ein wesentlicher Prädiktor für Rückfallverhalten Craving • Reward-Craving • Relief-Craving • Obsessive Craving Relief- und Rewardcraving haben sich mittlerweile als Konzepte stark etabliert z.B. faktorenanalytisch im Screeninginstrument CCS-7 (Cannabis-Craving-Screening) warum können Sie nicht aufhören? Ergebnis einer Untersuchung mittels CCS-7 bei schizophrenen und gesunden Konsumenten (Schnell et al. unveröffentlicht) Relief-Craving stärker bei SCH. Patienten ausgeprägt Reward-Craving stärker bei ansonsten gesunden Konsumenten ausgeprägt Cannabiskonsum bei Schizophrenie zur Reduktion von Leidensdruck durch psychotische Symptomatik? NW der Medikation? Fazit für die Psychotherapie • Die bislang besten Konzepte sind integrativ ausgerichtet – Integrativ = psychiatrische und suchtherapeutische Interventionen „aus einer Hand“ • Innerhalb dieser Konzepte sollte erwogen werden, Subgruppen zu bilden, d.h. die hochfunktionellen Cannabiskonsumenten separat behandeln? Ansonsten: – Abgeschreckt durch Verhalten der „Nonresponder“ – Bleiben als Konsequenz ambulanten Therapien fern … – Übrig bleiben die Nonresponder, die chronisch in der Psychiatrie v Pflegepersonal in die Gruppen getragen werden … Modell für Komorbidität Schizophrenie / Sucht 1. Schizophrenie Suchtverhalten (Selbstmedikation bzw. Affektregulation) 2. Konsum (Mit)verursachung / Induktion der Psychose 3. Gemeinsame (biologische) Faktoren Wirkt Cannabis propsychotisch ? Folgen des Cannabiskonsums bei ansonsten gesunden Konsumenten Yücel & Solovij 2008: Geringe SP, aber dafür bislang mittels Untersuchung der subakuten Auswirkungen von Cannabis unerreicht einer außergewöhnlich gut gewählten Stichprobe: spezifisch!! 20 langjährige intensiv-Konsumenten (täglicher starker Konsum seit ca. 10 Jahren) ohne weitere psychische Störung und ohne Konsum anderer Substanzen - Kognitive Einschränkungen - Volumenreduktion im Gehirn: Amygdala & Hippocampus - Subklinische schizophrenieforme Symptomatik (Hinweis auf propsychotisches Potenzial !) Modell der Psychoseinduktion Gouzoulis-Mayfrank 2007 relevant bei Cannabis, Amphetaminen, Kokain, Halluzinogenen, Ecstasy A. Intoxikationspsychosen B. Induzierte schizophreniforme Psychosen C. Anstoßen ? Ausklinken ? von schizophrenen Psychosen (Anteil Induktion vs. Vulnerabilität?) Psychose C C S V V V V S V = Vulnerabilität S C V V S = Stressoren S V Schwelle C V normaler psychischer Zustand C = Cannabis Patienten mit Doppeldiagnose sind bei der Erstmanifestation der Psychose jünger !! CAN. beschleunigt den Ausbruch der Psychose 37 Cannabiskonsum und Psychoserisiko Andreasson et al. 1987 Schwedische Rekrutenstudie t0 45.000 Rekruten t1 Follow-up nach 14 Jahren Cannabiskonsum in t0 2,4-faches Risiko f. SCH in t1 mind. 50 x Cannabiskonsum in t0 t2 (Follow-up Zeit: 27 Jahre) 6-faches Risiko f. SCH in t1 [Zammit et al. 2002] Dosisabhängige Effekte von Cannabis Cannabiskonsum und Psychoserisiko Dunedin-Studie, prospektiv, Geburtskohorte N = 1037 Untersuchungen im Alter von 11, 15, 18, und 26 J [Arseneault et al 2002, N = 759] Cannabis-Konsum im Alter von 15 J. (aber nicht 18J.!): Risikofaktor für schizophreniforme Störung im Alter von 26 J. kein Effekt anderer Substanzen Fazit 1: Cannabiskonsum und Psychoserisiko CAN als eine Komponente bei der Ätiologie der Schizophrenie (nicht-obligat, nicht-ausreichend) Dosiseffekt Effekt des Einstiegsalters in den Cannabiskonsum – Reifung des endogenen Cannabinoidsystems bis zur Pubertät Interaktionseffekte zwischen Vulnerabilität für Psychose und Cannabinoiden [Reviews: Arseneault et al. 2004, Henquet et al. 2005b, Fergusson et al. 2006, Moore et al 2007] Genexpression „Schizophrenie“ durch Cannabis COMT-Gen-Polymorphismus (Verstoffwechselung von Dopamin) Interaktionseffekte mit Cannabinoiden ??? Psychose Schwelle C C C C V V V = Vulnerabilität V V C = Cannabis normaler psychischer Zustand Eine Subgruppe von Konsumenten mit bestimmter Genvariante trägt ein erhöhtes Psychoserisiko bei Cannabiskonsum (erste Hinweise – geringe Studienlage) Dunedin-Studie [Caspi et al. 2005] Fazit 2: Cannabiskonsum und Psychoserisiko Der Cannabiskonsum … könnte für ca. 10% der Schizophreniefälle maßgeblich sein [Van Os et al 2002, Arseneault et al 2004, Fergusson et al 2006, Hickman et al 2007, Linszen & van Amelsvoort 2007, Moore et al 2007] beschleunigt bei entsprechender Veranlagung und frühem Konsum die Manifestation einer Psychose [Breakey et al 1974, Tsuang et al 1982, Kovasznay et al 1997, Addington & Addington 1998, Dixon 1999, Green et al 2004, Veen et al 2004, Van Mastrigt et al 2004, Barnes et al 2006] ist starker Prädiktor für einen psychotischen Rückfall bei Patienten mit Schizophrenie [Linszen et al 1994, Gupta et al 1996, Swofford et al 1996, Cantor-Graae 2001 , Hunt et al 2002] Steigt die Inzidenz von Psychosen … … mit Anstieg des Cannabiskonsums in der Bevölkerung ? Vorverlagerung des Einstiegsalters in den Konsum ? Züchtung „hochprozentiger“ Pflanzen ? Inzidenz der Schizophrenie ist beeinflusst durch: Urbanität, ethnische Zugehörigkeit, Migrationsstatus, frühe Traumata, Drogenkonsum Inzidenzunterschiede von bis zu 100% [Boydell et al. 2001, Kirkbride et al. 2006, Morgan et al. 2007] Cannabiskonsum und Inzidenz von Psychosen Camberwell First Episode Studie (Südosten von London, sozial schwach, hoher Migrantenanteil) [Boydell et al 2003, 2006] 1965 – 1997: Verdoppelung der Inzidenz der Schizophrenie, vor allem bei den unter 35-jährigen und Vorverschiebung des Erstmanifestationsalters bei Zunahme des Cannabiskonsums AESOP-Studie (Aetiology and Ethnicity in SchizoOther Psychoses) [Kirkbride et al 2006] Südlondon vs. Bristol vs. Nottingham Inzidenz der Schizophrenie in Südlondon doppelt so hoch wie in Bristol und Nottingham Annahme: Anstieg des Konsums in Südlondon stärker ausgespägt als in Bristol und Nottingham phrenia and Was das für Betroffene bedeuten kann Zitat Herr F.: „für was soll ich denn die Drogen sein lassen… mein Leben ist doch eh kaputt. Ich bin zum 10. mal hier, habe keine Freunde, keinen Job, bin berentet und warte auf den Wohnheimplatz“ Und was bedeutet es für Behandler ? SCH+CAN Patienten = „Drehtürpatienten“ „die neuen jungen Chronischen“ „unmotiviert“ „therapieresistent“ … vielleicht doch ein Lichtblick ? • Bei gesunden Konsumenten führt Cannabiskonsum zu akuten und subakuten kognitiven Defiziten • Annahme: Bei SCH+CAN Patienten müssten sich diese Defizite mit den kognitiven Einbußen der Schizophrenie addieren … was erhebliche Folgen hätte: Ausmaß kognitiver Fähigkeit gilt als wesentlicher Prädiktor für die Prognose des Erkrankungsverlaufs !!! Mehrere kleinere Studien der letzten 5 Jahre ergaben ein kontraintuitives Resultat: SCH+CAN Patienten ≥ SCH Patienten Studien und Interpretationen der Autoren Jockers-Scherübl et al 200 Coulston et al 2007 Interpretation: Neuroprotektiver Effekt von CAN ? Sollten SCH Patienten also kiffen ? Schnell et al 2009 Interpretation: Hypothese der geringeren Vulnerabilität einer Subgruppe der SCH+CAN Patienten Pat wären ohne zusätzlichen „THC-Load“ nicht psychotisch geworden, aufgrund relativ zu abstinenten Patienten geringerer Vulnerabilität für Psychosen. Geringe Vulnerabilität zeigt sich in Form von höherer kognitiver Kompetenz – was mit günstigerer soziorehabilitativen Prognose einhergeht !! Ausmaß kognitiver Defizite gilt als wesentlicher Prädiktor für prognostisches Outcome SCH+CAN Patienten haben durchschnittlich die bessere Prognose als SCH Patienten ohne Konsum, sofern es ihnen gelingt, den Konsum zu reduzieren / beenden ! in Folgeuntersuchungen (Leeson et al. 2011, Loberg & Hughdahl 2009, Scholes et al 2009) sowie einer Metaanalyse (Yücel et al. 2010) wurden kognitive Befunde repliziert und die Vulnerabilitätshypothese setzte sich durch. V.-hypoth. wurde mittlerweile auch durch bildgebende strukturelle Befunde gestützt … Hirnmorphologische Auffälligkeiten ? Vulnerable Strukturen bei schizophrenen Patienten im Allgemeinen (Fornito et al. 2009; Glahn et al. 2008; Honea et al. 2005) Reductions in Gray Matter Concentration: insula temporal gyrus middle frontal gyrus Hirnmorphologische Auffälligkeiten ? Schnell et al. 2012 (schizophrenia research - in press) 30 SCH+CAN vs. 24 SCH first episode patienten (MRT-DARTELAnalsye): - increased gray matter density in medial prefrontal regions - Interpretation entsprechend der Vulnerabilitätshypothese Response auf Neuroleptika ? Untergruppe mit primär schlechter Prognose? DD-Patienten: häufiger Neuroleptika (NL)-Nonresponder (Knudsen & Vilmar 1984, Bowers et al. 1990). Aber: DD-Patienten: gute oder sogar bessere Symptomreduktion unter Medikation (Dixon et al. 1991, Sevy et al. 2001). Prämorbides psychosoziales Funktionsniveau ? Untergruppe mit primär schlechter Prognose? DD-Patienten: besseres prämorbides soziales Anpassungsniveau (unauffälligere soziale Kontakte, Freundes- und gegengeschlechtliche Beziehungen vor Erstmanifestation der Psychose; Breakey et al. 1974, n=46). Chronische DD-Patienten: gesündere prämorbide Persönlichkeitsmerkmale (Tsuang et al. 1982). DD-Patienten: prämorbid unauffälligere psychosexuelle Entwicklung, aber schlechtere Schulleistungen in der Adoleszenz (Dixon et al. 1991, n=83, davon 48% DD-Patienten, überwiegend Cannabis, Alkohol und Kokain). Untergruppe mit primär schlechter Prognose? eher nicht !!! einige DD-Patienten „ursprünglich“ sogar z.T. Gruppe mit relativ guter Prognose, da primär weniger defizitär, anhedon und antriebsarm … Und vor allem kognitiv weniger defizitär ! ? Gute Prognose bei strukturierten, geeigneten Behandlungssettings ? (Dixon et al. 1991, Penk et al. 2000) Und wenn es Patienten gelingt, den Cannabiskonsum zu beenden ! Modell 3 für Komorbidität Schizophrenie / Sucht 3. Gemeinsame Ätiologie bzw. prädisponierende Faktoren z.B. dopaminerge Dysfunktion im mesolimbisch-kortikalen Netzwerk Primary addiction hypothesis der Komorbidität Psychose und Sucht neurobiologische Grundlagen der Schizophrenie schizophrene Symptomatik Vulnerabilität für Sucht nach Chambers et al. 2001 Modell 3 für Komorbidität Schizophrenie / Sucht 3. Gemeinsame Ätiologie bzw. prädisponierende Faktoren z.B. dopaminerge Dysfunktion im mesolimbisch-kortikalen Netzwerk Suchtmittel Schizophrenie präfrontaler Cortex Thalamus Nac VTA (dopamine) modifiziert nach: Chambers et al, Biol Psychiatry 2001 Modell 3 für Komorbidität Schizophrenie / Sucht 3. Gemeinsame Ätiologie bzw. prädisponierende Faktoren z.B. dopaminerge Dysfunktion im mesolimbisch-kortikalen Netzwerk Normal Suchtmittel Schizophrenie präfrontaler Cortex präfrontaler Cortex modifiziert nach: Chambers et al, Biol Psychiatry 2001 Thalamus Thalamus Nac CA1 VTA (dopamine) Fimbria/ Fornix Nac Hippocampus CA1 Subiculum VTA (dopamine) Hippocampus Subiculum Bei der Schizophrenie: durch gestörte hippokampale und kortikale Kontrolle des Ncl. accumbens dopaminerge Responsivität auf Ebene des Ncl Accumbens, wirkt sich wie dopaminerge Responsivität durch Substanzmissbrauch aus primäre Vulnerabilität für Suchtentwicklung (Chambers et al 2001) Drogen und Neurotransmitter • Cannabis: – Endocannabinoide, Dopamin • Kokain, Speed: – Dopamin, Noradrenalin • LSD, Meskalin, Psilocybin, Ecstasy: – Serotonin, Dopamin 57 58 Drogen und psychotisches Erleben … Assoziationen Halluzinogene lösen durch unterschiedliche Wirkmechanismen (5-HT2A Agonismus, NMDA Antagonismus) Halluzinationen und verfälschte Sinneswahrnehmungen aus Cannabis wirkt mittelbar auf NMDA Rezeptoren Cannabis reguliert andere Transmittersysteme (Wächterfunktion) Amphetamine und Kokain wirken direkt auf den Dopamin-Haushalt Bei Personen mit erhöhtem genetischem Schizophrenie-Risiko können Drogen eine Episode mit massiven Symptomen auslösen Bei regelmäßigem oder massivem Konsum kann es auch ohne genetisches Risiko zum Ausbruch einer drogeninduzierten Psychose kommen Besonders gefährlich: Cannabis Während Drogenpsychosen bei LSD von relativ kurzer Dauer sind können Cannabis-Psychosen bis zu einem Jahr anhalten und anschließend zu einer Residualsymptomatik führen 59 „Wächterfunktion“… • Bereits Hildegard von Bingen sagte, einem gesunden Geist würde Cannabis nicht schaden, ein labiler Geist würde davon jedoch erkranken. • Nach heutigen Wissensstand eine weise und vorausschauende Sichtweise: – Menschen mit stabilen Transmittersystemen können evtl auf einen „Wächter“ verzichten – Transmittersysteme mit Tendenz zur Dysregulation hingegen benötigen ein funktionierendes Endocannabinoidsystem, um (insbesondere dopaminerge Entgleisungen zu kompensieren) • Das betrifft insbesondere Menschen mit Vulnerabilität für Schizophrenie! Formulierungen für Patienten (Psychoedukation) Endocannabinoide: „Wächter im Gehirn…“ • „Rauchen von Cannabis legen den körpereigenen cannabinoiden Wächter schlafen und die Stoffwechsel anderer Transmittersysteme geraten durcheinander“ • Gefahr der Entwicklung psychischer Störungen, denen ein Ungleichgewicht des Gehirnstoffwechsels zugrunde liegt (Dopamin, Serotonin, …), wie z.B. Psychosen, Depressionen, Angststörungen EXKURS: THC und CBD • „meine Psychose begann, als ich aufgehört hatte, Cannabis zu konsumieren…“ – Was soll man da antworten? – Und das Phänomen ist tatsächlich nicht selten! • „ich soll aufhören zu kiffen und Herr G. bekommt im Rahmen einer Studie Cannabispillen…“ Komplexität der Substanz Cannabis: - THC vermutlich propsychotische Effekte - CBD vermutlich antipsychotische Effekte (CBD-Studie Prof Leweke) - Hochgezüchtete Pflanzen enthalten viel THC und kaum CBD - „Kleiderschrankpflanzen („Homegrown“) enthalten eher CBD und wenig THC - Hypothese, dass manche Homegrown-Konsumenten einen gewissen Psychoseschutz durch den Konsum erzielten? - CAVE: U.U. hört hier die Transparenz ggü den Patienten auf, dass nicht hängenbleibt, sie sollten beginnen selber Cannabis zu züchten…) 4. Integratives Modell der Komorbidität Psychose und Sucht gemeinsame biologische Vulnerabilität für Schizophrenie und Mißbrauch/Abhängigkeit Konsum (primär) Psychose prodromale Symptome sozialer Drift NegativPositivSymptome Symptome NL NW Konsum (Selbstmedikation) Konsum (sozial determiniert) 63 Therapie Cannabis: Psychiatrische Komplikationen Komplikation Codierung nach ICD-10 Beschreibung toxische Psychose F12.03 / F12.04 psychotischer Rauschverlauf Stunden bis mit Verlust der Ich-Kon-trolle, ein Tag evtl. mit Halluzi-na-tionen und Wahn (entschei-dend: Dosis, Set, Setting) seltener als bei (akute Intoxikation mit Delir / Halluzinogenen mit Wahr-nehmungs-störungen) induzierte Psychose zumeist bei chronischem Konsum ???? Anstoßen / Ausklinken ei-ner schizo-phre-nen Psychose F12.50 / F12.51 / F12.52 / F12.53 (psychotische Störung schizophreniform / vorwiegend wahnhaft / vorwiegend halluzi-na-torisch / vorwie-gend polymorph) oft paranoidhallu-zina-torisch, oft deut-liche affektive Anteile (schizo-affektive Prä-gung), Vulnera-bilität ursächlich vermutet Dauer Tage bis wenige Wochen, fraglich selten auch Monate Behandlung Talking down evtl. Benzodiazepine NL vorsichtig einsetzen, Mitteilungen über Effektivität widersprüch-lich, wahrscheinlich durch biologische Inhomogenität bedingt; NL oft unwirksam durch CannabisMissbrauch ausgelöste Psychose, die trotz nach-folgender Absti-nenz einen rezidivierenden oder chro-nischen Verlauf, wie eine Schizophrenie, nimmt ??? (Kausalkette unklar: Provokation? Manifesta-tion? DD: Cannabisabusus sekun-där bei vor-be-stehender (oft blander) Psychose? s. Aus-führungen in Kapitel 2, in den modernen Klassifikations-sys-temen nicht vorgesehen, wird eher als differential-diagno-stisches Kri--te-rium gegenüber der Schizophrenie erachtet nach länger-dauern-dem !) Behandlung wie bei einer schizophrenen Psychose regel-mäßigem Konsum 65 Cannabis: Psychiatrische Komplikationen Komplikation Codierung nach ICD-10 Beschreibung chronische F12.71 Persönlichkeits-verä (Persönlich-kei nderung ts- oder nach Ver-hal-tens-st länger-dauerndem örung) regelmä-ßigem Konsum „amotivationales Syn­drom“ kognitive Störungen F12.74 (sonstige zumeist bei anhal-tende chronischem kognitive Konsum Beeinträchti-g ung) Beeinträchtigungen von Konzentration, Merk-fähig-keit und Aufmerk-samkeit weit über die akute Intoxikation hinaus Dauer Einengung von Interessen, fehlende Mo-ti-vation für soziale und leistungsbezo-gene Akti-vitäten, Passivität, Affekt-verflachung häufig in Verbindung mit amotivationalem Syn-drom, möglicherweise auch Ausdruck eines chronischen Intoxika-tionszustandes Behandlung chronisch bei starken Konsumenten bes. bei frühem Beginn des Konsums, meist Besserung nach mehrwöchiger Abstinenz außer Cannabisabstinenz keine Empfehlung hinsichtlich einer spezifischen Pharmakotherapie möglich chronisch bei starken Konsumenten bes. bei frühem Beginn des Konsums, meist Besserung nach mehrwöchiger Abstinenz außer Cannabisabstinenz keine Empfehlung hinsichtlich einer spezifischen Pharmakotherapie möglich 66 Therapie-Response Subgruppen-Typisierung von DD-Patienten Die Arbeitsgruppe um Drake postulierte in den vergangenen Jahren sehr optimistische Prognosen für DD-Patienten in geeigneten therapeutischen Settings - integrativ - schwerpunktmäßig ambulant - langfristig angelegt 2008 revidierten die Autoren diese Betrachtung durch die Definition verschiedener Subgruppen Therapie-Response Subgruppen-Typisierung von DD-Patienten Arbeitsgruppe um Drake (2008) definieren 4 Subgruppen 1: schnelles u stabiles Ansprechen auf Therapie 2: schnelles Ansprechen aber keinen stabilen Verlauf 3: langsame u stabile Therapieerfolge 4: Nonresponder Therapie-Response Subgruppen-Typisierung von DD-Patienten Non-Responder: - schwer gestört, chronifizierte Verläufe - oft wohnungslos - triple- Diagnose: DD + antisoziale PKS Vermutlich gutes Ansprechen: - junge Patienten - Erstmanifestationen der Psychose - Hypothese: Subgruppe innerhalb Cannabiskonsumierender Patienten mit relativ geringerer Vulnerabilität, bei denen Cannabis den entscheidenden „Load“ ausmachte (Modell „Psychoseinduktion“) Komorbidität Schizophrenie / Sucht: Therapie sequentiell ? parallel ? integriert ? (möglichst lange) stationär (schwerpunktmäßig) ? ambulant ? Abstinenz als Voraussetzung? Abstinenz als Ziel? Komorbidität Schizophrenie / Sucht: Therapie sequentiell parallel integriert stationär (möglichst lange) (schwerpunktmäßig) ambulant Abstinenz als Voraussetzung Abstinenz als Ziel Ausnahme: Subgruppe der Nonresponder (triple-diagnosis) - profitiert am ehesten von langfristig angelegter stationärer Behandlung - allerdings nur wenige Studien zu langfristigen und stationären Konzepten (Drake et al. 2008) Komorbidität Schizophrenie / Sucht Konsequenzen für die Behandlung Notwendigkeit spezieller integrierter Behandlungsprogramme mit Elementen aus: Psychiatrischer Krankenversorgung (stützend, fürsorglich) und Suchttherapie (auf eigene Verantwortlichkeit aufbauend) langfristig angelegt (Schwerpunkt ambulant) abstinenzorientiert (nicht abstinenzfordernd) aufsuchende Arbeit in interdisziplinären Teams soziotherapeutisch/rehabilitative Maßnahmen Anpassung der Interventionen an Motivationsstadium des Patienten Drake et al 1998, Drake & Mueser 2000, Gouzoulis-Mayfrank 2006 Integrierte Behandlung von Patienten mit der Komorbidität Psychose und Sucht intensive, niederschwellige, langfristig angelegte (18-24 Monate), schwerpunktmäßig ambulante, motivationsfördernde Programme: drop out Raten Akuthospitalisationen Dauer stationärer Aufenthalte Ausmaß des Konsums medizinische Komplikationen soziale Komplikationen Drake et al 1998, Drake & Mueser 2000, Gouzoulis-Mayfrank 2006 Komorbidität Schizophrenie / Sucht: Elemente der integrierten Behandlung Alle erfolgreichen Programme bieten an: Pharmakotherapie Motivationale Interventionen Psychoedukation Die meisten erfolgreichen Programme bieten auch an: Kognitiv-Behaviorale Therapie (CBT) Manche erfolgreiche Programme bieten schließlich an: Familieninterventionen Zusammenarbeit mit Selbsthilfegruppen Drake et al 1998, Drake & Mueser 2000, Gouzoulis-Mayfrank 2006 Behandlungskonzept an der LVR-Klinik Köln Stationäre Behandlungsabschnitte situationsabhängig geschützt oder offen so lange wie nötig, (in der Regel) so kurz wie möglich aktuell abstinenzfordernd (Drogenscreenings!), aber: keine Forderung einer langfristigen Abstinenzmotivation ggf. Behandlungsverträge bei Entlassung (in der Regel) Angebot einer ambulanten Behandlung in der IA Teilnahme an Gruppenangeboten der IA möglich (KomPASs sofern KomPAkt bereits absolviert) Behandlungskonzept an der LVR-Klinik Köln Institutsambulanz & offene Station 15 Schwerpunkt: ambulant in Institutsambulanz (IA) langfristig angelegt abstinenzorientiert, keine Abstinenzforderung, keine Forderung einer Abstinenzmotivation keine Voraussetzungen, niederschwellig Hausbesuche möglich (Idealfall…) Motivationale Elemente und Familieninterventionen in Einzeltherapie und in der Gruppe (in Planung) Psychoedukation (KomPAkt) und CBT (KomPASs) in der Gruppe Rahmenbedingungen einer stationären Behandlung Allgemeine Prinzipien I • Motivation für langfristige Abstinenz nicht Voraussetzung, sondern Ziel • niederschwellig, keine Vorgespräche zwingend • prinzipiell Abstinenzklima auf der Station • Forderung von Abstinenz während des stationären Aufenthaltes • Förderung der Abstinenzmotivation für die Zeit nach der Entlassung • Kontrollinstrumente (Screenings) Rahmenbedingungen einer stationären Behandlung Allgemeine Prinzipien II • Thematisieren des Konsums bzw. der Rückfälle ohne Moralisieren, aber mit klarer Position, Versuch Rückfall zu analysieren, daraus lernen (VA s) • Konsequenzen bei Rückfällen nach Absprache mit Patienten: z.B. Ausgang, Besuch, ggf. Entlassung • Grundprinzip: Verhältnismäßigkeit der Reaktion auf Rückfälle mittels individueller Situationsanalyse Rahmenbedingungen einer stationären Behandlung Allgemeine Prinzipien III • meistens schriftlicher Therapievertrag ca. eine Woche nach Aufnahme mit Formulierung von Zielen, Kontrollinstrumenten (Screenings), Erfolgs-, Misserfolgskriterien und Konsequenzen • System von Ermahnungen und Verwarnungen (flexible Handhabung) • Verwarnungen als “Signal“ • Dritte Verwarnung Entlassung oder Verlegung mit Möglichkeit einer späteren Wiederaufnahme, dann meistens nach einem Vorgespräch Komorbidität Schizophrenie / Sucht Elemente der integrierten Behandlung Alle erfolgreichen Programme bieten an: Pharmakotherapie Motivationale Interventionen Psychoedukation Was wirkt ? Die meisten erfolgreichen Programme bieten auch an: : Kognitiv-Behaviorale Therapie (CBT) Manche erfolgreiche Programme bieten schließlich an: Familieninterventionen Zusammenarbeit mit Selbsthilfegruppen Drake et al 1998, Drake & Mueser 2000, Gouzoulis-Mayfrank 2006 Pharmakotherapie I • typische NL typische NW weniger Konsum als Selbstmedikation zu erwarten ? (Unruhe, Akathisie, Dysphorie, Anhedonie, - „pharmakogene Depression“ ?, Verlangsamung, Pseudo-Negativsyndrom) Konsum als Selbstmedikation ? • typische NL rel. starke, rel. selektive Blockade von D2-Rez. im mesolimbischen System pharmakologisch suchtbegünstigende Wirkung denkbar fehlen pharma• atypische Antipsychotika kologischer Sucht bessere Wirksamkeit gegen Negativsymptome ? wenigerbegünstigung EPMS und Unruhe keine Anhedonie überwiegend durty drug Rezeptorprofile, u.a. moderate Affinität zu 5-HT3-Rez. (anti-craving Wkg ?) Pharmakotherapie II • atypische Antipsychotika bei Umstellung auf Atypika Konsummengen ?? direkte und/oder indirekte Mechanismen Reviews: Buckley 1998, Krystal et al 1999, Lee & Meltzer 2001, Potvin et al 2003, Green et al 2005 nach Absetzen von Typika Craving für Kokain/Amphetamine Brown et al 2003: Experimentelle, randomisierte Studie mit 24 ambulanten DD-Patienten über 12 Wochen N = 12 N = 12 Weiterführung Medikation Absetzen Medikation, b. Bed. Quetiapin (in 8/12 durchgeführt) Pharmakotherapie III • atypische Antipsychotika Berichte / Studien in erster Linie über Clozapin Zimmet et al. 2000 (retrospektive Studie) Drake et al. 2000, Brunette et al. 2006 (prospektive Studien) - Clozapin-Selektionsbias ?? (bisher keine randomisierte Studie !!) Clozapin Reduktion des Nikotinrauchens McEvoy et al. 1995, Marcus, Snyder 1995, George et al. 1996 Pharmakotherapie IV Case reports, Fallserien, offene kleine Studien auch über Olanzapin, Risperidon, Quetiapin, Ziprasidon, Aripiprazol (Datenlage unsicherer, Reviews: Green et al 2005; Stuyt et al 2006) Rubio et al. 2006, n = 115, randomisiert, 6 Monate Follow-Up Risperidon-Depot > Zuclopenthixol-Depot aber: Sayers et al. 2005, n = 24 Sch + Kokainabusus randomisiert doppelblind, 6 Monate Follow-Up Olanzapin = Haloperidol Petrakis et al. 2006, n = 250, retrospektive Aktenauswertung Atypika (>) Typika Pharmakotherapie V bestimmte atypische Antipsychotika besser als andere ??? Green et al. 2003: retrospektive Studie Clozapin (n=33) vs. Risperidon (n=8), Abstinenz über 1 Jahr: Clozapin > Risperidon Nimwegen et al. 2006 (Abstract): randomisierte Doppelblindstudie über 6 Wochen, Olanzapin vs. Risperidon, n = 131 Schizophrenie + Cannabisabusus Konsum unter beiden Medikamenten Stuyt et al. 2006: retrospektive Studie stationäres Programm über 90 Tage n=55 Schizophrenie od. Schizoaffektiv + Sucht Risperidon + Ziprasidon > Olanzapin + Typika in Depotform Pharmakotherapie VI bestimmte atypische Antipsychotika besser als andere ??? “Ziprasidone vs. Clozapine in the treatment of dually diagnosed (DD) patients with schizophrenia and cannabis use disorders: A randomised study” Thomas Schnell1, Dagmar Koethe2, Anna Krasnianski2, Stefanie Gairing2, Knut Schnell3, Jörg Daumann2, Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank1 REDUCE-Studie: Results Cannabis use was reduced in both groups with no significant differences between groups. Clozapine was more effective in reducing positive symptoms of schizophrenia and was associated with more side effects. Ziprasidone was better tolerated by patients and was associated with a higher overall acceptance of/compliance with treatment. Conclusions Results from this small RCT suggest beneficial effects of both clozapine and the newer atypical antipsychotic ziprasidone in the treatment of cannabis use disorders in patients with schizophrenia. Larger-scale RCTs are needed in order to assess advantages and disadvantages of the different atypical antipsychotics in dually diagnosed populations. Pharmakotherapie VII Stellenwert der Depot-Neuroleptika ? Risperidon Depot grundsätzlich gute Option Alternative evtl. Flupenthixol („partiell atypisch“) in Depotform Soyka et al. 2003: offene Studie n=27 Pat. mit Sch. + Alkoholismus Flupenthixol Depot über 6 Monate Reduktion der Trinkmengen Pharmakotherapie VIII • Kombinationen mit Antidepressiva • Rationale aus klinischer Erfahrung naheliegend bei depressiver Stimmung, Antriebsarmut, wenn Ein-/Umstellung auf atypisches NL nicht ausreicht • wenig Daten • einzelne Studien sprechen für Wirksamkeit von TZA bei DD-Patienten mit Kokain- und Cannabisabusus (Siris et al. 1991, Ziedonis et al. 1992) • keine Studien mit SSRIs • Kombinationen mit mood stabilizers • Rationale aus klinischer Erfahrung naheliegend insbes. bei schizoaffektiven Störungen, Impulsdurchbrüchen, hohem Selbstund/oder fremdaggressivem Potential • keine Daten [Valproat add-on bei bipolaren Patienten mit Alkoholismus (Salloum et al. 2005)] Pharmakotherapie IX • Pharmakotherapie der Suchtkomponente grundsätzlich immer zu erwägen, Psychose + NL sind keine Kontraindikationen !!! wenig Daten Anti-Craving Substanzen Substitution Acamprosat ?? (keine Daten) Methadon: einige Erfahrungen, keine Studien Disulfiram ?? (Aversionstherapie) Fallberichte, offene kleine Studie, retrospektive Aktenauswertung, eine neuere Vergleichsstudie mit Naltrexon ergab vergleichbare Ergebnisse bez. Alkohol (Brenner et al. 1994, Conley et al. 1997, Mueser et al. 2003; Petrakis 2006)) Naltrexon (Abstinenzunterstützung durch μ-Opiatrezeptorantagonismus) gute Verträglichkeit zusammen mit NL (Sernyak et al. 1998) Reduktion der Trinkmengen (Maxwell & Shindermann 2000: Studie mit n=72; Petrakis et al. 2004, 2005: randomisiert, doppelblind-, placebokontr., n=31 ambulant über 12 Wo) - seit 2010 in Deutschl. zur Alk.-rückfallprophylaxe zugelassen (Adepend) Exkurs: Differential-Pharmakotherapie Substanzinduzierte Störungen vs. Komorbidität Psychose und Substanzmissbrauch CANNABIS Behandlung psychiatrischer Komplikationen analog zu der Behandlung bei Halluzinogen-induzierten Störungen bei psychotischem Rauschverlauf talking down Benzodiazepine keine Neuroleptika ! bei induzierten Psychosen Neuroleptika vorsichtig einsetzen, oft nicht wirksam, bis hin zu Symptomverstärkend (Bsp einjähriger Therapie von Herrn V.) Komorbidität Schizophrenie / Sucht Elemente der integrierten Behandlung Alle erfolgreichen Programme bieten an: Pharmakotherapie Motivationale Interventionen Psychoedukation Die meisten erfolgreichen Programme bieten auch an: : Kognitiv-Behaviorale Therapie (CBT) Manche erfolgreiche Programme bieten schließlich an: Familieninterventionen Zusammenarbeit mit Selbsthilfegruppen Drake et al 1998, Drake & Mueser 2000, Gouzoulis-Mayfrank 2007 Veränderungsmodell (Prochaska,DiClemente, 1984) Basis für die Motivationsbehandlung abhängiger Patienten (MET, Miller & Rollnick 1991) Rückfall 5. Aufrechterhaltung 1. Absichtslosigkeit stabiler Ausstieg 2. Absichtsbildung 4. Handlung 3. Vorbereitung Therapeutenrolle: Unterstützung des Durchlaufens der Stadien im Uhrzeigersinn Stadiengerechte Interventionen: z.B. für Stadien 1/2 : Psychoedukation für Stadien 3/4 : Skills-Training Motivationale Interventionen modifiziert nach MET für alkoholabhängige Patienten (Miller & Rollnick 1991) Veränderungsmodell Aufrechterhaltung Handlung Absichtslosigkeit Absichtsbildung Vorbereitung Therapeutenrolle: Unterstützung des Durchlaufens der Stadien im Uhrzeigersinn Förderung der intrinsischen Motivation durch 5 Prinzipien: • express empathy (Akzeptanz, Respekt, Zuhören, Kritik vermeiden) • develop discrepancy (wo bin ich? wo will ich sein? pros und contras vermitteln;kurz- vs langfristige Ziele) • avoid argumantation (kein Bestehen auf Akzeptanz eines labelings, Vermeidung der Entwicklung verteidigenden, oppositionellen Verhaltens beim Patienten) • roll with resistance • support self-efficacy (den realistischen Optimismus stärken) Wie wichtig ist es Ihnen, Ihren Drogenkonsum zu reduzieren / beenden? 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Nach unten fragen (bei 2): „warum keine 1 angegeben?“ - entwickelt Argumente gegen Konsum Wie zuversichtlich sind Sie, dass Sie es schaffen würden, wenn Sie es wollten? 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Nach oben fragen (bei 9): „warum keine 10 angegeben?! - entwickelt kritisches Denken Psychoedukation Alle erfolgreichen Programme bieten an: Pharmakotherapie Motivationale Interventionen Psychoedukation Die meisten erfolgreichen Programme bieten auch an: : Kognitiv-Behaviorale Therapie (CBT) Manche erfolgreiche Programme bieten schließlich an: Familieninterventionen Zusammenarbeit mit Selbsthilfegruppen Drake et al 1998, Drake & Mueser 2000, Gouzoulis-Mayfrank 2007 KomPAkt * (Gouzoulis-Mayfrank 2007) Ziele 1. Informationsvermittlung über Symptome und Behandlung von Psychosen 2. Informationsvermittlung über Wirkungen und gesundheitliche Risiken durch Suchtmittel (Alkohol, Beruhigungsmittel und illegale Drogen) 3. Informationsvermittlung über Zusammenhänge zwischen Psychose und Suchterkrankungen 4. Steigerung der Abstinenzmotivation * Komorbidität 5. Vermittlung von Alternativen zum Konsum und Hilfsmöglichkeiten → Steigerung der Abstinenzzuversicht Psychose und Abhängigkeit: Psychoedukatives Training KomPAkt (Gouzoulis-Mayfrank 2007) Weiterentwicklung zu 2003: Erweiterung um Opiate zusätzliche Version als Einzeltherapie (Flexibilisierung) Einbettung in ein umfassenderes ambulantes Behandlungsprogramm KomPASs * (Schnell, in Gouzoulis-Mayfrank 2007) * Komorbidität Psychose und Alle erfolgreichen Programme bieten an: Pharmakotherapie Motivationale Interventionen Abhängigkeit: Skills-Training Psychoedukation Die meisten erfolgreichen Programme bieten auch an: Kognitiv-Behaviorale Therapie (CBT) Manche erfolgreiche Programme bieten schließlich an: Familieninterventionen Zusammenarbeit mit Selbsthilfegruppen Drake et al 1998, Drake & Mueser 2000, Gouzoulis-Mayfrank 2007 Verhaltenstherapie: KomPASs-Training Abgrenzung gegenüber VT-Gruppentherapien für Suchtpatienten ohne Komorbidität Therapeutische Haltung: flexibler, stützender, weniger fordernd Einleitend Psychoedukation bzgl. Interaktionen zwischen Konsum und Psychose Fokus auf „gemeinsame Themen“ - Vermittlung / Einübung von Skills für Situationen und Kognitionen, die hinsichtlich beider Störungen risikoreich sind - Definition von Krisen als Gefahrensituationen für Psychoseund/oder Suchtrückfall Themen des KomPASs-Training 1. Modul, 2 Std: Psychoedukation 2. Modul, 6 Std: „Konsum, Psychose und Ich“ - Identifikation potentieller Gefahrensituationen - Identifikation dysfunktionaler Kognitionen - Kognitive Umstrukturierung - Ressourcenaktivierung 3. Modul, 4 Std: Anti-Craving & Anti-Stress Skills 4. Modul, 6 Std: Spezifisches Training sozialer DD-Kompetenzen 5. Modul, 3 Std: Umgang mit Krisen & Prävention Gesamt, 21 Einheiten ! Formalitäten des KomPASs-Trainings KomPASs enthält 21 Einheiten je 90 Minuten mit der Empfehlung einer bedarfsgerechten flexiblen Verlängerung der Stundenzahl Inhaltliche Arbeit pro Stunde sollte 60 Minuten nicht überschreiten (eingeschränkte Daueraufmerksamkeit schizophren vulnerabler Patienten) 5-8 Patienten als empfohlene Teilnehmeranzahl 1 Pause nach ca. 70 Minuten CAVE: Kein manualisiertes Vorgehen empfohlen, abgesehen von Evaluationsstudien (läuft aktuell an der LVR-Klinik Köln) (Empfehlung: Inhalte bedarfsgerecht entsprechend eines „Baukastenprinzips“ auswählen) KomPASs - Aufbau der Therapiestunden Beginn: - Aktuelle Stimmungslage - Craving- oder Stresssituationen der letzten Woche inkl. Coping - Klärung offener Fragen zur letzten Stunde - Kurzer Umriss des aktuellen Themas (15 Min.) Inhaltliche Arbeit (hierarchische Themenauswahl: Besprechung aktuell bevorstehender potenzieller Krisensituationen oder zeitnah erlebte Krisensituationen haben Vorrang vor dem regulären inhaltl. Aufbau) (50 Min.) Hausaufgaben benennen und offizieller Gruppenabschluss (5 Min.) Pause (5 Min.) Freies Thema / Fortsetzung aktueller Thematik (15 Min.) Jenseits der Manuale… • In inhaltlich offen geführten Gruppen tauchen regelhaft bestimmte Themen auf, die nicht manualisiert vorliegen. Jenseits der Manuale… „ich hätte gerne mal wieder eine Freundin“ - Compliance mit Medikation“ (in einer Arbeitshaltung, die auf den Prinzipien des MI basieren, können schwierige Themen direkt verbalisiert werden und mit offener Antwort gerechnet werden – zumindest gibt ein hoher Anteil der Patienten zu, dass Medis abgesetzt werden Jenseits der Manuale… „ich werde jetzt endgültig Schluss mit Drogen machen…“ (?!?) MI-Skalen können hilfreich sein um selbstkritisches Denken anzuregen. Dennoch diese Haltung zunächst unbedingt validieren! Jenseits der Manuale… Gebetsmühlenartiges Benennen von Anti-Drogen-Skills ohne innere Beteiligng „Sport machen, Hobbies suchen, Freunde besuichen die nicht konsumieren…“ …insbesondere bei therapieerfahrenen Patienten, welche bestimmte Angebote zum X.mal besuchen Jenseits der Manuale… „für was soll ich denn die Drogen sein lassen… mein Leben ist doch eh kaputt. Ich bin zum 10. mal hier, habe keine Freunde, keinen Job, bin berentet und warte auf eine Wohnheimplatz “ CAVE: Hier nicht sofort beginnen kognitiv umzustrukturieren („aber sehen sie doch mal, sie können doch ganz schön malen, sagt die Ergotherapeutin…“) Jenseits der Manuale… Nicht seltene Sonderfälle: - „ich finde meine Psychosen gar nicht so schlimm“! - Wenn es mir langweilig wird, kiffe ich und werde dann bald wieder psychotisch und kann hier her kommen“ - Zentrale Therapiethemen: Therapie der Einsamkeit und Langeweile! Jenseits der Manuale… Letzteres ist besonders schwer bei Patienten, welche Psychose sogar als angenehm empfinden (mit Größenwahn, Verbindung zu oder Abstammung von Gott, höhere Bestimmung des persönlichen Daseins – …im Tausch gegen Hartz 4 und Schizophrenie …. EXKURS: legal highs… Räuchermischungen (Spice und Kollegen) Badesalze, research chemicals • Wie gefährlich sind sie wirklich ? – Primär ein Problem einer Minderheit der sogenannten „experimentierfreudigen Psychonauten – Weitestgehend unerforscht … – Problem ist die Fokussierung auf THC-ähnliche Verbindungen, bei Fehlen CBD-assoziiertem „Schutz“ im natürlichen Cannabis – Die wenigsten Konsumenten steigen von Cannabis um, sondern konsumieren sie zusätzlich – Hase und Igel-Spiel zwischen träger Gesetzgebung und der pharmakologischen Forschung Vortrag auf der Frühjahrstagung der Deutschen Fachgesellschaft für Psychose und Sucht: Dr. Bernd Werse, Centre for Drug Research der Johann Wolfgang Goethe Universität Frankfurt, EXKURS: legal highs… Räuchermischungen (Spice und Kollegen) Badesalze, research chemicals • Wie gefährlich sind sie wirklich ? – Irrtum, dass die Substanzen in Hinterhoflabors produziert werden… sie kommen in der Regel aus universitärer Forschung und Forschung der Pharmaindustrie – Wenige süchtige Konsumenten („warum soll ich Chemie rauchen, wenn ich auch das richtige Zeug zum gleichen Preis bekommen kann“) – Ein mögliches Konsummotiv: Blutprobe rein halten für eine kleine Subgruppe relevant – Neben Cannabinoiden werden sog Partydrogen (Amphetamin, MDMA, Kokain) und sogar Opiatagonisten im Internet angeboten – CAVE: Höchst unterschiedliche pharmakologische Potenz in Räuchermischungen… teil die 90-fache Wirkung von natürlichem THC, was zu Überdosierungen führen kann, die mit natürlichem Cannabis nicht realisierbar sind Fachbücher Psychose und Sucht bbbbbbbbbbbb 116 ENDE Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit [email protected]