Schizophrenie: früh erkennen in – optimal behandeln 10 Jahre Kompetenznetze der Medizin Gefördert vom Schizophrenie: früh erkennen – optimal behandeln Univ.-Prof. Dr. med. Wolfgang Gaebel Sprecher des KNS Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf LVR-Klinikum Düsseldorf Schizophrenie: früh erkennen – optimal behandeln Daten und Fakten zur Schizophrenie • • • • • • Schwere psychische Erkrankung, ca. 75% rezidivierend, oft mit Residualzuständen oder chronisch, erheblich eingeschränkte Lebensqualität Erhöhte Mortalitätsrate (Faktor 2,5), incl. 10% Suizid Lebenszeitprävalenz Neuerkrankungen per anno in Deutschland Erkrankungsbeginn: meist zwischen den 18. und 35. Lebensjahr Hohe Kosten - vergleichbar derer für Volkskrankheiten wie Bluthochdruck und Diabetes direkte Kosten * Andlin-Sobocki & Rössler, 2005 ca. 1% ca. 13.000 16,1 Mrd € * 2,7 Mrd € Schizophrenie: früh erkennen – optimal behandeln Struktur des Kompetenznetzes Schizophrenie Das Kompetenznetz ist entsprechend der Krankheitsentwicklung in 2 grundlegende Projektverbünde eingeteilt: Symptomatik Projektverbund I Früherkennung und Frühintervention Projektverbund II Therapie und Rehabilitation Teilverbünde 1 Akutbehandlung 2 3 Langzeitbehandlung Rehabilitation Krankheitsverlauf Manifestationsschwelle Zeit Schizophrenie: früh erkennen – optimal behandeln Schwerpunkt 1: Früherkennung und –intervention: Ausgangsituation • Lange Prodromalphase = Chance für Früherkennung und Frühintervention, aber: • kein valides Früherkennungsinventar • keine evidenzbasierten Interventionskonzepte • Hochgradig stigmatisierte Erkrankung Æ deutliches Hemmnis bezüglich Hilfesuchverhalten, Therapieakzeptanz/-treue • Meist verzögerter Behandlungsbeginn mit negativen Folgen für Verlauf und Prognose Die Dauer der unbehandelten Erkrankung (DUI) und die Dauer der unbehandelten Psychose (DUP) sind sehr lang DUP Mittelw.: 78 Wochen Median: 19 Wochen Prodromalphase 4.2 Jahre DUI Mittelwert: 296 Wochen Median: 212 Wochen Alter 22.8 27.0 28.5 'Psychosenahes Prodrom' Positivsymptome 'Psychosefernes Prodrom' Negativ-/ unspezifische Symptome erste (negative oder unspezifische) Zeichen einer psychischen Störung erste Positivsymptome erste stationäre Aufnahme Köhn et al. Fortschr Neurol Psychiatr. 2004;72:635-42 Schizophrenie: früh erkennen – optimal behandeln Schwerpunkt 1: Früherkennung und –intervention: Projektplan KNS • Bewusstheit („Awareness“) für Frühsymptome herstellen (Projekt Köhn/Schultze-Lutter, Klosterkötter, Maier) • Früherkennungsinventare entwickeln und evaluieren Æ ERI, ERIraos (Projekt Häfner, Maurer) • Neurobiologische Grundlagen von Hoch-Risiko-Stadien erforschen (Projekte Wagner, Hurlemann, Maier et al.) • Frühinterventionskonzepte entwickeln und evaluieren a) für frühe („psychoseferne“) Prodromalstadien Æ speziell adaptierte Verhaltenstherapie (Projekt Bechdolf, Wagner, Klosterkötter) b) für spätere („psychosenahe“) Prodromalstadien Æ niedrig dosierte, atypische antipsychotische Medikation (Projekt Ruhrmann, Klosterkötter, Maier) Schizophrenie: früh erkennen – optimal behandeln Gesundheitsämter Beratungsstellen, Schulpsychologen Allgemeinärztliche Praxen Psychiatrische Praxen Psychiatrische Ambulanzen Checkliste (ERI) + AwarenessProgramme - Früherkennungszentren (Köln, Bonn, Düsseldorf, München) ausführliches Früherkennungsinventar (u.a. ERIraos) Psychosenahe Prodrome - ++ Atypisches Antipsychotikum + BFI vs. Bedarfsfokussierte Intervention (BFI) + Psychoseferne Prodrome Verhaltenstherapie vs. Supportive Therapie Prozentanteil der Patienten mit Übergang Schizophrenie: früh erkennen – optimal behandeln Frühintervention bei psychosefernem Prodrom Frühintervention bei psychosenahem Prodrom Kognitive Verhaltentherapie (KVT) vermindert die Anzahl der Übergänge in psychosenahes Prodrom / Psychose gegenüber Supportiver Therapie (ST) Amisulprid + Bedarfsfokussierte Intervention (BFI) reduziert die Übergangsrate in eine Psychose gegenüber alleiniger BFI 25 30 ST BFI 20 21% 26% 20 15 10 10 KVT 0 0 100 200 300 Therapiephase 400 Amisulprid + BFI 8% 5 Log Rank Test p < 0.05 0 500 600 700 Tage Follow-up-Phase Bechdolf et al. , Eur Arch Psychiatry Clin Neurosci. 2006, 256:159-73 5% Log Rank Test p < 0.05 0 30 60 90 120 150 Therapiephase Ruhrmann et al. , Br J Psychiatry. 2007, 51:s88-95 180 Tage Schizophrenie: früh erkennen – optimal behandeln Schwerpunkt 2: Optimierung der Behandlung Ausgangssituation • Effektive Therapien für Schizophrenie verfügbar (bei ca. 70% der Fälle Symptomremission und Rückfallprophylaxe in der Akut- und Langzeittherapie) • Behandlungsleitlinie auf höchstem Evidenz-Niveau (S3) vorhanden (DGPPN mit KNS-Beteiligung erstellt) aber: • Unzureichende Therapieresponse • Nebenwirkungen • Nichtakzeptanz der Behandlung • Nicht leitliniengerechte Behandlung • … setzen der Therapie Grenzen und erfordern intensive Anstrengungen zu deren Überwindung Schizophrenie: früh erkennen – optimal behandeln Schwerpunkt 2: Optimierung der Behandlung Problemstellungen und Projektplan KNS • Unklare Evidenz bzgl. optimaler Substanzwahl u. Behandlungsdauer bei erstmaliger Erkrankung Systematische Evaluation von Akut- und Langzeitbehandlungsstrategien bei erstmals schizophren Erkrankten (Projekte Möller, Gaebel, Klingberg et al.) • Therapieansprechen im individuellen Fall nicht vorhersagbar Therapeutisches „Drug-Monitoring“ (Projekt Klimke) Identifizierung pharmakogenetischer Einflussfaktoren (Projekt Maier, Ackenheil/Rujescu, Mössner) • Das Alltagsleben einschränkende kognitive Beeinträchtigungen werden durch herkömmliche Therapie nicht verbessert Entwicklung innovativer kognitiver Rehabiliationsverfahren • Hoher Anteil von nicht leitliniengerechter Behandlung in der Praxis Implementierung leitlinienorientierter Qualitätssicherungsmaßnahmen (Projekt Wölwer, Vauth) (Projekte Janssen, Gaebel) Schizophrenie: früh erkennen – optimal behandeln Schwerpunkt 2: Optimierung der Behandlung Problemstellungen und Projektplan KNS • Unklare Evidenz bzgl. optimaler Substanzwahl u. Behandlungsdauer bei erstmaliger Erkrankung Systematische Evaluation von Akut- und Langzeitbehandlungsstrategien bei erstmals schizophren Erkrankten (Projekte Möller, Gaebel, Klingberg et al.) • Therapieansprechen im individuellen Fall nicht vorhersagbar Therapeutisches „Drug-Monitoring“ (Projekt Klimke) Identifizierung pharmakogenetischer Einflussfaktoren (Projekt Maier, Ackenheil/Rujescu, Mössner) • Das Alltagsleben einschränkende kognitive Beeinträchtigungen werden durch herkömmliche Therapie nicht verbessert Entwicklung innovativer kognitiver Rehabiliationsverfahren • Hoher Anteil von nicht leitliniengerechter Behandlung in der Praxis Implementierung leitlinienorientierter Qualitätssicherungsmaßnahmen (Projekt Wölwer, Vauth) (Projekte Janssen, Gaebel) Schizophrenie: früh erkennen – optimal behandeln Schwerpunkt 2: Optimierung der Behandlung Leitlinienimplementierung durch entscheidungsunterstützende Dokumentations-Software (EDS) Fragestellung: Lässt sich die Qualität der Behandlung schizophrener Patienten in der ambulanten Nervenarztpraxis durch die Einführung eines leitliniengestützten PC-Modul (EDS) und durch regelmäßige vergleichende Rückmeldungen (sog. Benchmarking) verbessern? Janssen et al. Nervenarzt 2006; 77:567-75 Schizophrenie: früh erkennen – optimal behandeln Schwerpunkt 2: Optimierung der Behandlung Leitlinienimplementierung durch entscheidungsunterstützende Dokumentations-Software (EDS) Fragestellung: Lässt sich die Qualität der Behandlung schizophrener Patienten in der ambulanten Nervenarztpraxis durch die Einführung eines leitliniengestützten PC-Modul (EDS) und durch regelmäßige vergleichende Rückmeldungen (sog. Benchmarking) verbessern? Janssen et al. Nervenarzt 2006; 77:567-75 Schizophrenie: früh erkennen – optimal behandeln Schwerpunkt 2: Optimierung der Behandlung Leitlinienimplementierung durch entscheidungsunterstützende Dokumentations-Software (EDS) Fragestellung: Lässt sich die Qualität der Behandlung schizophrener Patienten in der ambulanten Nervenarztpraxis durch die Einführung eines leitliniengestützten PC-Modul (EDS) und durch regelmäßige vergleichende Rückmeldungen (sog. Benchmarking) verbessern? # Fallbezogene, interaktive, EDVgestützte Leitlinienvermittlung Janssen et al. Nervenarzt 2006; 77:567-75 Schizophrenie: früh erkennen – optimal behandeln Schwerpunkt 2: Optimierung der Behandlung Leitlinienimplementierung durch entscheidungsunterstützende Dokumentations-Software (EDS) Fragestellung: Lässt sich die Qualität der Behandlung schizophrener Patienten in der ambulanten Nervenarztpraxis durch die Einführung eines leitliniengestützten PC-Moduls (EDS) und durch regelmäßige vergleichende Rückmeldungen (Benchmarking) verbessern? PC-gestützte Dokumentation + leitlinenbezogene Entscheidungsunter stützung (EDS) + Benchmarking PC+EDS 15 Praxen, 142 Patienten PC-gestützte Dokumentation PC 9 Praxen, 103 Patienten Papier-gestützte Dokumentation + Qualitätszirkel Papiergestützte Dokumentation PD+QZ PD 14 Praxen, 141 Patienten 1 Jahr Behandlung klinische Symptomatik, Rehospitalisierungsrate 16 Praxen, 136 Patienten Schizophrenie: früh erkennen – optimal behandeln Leitlinienimplementierung durch entscheidungsunterstützende Dokumentations-Software (EDS) hat einen positiven Einfluss auf die Leitlinientreue bei der Behandlung sowie auf die Qualität des Behandlungsergebnisses (u.a. schnellere Besserung der Symptomatik, weniger stationäre Wiederaufnahmen) Positivsymptomatik im Behandlungsverlauf Rehospitalisierungsrate 16% 15 14% 14 12% 13 PC+EDS 12 PC 11 10% 8% PD+QZ PD 10 6% 4% 9 2% 8 1. Visite 1. Quarter 2. Quarter 3. Quarter 4. Quarter Janssen et al. Eur Arch Psychiat Clin Neurosci in press 0% PC+EDS PC PD+QZ PD Schizophrenie: früh erkennen – optimal behandeln Fazit Die Förderung des KNS durch das BMBF hat erlaubt in größerem Maße horizontale Vernetzung (Forschungsinstitutionen untereinander) sowie vertikale Vernetzung (Kooperation mit Versorgungseinrichtungen) zu etablieren große, industrieunabhängige Therapieverlaufsstudien durchzuführen Klientel mit niedriger Prävalenz durch multizentrische Rekrutierung zu untersuchen (z.B. Risikopersonen, Ersterkrankte) substantielle strukturelle und inhaltliche Beiträge zu hochrelevanten Problemstellungen zu leisten (z.B. Früherkennung und –behandlung, Behandlungsoptimierung und Qualitätssicherung, Destigmatisierung schizophren Erkrankter) Inhaltliche Erfolge und strukturelle Vernetzung haben bereits dazu beigetragen eine Reihe von Folgeförderungen einzuwerben (6. EU-RP, BMBF-Verbünde für Psychotherapieforschung, BMBF/DFG-Programm Klinische Studien) strukturerhaltende Förderung am Ort der Netzwerkzentrale zu erhalten (W2-Professur durch Universität Düsseldorf, unentgeltliche Räume durch LVR-Klinikum Düsseldorf) das Netzwerk und dessen Schizophrenieforschung national und international sichtbar zu machen und als Ansprechpartner zu etablieren (z.B. Ausrichtung European Conference on Schizophrenia Research) Schizophrenie: früh erkennen – optimal behandeln Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!