Diplomarbeit SELEKTIVE SEROTONIN-REUPTAKEINHIBITOREN IN DER ANTIDEPRESSIVEN THERAPIE eingereicht von Wolfgang Novak Geb.Dat.: 28.09.1986 zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der gesamten Heilkunde (Dr. med. univ.) an der Medizinischen Universität Graz ausgeführt am Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie unter der Anleitung von Prof. Dr. Mag. Eckhard Beubler Ort, Datum ………………………….. (Unterschrift) Eidesstattliche Erklärung Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet habe und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Graz, am …… Unterschrift Gleichheitsgrundsatz: Zur Erleichterung der Lesbarkeit der Arbeit, wird das generische Maskulinum verwendet. i Danksagungen Ich danke meinem Betreuer Herrn Professor Eckhard Beubler, dass er mir ermöglicht hat, diese Diplomarbeit als ein persönliches Anliegen zu verwirklichen, ferner für die hilfreichen Inputs und die zielstrebige, unkomplizierte Zusammenarbeit. Meinen Eltern danke ich für die in jeder Hinsicht jahrelange Unterstützung, die mich durch das Studium getragen hat. Dem Bruder und den Freunden, deren direkte und indirekte Hilfestellungen mich bereichert und vorwärtsgebracht haben, gilt mein Dank. ii Zusammenfassung Steigenden Inzidenz- und Prävalenzzahlen depressiver Störungen stehen eine Reihe von Behandlungsmodalitäten gegenüber. Neben pharmakologischen Substanzen zählen hierzu psychotherapeutische Maßnahmen sowie biologische Verfahren, etwa die Elektrokrampftherapie, die Lichttherapie oder der Schlafentzug. Antidepressiva sind eine inhomogene Gruppe von Substanzen, unter denen sich die Selektiven Serotonin-ReuptakeInhibitoren (SSRI) als First-line-Medikamente bei Depressionen etabliert haben. Ihr Wirkmechanismus ist weit komplexer, als lange Zeit angenommen und bis heute noch nicht restlos geklärt. Neben der selektiven Blockierung des Serotonin-Transporters und den daraus resultierenden erhöhten Konzentrationen des Neurotransmitters im synaptischen Spalt, was adaptive Veränderungen auf Rezeptorebene zur Folge hat, kommt es über funktionale neuronale Verschaltungen auch zur Inhibition der dopaminergen und noradrenergen Transmission in speziellen Hirnregionen. Ferner bewirken SSRI eine verstärkte Expression von neurotrophen Faktoren, wodurch depressionsbedingte hirnorganische Degenerationen rückgängig gemacht werden können. Die Expression und Ausschüttung von Zytokinen und Kortisol, deren erhöhte Spiegel in der Depressiogenese eine Rolle spielen, werden unter SSRI-Gabe reduziert. Der Vorteil der SSRI gegenüber Antidepressiva der ersten Generation liegt in ihrem günstigeren Nebenwirkungsprofil, der hohen therapeutischen Breite und den niedrigeren Drop-out-Raten bei vergleichbarer Wirksamkeit. Die antidepressive Potenz der Pharmaka nimmt mit dem Schweregrad des depressiven Zustands zu, daneben sind sie bei Frauen geringfügig besser und bei älteren Patienten schlechter wirksam. Escitalopram und Sertralin zeichnen sich durch Wirksamkeitsvorteile gegenüber den anderen SSRI aus. Der große Nachteil, den SSRI mit sich bringen, sind ihre zahlreichen pharmakodynamischen und pharmakokinetischen Interaktionen. Hervorzuheben sind hierbei das potentiell lebensbedrohliche zentrale Serotoninsyndrom, das bei Kombinationen mit anderen serotonergen Wirkstoffen entstehen kann, die Verlängerung des QT-Intervalls mit der Gefahr von tachykarden Rhythmusstörungen etwa bei gleichzeitiger Verabreichung von trizyklischen Antidepressiva (TZA), und das erhöhte Blutungsrisiko bei Kombinationen mit gerinnungshemmenden Substanzen. Spricht ein Patient nicht auf einen ersten Behandlungsversuch mit SSRI an, erscheinen verschiedene Strategien erfolgversprechend: Der Wechsel auf einen anderen SSRI oder ein Antidepressivum anderer Klasse, ebenso Kombinations- und Augmentationstherapien. iii Psychotherapeutische Maßnahmen sowie die Elektrokrampftherapie können bei Therapieversagen zu jedem Zeitpunkt erwogen werden. iv Abstract Different treatment modalities of depressive disorders, which include pharmacological substances as well as psychotherapeutic and biologic treatments (electroconvulsive therapy, light therapy, sleep deprivation and more), are facing growing numbers of incidence and prevalence. Antidepressants are an inhomogeneous group of substances. One special class of them, the Selective Serotonin-Reuptake-Inhibitors (SSRI), became the first-choice medication for depression. Their effect mechanism is way more complex than was expected for a long time und remains to be unexplained in detail until today. By blocking the serotonin-transporter the extracellular concentration of serotonin in the central nervous system increases, which induces adaptive changes of receptor-profiles. Serotonergic neurons project in many brain-regions and therefore they influence other neurotransmitter-systems like the dopaminergic and noradrenergic system as well. Additionally SSRI increase the expression of several neuroplasticity factors. As a result, brain-degenerations of depressive patients can be reversed. Furthermore, SSRI decrease levels of cytokines and cortisol, which play a role in the development of depressive disorders. SSRI are as effective as first-generation antidepressants, however they have several advantages, like a better profile of side-effects, a greater therapeutic index and lower dropout rates. The more severe the depression is, the higher is their therapeutic impact. Women benefit slightly more from antidepressants and older people do not respond as well as adolescents and adults. Escitalopram und Sertraline seem to be more effective than other SSRI. One big disadvantage of this class of antidepressants is their high potential of pharmacodynamic and pharmacokinetic interactions. It seems reasonable to point out the risk of a potentially life-threatening central serotonin syndrome, when SSRI are combined with other serotonergic substances. In addition there is a danger of the prolongation of the QT-time, which increases the risk of tachycardic rhythm disturbances, when SSRI are administrated in combination with tricyclic antidepressants, and the higher risk of bleeding, when SSRI are administrated simultaneously with substances, which affect the aggregation of thrombocytes. If the first treatment trial with antidepressants is not successful, there are different strategies, which seem to be promising: Switching to another antidepressant from a different or the same class, as well as combination- and augmentation-strategies. The electroconvulsive therapy and psychotherapy can be considered at any time. v Inhaltsverzeichnis Danksagungen ....................................................................................................................... ii Zusammenfassung ................................................................................................................ iii Abstract .................................................................................................................................. v Inhaltsverzeichnis ................................................................................................................. vi Glossar und Abkürzungen .................................................................................................. viii Abbildungsverzeichnis ......................................................................................................... ix Tabellenverzeichnis ............................................................................................................... x 1 Depressive Störungen ...................................................................................................... 1 1.1 Begriffsbestimmung ................................................................................................. 1 1.2 Epidemiologie ........................................................................................................... 1 1.3 Ätiopathogenese ....................................................................................................... 2 1.3.1 Genetische Faktoren .......................................................................................... 2 1.3.2 Störungen der Neurotransmission ..................................................................... 3 1.3.3 Neuropathologische Befunde ............................................................................ 5 1.3.4 Neuroendokrinologische und immunologische Störungen ............................... 5 1.3.5 Chronobiologische Faktoren ............................................................................. 5 1.3.6 Persönlichkeitsfaktoren und Einfluss von Life-events ...................................... 6 1.3.7 Somatische Faktoren ......................................................................................... 6 1.4 Symptomatik............................................................................................................. 7 1.4.1 Psychische Symptome ....................................................................................... 7 1.4.2 Psychomotorische Symptome ........................................................................... 7 1.4.3 Somatische Symptome ...................................................................................... 7 1.4.4 Depressionsformen ............................................................................................ 8 1.5 Diagnostik ................................................................................................................. 8 1.5.1 Diagnosekriterien und Klassifikation ................................................................ 9 1.5.2 Differentialdiagnosen ........................................................................................ 9 1.6 Therapeutische Optionen ........................................................................................ 10 1.6.1 Medikamentöse Therapie ................................................................................ 10 1.6.1.1 Nichtselektive Monoaminwiederaufnahmehemmer ................................. 11 1.6.1.2 Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) ............................... 11 1.6.1.3 Noradrenalinwiederaufnahmehemmer ..................................................... 12 1.6.1.4 Serotonin- und Noradrenalinwiederaufnahmehemmer (SNRI) ................ 12 1.6.1.5 Noradrenalin- und Dopaminwiederaufnahmehemmer (NDRI) ................ 13 1.6.1.6 Noradrenalin- und Serotoninspezifisches Antidepressivum (NaSSA) ..... 13 1.6.1.7 Monoaminooxidasehemmer (MAOH) ..................................................... 13 1.6.1.8 Andere Wirkprinzipien ............................................................................. 14 1.6.2 Psychotherapie ................................................................................................. 15 1.6.3 Andere Therapiestrategien ............................................................................... 15 1.6.3.1 Schlafentzug ............................................................................................. 16 1.6.3.2 Lichttherapie ............................................................................................. 16 1.6.3.3 Elektrokrampftherapie .............................................................................. 16 2 Selektive Serotonin-Reuptake-Inhibitoren .................................................................... 18 2.1 Die Wirkstoffe und ihr pharmakodynamisches und -kinetisches Profil ................. 18 2.1.1 Citalopram ....................................................................................................... 19 2.1.2 Escitalopram .................................................................................................... 20 2.1.3 Fluoxetin .......................................................................................................... 20 2.1.4 Fluvoxamin ...................................................................................................... 21 2.1.5 Paroxetin .......................................................................................................... 21 vi 2.1.6 Sertralin ........................................................................................................... 22 2.2 Die Wirkmechanismen im Detail ........................................................................... 22 2.3 Wirksamkeit ........................................................................................................... 27 2.3.1 Vergleich der SSRI untereinander ................................................................... 29 2.3.2 Vergleich von SSRI und anderen Antidepressiva ........................................... 31 2.3.3 Vergleich SSRI und Psychotherapie................................................................ 32 2.3.4 Genetische Einflussgrößen auf die Response .................................................. 32 2.3.5 Geschlechtsspezifische Unterschiede .............................................................. 33 2.4 Nebenwirkungen, Komplikationen und Intoxikation ............................................. 34 2.4.1 Typische SSRI-Nebenwirkungen .................................................................... 34 2.4.2 Besonderheiten im Nebenwirkungsprofil der einzelnen SSRI ........................ 36 2.4.3 Suizidalität ....................................................................................................... 37 2.4.4 Zentrales Serotoninsyndrom ............................................................................ 39 2.4.5 Blutungen ........................................................................................................ 39 2.4.6 Intoxikation...................................................................................................... 40 2.5 Interaktionen und Kontraindikationen .................................................................... 41 2.6 SSRI im Gesamtbehandlungskonzept der antidepressiven Therapie ..................... 44 2.6.1 Akuttherapie .................................................................................................... 45 2.6.1.1 Vorgehen bei Therapieversagen ............................................................... 47 2.6.2 Erhaltungstherapie ........................................................................................... 49 2.6.3 Prophylaktische Therapie ................................................................................ 49 2.6.4 Therapie der Dysthymie .................................................................................. 50 2.6.5 Therapie in der Schwangerschaft und Stillperiode .......................................... 51 2.6.6 Therapie bei Kindern und Jugendlichen .......................................................... 52 2.6.7 Therapie bei älteren Patienten ......................................................................... 52 3 Conclusio ....................................................................................................................... 54 4 Literaturverzeichnis ....................................................................................................... 57 vii Glossar und Abkürzungen 5-HT 5-Hydroxytryptamin = Serotonin ACTH Adrenokortikotropin BDNF Brain-derived neurotrophic factor CT Computertomographie CYP Cytochrom-P-450 DALYs Disability adjusted life years EEG Elektroenzephalogramm EKG Elektrokardiogramm EKT Elektrokrampftherapie GABA Gamma-Aminobuttersäure ICD-10 10. Revision der International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems MAO Monoaminooxidase MAOH Monoaminooxidasehemmer MR Magnetresonanztomographie NaSSA Noradrenerg/spezifisch serotonerges Antidepressivum NDRI Noradrenalin-Dopamin-Reuptake-Inhibitors NSAR Nicht-steroidale Antirheumatika OR Odds-Ratio SARI Selective 5-HT2-Antagonist and Reuptake-Inhibitors SNRI Serotonin-Noradrenalin-Reuptake-Inhibitors SSRI Selective Serotonin-Reuptake-Inhibitors TZA Trizyklische Antidepressiva viii Abbildungsverzeichnis Abbildung 1-1 Serotonin Stoffwechsel (nach Marije aan het Rot et al (6)) .......................... 4 Abbildung 2-1 Chemische Strukturen der einzelnen SSRI (nach DeVane (15)) ................ 19 Abbildung 2-2 Projektionsfasern serotonerger Neurone im ZNS (nach Kriegebaum (16)) 23 Abbildung 2-3 Wirkprinzip der SSRI (nach Riederer et al. (14)) ....................................... 24 Abbildung 2-4 Die Wirkungen der SSRI im Überblick (nach Kroeze et al. (19)) .............. 27 Abbildung 2-5 Responseraten auf SSRI/SNRI in Abhängigkeit des Schweregrades der depressiven Störung (nach Melander et al. (27)) ......................................................... 28 Abbildung 2-6 Vergleich von Escitalopram und anderen SSRI (nach Kennedy et al. (29)) ..................................................................................................................................... 30 Abbildung 2-7 Vergleich von Escitalopram und anderen SSRI in Abhängigkeit des Schweregrades der depressiven Störung (nach Kennedy et al. (29)) .......................... 30 Abbildung 2-8 Vergleich von zwölf Antidepressiva der neuen Generation (nach Cipriani et al. (30)) ........................................................................................................................ 31 Abbildung 2-9 Altersabhängigkeit des Suizidrisikos unter SSRI (nach Barbui et al. (41)) 38 Abbildung 2-10 Krankheits- und Behandlungsphasen (nach Bauer et al. (47)) .................. 45 Abbildung 2-11 Vorgehen bei unzureichender Response (nach Bauer et al. (47)) ............. 48 ix Tabellenverzeichnis Tabelle 1-1 Antidepressiva und deren relative Affinität zu den entsprechenden Rezeptoren (modifziert nach E. Beubler (13))................................................................................ 15 Tabelle 2-1 Beeinflussung der CYP-Enzyme durch SSRI (modifiziert nach Kasper et al. (4)) ............................................................................................................................... 41 x 1 Depressive Störungen 1.1 Begriffsbestimmung Der heute gebräuchliche Begriff der Depression wurde erstmals in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der medizinischen Nomenklatur verwendet, wobei damit eine psychische Beeinträchtigung im Sinne einer Minussymptomatik gemeint war. Schon davor wurde im Rahmen der Antiken Vier-Säfte-Lehre im Corpus-hippocraticum die Melancholie als ein mutlos-trauriger Gemütszustand beschrieben. Im Lauf der Jahrhunderte wurden zahlreiche Definitionsversuche und Einteilungen unternommen, die schließlich in der aktuellen Version der International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems (ICD-10) der WHO münden. Hierin werden die unterschiedlichen Depressionsformen mit all ihren Subtypen nach rein deskriptiven Gesichtspunkten wie etwa Symptomatik, Schweregrad und Verlauf typisiert. (1) Die Depressive Störung gliedert sich ein in die Gruppe der Affektiven Störungen, die eine krankhafte Veränderung der Stimmungslage meinen. Im Gegensatz zu Bipolaren Erkrankungen, bei denen es neben depressiven auch zu manischen Phasen kommt, wird sie als unipolar bezeichnet, um danach weiter spezifiziert und zergliedert zu werden. Eine detailliertere Klassifizierung der Depressiven Störung wird in einem späteren Kapitel der Arbeit unternommen. 1.2 Epidemiologie Depressionen zählen zu den häufigsten psychiatrischen Störungen und nehmen darüber hinaus auch unter allen sonstigen Erkrankungen eine herausragende Bedeutung ein. Die Lebenszeitprävalenz wurde in einer großen deutschen Studie, deren Ergebnisse durchaus auf Österreich übertragbar sind, mit 17,1% angegeben, wobei Frauen weitaus häufiger betroffen sind. Die Wahrscheinlichkeit einer Frau, im Lauf ihres Lebens an Depressionen zu erkranken, liegt bei 23,3%, die der Männer bei lediglich 11,1%. Neben dem Geschlecht ließen sich auch weitere Risikofaktoren ermitteln: So haben etwa Geschiedene, Getrennte oder Verwitwete ein ungleich höheres Risiko als Verheiratete und Singles; Arbeitslose erkranken mehr als doppelt so häufig an Depressionen als Vollzeitbeschäftigte und auch ein niedriger sozialer Status und schlechter Gesundheitszustand sind mit höheren 1 Erkrankungszahlen assoziiert. (2) Bei Betrachtung der ökonomischen Dimension depressiver Störungen belasten die hohen Prävalenz- und steigenden Inzidenzzahlen die Volkswirtschaften in zunehmendem Maß. Neben den direkten Behandlungskosten ergeben sich auch indirekte Kosten wie etwa durch Krankenstände oder durch unnötige somatische Untersuchungen, die nicht erkannte Depressionen oft nach sich ziehen. (1) Weltweit sind heute depressive Störungen mit 10,7% die häufigste Ursache für Erwerbsunfähigkeit. (3) Etwa 70% aller Suizide sind auf Depressionen zurückzuführen. Ein weiteres Problem ist die Unterdiagnostizierung: 1225% aller Patientin, die einen Hausarzt aufsuchen, leiden an Depressionen, davon bleibt der Großteil unerkannt und erhält also keine entsprechende Therapie. Selbst jene Patienten, die vom Hausarzt zwar als depressiv identifiziert und behandelt, nicht aber an den Psychiater weiterüberwiesen werden, erhalten zumeist keine ausreichende Dosierung der verschriebenen Antidepressiva. (4) In der Global Burden of Disease Study wurde das DALY-Konzept eingeführt. Die Abkürzung steht für Disability-Adjusted Life Years und ist ein Maß für die Beeinträchtigung, die durch Krankheiten verursacht wird. Es berücksichtigt nicht allein die durch frühzeitigen Tod verlorenen, sondern auch die mit Behinderung gelebten Lebensjahre. Im Zeitraum von 1990 bis 2020 werden depressive Störungen weltweit im Ranking der Krankheitslast - gemessen in DALYs - vom 4. auf den 2. Platz vorstoßen, wobei deren Bedeutung in der westlichen Welt weitaus größer ist als in Entwicklungsländern. (3) 1.3 Ätiopathogenese Es wird heute von einer multifaktoriellen Genese unipolarer Störungen ausgegangen. Ob man also an einer Depression erkrankt, hängt von verschiedenen biologischen, psychologischen und sozialen Faktoren ab, die miteinander interagieren und sich beeinflussen. 1.3.1 Genetische Faktoren Depressive Zustandsbilder zeigen eine familiäre Häufung, die in Familien-, Zwillings- und Adoptionsstudien bewiesen werden konnte. Kinder depressiver Eltern haben ein zwei- bis 2 dreifach erhöhtes Risiko, im Laufe ihres Lebens selbst zu erkranken. Die Konkordanzrate eineiiger Zwillinge liegt zwischen 40 und 50%. In neueren Studien ist man dazu übergegangen, nach den spezifischen Genloci, die zu Depressionen disponieren, zu suchen. So wurde beispielsweise die Promoterregion des Serotonin-Transporter-Gens genau untersucht. Entgegen aller Hoffnungen der letzten Jahre konnte bisher allerdings kein einzelner Gen-Polymorphismus ausgemacht werden, der sich für die Depressiogenese allein verantwortlich machen lässt. Vielmehr wird heute davon ausgegangen, dass die Kombination einer Vielzahl von Genen, die für sich jeweils nur einen kleinen Effekt haben, in Summe ein Risiko darstellen, an einer Depression zu erkranken. (5) 1.3.2 Störungen der Neurotransmission Schon in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde die Serotonin- bzw. Nordadrenalinmangelhypothese, wonach erniedrigte Werte dieser beiden Neurotransmitter im Gehirn Depressionen auslösen, aufgestellt. Ihre zentrale Stellung in der Depressionsgenese wurde folgend vor allem durch die Aufklärung des Wirkmechanismus von Antidepressiva - nämlich eine Anhebung ihrer Konzentrationen im synaptischen Spalt - gestützt. (1) Der neuronale Serotonin-Stoffwechsel stellt sich dabei folgendermaßen dar: Aus Tryptophan wird über die Tryptophan-Hydroxylase Serotonin gebildet, das anschließend in Vesikeln verpackt wird, um danach bei Depolarisation in den synaptischen Spalt entleert zu werden. Beispielsweise über Serotonin-2A-Rezeptoren überträgt es die Erregung an das nachfolgende Neuron. Gleichzeitig besteht ein Serotonin-1A-Rezeptor vermittelter Feedback-Mechanismus, der die Ausschüttung steuert. Über eigene Transporter wird Serotonin schließlich wieder zurück in das präsynaptische Neuron geschleust, wo es entweder über die Monoaminoxidase (MAO) abgebaut oder neuerlich in Vesikeln verpackt wird (siehe Abbildung 1.1). (6) 3 Abbildung 1-1 Serotonin Stoffwechsel (nach Marije aan het Rot et al (6)) Die Veränderungen im Rahmen depressiver Störungen beschränken sich allerdings nicht nur auf den Metabolismus der Transmitter, sondern umfassen auch Adaptionsprozesse auf Rezeptorebene. So steigern sich etwa durch die niedrige Neurotransmitterkonzentration die Dichte und Empfindlichkeit der Rezeptoren. (7) Über Signaltransduktionsmechanismen kommt es ferner zu veränderten Genexpressionsmustern in den betreffenden Neuronen. (1) Mittlerweile geht man davon aus, dass nicht allein Serotonin und Noradrenalin für die Depressionsgenese verantwortlich gemacht werden können, sondern das eine weit umfassendere Imbalance verschiedenster Neurotransmitter vorliegt. Eine Verringerung des Dopaminumsatzes und der GABAergen (gamma-Aminobuttersäure) Funktion sowie eine erhöhte Glutamat-Konzentration konnten bei Depressiven nachgewiesen werden. (1) 4 1.3.3 Neuropathologische Befunde Hirnorganische Untersuchungen der letzten Jahre, die eine Atrophie in limbischen Strukturen bei depressiven Patienten nachgewiesen haben, haben zur Formulierung der neurotrophen Hypothese geführt: Demnach soll Stress zu einer verminderten Expression von Brain-Derived Neurotrophic Factor (BDNF) und anderen neurotrophen Faktoren führen, was wiederum die Neurogenese in der Amygdala, im Hippocampus und präfrontalen Kortex einschränkt. Unter antidepressiver Therapie - etwa mit SSRI - kann es zu einer Normalisierung der Genexpression neurotropher Faktoren und damit zu einer Volumenszunahme der betroffenen Hirnregionen kommen. Dass dieser Effekt neben den oben beschriebenen Adaptionsprozessen auf Rezeptorebene in Zusammenhang mit dem verzögerten Wirkungseintritt von antidepressiven Wirkstoffen beiträgt, wird diskutiert. (8) 1.3.4 Neuroendokrinologische und immunologische Störungen Im Rahmen einer depressiven Störung kann es zu Veränderungen der Hormonausschüttung kommen. So ist etwa die Kortisol-Sekretion (mit all ihren negativen Auswirkungen) bei der Mehrzahl der Patienten als Ausdruck einer Stress-Reaktion erhöht. Ebenso kann die Hypothalamus-Hypophysen-Schilddrüsenachse im Sinne einer Hypothyreose gestört sein. (9) In den letzten Jahren sind darüber Zytokine, die bei Depressiven vermehrt ausgeschüttet werden und proinflammatorisch wirken, zunehmend in den Fokus der Forschung geraten. (1) 1.3.5 Chronobiologische Faktoren Zum einen besteht bei einem Teil der Depressionen eine saisonale Rhythmik mit Häufung in den Herbst- und Frühjahrsmonaten und zum anderen kann es zu zirkadianen Rhythmusstörungen im Sinne von Tageschwankungen mit Morgenpessimum und Durchschlafstörungen kommen. Häufig finden sich bei diesen Patienten weniger Tiefschlafphasen und eine kürzere REM-Latenz. (10) 5 1.3.6 Persönlichkeitsfaktoren und Einfluss von Life-events Bei der überwiegenden Mehrzahl der Patienten findet sich biographisch ein der Depression unmittelbar vorangehendes Negativ-Erlebnis. Beispielsweise kann der Verlust des Partners durch Tod oder Arbeitsplatzverlust Trennung, Auslöser Entwurzelung, sein. Der von anhaltende Konflikte oder Tellenbach beschriebene der „Typus melancholicus“ soll hierbei zu Depressionen prädisponieren: Dieser zeichnet sich durch Charaktereigenschaften wie Genauigkeit, Ordentlichkeit, Fleiß und Pflichtbewusstsein aus. Darüber hinaus wurden von den verschiedenen psychotherapeutischen Schulen jeweils unterschiedliche Modelle zur Depressiogenese postuliert, die aber an dieser Stelle zu weit führen würden und darum ausgespart werden. (9) 1.3.7 Somatische Faktoren Einige Erkrankungen zeigen eine klare Assoziation zu depressiven Zustandsbildern beziehungsweise können diese auslösen, weshalb ein sorgfältiger Ausschluss von somatischen Erkrankungen differentialdiagnostisch unerlässlich ist. Die Liste ist lang beispielhaft sollen hier erwähnt werden: Epilepsie, Hirntumore, Schädel-Hirn-Traumata, Morbus Parkinson, Multiple Sklerose, zerebrovaskuläre Erkrankungen, Hypo- und Hyperthyreose, Lupus erythematodes, Sarkoidose, Alkoholismus, prämenstruelles Syndrom und Klimakterium, Leberzirrhose, entzündliche Darmerkrankungen, Anämien. (10) Ebenso können Depressionen pharmakogen ausgelöst werden. Beispiele hierfür sind: Reserpin (ein Stoff, der unter anderem die Konzentrationen von Serotonin und Noradrenalin im synaptischen Spalt vermindert!), alpha-Methyldopa, L-Dopa, Glukokortikoide, ACTH, Indometacin, Chloroquin, diverse Antibiotika wie Sulfonamide, Interferon, Hydantoin, Clonazepam, Neuroleptika. (10) 6 1.4 Symptomatik Das depressive Zustandsbild kann vielgestaltig sein und in seiner jeweiligen Ausprägung variieren. Allgemein umfasst es drei Symptomgruppen: Psychische, psychomotorische und somatische Symptome. 1.4.1 Psychische Symptome Eine zentrale Position nehmen Gefühle der Traurigkeit, Interessen- und Freudlosigkeit sowie eine allgemein gedrückte Stimmungslage ein. Oftmals können Tagesschwankungen ausgemacht werden, wobei das typische „Morgenpessimum“ mit Besserung gegen Abend auftritt. Ferner zählen zu dieser Gruppe: Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, Schuldgefühle, Angstzustände, Insuffizienzgefühle und Hoffnungslosigkeit. Häufiges Grübeln als auch eine Denkhemmung kann die Depression begleiten, ebenso wiederkehrende Suizidgedanken. Bei etwa 50% der Betroffenen lässt sich nach Schätzungen ein Selbstmordversuch erheben, bis zu 10% versterben durch Suizid. (9) 1.4.2 Psychomotorische Symptome Der Antrieb kann sowohl reduziert als auch gesteigert sein in Form einer inneren Unruhe und Rastlosigkeit, die als quälend empfunden wird. Typischerweise sind die Patienten jedoch gehemmt, erschöpft und energielos. Sie geben sich wortkarg und teilnahmslos. Dieser Zustand kann sich bis zum Bild eines depressiven Stupors, einer Art universeller Starre mit ausgeprägter Teilnahms- und Regungslosigkeit, steigern. (9) 1.4.3 Somatische Symptome So gut wie immer treten Schlafstörungen im Sinne einer zirkadianen Rhythmusstörung auf. Die Betroffenen berichten, nur verzögert ein- und selten durchschlafen zu können. Weiters kann es zu Gewichtsverlusten bei vermindertem Appetit, Obstipation, Libidomangel und Potenzstörungen sowie Schwindel- und Engegefühlen kommen. Häufig präsentieren sich 7 die Patienten mit im Vordergrund stehenden somatisierten Schmerzen, die erst lange abgeklärt werden, ehe man dahinter die Depression entdeckt. (1) 1.4.4 Depressionsformen Nach deskriptiv-phänomenologischen Gesichtspunkten können je nach Gewichtung der Symptome verschiedene Depressionsformen unterschieden werden: wahnhafte, melancholische, somatisierte, gehemmte, agitiert-ängstliche, atypische (mit Symptome wie gesteigertem Appetit, exzessiver Kränkbarkeit und erhöhtem Schlafbedürfnis), anankastische (bei der Zwänge im Vordergrund stehen) und nihilistische Depression. Bei letzterer ist der Patient davon überzeugt, tot zu sein. (9) Andere Sonderformen sind die postpartale Depression, die bei Müttern in den Monaten nach der Geburt auftreten, die saisonale Depression, die sich wiederkehrend in den Herbstund Wintermonaten einstellt und von der überwiegend Frauen betroffen sind, weiters die Altersdepression, die häufig von hypochondrischen Befürchtungen, vegetativen und kognitiven Störungen dominiert wird. (1) Die nach ICD-10 eigens klassifizierte Dysthymie ist ebenso eine Sonderform unipolar-affektiver Störungen, bei der es sich um eine chronische depressive Verstimmtheit handelt, die jedoch nicht so stark ausgeprägt ist wie das Vollbild einer Depression. Sie beginnt zumeist im späten Adoleszentenalter, wobei sich die Betroffenen traurig, müde und unzulänglich fühlen und schlecht schlafen. (10) In den letzten Jahren sind geschlechtsspezifische Unterschiede des depressiven Erscheinungsbildes zunehmend in den Fokus getreten. So stehen beim Mann andere Charakteristika wie geringe Stresstoleranz und Impulskontrolle, erhöhte Risikobereitschaft, antisoziales Verhalten, depressive Denkinhalte, Unruhe und Unzufriedenheit sowie Aggressivität und häufiger Substanzabusus im Vordergrund. Diese lange Zeit nicht definierten Charakteristika einerseits und ein tendenziell mangelndes Hilfesuchverhalten der Männer andererseits haben eine deutliche Unterdiagnostizierung von Depressionen bei Männern zur Folge. (4) 1.5 Diagnostik Die Diagnose einer depressiven Störung wird primär klinisch gestellt. Unerlässliches Rüstzeug dafür sind die psychopathologische Befunderhebung und das eingehende 8 Anamnesegespräch, das unter anderem ätiologische Hinweise aufdecken oder Rückschlüsse auf den Verlauf zulassen kann. (1) Darüber hinaus gibt es - nachdem Studien alarmierende Zahlen bei der Unterdiagnostizierung und Unterversorgung depressiver Patienten in den hausärztlichen Praxen belegten - einfache Screening-Fragebögen, die erste Hinweise auf die korrekte Diagnose geben sollen. (9) 1.5.1 Diagnosekriterien und Klassifikation Zur Diagnosestellung wird die ICD-10-Definition herangezogen. Diese unterscheidet Hauptsymptome und Zusatzsymptome, die je nach Schweregrad vorliegen müssen, um die Diagnose einer depressiven Störung zu erfüllen. Ein weiteres unerlässliches Kriterium stellt die Persistenz der Beschwerden von mindestens zwei Wochen dar. (4) Die drei Hauptsymptome sind: Depressive Stimmung, Freudlosigkeit, Antriebsstörung/rasche Ermüdbarkeit. Die Liste der Zusatzsymptome ist länger und lässt Raum für die individuell stark variierenden Beschwerden der Patienten. Sie umfasst unter anderem: Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen, vermindertes Selbstwertgefühl, Schuldgefühle, pessimistische Zukunftsperspektiven, Suizidgedanken und -handlungen, Schlafstörungen, verminderten Appetit. (1) Hierbei werden drei Schweregrade unterschieden: - leichte depressive Episode (zwei Haupt- und zwei Zusatzsymptome) - mittelgradige depressive Episode (zwei Haupt- und drei bis vier Zusatzsymptome) - schwere depressive Episode (alle drei Haupt- und mehr als vier Zusatzsymptome) Lässt sich anamnestisch zumindest eine frühere Krankheitsphase erheben, spricht man von rezidivierenden depressiven Episoden. Affektive Störungen, zu denen neben den unipolaren Erkrankungen auch bipolare Erkrankungen (mit manischen Episoden) zählen, werden im ICD-10 mit F30-F39 kodiert. 1.5.2 Differentialdiagnosen Um in erster Linie eine organische Ursache auszuschließen, ist es unerlässlich, nach der psychopathologischen Befunderhebung weitere diagnostische Schritte einzuleiten. Dazu zählen ein neurologischer und internistischer Status, ein Basislabor, das auch den 9 Hormonstatus einschließt, sowie ein EEG und gegebenenfalls eine Computertomographie (CT) oder eine Magnetresonanztomographie (MR). (1) Differntialdiagnostisch kommen neben den somatisch begründbaren Depressionen vor allem psychiatrische Krankheitsbilder in Frage. Die Frage nach früheren Phasen gehobener Stimmung als Abgrenzung zu bipolaren Erkrankungen ist obligater Bestandteil des Anamnesegesprächs. Ebenso muss auf psychotische Symptome Acht gegeben werden, um eine mögliche schizoaffektive Störung oder auch Schizophrenie, die häufig mit depressiven Symptomen vergesellschaftet ist, auszuschließen. Angst- und Panikstörungen zeigen eine häufige Komorbidität mit beziehungsweise können Ängste im Rahmen einer Depression auftreten - eine exakte Abgrenzung ist nicht immer möglich. Gleichermaßen kann sich die Trennung von Anpassungsstörungen, bei denen es sich um Trauerreaktionen in Zusammenhang mit belastenden Ereignissen handelt, als schwierig gestalten. (1) 1.6 Therapeutische Optionen Das therapeutische Spektrum umfasst medikamentöse, psychotherapeutische und eine Reihe anderer Maßnahmen wie die Elektrokrampftherapie (EKT), Lichttherapie, den Schlafentzug und die Forcierung körperlicher Aktivität. Basis ist dabei jeweils das stützende ärztliche Gespräch, bei dem zu Beginn unter Einbeziehung des Patienten ein Behandlungsplan erstellt wird. Der Abschätzung des Suizidrisikos und der eventuellen Notwendigkeit eines stationären Aufenthalts kommt hierbei größte Bedeutung zu. (1) Dieses Kapitel soll lediglich einen Überblick über die mannigfaltigen Möglichkeit, die miteinander kombiniert oder nicht - zur Verfügung stehen, geben. Eine genauere Auseinandersetzung mit der antidepressiven Therapie und den pharmakologischen Strategien folgt dann im zweiten Teil der Arbeit. 1.6.1 Medikamentöse Therapie In den letzten Jahrzehnten sind eine beträchtliche Zahl an Antidepressiva auf den Markt gekommen. Es handelt sich dabei um eine heterogene Gruppe von Wirkstoffen, denen ein stimmungsaufhellender und antriebsverbessernder Effekt gemeinsam ist, indem sie mitunter die Konzentrationen von spezifischen Neurotransmittern im Gehirn anheben. (11) Ihre Indikationsgebiete - besonders jene der SSRI - haben sich ebenso beständig erweitert 10 und reichen weit über das Feld der affektiven Störungen hinaus. Ein großer Nachteil aller bisher bekannten Präparate liegt in ihrem verzögerten antidepressiven Wirkungseintritt, mit dem erst nach etwa ein bis drei Wochen zu rechnen ist. Die früher übliche Einteilung in trizyklische, tetrazyklische und chemisch neuartige Antidepressiva orientierte sich an deren chemischer Struktur. Heute hingegen wird eine Klassifikation der Wirkstoffe anhand der jeweiligen Angriffspunkte im ZNS bevorzugt. (11) 1.6.1.1 Nichtselektive Monoaminwiederaufnahmehemmer In dieser Gruppe sind überwiegend trizyklische Antidepressiva (TZA) zusammengefasst, die ihren Namen einem gemeinsamen hydrophoben dreigliedrigen Ringsystem verdanken. Die beiden Leitsubstanzen sind Amitriptylin und Imipramin. Daneben existieren noch Doxepin, Trimipramin, Clomipramin, Nortriptylin, Opipramol, Dosulepin und Desipramin, welche sich zum Teil nicht mehr im Handel befinden. Sie zählen zu den Antidepressiva der ersten Generation und entfalten ihre Wirkung über eine nichtselektive Wiederaufnahmehemmung von Noradrenalin und Serotonin im ZNS. Die Achillesferse dieser Substanzgruppe ist allerdings, dass sie zentral und peripher auch auf andere Rezeptoren wirken und zahlreiche Interaktionen haben. Es ergibt sich ein buntes Nebenwirkungsprofil, das deren Einsatz limitiert, mit Störungen beispielsweise des vegetativen Nervensystems in Form anticholinerger Effekte: Störungen der Erregungsausbreitung im Herzen mit typischen EKG-Veränderungen, orthostatische Hypotension, Mundtrockenheit und Blasenentleerungsstörungen. Längerfristig können Obstipation, Sehstörungen, Tremor und delirante Zustände hinzukommen. Das prokonvulsive Risiko steigt. Zuletzt ist auch die therapeutische Breite dieser Substanzen nicht so groß wie etwa bei neueren Antidepressiva, sodass es vor allem bei suizidgefährdeten Patienten zu lebensbedrohlichen Vergiftungen kommen kann. (12) 1.6.1.2 Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) Im Unterschied zu trizyklischen Antidepressiva hemmen SSRI selektiv die Wiederaufnahme von Serotonin, was eine Anhebung der Transmitter-Konzentration im synaptischen Spalt zur Folge hat, und wirken sonst kaum bis gar nicht auf andere 11 Rezeptoren. Dadurch ergibt sich bei vergleichbarem antidepressiven Effekt ein jedoch wesentlich günstigeres Nebenwirkungsprofil. Um nicht vorzugreifen, seien an dieser Stelle lediglich orientierend die Wirkstoffe genannt: Escitalopram, Citalopram, Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin und Sertralin. 1.6.1.3 Noradrenalinwiederaufnahmehemmer Diese Gruppe ist heterogener: Reboxetin ist ein selektiver Noradrenalinwiederaufnahmehemmer ohne Effekt auf andere Rezeptoren. Im Vergleich mit SSRI schneidet Reboxetin allerdings bei geringerer Wirksamkeit und Verträglichkeit schlechter ab, sodass es sich möglicherweise besser als Zusatzmedikation bei unzufrieden stellendem Therapieeffekt von anderen Antidepressiva eignet. Sehr häufig beobachtete Nebenwirkungen sind beispielsweise Schlaflosigkeit, Benommenheit, Mundtrockenheit, Obstipation und Schwitzen, was in erster Linie auf sympathomimetische Effekte durch die erhöhten Noradrenalin-Konzentrationen zurückzuführen ist. (11) Weiters sind den Noradrenalinwiederaufnahmehemmern die beiden Tetrazyklika der zweiten Generation Maprotilin und Mianserin zuzuordnen. Ersteres wirkt relativ selektiv auf Noradrenalin-Rezeptoren und weist nur geringere anticholinerge Nebenwirkungen als die üblichen tetrazyklischen Antidepressiva auf. Bei Mianserin, das auch stärker auf Histamin- und Serotonin-Rezeptoren einwirkt und alpha1- und alpha2-antagonistische Effekte aufweist, sind diese wiederum deutlicher ausgeprägt. (11) 1.6.1.4 Serotonin- und Noradrenalinwiederaufnahmehemmer (SNRI) Hierzu zählen Milnacipran, Duloxetin und Venlafaxin. Letzteres hemmt erst in hohen Dosen zusätzlich zur Serotonin- auch die Noradrenalinwiederaufnahme. SNRI zeichnen sich durch ihre gute Verträglichkeit bei vergleichbarem therapeutischen Effekt mit SSRI aus und werden auch bei anderen psychiatrischen Störungen eingesetzt, etwa bei Angstund Panikstörungen. Eine bessere Wirksamkeit von Duloxetin bei körperlichen Schmerzen im Rahmen depressiver Zustandsbilder wird diskutiert. Venlafaxin soll möglicherweise ebenso wie Sertralin, Escitalopram und Mirtazapin eine höhere antidepressive Potenz besitzen und kann bei Versagen von SSRI eingesetzt werden. (11) 12 1.6.1.5 Noradrenalin- und Dopaminwiederaufnahmehemmer (NDRI) Bupropion ist der derzeit einzige Wirkstoff, der selektiv die Aufnahme von Noradrenalin und Dopamin hemmt und andere Rezeptoren nur minimal beeinflusst. Es handelt sich dabei um ein nichtsedierendes Antidepressivum mit guter Wirksamkeit und Verträglichkeit, weist allerdings relativ viele Interaktionen auf. Es ist neben affektiven Störungen auch in der Behandlung neuropathischer Schmerzen und zur Raucherentwöhnung zugelassen. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Schlaflosigkeit, Übelkeit und Erbrechen, Kopfschmerzen und Mundtrockenheit. (11) 1.6.1.6 Noradrenalin- und Serotoninspezifisches Antidepressivum (NaSSA) Mirtazapin antagonisiert die zentralen präsynaptischen alpha-Rezeptoren, wodurch es zur indirekten Steigerung der serotonergen und noradrenergen Neurotransmission kommt. Ebenso wirkt es stark antihistaminerg. Es verfügt über eine sehr gute Wirksamkeit, ist interaktionsarm und eine heute wichtige Alternative zu neueren Antidepressiva. Seinen sedierenden, schlafanstoßenden Effekt macht man sich bei depressionsbedingten Schlafstörungen zunutze. Die bedeutendste Nebenwirkung ist eine Appetitsteigerung mit konsekutiver Gewichtszunahme, hingegen werden bei Mirtazapin im Gegensatz zu trizyklischen Antidepressiva und SSRI selten sexuelle Funktionsstörungen beobachtet. (11) 1.6.1.7 Monoaminooxidasehemmer (MAOH) Monoaminooxidasen sind intrazelluläre Enzyme, die den Abbau von Serotonin und Noradrenalin besorgen. Ihre Hemmung durch die Wirkstoffe Moclobemid und Tranylcypromin bewirkt eine Konzentrationssteigerung biogener Amine im ZNS. (12) Während ersterer ein reversibler Hemmer lediglich der Monoaminooxidase vom Typ A ist und in seiner Wirkung schnell wieder nachlässt, ist Tranylcypromin ein irreversibler Hemmstoff sowohl der Monoaminooxidase vom Typ A als auch vom Typ B mit Wirkung auf eine Reihe anderer Transmittersysteme und Wirkungsabschwächung erst nach frühestens sieben Tagen nach Absetzen. Kombinationen mit SSRI oder SNRI sind aufgrund der Gefahr eines zentralen Serotoninsyndroms kontraindiziert. Wird das 13 Antidepressivum entsprechend umgestellt, muss solange abgewartet werden, bis keine Wirkung der MAOH mehr zu erwarten ist. Da Tranylcypromin sich auch in der Leber anreichert und dort den Abbau aminhaltiger Nahrungsmittel hemmt, ist eine tyraminarme Diät einzuhalten, um einer möglichen hypertensiven Blutdruckkrise vorzubeugen. (11) 1.6.1.8 Andere Wirkprinzipien Das heute viel verschriebene Pharmakon Trazodon (ein Selektiver 5-HT2-Antagonist und Rückaufnahme Inhibitor, SARI) ist ein schwacher Serotoninwiederaufnahmehemmer und wirkt zusätzlich komplex auf andere Rezeptoren. Er wird in niedriger Dosierung zur Behandlung von Schlafstörungen eingesetzt, allerdings wirkt er erst in höheren Konzentrationen antidepressiv. Eine mögliche schwere Nebenwirkung ist der Priapismus, der als Notfall einer akuten urologischen Intervention bedarf. (11) (13) Ein pflanzliches Antidepressivum ist Johanniskraut, das vielfältig auf zentrale Rezeptoren wirkt: Es hemmt die Wiederaufnahme von Serotonin, Noradrenalin, Dopamin, GABA und Glutamat. Weiters moduliert es zentrale Ionenkanäle, was seinen Hauptmechanismus darzustellen scheint. Seine Wirksamkeit ist vor allem bei leichten bis mittelgradigen depressiven Störungen belegt, bei schweren Krankheitsverläufen sollte allerdings darauf verzichtet werden. Für Johanniskraut spricht sein relativ günstiges Nebenwirkungsprofil, allerdings weißt es zahlreiche Interaktionen auf, deren es genauer Aufklärung von ärztlicher Seite bedarf. (11) Tabelle 1-1 fasst das Rezeptorprofil ausgewählter Antidepressiva-Gruppen noch einmal zusammen. 14 Tabelle 1-1 Antidepressiva und deren relative Affinität zu den entsprechenden Rezeptoren (modifziert nach E. Beubler (13)) Gruppe AD NAT 5-HTT M Alpha1 Alpha2 H1 5-HT2A TZA Amitryptilin ++ ++ ++ ++ + ++ ++ SSRI Fluoxetin + +++ - - - - - Citalopram - +++ - - - + - NARI Reboxetin +++ - - - - - - SNRI Venlafaxin ++ +++ - - - - - SARI Trazodon - + - +++ ++ + +++ NaSSA Mianserin + - + + +++ +++ +++ Mirtazapin - - + + +++ +++ +++ - = keine Affinität, + = leichte Affinität. ++ = moderate Affinität, +++ = starke Affinität 1.6.2 Psychotherapie Neben stützenden ärztlichen Gesprächen, die den Betroffenen während der Behandlung stets begleiten und die von Empathie und Authentizität getragen sein sollten, können weitere psychotherapeutische Maßnahmen eingeleitet werden. Psychoedukation zielt darauf ab, den Patienten selbst als auch die Angehörigen genauer über die Erkrankung aufzuklären, um so beispielsweise die Compliance zu erhöhen. (4) Daneben sind vier Psychotherapieverfahren zur Behandlung von depressiven Störungen positiv validiert: Die Verhaltenstherapie, die interpersonelle Psychotherapie, die Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapie und psychodynamische Kurzpsychotherapien. Die medikamentöse Behandlung mit begleitender Psychotherapie wird dabei von vielen als Goldstandard angesehen. (1) Eine detaillierte Gegenüberstellung der Effektivität von Psychotherapie und Pharmakotherapie erfolgt im zweiten Teil der Arbeit. 1.6.3 Andere Therapiestrategien Es existieren eine Reihe weiterer Methoden, deren antidepressiver Effekt positiv evaluiert wurde. Folgend werden wahlweise der Schlafentzug, die Lichttherapie und die Elektrokrampftherapie kurz dargestellt. Ergänzend soll erwähnt werden, dass auch körperliche Aktivität sich positiv auf die Depression auswirken kann. Sehr spezielle Methoden, die weniger häufiger angewendet werden, sind weiters die transkranielle 15 Magnetstimulation, die Vagusnervstimulation, die Magnetkonvulsionstherapie und die Tiefenhirnstimulation. Als Ultima Ratio gilt die Psychochirurgie, die vereinzelt bei therapieresistenten Depressionen zum Einsatz kommt. (1) 1.6.3.1 Schlafentzug Hierbei wird nach entweder partiellem oder totalem Schlafentzug ein stimmungsaufhellender Effekt beobachtet. Die Responseraten sind mit 60% recht gut, wobei besonders Patienten mit ausgeprägtem Morgentief davon profitieren. Schlafentzug ist die einzige Therapieoption, die akut Wirkung zeigt, jedoch ist der antidepressive Effekt kurzweilig - er hält nur ein bis zwei Tage an. (1) 1.6.3.2 Lichttherapie Diese Methode hat sich vor allem bei der saisonalen Depression bewährt, bei der sie eine Erfolgsquote von 60-90% aufweist. Man geht davon aus, dass die Stimulierung von Photorezeptoren der Retina über fortgeleitete neuronale Impulse die serotonerge und noradrenerge Transmission im Gehirn erhöht. Bei nicht-saisonalen Depressionen kann die Lichttherapie als Add-on zur medikamentösen Therapie eingesetzt werden. (9) 1.6.3.3 Elektrokrampftherapie Der sedierte, muskelrelaxierte Patient wird für etwa eine halbe Minute mittels kranial angebrachter Elektroden Stromimpulsen ausgesetzt. Dieses Verfahren wird in den darauffolgenden Wochen bis zu zwölf Mal wiederholt und bedingt dann eine verstärkte dopaminerge, noradrenerge und serotonerge Transmission. Die Elektrokrampftherapie kommt vor allem bei schweren depressiven Episoden zum Einsatz, wo sie Remissionsraten zwischen 60-80% aufweist. Ist sie abgeschlossen, sollte weiterführend eine Psychopharmakotherapie zur Remissionserhaltung eingeleitet werden, da ansonsten das Rückfallrisiko hoch ist. Obgleich es zu keinerlei organischen Schäden des Gehirns kommt, sind vorübergehende kognitive Störungen, kurzzeitige Verwirrtheitszustände unmittelbar 16 nach der Behandlung und subjektiv empfundene Gedächtnisprobleme die Autobiographie betreffend möglich. (9) 17 2 Selektive Serotonin-Reuptake-Inhibitoren In den 1980er Jahren ist mit Zimelidin der erste Vertreter dieser Substanzgruppe entwickelt worden. (14) Obwohl dieser heute nicht mehr im Handel ist, sind die SSRI seit ihrer Einführung eine Erfolgsgeschichte, die die Behandlung psychiatrischer Krankheitsbilder entscheidend vorangebracht haben. Mit Fluvoxamin, Fluoxetin, Sertralin, Paroxetin, Citalopram und zuletzt Escitalopram sind in den letzten dreißig Jahren sechs weitere SSRI eingeführt worden, die sich heute als Mittel der ersten Wahl bei der medikamentösen Therapie von Depressionen etabliert haben. Darüber hinaus erweitert sich ihr Indikationsfeld beständig - längst werden sie beispielsweise auch bei Angststörungen oder Bulimie eingesetzt. 2.1 Die Wirkstoffe und ihr pharmakodynamisches und -kinetisches Profil Die Substanzen eint ihre Eigenschaft, die Wiederaufnahme von Serotonin aus dem synaptischen Spalt zurück in die Zelle zu hemmen und so die Konzentration des Transmitters extrazellulär zu steigern, was zu einer verstärkten Reizantwort nachgeschalteter Neurone führt. Andere Rezeptoren bleiben davon weitgehend unberührt. Dennoch sind die SSRI eine chemisch uneinheitliche Gruppe und unterscheiden sich darum in ihrer Pharmakokinetik zum Teil sehr stark. Da sie ihre Wirkung im ZNS entfalten, sind sie - um die Blut-Hirnschranke überwinden zu können - aber alle zwingend lipophil. Daraus ergibt sich eine hohe Bioverfügbarkeit nach oraler Applikation sowie die Verstoffwechselung in der Leber, die überwiegend von Oxidationsprozessen getragen wird. (14) Die nachstehende Abbildung zeigt die chemische Struktur der einzelnen SSRI. Da es sich bei Escitalopram um das isolierte S-Enantiomer von Citalopram, das ein razemisches Gemisch ist, handelt, wird es in der Abbildung nicht extra dargestellt. (11) 18 Abbildung 2-1 Chemische Strukturen der einzelnen SSRI (nach DeVane (15)) 2.1.1 Citalopram Wie erwähnt handelt es sich bei Citalopram um ein racemisches Gemisch, wobei das SEnantiomer in der Hauptsache seine pharmakologische Aktivität ausmacht. (14) Die orale Bioverfügbarkeit ist wie bei allen SSRI hoch und liegt bei 80%. Die 19 Eliminationshalbwertszeit beträgt etwa 33 Stunden bei einer maximalen Konzentration im Plasma zirka drei Stunden nach oraler Aufnahme. Die Metabolisierung besorgen die Cytochrom-P-450-(CYP-)Enzyme 2C19, 2D6 und 3A4, wobei die wesentlich schwächeren Metabolite Desmethylcitalopram und Didesmethylcitalopram entstehen, die allerdings eine längere Halbwertszeit aufweisen. (11) Ein ganz wesentlicher Faktor der SSRI ist ihre einfache Handhabung. Sie werden üblicherweise als Tablette einmal am Tag eingenommen, wobei die Anfangsdosis oftmals der Zieldosis entspricht. Citalopram wird zu Therapiebeginn als 20mg Tablette verabreicht und kann bei Bedarf auf bis zu 60mg täglich gesteigert werden. Bei älteren Patienten sowie bei eingeschränkter Leberfunktion sollten maximal 20mg täglich verabreicht werden. Eine Dosisanpassung bei eingeschränkter Nierenfunktion ist allerdings nicht vonnöten. (11) In Österreich ist es beispielsweise unter den Handelsnamen Seropram® als auch als Generikum erhältlich. (9) 2.1.2 Escitalopram Escitalopram ist der neueste auf den Markt gekommene SSRI und zugleich als isoliertes SEnantiomer des Citalopramgemisches der selektivste Serotonin-Wiederaufnahmehemmer. Seine Besonderheit liegt darin, dass es den Serotonintransproter auch an einer allosterischen Bindungsstelle besetzt und damit eine noch stärkere Bindung von Escitalopram an seine primäre Bindungsstelle bewirkt. Seine Metabolisierungschritte entsprechen jenen von Citalopram, ebenso seine sonstigen pharmakokinetischen Eigenschaften. In Österreich ist es als Cipralex® im Handel erhältlich und kann sowohl als Tablette als auch als Tropfen in einer Dosierung von 10-20mg verabreicht werden. Analog zu Citalopram sollte die Tageshöchstdosis bei Patienten mit eingeschränkter Leberfunktion 10mg nicht überschreiten, wohingegen eine mittelgradige Niereninsuffizienz keine Dosisanpassung erfordert. (11) 2.1.3 Fluoxetin Auch bei Fluoxetin handelt es sich um ein razemisches Gemisch. Im Unterschied zu Citalopram sind aber beide Enantiomere annähernd gleich wirksam. Norfluoxetin, der Ndemethylierte Metabolit, ist ebenso ein potenter Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, bei 20 welchem allerdings die S-Form pharmakologisch weitaus kräftiger als die N-Form ist. (15) Die maximale Plasmakonzentration erreicht Fluoxetin sechs bis acht Stunden nach Applikation bei einer oralen Bioverfügbarkeit von 85%. Beachtenswert sind die hohen Halbwertszeiten von Fluoxetin mit vier bis sechs und von Norfluoxetin mit vier bis sogar sechzehn Tagen, wodurch sich ein Steady State erst nach mehreren Wochen einstellt. Verstoffwechselt wird Fluoxetin mithilfe der CYP-Enzyme 2D6, 2B6, 2C19 und 2C9 in der Leber, um danach im Harn ausgeschieden zu werden. Die übliche Dosierung beträgt 20mg, kann bis auf 60mg gesteigert werden und soll morgens eingenommen werden. Bei Nieren- und Leberinsuffizienzen muss die Dosis entsprechend angepasst werden. (11) Fluoxetin ist beispielsweise als Fluctine® auf dem österreichischen Markt. Mittlerweile ist es auch als Generikum verfügbar. (9) 2.1.4 Fluvoxamin Die Halbwertszeit von Fluvoxamin ist mit 20 Stunden wesentlich geringer als jene von Fluoxetin, auch entstehen bei seiner Verstoffwechselung, die von den CYP-Enzymen 2D6 und 1A2 besorgt wird, keine aktiven Metaboliten. Zur Behandlung depressiver Zustandsbilder sind mit 100 bis 300mg vergleichsweise relativ hohe Dosen vonnöten, die bei Leber- und Nierenfunktionsstörungen jeweils reduziert werden müssen. Ab 150mg wird empfohlen, die Dosis auf zwei bis drei Einzeldosen zu verteilen. (11) Der österreichische Handelsname von Fluvoxamin ist Floxyfral®. (4) 2.1.5 Paroxetin Unter den SSRI hat Paroxetin die höchste Affinität zu muskarinischen Rezeptoren und kann somit auch anticholinerge Nebenwirkungen mit sich bringen. Allerdings ist diese Affinität im Vergleich zu Amitryptilin etwa 15 mal schwächer ausgeprägt und damit wenig gewichtig. Pharmakokinetisch zeichnet sich Paroxetin durch eine rasche Resorption aus, jedoch mit hohem First-Pass-Metabolismus und daher niedererer Bioverfügbarkeit von etwa 65%. Auch die Halbwertszeit ist im Vergleich zu anderen SSRI mit etwa 24 Stunden relativ gering. Die Verstoffwechselung wird von den CYP-Enzymen 3A4 und 2D6 katalysiert, dabei fallen keine pharmakologisch aktiven Metaboliten an. Die therapeutische Dosis liegt zwischen 20 und 50mg, bei älteren Patienten sollten nicht mehr 40mg pro Tag 21 verabreicht werden. Paroxetin wird unter dem Namen Seroxat® verkauft, daneben sind mittlerweile auch diverse Generika auf dem Markt. (4) (11) 2.1.6 Sertralin Mit Sertralin existiert ein SSRI, der neben der Wiederaufnahme von Serotonin auch schwach allerdings - die Aufnahme von Dopamin hemmt. Daneben verfügt es auch über eine Affinität zu Sigma-Rezeptoren, dessen Auswirkungen klinisch aber unklar sind. Sertralin hat eine Halbwertszeit von zirka 26 Stunden und erreicht seine maximale Konzentration im Plasma nach vier bis acht Sunden bei einer Bioverfügbarkeit von 88% nach oraler Applikation. Die Plasmaeiweißbindung ist mit 98% relativ hoch und unter den SSRI am stärksten ausgeprägt. Über die CYP-Enzyme 2B6, 2C19, 2C9 und 2D6 wird es verstoffwechselt, wobei der pharmakologisch aktive Metabolit N-Desmethylsertralin entsteht, der jedoch eine 20fach schwächere Wirkung als Sertralin selbst aufweist. Depressive Zustandsbilder werden mit einer Dosis zwischen 50 und 200mg pro Tag, morgens eingenommen, therapiert. Eine Nierenfunktionsstörung hat hierbei keine Auswirkung auf die Eliminationszeit und macht darum keine Dosisreduktion erforderlich. Im Gegensatz dazu muss auf eine eingeschränkte Leberfunktion sehr wohl Rücksicht genommen werden. Sertralin wird unter dem Handelsnamen Gladem®, Tresleen® oder auch als Generikum in Österreich vertrieben. (4) (11) 2.2 Die Wirkmechanismen im Detail Eine Vielzahl von Publikationen beschäftigen sich mit dem serotonergen System und decken es zunehmend in seiner Komplexität auf. Die entwicklungsgeschichtlich sehr alten serotonergen Neurone, deren Anzahl mit 500.000 relativ gering ist, entspringen in den Raphekernen, von wo aus sie in eine Vielzahl anderer Hirnstrukturen projizieren. (14) Die ventralen Fasern des Rahphekerns reichen zum Kortex, zu den limbischen Strukturen wie der Amygdala und dem Hypothalamus, und ins Kleinhirn. Die Neurone des dorsalen Kerns projizieren ebenfalls in das Kleinhirn und daneben auch in das Rückenmark. Der Hauptanteil des Serotonins befindet sich allerdings nicht im zentralen Nervensystem, sondern zu 90% in den Enterochromaffinzellen des Gastrointestinaltraktes. (16) 22 Abbildung 2-2 Projektionsfasern serotonerger Neurone im ZNS (nach Kriegebaum (16)) Das von den Neuronen bei Depolarisation ausgeschüttete Serotonin dockt wiederum an Rezeptoren an, von denen bis heute 14 verschiedene Subtypen bekannt sind. Dementsprechend vielfältig sind die körpereigenen Prozesse, in die Serotonin eingreift. Es spielt unter anderem eine Rolle bei Lernprozessen, Wach-Schlaf-Zyklen, Ess- und Sexualverhalten, der Blutgerinnung, der Regelung der Körpertemperatur, beeinflusst das emotionale und das adaptive Verhalten bei Stress, die Stimmung, Ängste und die Schmerzempfindung. (16) Die Rezeptoren werden nach ihren Effektormechanismen in sechs Familien eingeteilt. Die meisten von ihnen sind G-Protein gekoppelte Rezeptoren, die das Signal an das Zellinnere weiterleiten. Allein der 5-HT3-Rezeptor ist ein Liganden-gesteuerter Ionenkanal, durch den Natrium in die Zelle fließt. Von Bedeutung für die Ätiopathogenese beziehungsweise die Therapie depressiver Störungen sind daneben auch die Rezeptorfamilien 5-HT1 und 5-HT2. Erstere wirken inhibitorisch auf die intrazelluläre Adenylatzyklase und deaktivieren damit die Proteinkinase A, die ihrerseits in den zellulären Stoffwechsel eingreift. 5-HT2Rezeptoren hingegen erhöhen über eine Signalkaskade die intrazelluläre KalziumKonzentration und aktivieren die Proteinkinase C. (16) 23 Der pharmakologische Ansatzpunkt von SSRI ist der präsynaptisch lokalisierte SerotoninTransporter, der Serotonin zusammen mit Natrium und Chlorid aus dem synaptischen Spalt wieder in die Zelle aufnimmt. (16) SSRI blocken diese Wiederaufnahme und sorgen damit für eine Konzentrationserhöhung von Serotonin im synaptischen Spalt. Eine Einmaldosis des Pharmakons bringt lediglich eine kurzzeitige Serotonin-Erhöhung mit sich, während bei längerer Einnahme dauerhaft erhöhte Konzentrationen erreicht werden können. (17) Abbildung 2-3 Wirkprinzip der SSRI (nach Riederer et al. (14)) Bei anfänglicher SSRI-Einnahme passiert nun folgendes: Durch die erhöhte SerotoninKonzentration als Folge der Aufnahme-Hemmung kommt es über 5-HT1A-, 5-HT2A- und 5HT3-Rezeptoren zur vermehrten Erregung postsynaptischer serotonerger Neurone, was gleichzeitig aber auch für die inhibitorischen Autorezeptoren 5-HT1A, 5-HT1B und 5-HT1D gilt, sodass die Impulsfrequenz der präsynaptischen Neurone über einen negativen Feedback-Mechanismus zunächst abnimmt. Langfristig kommt es nun zu entscheidenden adaptiven Veränderungen der 5-HT-Rezeptoren. Während die Empfindlichkeit präsynaptischer inhibitorischer 5-HT1- und postsynaptischer 5-HT2A-Rezeptoren abnimmt, nimmt jene der postsynaptischen 5-HT1A-Rezeptoren zu. Die Folge ist eine dauerhaft verstärkte serotonerge Transmission. (14) Insbesondere die Rolle des somatodentritischen 24 5-HT1A-Autorezeptors wurde eingehend beforscht. So wurde in einer Studie eine um 18% verminderte Bindungsrate dieses Rezeptors in den Raphekernen nach wochenlanger Therapie depressiver Patienten mit SSRI nachgewiesen. Die Downregulation von 5-HT1AAutorezeptoren wird unter anderem mit dem verzögerten Wirkungseintritt der SSRI in Verbindung gebracht, obgleich sie keine Bedingung für eine antidepressive Response darstellt. Vier Jahre nach Therapie ist eine verminderte Bindung des Rezeptors bei depressiven Patienten nicht mehr nachweisbar und damit die ehemals erzielte Downregulation ebenfalls aufgehoben. (18) Eine weitere adaptive Veränderung, die nicht nach akuter, sehr wohl aber bei längerer Einnahme von SSRI (und anderen Antidepressiva) zum Tragen kommt, ist die verstärkte Expression von Wachstumsfaktoren im ZNS. Der Bedeutendste und am besten Erforschte ist der bereits im ersten Kapitel vorgestellte BDNF, daneben sind aber auch noch andere Faktoren gefunden worden, deren Konzentrationen unter antidepressiver Therapie steigen. Die Stress-bedingte Downregulation dieser Faktoren und die damit einhergehende Atrophie zerebraler Strukturen kann somit rückgängig gemacht werden, indem die Neurogenese verstärkt wird. Dieser Umstand wird ebenso in Verbindung mit der Wirklatenz antidepressiver Pharmaka gebracht. (8) Aufgrund der komplexen Interaktionen serotonerger Neurone mit anderen Neurotransmittersystemen einerseits und der schwach ausgeprägten Affinität von SSRI zu verschiedenen Rezeptoren im ZNS andererseits ergeben sich unter entsprechender Therapie zusätzliche adaptive Veränderungen in der zentralen Neurotransmission weit über den Serotonin-Metabolismus hinausgehend. (14) (19) Durch die höheren extrazellulären Konzentration von Serotonin nach akuter Gabe von SSRI werden verstärkt 5-HT2C-Rezeptoren aktiviert. Diese aktivieren je nach Wirkstoff in unterschiedlichem Ausmaß exitatorische GABAerge Neurone, welche dann ihrerseits zu einer verminderten dopaminergen Transmission im ventralen Tegmentum führen. (20) Escitalopram bringt diesen Effekt erst nach mehrmaliger Applikation mit sich, dafür aber in größerem Ausmaß. Während sich die anfangs aufgrund der verstärkten Aktivierung des inhibitorischen 5-HT1A-Autorezeptors erniedrigte Feuerrate serotonerger Neurone nach SSRI-Gabe bald wieder normalisiert, ist eine solche Desensibilisierung der 5-HT2CRezeptoren nicht gegeben. Es wurde nachgewiesen, dass Escitalopram und Citalopram die dopaminerge Neurotransmission im ventralen Tegmentum dauerhaft vermindern. Da Dopamin eine wichtige Rolle für Motivation und Freudeempfinden spielt, wird der 25 hemmende Einfluss von SSRI auf dessen Transmission mit der oftmals beobachteten NonResponse bei Therapierten in Verbindung gebracht. (21) Ähnliches gilt für das zentrale noradrenerge System. Wiederum wird durch die vermehrte Bereitstellung von Serotonin diesmal an den 5-HT2A-Rezeptoren (bei den meisten SSRI erst nach chronischer Gabe) die Aktivität noradrenerger Neurone im Locus coeruleus gemindert. Da die 5-HT2A ebenso keine Desensibilisierung zeigen, bleibt dieser Effekt bestehen. Ob dieser Umstand mitunter als Ursache für Non-Response auf SSRI herangezogen werden kann, wird diskutiert. Interessanterweise konnte geklärt werden, dass Risperidon (ein atypisches Antipsychotikum, welches bei therapieresistenten Depressionen oftmals erfolgreich als Add-On zur antidepressiven Therapie eingesetzt wird) die verminderte noradrenerge Transmission unter Escitalopram wieder normalisiert. (22) Diverse antidepressive Substanzklassen, darunter SSRI, haben darüber hinaus eine antiinflammatorische Wirkungkomponente. Über viele verschiedene, hochkomplexe und größtenteils noch unbekannte Mechanismen senken sie die Konzentrationen von Zytokinen, die bei depressiven Patienten verstärkt sezerniert werden und denen in der Depressiogenese eine Rolle zugesprochen wird. Zytokine wirken sich negativ auf die Neurotransmission aus, führen zu Veränderungen in der zerebralen Struktur und Funktion und zur verstärkten Sekretion von Glukokortikoiden. Bei chronischer Einnahme von SSRI können diese Effekte durch eine verminderte Expression von Zytokinen rückgängig gemacht werden. (19) (23) Die bei depressiven Patienten beobachteten typischen Veränderungen der zerebralen Aktivität können unter SSRI-Therapie wieder normalisiert werden. So wurde mittels funktioneller MR-Untersuchungen eine erhöhte Aktivität etwa im frontalen, temporalen und limbischen Kortex als auch in der Amygdala nachgewiesen. Nach achtwöchiger Therapie einer Gruppe jugendlicher Depressiver mit Fluoxetin reduzierte sich diese Aktivität auf das Niveau der gesunden Vergleichsgruppe. Die Ergebnisse dieser Studie an jungen Patienten decken sich mit vorangehenden bei Erwachsenen. Welche Mechanismen zu dieser Normalisierung führen, ist bisher allerdings nicht bekannt. (24) Zuletzt entfalten SSRI ihren therapeutischen Effekt, indem sie zu einer Normalisierung der bei depressiven Patienten erhöhten Glucokortikoid-Spiegel beitragen. Beispielsweise wurde in einer Studie nach achtwöchiger Behandlung mit Fluoxetin eine reduzierte Expression der mRNA des Corticotropin-Releasing-Hormons im Hypothalamus nachgewiesen. Die mRNA-Level des Mineralcortikoid- und Glucokortikoid-Rezeptors 26 steigerten sich. Die Glucokortikoid-Plasmaspiegel fielen entsprechend signifikant bereits nach zweiwöchiger Behandlung. (25) Abbildung 2-4 Die Wirkungen der SSRI im Überblick (nach Kroeze et al. (19)) Aus den vorgestellten Wirkmechanismen ergibt sich die antidepressive Wirkung der SSRI, die einen stimmungsaufhellenden Effekt mit sich bringt und sich positiv mit einer Latenz von in der Regel einer bis drei Wochen auf die drei Symptomgruppen einer Depression auswirkt. 2.3 Wirksamkeit Die Datenlage zur Wirksamkeit antidepressiver Pharmaka ist immens und zum Teil widersprüchlich. Diese Diskussion wurde auch in die öffentlichen Medien getragen, wo die Wirksamkeit einer medikamentösen Therapie bei depressiven Zustandsbildern angezweifelt wurde. Die Beurteilung der Response auf Antidepressiva gegenüber den Placebo-Vergleichsgruppen erfolgt mittels Scores, die auf die Symptomatik und deren Besserung nach Therapie zielen. Das Ziel ist die Remission, die einer vollständigen Symptomfreiheit entspricht. Response dagegen meint eine Besserung der Symptomatik um 27 mindestens 50%, wiederum gemessen in Schweregrad-Scores. Zwischen 25 und 50% Besserung spricht man von partieller Response. (11) In Zusammenschau der Datenlage ist anzunehmen, dass die Potenz von Antidepressiva mit dem Schweregrad des depressiven Zustands zunimmt. Eine Metaanalyse von Fournier et al. spricht Antidepressiva bei milden Depressionen überhaupt den Effekt ab, während eine gute Wirksamkeit bei schwerwiegenden Störungen konstatiert wird. (26) Eine Metaanalyse von Melander et al., die sich im Speziellen mit SSRI und SNRI auseinandersetzte und insgesamt 56 Studien mit einer Gesamtpatientenzahl von 7374 untersuchte, kam zu einem widersprüchlichen Ergebnis. Sie stellte keinen Zusammenhang der Wirksamkeit von SSRI/SNRI und dem Schweregrad des depressiven Zustandes fest. Es zeigte sich eine große Schwankungsbreite bei den Response-Raten von aktiven Wirkstoffen (zwischen 13,6 und 67,9%) als auch von Placebo (zwischen 7,5 und 55,4%), wobei diese auf Studien mit kleinen Fallzahlen zurückzuführen waren. (27) Abbildung 2-5 Responseraten auf SSRI/SNRI in Abhängigkeit des Schweregrades der depressiven Störung (nach Melander et al. (27)) Insgesamt ergab sich in derselben Metaanalyse eine Überlegenheit von SSRI/SNRI gegenüber Placebo. Die Responserate ersterer lag bei insgesamt 48%, während von den Patienten mit Placebo-Behandlung lediglich 32% mit über 50%iger Symptomreduktion reagierten. Die um den Placebo-Effekt bereinigten Zahlen ergeben Responseraten zwischen 13,5 und 19,3% mit Ausnahme von Fluvoxamin, das schlechter abschnitt. Beachtenswert ist, dass somit zwei Drittel der Wirksamkeit dieser Substanzen auf den 28 Placebo-Effekt zurückzuführen sind. Dies wird mitunter damit erklärt, dass Patienten, die in Studien eingeschlossen sind, von der erhöhten Aufmerksamkeit, die ihnen zuteil wird und die einen therapeutischen Effekt hat, profitieren. (27) 2.3.1 Vergleich der SSRI untereinander Eine Vielzahl von Studien, welche die Wirksamkeit der SSRI untereinander aber auch mit anderen Antidepressiva verglichen, sind in einigen Metaanalysen untersucht worden. Ein Vergleich zwischen Fluoxetin und Paroxetin ergab keinen statistisch signifikanten Unterschied in den Response-Raten. Sertralin hingegen dürfte einen moderat besseren antidepressiven Effekt erzielen als Fluoxetin. (28) Die Wirksamkeit der einzelnen SSRI ist größtenteils vergleichbar stark ausgeprägt. Für Escitalopram hingegen konnte eine höhere antidepressive Potenz und Überlegenheit gegenüber anderen SSRI ermittelt werden. Eine Erklärung hierfür könnte die vorhin bereits dargestellte allosterische Modulation des Serotonintransporters sein, wodurch die Affinität von Escitalopram an seine primäre Bindungsstelle verstärkt wird. In einer Metaanalyse von Kennedy et al. wurde anhand der Montgomery-Asberg-Depressionsskala (MADRS) das Outcome unter SSRI-Therapie verglichen. Diese Skala reicht von 0-60, ab 30 Punkten wird von einer schweren Depression gesprochen. Escitalopram erzielte insgesamt eine um 1,22 Punkte verbesserte Response als die anderen SSRI. Bei schweren Depressionen, also einem Score von über 30, stieg der Unterschied auf 2,34 Punkte. Je stärker also die depressive Symptomatik ausgeprägt ist, desto größer ist der Vorteil von Escitalopram. (29) 29 Abbildung 2-6 Vergleich von Escitalopram und anderen SSRI (nach Kennedy et al. (29)) ESC = Escitalopram, CIT = Citalopram, VLF = Venlfaxin, SER = Sertralin, FLU = Fluoxetin, PAR = Paroxetin; die nachstehenden Zahlen geben die Dosierung in mg/d an. Abbildung 2-7 Vergleich von Escitalopram und anderen SSRI in Abhängigkeit des Schweregrades der depressiven Störung (nach Kennedy et al. (29)) 30 2.3.2 Vergleich von SSRI und anderen Antidepressiva Eine groß angelegte Metaanalyse von Cipriani et al. untersuchte unter 117 Studien mit einer Patientenfallzahl von knapp 26.000 12 Antidepressiva der neueren Generation hinsichtlich ihrer Effektivität und Verträglichkeit. Darunter die sechs SSRI und weiters Bupropion, Duloxetin, Milnacipran, Mirtazapin, Reboxetin und Venlafaxin. Escitalopram, Sertralin, aber auch der SNRI Venlafaxin und das NaSSA Mirtazapin schnitten hinsichtlich ihrer antidepressiven Potenz besser ab. Citalopram, Fluoxetin, Fluvoxamin und Paroxetin erwiesen sich zwar als wirksamer als der selektive Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer Reboxetin, jedoch waren sie Venlafaxin und Mirtazapin unterlegen. Hinsichtlich der Dropout-Raten schnitten wiederum Escitalopram und Sertralin am besten ab, wobei ersteres auch signifikant verträglicher war als Venlafaxin. (30) Abbildung 2-8 Vergleich von zwölf Antidepressiva der neuen Generation (nach Cipriani et al. (30)) Die Odds-Ratios von Wirksamkeit und Verträglichkeit der Antidepressiva werden gegeneinander verglichen. ORs > 1 bei der Wirksamkeit sprechen für einen Vorteil der Substanzen in den Spalten gegen jene in den Zeilen. ORs > 1 bei der Verträglichkeit sprechen für niedrigere Drop-out-Raten der Substanzen in den Spalten gegen jene in den Zeilen. Die signifikanten Ergebnisse sind jeweils unterstrichen und fett gedruckt. BUP = Bupropion, CIT = Citalopram, DUL =Duloxetin, ESC = Escitalopram, FLU = Fluoxetin, FVX = Fluvoxamin, MIL = Milnacipran, MIR = Mirtazapin, PAR = Paroxetin, REB = Reboxetin, SER = Sertralin, VEN = Venlafaxin. (30) Beim Vergleich der Wirksamkeit von SSRI und Amitryptilin, der Leitsubstanz der TZA, wurde in einer Metaanalyse von Arroll et al. Amitryptilin eine etwas stärkere Potenz zugesprochen. 2,8% mehr Patienten zeigten unter Amitryptilin eine Response als unter 31 SSRI-Therapie. Einschränkend muss hierbei festgehalten werden, dass weder Sertralin noch Escitalopram, die als die potentesten SSRI gelten, in diese Metaanalyse miteingeschlossen waren. Hinsichtlich der Verträglichkeit schnitten dagegen die SSRI besser ab. Sowohl die Drop-out-Rate als auch die Zahl der unerwünschten Nebenwirkungen war unter SSRI signifikant kleiner. (31) Eine weitere große Metaanalyse, die neben Amitryptilin auch andere TZA miteinschloss und mit SSRI verglich, brachte ähnliche Ergebnisse. Während für Amitryptilin wiederum ein Vorteil ausgemacht wurde, zeigten die übrigen trizyklischen Antidepressiva allerdings keine bessere Wirksamkeit als SSRI. Auch hier muss einschränkend erwähnt werden, dass Escitalopram, welches erst 2003 auf den Markt kam, nicht miterfasst wurde. (32) Ferner bevorteilt der zumeist eingesetzte Hamilton-Score trizyklische Antidepressiva. (1) 2.3.3 Vergleich SSRI und Psychotherapie Psychotherapie und neuere Antidepressiva, darunter SSRI, erzielen in der Akutbehandlung depressiver Störungen vergleichbar gute Ergebnisse. Im Follow-up ist die Psychotherapie den Antidepressiva sogar leicht überlegen. (33) Wichtig ist, dass eine Rezidivprophylaxe mit Psychopharmaka nur solange gegeben ist, als diese fortgeführt wird. Hingegen ist eine erfolgreiche psychotherapeutische Behandlung auch nach ihrer Beendigung noch wirksam. (11) Psychotherapie und Pharmakotherapie weisen darüber hinaus in etwa dieselben Dropout-Raten auf. Diese Ergebnisse gelten allerdings nur dann, wenn die angewandte Psychotherapie einen psychotherapeutischen hohen Verfahren Standard hat. sind Response- und Remissionsraten der die Bei schlecht durchgeführten Pharmakotherapie unterlegen. (33) 2.3.4 Genetische Einflussgrößen auf die Response Höhere Dosen von SSRI führen zu einer verstärkten Bindung an den Serotonintransporter als niedere, allerdings ändert sich das therapeutische Outcome dadurch in der Regel nicht. Ein einzelnes Gen codiert für diesen Serotonin-Transporter, der Angriffspunkt der SSRI ist. In der Promoterregion dieses Gens besteht ein funktioneller Polymorphismus: Die lange Variante des Allels bedingt eine vermehrte Expression des Transporters als die kurze. Eine Studie, die allerdings durch eine relativ niedrige Fallzahl limitiert ist, fand 32 einen leichten Zusammenhang zwischen Trägern der kurzen Allele und einer schlechteren Response auf SSRI. Diese profitierten auch nicht von hohen SSRI-Serumkonzentrationen. Im Gegensatz dazu zeigte eine erhöhte SSRI-Serumkonzentration bei Trägern des langen Allels eine signifikant bessere Wirkung. (34) Ferner wurden jene Genloci untersucht, die für 5-HT-Rezeptoren kodieren. Wie bereits erwähnt, ist die Downregulation von inhibitorischen Autorezeptoren von Bedeutung für die Wirkung von SSRI. Jene Varianten der 5-HT1A und 5-HT1B-Rezeptor-Gene, die mit einer vermehrten Expression ebendieser Autorezeptoren einhergehen, sind mit einer schlechteren Response auf Citalopram assoziiert. (35) 2.3.5 Geschlechtsspezifische Unterschiede Eine große Studie untersuchte die Wirksamkeit von Citalopram in Abhängigkeit des Geschlechts. Frauen zeigten dabei – gemessen anhand der Hamilton-Skala – höhere Remissionsraten als Männer (29,4% vs 24,1%; einem Odds-Ratio von 1,33 entsprechend). Ebenso war die Response bei Frauen besser, wobei sich kein Unterschied in der Wirklatenz ergab. Interessanterweise stellte sich heraus, dass, obwohl Frauen besser auf Citalopram ansprachen, es keinen Unterschied in der Häufigkeit von Nebenwirkungen zwischen den Geschlechtern gab. Es wurde diskutiert, dass allgemein der schwächere Effekt von Antidepressiva bei Männern mit einer relativen Unterdosierung bei diesen in Zusammenhang stehe. Die besprochene Studie konnte diese Theorie nicht bestätigen. Vielmehr lässt sie vermuten, dass geschlechtsspezifische biologische Faktoren dafür verantwortlich sind. Diskutiert wird hierbei die Rolle von Östrogen, das sich positiv auf die serotonerge Transmission auswirkt. Auch sollen psychologische und kognitive Faktoren – bedingt durch die unterschiedliche Erziehung und Entwicklung von Mädchen und Buben – zum besseren Ansprechen auf SSRI bei Frauen beitragen. (36) 33 2.4 Nebenwirkungen, Komplikationen und Intoxikation 2.4.1 Typische SSRI-Nebenwirkungen SSRI zeigen allgemein ein günstiges Nebenwirkungsprofil und werden sehr gut vertragen. Häufigkeitsangaben schwanken dabei zum Teil erheblich. Etwa 75% der Patienten zeigen keine deutlichen Nebenwirkungen und zumeist persistieren die Medika-induzierten Beschwerden in den ersten zwei bis vier Wochen. Die Drop-out-Raten sind niedrig - nur ein kleiner Prozentteil der Patienten tolerieren SSRI nicht. Die Ursache einer solchen Unverträglichkeit ist bisher ungeklärt. (11) (14) Das Nebenwirkungsprofil ergibt sich in der Hauptsache aus der verstärkten Aktivierung von 5-HT-Rezeptoren und der direkten beziehungsweise indirekten Beeinflussung anderer Transmittersysteme, etwa der Hemmung der dopaminergen Transmission im ventralen Tegmentum. Wie bereits erwähnt, finden sich 5-HT-Rezeptoren auch außerhalb des ZNS, etwa in den Gefäßen, Thrombozyten, Harnwegen, dem Darm und anderen Organen, woraus sich weitere Nebenwirkungen ableiten lassen. (16) Die am häufigsten beobachteten Nebenwirkungen betreffen den Gastrointestinaltrakt, was in Anbetracht der hohen 5-HT-Rezeptoren ebendort wenig verwundert. Sie inkludieren Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe, Obstipation, verminderten und gesteigerten Appetit als auch Gewichtszunahme oder –abnahme. Es zeigt sich dabei eine Dosisabhängigkeit und zumeist verschwinden die Beschwerden nach ein bis zwei Wochen. (14) Sexuelle Funktionsstörungen sind ein häufiges Problem bei Patienten unter SSRI-Therapie. Sie umfassen verminderte Libido, erektile Dysfunktion, Ejaculatio praecox, eine verminderte oder verzögerte Orgasmusfähigkeit und Störungen der vaginalen Befeuchtung. Eine naturalistische Studie ermittelte eine Häufigkeit für Citalopram von 60%, für Paroxetin von 54,2% und für Fluoxetin von 46,2%. Frauen waren häufiger betroffen. (37) Anders als die sonstigen Nebenwirkungen unter SSRI bleiben sexuelle Funktionsstörungen auch bei längerfristiger Gabe prävalent und machen gegebenenfalls eine Dosisreduktion oder den Wechsel auf ein anderes Pharmakon notwendig. (14) Kopfschmerzen treten bei 18-20% der Patienten auf, obgleich dabei kein signifikanter Unterschied zur Placebo-Kontrollgruppe festgestellt werden konnte. (14) Serotonin ist in eine Vielzahl sensibler zerebraler Funktionen integriert und spielt eine bedeutende Rolle bei kognitiven Prozessen. (16) So kann es im Rahmen einer Behandlung mit SSRI zu Nebenwirkungen das ZNS betreffend kommen. In unterschiedlicher 34 Häufigkeit treten etwa Nervosität, Angstzustände, Agitation, Schlafstörungen und Müdigkeit auf. (38) Ebenfalls Bedeutung hat Serotonin in der zentralen Thermoregulation des Körpers. Das unter SSRI etwa bei jedem zehnten Patienten beobachtete vermehrte Schwitzen wird damit in Zusammenhang gebracht, obgleich die genauen Mechanismen unklar sind. (11) Auf indirektem Weg verursachen SSRI durch eine vermehrte Bereitstellung von Serotonin einen antidopaminergen Effekt, der sich für eine Reihe von Nebenwirkungen verantwortlich machen lässt. Diese können sich verstärken, wenn es zu Interaktionen mit anderen Pharmaka kommt, die ebenfalls die dopaminerge Transmission bremsen. Hyperprolactinämie kann von allen SSRI ausgelöst werden, ebenso Galactorrhoe und zu einem relativen hohen Prozentsatz (39%) eine Mammahypertrophie, wobei es keine signifikante Relation zwischen diesen drei Nebenwirkungen gibt. Beschrieben werden auch kognitive Dysfunktionen infolge der verminderten dopaminergen Transmission. Selten kann es zu extrapyramidalen Effekten in Gestalt von Tremor, Bradykinesie, Rigidität, Akathisie bis hin zur akuten Dystonie kommen. Bei Parkinson-Patienten ist insofern Vorsicht geboten, da sich deren Symptome durch SSRI-Einnahme verschlechtern können. Fluoxetin ist am häufigsten mit extrapyramidalen Symptomen assoziiert. Ferner spielt die Hemmung dopaminerger Neurone auch bei der Entwicklung sexueller Funktionsstörungen unter SSRI eine Rolle. (14) (39) Der Vergleich mit TZA fällt unter anderem aufgrund des Wegfallens anticholinerger Symptome, ihrer fehlenden Effekte auf die QT-Zeit und ihrer höheren therapeutischen Breite gut aus. Kopfschmerz, Tremor, Blasenfunktionsstörungen, orthostatische Hypotonie, Mundtrockenheit, Obstipation, Verwirrtheitszustände, vermehrtes Schwitzen, Palpitationen und Akkommodationsstörungen werden signifikant häufiger unter trizyklischer Medikation beobachtet. (38) Selten kommt es unter SSRI-Medikation in den ersten vier Wochen zu einer vermehrten Ausschüttung von ADH, einem Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion entsprechend. Folge ist eine Hyponatriämie, die mit Symptomen von Schwäche, Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerz bis hin zu Verwirrtheit, Krampfanfällen und Koma einhergeht. Höheres Alter, weibliches Geschlecht, ein niederer BMI und eine Komedikation mit Pharmaka, die ebenfalls zu verstärkten Natriumverlusten führen, sind Risikofaktoren hierfür. Eine Elektrolytkontrolle ist bei diesen Patienten mindestens ein Mal in den ersten Wochen angezeigt. (11) 35 SSRI reichern sich unter anderem auch im Knochenmark an, wo sie über 5-HT-Rezeptoren die Funktion von Osteoklasten und –blasten beeinflussen. Abhängig von Dosis und Wirkstoff kommt es zur Hemmung der Osteoklastengenese und der Knochenresorption, der Osteoblastenfunktion, alkalischen Phosphatase und von Mineralisationsprozessen. Ferner wird die Überlebensfähigkeit von Osteoklasten und –blasten reduziert, was zu einer vermehrten Apoptose dieser Zellen führt. Langfristig führt dies zur Verminderung der Knochendichte und zu einem erhöhten Frakturrisiko. Die Knochentoxizität variiert mit den jeweiligen SSRI-Substanzen. Sertralin und Fluoxetin greifen am potentesten in den Knochenstoffwechsel ein, Citalopram hat einen vielfach schwächeren Effekt, was es vor allem für die Langzeittherapie von älteren Patienten attraktiv erscheinen lässt. Diese Erkenntnisse sind relativ neu. Es wird sich zeigen, inwiefern sie sich auf Therapie und Monitoring – gerade bei Osteoporose-Patienten – auswirken. (40) SSRI wirken sich auf die Thrombozytenaggregation aus, was zu Blutungen führen kann. Diese schwerwiegende Nebenwirkung wird gesondert in Kapitel 2.2.5. besprochen. Werden SSRI nach erfolgter Therapie zu schlagartig abgesetzt, kann es zu einem Absetzsyndrom kommen, das sich allerdings innerhalb weniger Tage wieder legt. Symptome sind dann Schwindel, Gangunsicherheit, grippeähnliche Symptome, Sensibilitätsstörungen, aber auch ein Wiederkehren depressiver Symptomatik wie gedrückter Stimmungslage, Schlafstörungen, Unruhe bis hin zu Verwirrtheitszuständen. Vor allem SSRI mit kurzer HWZ wie Paroxetin sind häufiger damit assoziiert. Grundsätzlich sollten SSRI langsam ausgeschlichen werden. (11) 2.4.2 Besonderheiten im Nebenwirkungsprofil der einzelnen SSRI Citalopram ist ein SSRI mit besonders guter Verträglichkeit und vergleichsweise niederer Inzidenz unerwünschter Nebenwirkungen. Allerdings erhöht sich dosisabhängig das Risiko von QT-Zeit-Verlängerungen, was besonders bei Herzerkrankungen und Komedikation mit anderen Pharmaka mit Beeinflussung der QT-Zeit beachtet werden muss. (11) Analoges gilt für Escitalopram. Fluoxetin ist jener SSRI mit der längsten Halbwertszeit, was den Vorteil mit sich bringt, dass es selten zu Absetzsyndromen kommt. Selten sind allergische Hautreaktionen oder generelle anaphylaktische Reaktionen möglich. Das Risiko von QT-Zeit-Verlängerungen ist geringer als unter Citalopram/Escitalopram. (11) (14) 36 Da Fluvoxamin im Vergleich zu anderen SSRI häufiger sedativ wirkt, wird es vorzugsweise abends verabreicht. Obgleich es die niedrigste Rate an sexuellen Funktionsstörungen aufweist, ist es mit häufigeren Nebenwirkungen und höheren Dropout-Raten verbunden. Prinzipiell senken SSRI die zerebrale Krampfschwelle, bei Fluvoxamin kann es jedoch in seltenen Fällen zu Krampfanfällen kommen. (11) (14) Paroxetin hat – wenn auch insgesamt nur schwach ausgeprägt – unter den SSRI die höchste Affinität zu muskarinischen Rezeptoren, was zu häufigeren anticholinergen Nebenwirkungen wie Obstipation, Mundtrockenheit und Akkommodationsstörungen führt. Auch die Rate an sexuellen Dysfunktionen und Gewichtszunahme ist höher als bei anderen SSRI. Die relativ kurze Halbwertszeit bedingt darüber hinaus ein erhöhtes Risiko für Absetzsyndrome. Unter den SSRI weist Paroxetin eine ungünstigere Nutzen-RisikoRelation auf. (11) Sertralin hingegen besticht zusammen mit Citalopram und Escitalopram durch seine gute Verträglichkeit. Das QT-Intervall kann, nur wenn überdosiert, verlängert sein. Diarrhoe wird häufiger als bei anderen SSRI beobachtet. (11) 2.4.3 Suizidalität Die Datenlage, ob unter antidepressiver Medikation, darunter SSRI, die Suizidalität erhöht wird, ist uneinheitlich und widersprüchlich, weshalb seit mehreren Jahren in Fachkreisen eine kontroverse Diskussion darüber geführt wird. Ausgehend von der Tatsache, dass sich in den ersten Wochen das depressive Zustandsbild aufgrund von möglichen Nebenwirkungen wie Schlafstörungen oder Unruhezuständen verschlechtert und gleichzeitig der Antrieb gesteigert werden kann, während die antidepressive Wirkung sich erst nach ein bis drei Wochen einstellt, wird vermutet, dass sich die Suizidgefährdung besonders bei Kindern Behandlungswochen und verstärkt. jungen Ein Erwachsenen Konsensus vor besteht allem in zumindest den darin, ersten dass Antidepressiva bei Erwachsenen einen protektiven Effekt hinsichtlich eines Suizids haben. (11) Eine Metaanalye von acht Studien mit einer Gesamtpatientenfallzahl von über 200.000 untersuchte das Suizidrisiko unter SSRI-Medikation. Sie stellte eine signifikante Abhängigkeit vom Alter des Patienten fest. Kinder und Jugendliche hatten mit einem OR von 1,92 ein erhöhtes Risiko eines Suizids oder Suizidversuchs unter SSRI als jene, die diese nicht erhielten. Mit steigendem Alter fällt das Risiko jedoch beziehungsweise kehrt 37 sich um. Bei Erwachsenen betrug das Odds-Ratio 0,57 und bei Patienten über 65 Jahren hatten SSRI mit einem OR von 0,46 einen signifikant protektiven Effekt auf Suizide und Suizidversuche. (41) Abbildung 2-9 Altersabhängigkeit des Suizidrisikos unter SSRI (nach Barbui et al. (41)) Dargestellt ist das erhöhte Risiko eines Suizids oder Suizidversuchs bei jungen Patienten und die entsprechende Umkehrung des OR bei älteren Patienten. Die Kreise entsprechen den in die Metaanalyse eingeschlossen Studien, die Größe der Kreise beschreibt die Patientenzahlen der Studien. Ferner unternahm die Metaanalyse eine Aufschlüsselung des Risikos der einzelnen SSRI. Paroxetin war unter Kindern und Jugendlichen mit einem Odds-Ratio von 1,77 signifikant mit einem erhöhten Suizidrisiko behaftet, weshalb die Autoren von einem Einsatz dieser Substanz bei jungen Altersgruppen abraten. (41) Eine longitudinale Studie mit 757 Patienten, die 27 Jahre beobachtet wurden, kam zu einem teilweise widersprüchlichen Ergebnis. Das Risiko eines Suizids verminderte sich in der Patientengruppe unter antidepressiver Therapie um 20%. Eine signifikant erhöhte Suizidrate bei unter 25 Jährigen konnte nicht festgestellt werden. Nichtsdestotrotz empfehlen die Autoren der Studie, dass, eingedenk der Tatsache, dass das Suizidrisiko zwar vermindert, nicht aber aufgehoben wird, Patienten besonders bei der Therapieinitiierung mit antidepressiven Pharmaka mehrfach hinsichtlich Suizidgedanken und -vorhaben exploriert werden sollten. (42) 38 2.4.4 Zentrales Serotoninsyndrom Hierbei handelt es sich um ein potentiell lebensbedrohliches Zustandsbild, das auf eine exzessive Aktivierung serotonerger Neurone zurückzuführen ist. Die Inzidenz ist prinzipiell sehr niedrig und wird vor allem bei Kombinationstherapien z.B. von SSRI und MAO-Inhibitoren oder von SSRI und Lithium beobachtet. (9) Üblicherweise tritt es in den ersten 24 Stunden nach Applikation auf. (11) Die Symptome umfassen mentale Störungen (z.B. Verwirrtheit, Agitation), autonome (z.B. Schwitzen, Hyperthermie, Übelkeit) und neuromuskuläre Störungen (z.B. Myoklonien, Tremor, Nystagmus). (14) Im schlimmsten Fall kann es zu Rhabdomyolyse, Krampfanfällen, intravasaler disseminierter Koagulopathie bis hin zum Koma kommen. Ein sofortiges Absetzen der ursächlichen Pharmaka ist der erste und wichtigste Therapieschritt. Je nach Zustand des Patienten können dann weitere Maßnahmen zur symptomatischen Therapie ergriffen werden. (9) Im Regelfall klingen die Symptome innerhalb von 24 Stunden nach Absetzen der Medikamente ab. Ein Serotoninsyndrom ist unter SSRI-Monotherapie äußerst selten. (14) 2.4.5 Blutungen Serotonin spielt eine wichtige Rolle in der Hämostase. Bei Gefäßläsionen sind Thrombozyten, um aggregieren zu können, auf Serotonin angewiesen. Wird nun infolge einer SSRI-Therapie die Wiederaufnahme des Transmitters in den Thrombozyten gehemmt, sinkt die intrazelluläre Konzentration und die Blutgerinnung erfolgt verzögert. (11) (16) Eine groß angelegte Kohortenstudie mit einer Patientenfallzahl von 26.000 untersuchte das Risiko von Blutungen im oberen Gastrointestinaltrakt unter antidepressiver Medikation. Sie stellte ein geringes, jedoch signifikant erhöhtes Risiko für eine Monotherapie mit SSRI fest. Die Wahrscheinlichkeit einer Hospitalisierung aufgrund einer Blutung im oberen Gastrointestinaltrakt war in vergleichbaren Altersgruppen für Patienten unter SSRI 3,6 mal höher als für jene, die keine Medikation erhielten. Insgesamt bleibt das Risiko mit 3,1 Blutungen auf 1000 Behandlungsjahre relativ gering, jedoch signifikant. Zwischen den einzelnen SSRI bestand kein signifikanter Unterschied in den ermittelten Risikozahlen, jedoch schneiden die SSRI als Gruppe gegenüber anderen Antidepressiva, die mit keiner erhöhten Blutungswahrscheinlichkeit einhergehen, schlechter ab. Die Inzidenzzahlen erhöhen sich zusätzlich beträchtlich, wenn SSRI zusammen mit Nicht-steroidalen 39 Antirheumatika (NSAR) oder niedrig dosiertem Aspirin verabreicht werden. Die Plättchenaggregation wird dadurch noch stärker gehemmt bzw. schädigen NSAR die gastrale und duodenale Mukosa und das Risiko einer Blutung im oberen Gastrointestinaltrakt steigt um das 12,2fache bei NSAR und 5,2fache bei niedrig dosiertem Aspirin. (43) Nachgewiesen ist ferner eine Assoziation von intrazerebralen Blutungen und der Einnahme von SSRI. Auf 10.000 Personen, die mit SSRI ein Jahr lang behandelt werden, kommt dabei ein Zwischenfall. Hatten die Patienten bereits in der Vorgeschichte eine Hirnblutung erlitten, erhöhte sich das Risiko. Die Autoren der entsprechenden Metaanalyse empfehlen, bei entsprechenden Risikofaktoren der Patienten (z.B. orale Antikoagulation, Blutungsanamnese, zerebrale amyloide Angiopathie, schwerer Alkohol-Abusus) von SSRI Abstand zu halten und andere Antidepressiva einzusetzen. (44) Neben gastrointestinalen und zerebralen Blutungen kann es in seltenen Fällen auch zu Ekychmyosen, gynäkologischen und Haut- oder Schleimhautblutungen kommen. In Anbetracht der aktuellen Datenlage erscheint es also empfehlenswert, bei Patienten unter NSAR-Medikation oder oraler Antikoagulation von SSRI abzusehen und andere Antidepressiva einzusetzen. Alternativ können zur Vermeidung von gastrointestinalen Blutungen auch Protonenpumpeninhibitoren eingesetzt werden, die mit einer deutlichen Risikoreduktion einhergehen. (11) 2.4.6 Intoxikation Neben dem Vorteil, dass SSRI gegenüber trizyklischen Antidepressiva ein verbessertes Nebenwirkungsprofil ausweisen, haben sie auch eine höhere therapeutische Breite, was deren Status als First-line-Medikation in der antidepressiven Therapie mitunter untermauert hat. Tödliche Überdosierungen von SSRI, etwa in suizidaler Absicht, sind, wenn sie allein eingenommen werden, sehr selten. Eine etwa 30fache Überdosierung der normalen Tagesdosis macht in der Regel nur geringe bis keine Symptome. Höhere Mengen gehen mit Müdigkeit, Tremor, Übelkeit und Erbrechen einher. Gefährlich sind Überdosierung in der Größenordnung einer mehr als 75fach erhöhten Tagesdosis und Mischintoxikationen etwa mit Alkohol oder anderen Medikamenten. Schlimmstenfalls kommt es zu Krampfanfällen, EKG-Veränderungen (vor allem bei Citalopram, Escitalopram und Fluoxetin) bis hin zu Koma und Exitus. (45) 40 2.5 Interaktionen und Kontraindikationen Das Interaktionspotential von SSRI ist nicht unerheblich. Es lassen sich pharmakodynamische (etwa bei synergistischer Wirkung zweier Medikamente) und pharmakokinetische Interaktionen unterscheiden. Letztere sind bedingt durch die Hemmung bzw. Induktion von CYP-Isoenzymen. Auch sind Kombinationen von pharmakodynamischen und –kinetischen Interaktionen möglich, wenn beispielsweise SSRI die QT-Zeit verlängern und gleichzeitig den Abbau anderer Pharmaka durch CYPInhibition verlangsamen, die ebenso eine QT-Zeit-Verlängerung bewirken. (14) Die einzelnen SSRI werden durch unterschiedliche CYP-Isoenzyme verstoffwechselt, weshalb sich deren Interaktionsprofil und -potential zum Teil unterscheidet. Sie können die entsprechenden Enzyme entweder hemmen oder induzieren, was die Konzentrationen anderer Pharmaka, die ebenfalls über diese Wege abgebaut werden, beeinflusst. Tabelle 2-1 Beeinflussung der CYP-Enzyme durch SSRI (modifiziert nach Kasper et al. (4)) SSRI CYP-P-450-Substrat CYP-P-450-Inhibitor 3A4 2D6 2C19 1A2 3A4 2D6 2C19 2C9 Citalopram + 0 ++ 0 0 + 0 0 Escitalopram + 0 ++ 0 0 + 0 0 Fluoxetin 0 + 0 + ++ +++ ++ ++ Fluvoxamin 0 0 0 +++ ++ + ++ ++ Paroxetin 0 + 0 + + +++ + 0 Sertralin ++ 0 0 0 + + 0 0 0 = keine Beeinflussung, + = schwache Beeinflussung, ++ = moderate Beeinflussung, +++ = starke Beeinflussung. Gefährliche Interaktionen ergeben sich, wenn SSRI, die also in unterschiedlichem Ausmaß potente Inhibitoren der CYP-Enzyme 1A2, 3A4, 2D6, 2C19 und 2C9 sind (4), den Abbau anderer komedizierter Wirkstoffe behindern und deren Konzentrationen im Plasma auf zunehmend toxische Werte steigern. Dies ist vor allem bei Medikamenten mit geringer therapeutischer Breite zu beachten. Ferner bestehen große interindividuelle Unterschiede im Metabolismus der Substanzen und den entsprechenden Auswirkungen. (14) Am Beispiel des CYP-2D6 kann dies verdeutlicht werden: Etwa sieben bis zehn Prozent der Mitteleuropäer weisen eine reduzierte oder ganz fehlende Funktion dieses Enzyms auf, sogenannte „poor metabolizer“, während andererseits etwa zwei Prozent „ultrarapid 41 metabolizer“ sind, was durch eine gesteigerte 2D6-Akivität bedingt ist. (4) Auch das Isoenzym 2C19 kann beispielsweise ganz fehlen. Neben genetisch determinierten Unterschieden in der Metabolisierungsrate können auch exogene Einflüsse die Expression von CYP-Enzymen modulieren, beispielsweise Rauchen oder auch die Ernährung. (14) Grapefruitsaft und Rotwein hemmen CYP-3A4 und 1A2. Eine Anhebung der entsprechenden SSRI-Spiegel kann bei gleichzeitigem Konsum die Folge sein und sollte darum vermieden werden. (4) In Anbetracht also des individuell stark schwankenden Eliminationsstoffwechsels sind Kombinationsbehandlungen von Patient zu Patient jeweils anders zu bewerten. Die gegenseitige Beeinflussung von Medikamenten kann sowohl risikoreich, unbedenklich als auch vorteilhaft sein. (14) Aus pharmakokinetischer Sicht ist insofern bei einer Reihe von Kombinationstherapien Vorsicht geboten beziehungsweise sollten gewisse Kombinationen überhaupt vermieden werden: Bei gleichzeitiger Medikation von CYP-2C19-Inhibitoren oder -Induktoren (etwa Cimetidin oder Phenytoin) und Citalopram sollten Plasmaspiegelkontrollen des SSRI durchgeführt werden. Esomeprazol etwa kann als 2C19-Inhibitor die Halbwertszeit von Citalopram verdoppeln. Gleiches gilt für Escitalopram. Fluoxetin und Paroxetin hemmen das CYP-2D6 und damit die Verstoffwechselung von einigen Opioiden zu deren aktiven Metaboliten. Sie sollten daher nicht kombiniert werden. Einige trizyklische Antidepressiva und Neuroleptika werden ferner auf diesem Weg abgebaut, wodurch es einer Erhöhung von deren Plasmaspiegel kommen kann. Hinzu kommt, dass Fluoxetin und sein aktiver Metabolit Norfluoxetin eine lange Halbwertszeit aufweisen und insofern noch fünf Wochen nach ihrem Absetzen mit anderen Medikamenten interagieren können. Fluvoxamin als ein potenter Inhibitor der CYP-Enzyme 1A2, 3A4, 2C19 und 2C9 kann den Abbau einer Reihe von Pharmaka, darunter trizyklischer Antidepressiva, verlangsamen. Plasmaspiegel-kontrollen der betroffenen Wirkstoffe sind demnach indiziert. Sertralin greift vergleichsweise wenig in den Stoffwechsel anderer Substanzen ein. Allerdings ist eine gleichzeitige Gabe von Pimozid kontraindiziert, da es aus unbekannter Ursache zu einem erhöhten Plasmaspiegel desselben kommen kann. (11) Interaktionen pharmakodynamischer Natur betreffen das im Kapitel der Nebenwirkungen besprochene Risiko eines zentralen Serotoninsyndroms und das Blutungsrisiko. Die gleichzeitige Verabreichung von SSRI und MAO-Hemmern ist kontraindiziert. Nach Absetzten von Moclobemid ist ein Intervall von zwei Tagen geboten, ehe ein SSRI verschrieben werden darf. Beim irreversiblen MAO-Hemmer Tranylcypromin verlängert sich dieses Intervall auf zwei Wochen. Das Antibiotikum Linezolid ist ebenfalls – wenn 42 auch nur ein schwacher – Hemmer der MAO und darf darum auch nicht gleichzeitig mit SSRI verwendet werden. Vorsicht ist darüber hinaus bei einer Reihe weiterer Wirkstoffe geboten, die ebenfalls die serotonerge Transmission verstärken. Dazu zählen unter anderem TZA, Johanniskraut, Tramadol, Triptane, Tryptophan und Ondansetron. Um ferner das Blutungsrisiko gering zu halten, sollte bei gleichzeitiger Einnahme von NSAR, Thrombozytenaggregationshemmer und oraler Antikoagulation die Verschreibung eines Nicht-SSRI-Antidepressivums überdacht werden. (11) NSAR sind in den letzten Jahren überhaupt in den Fokus der Forschung gerückt. So mehren sich in der Literatur die Hinweise, dass sie nicht nur zu einem höheren Blutungsrisiko unter SSRI-therapierten Patienten führen, sondern auch die Responseraten auf das antidepressive Regimen verringern. Patienten unter NSAR-Dauermedikation haben eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit, nicht von SSRI zu profitieren und damit eine therapieresistente Depression zu entwickeln. Werden dagegen NSAR nur intermittierend verabreicht, hat das keine Auswirkung auf die Response. Interessanterweise konnte nachgewiesen werden, dass Coxibe oder eine alleinige Salizylat-Therapie die Wirksamkeit der SSRI nicht beeinflussen. (46) Dosisabhängig kann es bei Citalopram, Escitalopram und Fluoxetin zur Verlängerung der QT-Zeit im EKG kommen, was im schlimmsten Fall zu ventrikulären Tachykardien und Herzstillstand führen kann. Unter SSRI-Monotherapie sind solche Zwischenfälle äußerst selten, bei Kombinationen mit anderen Wirkstoffen, die auch zu QT-Zeit-Verlängerungen führen, steigt jedoch das Risiko. Hemmt nun noch zusätzlich der SSRI den Abbau des anderen Medikaments (von trizyklischen Antidepressiva, Pimozid oder Thioridazin beispielsweise), sodass dessen Plasmaspiegel sich erhöhen, steigt das Risiko abermals. Diese Kombinationen sind insofern kontraindiziert. (14) Absolute Kontraindikationen bestehen neben den jeweilig risikoreichen Interaktionen auch für eine Reihe anderer Faktoren: (11) - bekannte Allergien auf einen der Stoffe - akute Intoxikationen von Alkohol, Benzodiazepinen, Analgetika oder sonstigen Psychopharmaka - bei akuten manischen Episoden - für Citalopram/Escitalopram bei vorbestehenden Erkrankungen, die das QTIntervall verlängern - für Sertralin höhergradige Leberinsuffizienz und instabile Epilepsie 43 Relative Kontraindikationen sind: (11) - Schwere Leber- und Nierenfunktionsstörungen - erhöhte Blutungsneigung - Instabile Epilepsie - für Paroxetin aufgrund gering ausgeprägter anticholinerger Effekte Prostatahypertrophie und Engwinkelglaukom - für Fluoxetin erhöhter Augeninnendruck - für Citalopram/Escitalopram nach Myokardinfarkten in der Kurzzeitanamnese und sonstigen Herzerkrankungen, die mit einem erhöhten Risiko für Herzrhythmusstörungen assoziiert sind 2.6 SSRI im Gesamtbehandlungskonzept der antidepressiven Therapie Die Therapie depressiver Episoden unterscheidet drei Phasen, die den jeweiligen Krankheitsstadien entsprechen: (4) (47) 1. Akuttherapie: Sie umfasst den Zeitraum vom erstmaligen Auftreten der Symptome bis zum Erreichen einer Remission. 2. Erhaltungstherapie: Diese schließt unmittelbar an die Akuttherapie an, sobald eine Remission erreicht ist. Die Behandlung wird hierbei vier bis sechs Monate bis zur vollständigen Gesundung fortgesetzt. 3. Prophylaktische Therapie: Um eine neuerliche Erkrankung, Chronifizierung oder Suizid zu präventiveren, kann die Behandlung nach vollständiger Gesundung noch für Monate und Jahre weitergeführt werden. 44 Abbildung 2-10 Krankheits- und Behandlungsphasen (nach Bauer et al. (47)) 2.6.1 Akuttherapie Ist die Diagnose einer depressiven Episode gestellt, wird zu Beginn gemeinsam mit dem Patienten ein Therapieplan erarbeitet. Das stützende ärztliche Gespräch und eine vertrauensvolle, empathische Arzt-Patienten-Beziehung sind dabei und in weiterer Folge Grundlage einer erfolgreichen Therapie. Die genaue Aufklärung des Patienten und gegebenenfalls seiner Angehörigen hinsichtlich seiner Erkrankung beziehungsweise der Wirkungsweise mit möglichen Nebenwirkungen der zur Auswahl stehenden Behandlungsoptionen soll dazu beitragen, die Compliance zu erhöhen. (1) Ist eine Therapie eingeleitet, sind in der Akutphase im Abstand von ein bis zwei Wochen Kontrollen empfehlenswert, um den psychiatrischen Status und die Diagnose zu reevaluieren, ferner um das Therapieansprechen zu beurteilen und mögliche Nebenwirkungen zu detektieren. Von entscheidender Bedeutung ist bei den jeweiligen Konsultationen die Abschätzung des Suizidrisikos, das eine intensivierte Pharmako- und Psychotherapie entweder unter engmaschiger Kontrolle oder im stationären Setting unabdingbar macht. In diesem Fall sind Antidepressiva mit großer therapeutischer Breite, etwa SSRI, die bei Überdosierungen in suizidaler Absicht relativ sicher sind, vorzuziehen. 45 (47) Das diskutierte erhöhte Risiko eines Suizids unter SSRI-Medikation bei jungen Patienten sollte vor allem zu Behandlungsbeginn bedacht werden und zu entsprechend engmaschigen Kontrollen Anlass geben. (41) (47) Welche Therapie eingeleitet wird, hängt vom jeweiligen Depressionssubtyp, dem Schweregrad der Störung als auch von der Präferenz des Patienten selbst ab. Bei saisonalen Depressionen hat sich die Lichttherapie als erste Wahl etabliert. Besteht eine leichte depressive Episode kann etwa eine Psychotherapie, die psychosoziale Belastungsfaktoren bearbeitet, ausreichend sein. Der Einsatz von antidepressiven Medikamenten ist bei allen Graden depressiver Störungen gerechtfertigt, mit zunehmender Schwere der Symptomatik jedoch unumgänglich. SSRI sind aufgrund ihrer vergleichbar guten Wirksamkeit, dem günstigen Nebenwirkungsprofil, ihrer hohen therapeutischen Breite und den niedrigen Drop-out-Raten erste Wahl. Welches Antidepressivum im Einzelfall jedoch verordnet wird, hängt von einer Reihe von Faktoren ab: (47) - früheres Ansprechen auf das entsprechende Pharmakon - bestehende Vorerkrankungen, die sich durch das Antidepressivum verschlechtern könnten (z.B. Citalopram/Escitalopram bei Herzrhythmusstörungen) (11) - Dauermedikation, die zu Interaktionen führen kann - Nebenwirkungsprofil des Antidepressivums - Erfahrung des behandelnden Arztes mit einem Antidepressivum - Patientenpräferenz und Compliance - Kosten und Verfügbarkeit eines Antidepressivums Bei schweren depressiven Episoden werden Antidepressiva, denen eine verbesserte Wirksamkeit zugesprochen wird, empfohlen. (47) Zu diesen zählen Escitalopram, Sertralin, Venlafaxin, Mirtazapin und Amitryptilin. (30) (31) Prinzipiell ist anfänglich eine Monotherapie mit einem Antidepressivum anzustreben. (4) Bei Depressionen mit psychotischen Symptomen ist allerdings eine Kombination mit einem atypischen Antipsychotikum sinnvoll. Ferner werden häufig bei Therapiebeginn Benzodiazepine eingesetzt, die sich ohne Wirklatenz positiv auf Angstsymptome, Agitiertheit und Schlafstörungen auswirken. Da sie jedoch ein hohes Risiko für eine Abhängigkeit in sich bergen, dürfen sie nicht länger als maximal vier Wochen eingesetzt werden. Eine begleitende Psychotherapie ist bei allen Schweregraden zusätzlich zur Medikation empfehlenswert. Andere therapeutische Interventionen wie der Schlafentzug, der mit einer sofortigen Stimmungsaufhellung einhergeht, können ebenso zusätzlich angewendet 46 werden. Darüber hinaus sollte der Patient zur körperlichen Aktivität animiert werden. Bei Patienten, die pflanzliche Wirkstoffe bevorzugen, kann bei leicht- bis mittelgradigen depressiven Zuständen alternativ zu den herkömmlichen Antidepressiva Johanniskraut verordnet werden. (47) Nach einer Behandlungsphase von zwei bis vier Wochen sollte die Symptomreduktion des Patienten evaluiert werden. Bei gutem Therapieansprechen ist die eingeleitete Therapie für vier bis sechs Monate fortzuführen. Ist das Ergebnis nicht zufriedenstellend, sollte eine Therapieoptimierung erfolgen. Hierbei begeben sich Arzt und Patient auf eine Gradwanderung: Wird das Antidepressivum zu früh gewechselt, könnte das zur falschen Annahme führen, der Wirkstoff erziele keinen Benefit; hält man andererseits zu lange an einem speziellen Antidepressivum fest, verlängert man unnötig das depressive Leiden des Patienten. Die Entscheidung, wie weiter zu verfahren ist, sollte jedenfalls gemeinsam getroffen werden. (47) Das frühe Ansprechen auf ein Antidepressivum ist ein sensitiver Prädiktor für eine spätere Response oder Remission. Erfährt ein Patient nach zweiwöchiger Behandlung mit Mirtazapin beziehungsweise dreiwöchiger mit Paroxetin keine Besserung seiner Beschwerden, ist folgend eine Response oder Remission sehr unwahrscheinlich. (48) Zum Teil allerdings widersprüchliche Ergebnisse fand eine weitere Studie, die Fluoxetin untersuchte. Sie hält fest, dass bei anfänglichem Ausbleiben der Wirkung auch im weiteren Verlauf noch ein Ansprechen auf Fluoxetin möglich ist, wenn auch mit sinkender Wahrscheinlichkeit. So wurde bei 23% der behandelten Patienten, die nach vier Wochen keine Verbesserung gezeigt hatte, nach acht Wochen sehr wohl eine Response auf Fluoxetin beobachtet, nach 12 Wochen respondierten sogar 50% jener Patientengruppe. (49) 2.6.1.1 Vorgehen bei Therapieversagen Spricht der Patient nach zwei bis vier Wochen nicht zufriedenstellend auf ein Antidepressivum an, sollte gemäß den Guidlines for Biological Treatment of Unipolar Depressive Disorders sichergestellt werden, dass die Diagnose korrekt war, ferner, ob der Patient die ärztlichen Anweisungen befolgt hat, ob möglicherweise andere Medikamente eingenommen wurden, die die Wirksamkeit des Antidepressivums abschwächen, ob psychosoziale Belastungsfaktoren nach wie vor auf den Patienten einwirken, und ob das Antidepressivum ausreichend dosiert wurde. (47) 47 Abbildung 2-11 Vorgehen bei unzureichender Response (nach Bauer et al. (47)) Wurde korrekt diagnostiziert und bei gegebener Compliance adäquat dosiert, ergeben sich verschiedene Möglichkeiten, wie weiter vorgegangen werden kann: 1. Umstellung von einem Antidepressivum auf ein anderes derselben Klasse: Erfolgversprechend ist etwa ein Wechsel von einem SSRI auf einen anderen. (47) 2. Umstellung von einem Antidepressivum auf ein anderes unterschiedlicher Klasse: Infrage kommen nach Versagen von SSRI beispielsweise SNRI oder trizyklische Antidepressiva. (47) Eine Studie, die den Wechsel von SSRI auf Venlafaxin, Bupropion und Sertralin untersuchte, kam zu dem Ergebnis, dass jeder vierte Patient, der initial nicht auf SSRI ansprach, remittierte. Dabei zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen den verabreichten Substanzen, sodass alle drei klinisch gerechtfertigt sind. (50) 3. Kombination zweier Antidepressiva unterschiedlicher Klasse: Der Vorteil von Kombinationstherapien liegt darin, dass ein vielleicht partielles Ansprechen auf ein Antidepressivum nicht verloren geht und keine Symptomverschlechterung aufgrund einer Unterbrechung der Therapie zu erwarten ist. Der Nachteil ist die erhöhte Wahrscheinlichkeit von Interaktionen der kombinierten Pharmaka, etwa bei SSRI und trizyklischen Antidepressiva. Als erfolgversprechende 48 Kombinationen kommen etwa SSRI mit Mirtazapin, Mianserin, Bupropion oder Reboxetin infrage. (9) (47) 4. Augmentationstherapie: Diese meint die Kombination eines Antidepressivums mit einem Pharmakon, das selbst kein Antidepressivum ist. Wiederum ist das Aufbauen auf einer partiellen Response ein Vorteil. Darüber hinaus können Augmentationstherapien mit einem schnellen antidepressiven Effekt einhergehen. Infrage kommen beispielsweise Lithium, das die erste Wahl sein sollte, Schilddrüsenhormone, das Anxiolytikum Buspiron und atypische Antipsychotika wie Risperidon. (22) (47) 5. Elektrokrampftherapie und Psychotherapie: Der Einsatz dieser beiden Methoden kann zu jedem Therapiezeitpunkt erwogen werden. (47) Besonders die Elektrokrampftherapie hat sich bei schweren depressiven Verläufen und therapieresistenten Patienten mit Remissionsraten zwischen 60 und 80% bewährt. (9) 2.6.2 Erhaltungstherapie Sobald eine Remission erreicht wurde, schließt sich eine vier bis sechsmonatige Erhaltungstherapie an, um die Wahrscheinlichkeit eines möglichen Rückfalls mit neuerlicher Symptomverschlechterung in dieser vulnerablen Phase zu minimieren. Jene Medikation, mit der die Remission erreicht wurde, sollte dabei bis zur vollständigen Gesundung beibehalten werden. Kommt es zu keinem Rückfall, kann sie dann schrittweise reduziert werden, sodass keine Absetzsyndrome auftreten. Werden nach Absetzen der Medikamente neuerlich depressive Symptome beobachtet, sollte der Patient für mindestens sechs Monate wiederum auf das davor erfolgreiche Pharmakon in derselben Dosierung eingestellt werden. (4) (47) 2.6.3 Prophylaktische Therapie Bei Patienten, die ein erhöhtes Risiko für ein Wiederauftreten einer depressiven Episode haben oder Restsymptome aufweisen, sollte sich eine prophylaktische Therapie mit derselben Medikation und Dosierung wie in der Erhaltungstherapie anschließen, um eine neuerliche Episode, Suizidalität und eine Chronifizierung der Störung zu vermeiden. SSRI 49 eignen sich aufgrund ihrer guten Verträglichkeit besonders für die Langzeittherapie. Risikofaktoren für ein Neuauftreten der Depression sind unter anderem drei oder mehr Episoden in der Anamnese, eine Krankheitsphase im letzten Jahr, Restsymptome, Krankheitsbeginn vor dem dreißigsten Lebensjahr, Depressionen im Alter und schwere depressive Episoden. Die Dauer einer prophylaktischen Therapie beträgt etwa drei Jahre, bei schweren Verläufen jedoch auch über fünf. Wichtig sind in diesem Zusammenhang eine ausreichende Psychoedukation und die Überwachung der Compliance. Konsultationen sollten im Abstand von einem bis sechs Monaten erfolgen. Milde depressive Symptome können in dieser Zeit immer wieder auftreten, sind aber im Gegensatz zu einem echten Wiederauftreten einer Depression selbstlimitierend und erfordern keine gesonderten Maßnahmen. (47) Wird von Arzt und Patient zuletzt die Entscheidung getroffen, die prophylaktische Therapie zu beenden, sollte die Dosisreduktion vorsichtig und unter wiederholten Kontrollen über drei bis sechs Monate erfolgen. (11) Eine große Metaanalyse, die 4410 Patienten einschloss, konnte den positiven Effekt einer Rezidivprophylaxe mit Antidepressiva auf den Langzeitverlauf der Erkrankung bestätigen. In den ersten drei Jahren kann von einer Rückfallrisikoreduktion von etwa 70% gegenüber Placebo ausgegangen werden. Mit SSRI ließen sich dabei bessere Ergebnisse erzielen als etwa mit trizyklischen Antidepressiva oder MAO-Inhibitoren, die mit den höchsten Rückfallraten einhergingen. (51) 2.6.4 Therapie der Dysthymie Auch bei dieser Störung, die chronisch verläuft und eine Langzeit-Therapie erfordert, sind SSRI aufgrund ihrer guten Verträglichkeit und ihrer vergleichbaren Wirkpotenz mit anderen Antidepressiva Mittel der ersten Wahl. Die verabreichten Dosen entsprechen im Wesentlichen jenen bei depressiven Episoden. Auf eine Dysthymie, die grundsätzlich lediglich milde depressive Symptome aufweist, kann sich eine echte depressive Episode aufpfropfen – man spricht dann von „double depression“, die unter Therapie seltener zu einer völligen Symptomfreiheit führt als bei einer alleinigen depressiven Episode. (47) 50 2.6.5 Therapie in der Schwangerschaft und Stillperiode Depressionen bei werdenden Müttern sind eine ernstzunehmende Komplikation während der Schwangerschaft. Neben dem Risiko eines Suizids wirkt sich die Depression möglicherweise direkt negativ auf die Kindesentwicklung in utero aus und ist mit höheren Frühgeburtsraten und einem verminderten Geburtsgewicht assoziiert. Ferner versäumen depressive Mütter häufiger Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen. Nach der Geburt kann die Mutter-Kind-Beziehung von Depressionen beeinträchtigt sein mit Vernachlässigung und geringer Förderung des Kindes. Bei schweren depressiven Störungen kann insofern eine medikamentöse Therapie indiziert sein. (4) SSRI werden häufig in diesem Kontext eingesetzt. Sie können sowohl die PlazentaSchranke überwinden als auch beim Stillen vom Kind aufgenommen werden. (52) SSRI sind hinsichtlich ihrer Teratogenität dennoch als relativ sicher anzusehen – es konnte kein erhöhtes Risiko für Missbildungen im Prozentbereich nach SSRI-Gabe festgestellt werden. (4) Sehr wohl aber werden bei Neugeborenen, deren Mütter während der Schwangerschaft mit SSRI behandelt wurden, häufiger Frühgeburtlichkeit, geringes Geburtsgewicht und eine schlechte neonatale Adaption beobachtet. Letztere inkludiert Hypoglykämie, Luftnot, Ikterus und Krämpfe. (52) Um diesen Komplikationen vorzubeugen, wird empfohlen, SSRI bei psychisch stabilen Müttern zwei Wochen vor dem Geburtstermin zu reduzieren. Sertralin und Citalopram sind grundsätzlich erste Wahl, da sie während der Stillperiode weniger problematisch erscheinen als andere SSRI. Prinzipiell sollte die Entscheidung, ob beeinträchtigte Kinder gestillt werden sollten oder ob es besser ist, das Pharmakon abzusetzen, gemeinsam mit dem Kinderarzt unter Abwägung des Nutzen-RisikoVerhältnisses getroffen werden. (4) Negative Auswirkungen auf das Kind während des Stillens sind hauptsächlich in einzelnen Fall-Dokumentationen beschrieben, LangzeitEffekte sind bisher nicht ausreichend in Studien untersucht worden. Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass die Gabe von SSRI während der Schwangerschaft zu Entzugssyndromen und serotonerger Überstimulation beim Neugeborenen führt als auch negative Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes hat. (52) Psychotherapeutische Maßnahmen sollten ohnehin bei depressiven Frauen während der Schwangerschaft erfolgen, aber auch die Elektrokrampftherapie stellt eine gute Option dar. (47) 51 2.6.6 Therapie bei Kindern und Jugendlichen Die antidepressive Potenz von SSRI bei Kindern und Jugendlichen ist jener bei Erwachsenen vergleichbar, wobei Fluoxetin das Mittel der ersten Wahl ist. Es ist bei Kindern ab dem achten Lebensjahr als Therapie depressiver Störungen zugelassen, jedoch sind Wachstumsverzögerungen, Auftreten von Manien/Hypomanien, Absetzsyndrome und sexuelle Entwicklungsstörungen möglich und zu bedenken. (4) Ein weiteres großes Thema ist das bereits dargelegte, kontrovers diskutierte Risiko eines Suizids. Entsprechend engmaschig sollten mitunter darum die Kontrollen erfolgen. (47) 2.6.7 Therapie bei älteren Patienten Häufig sind Depressionen im Alter geprägt von uncharakteristischen körperlichen Symptomen und Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen, was mitunter zu einer Unterdiagnostizierung und Untertherapie führt. Sie neigen darüber hinaus zur Chronifizierung und bis zu einem Drittel der Patienten sind therapieresistent. (11) (47) Die Herausforderungen an den Therapeuten sind dabei in der Hauptsache die Multimorbidität und damit einhergehend die Polypharmazie älterer Patienten, die ein hohes Interaktionspotential birgt. Wenngleich Antidepressiva auch im höheren Lebensalter wirksam sind, ist jedoch ihr Wirkungseintritt verzögert. (11) Für Fluoxetin konnte in einer Studie ein gegenüber Placebo 19%iger Wirkungsvorteil bei alten Patienten ausgemacht werden, die Responseraten lagen bei 37,3%, wobei der Schweregrad der depressiven Symptomatik keine signifikanten Auswirkungen auf die Effektstärke zeigte. Im Vergleich zu Erwachsenen, von denen 55% respondierten und die einen 35%igen Benefit gegenüber Placebo aufwiesen, war die antidepressive Wirksamkeit von Fluoxetin allerdings vermindert. (53) Wiederum sind SSRI aufgrund ihrer besseren Verträglichkeit Mittel der ersten Wahl, wobei besonders auf Interaktionen zu achten ist, etwa mit Betablockern, Antikoagulantien und NSAR. Auch auf eine möglicherweise eingeschränkte Funktion von Leber und Nieren, welche die pharmakokinetischen Eigenschaften verändern können, sowie andere bestehende Erkrankungen, beispielsweise Herzpathologien, die die QT-Zeit verlängern, oder Osteoporose ist zu achten. (4) (40) 52 Prinzipiell ist eine Monotherapie mit einem einfachen Dosierungsschema zu bevorzugen, wobei Kombinationen bei primär unzufrieden stellendem Ergebnis ebenfalls möglich sind. Die Dosierung sollte einschleichend erfolgen, auch sind die jeweiligen Höchstdosen, die für Erwachsene gelten, mit Ausnahme von Escitalopram niedriger angesetzt: Für Citalopram bis 30mg/d, für Fluoxetin 20, für Fluvoxamin 200, für Paroxetin 30 und für Sertralin maximal 100mg/d. (4) (11) 53 3 Conclusio SSRI (Citalopram, Escitalopram, Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin und Sertralin) haben sich als First-line-Therapie depressiver Störungen – auch in speziellen Behandlungssituationen, etwa bei Schwangeren und Stillenden, bei Kindern und Jugendlichen als auch bei älteren Patienten – etabliert. Das hat mehrere Gründe: Zum einen ist die Wirksamkeit jener von trizyklischen Antidepressiva vergleichbar, zum anderen bestechen sie durch ein verbessertes Nebenwirkungsprofil, niedrigere Drop-out-Raten und eine hohe therapeutische Breite, was ihren Einsatz auch in Hinblick auf mögliche Überdosierungen in suizidaler Absicht rechtfertigt. (11) Der Wirkmechanismus von SSRI ist weit komplexer, als früher angenommen wurde, und auch bis heute noch nicht restlos geklärt: So wirken sie nicht nur selektiv auf die Serotonin-Rezeptoren ein, sondern beeinflussen über neuronale Verschaltungen im ZNS auch andere Neurotransmittersysteme wie die Dopamin- und Noradrenalinausschüttung; (20) (21) (22) sie wirken über intrazelluläre Pathways auf die Genexpression ein und steigern die Konzentrationen von neurotrophen Faktoren im ZNS, was wiederum zu adaptiven und funktionalen Veränderungen führt; (8) (19) darüber hinaus greifen sie regulierend auf die bei Depressiven gestörte Kortisolausschüttung ein und vermindern die Expression von Zytokinen, denen ebenso eine Rolle in Depressiogenese zugesprochen wird. (19) (23) (25) Dass SSRI wirksam sind, gilt als erwiesen, wenn auch eine relativ hohe Rate an Non-Respondern nach dem ersten Behandlungsversuch zu verzeichnen ist und etwa zwei Drittel deren Wirkung auf den Placebo-Effekt zurückzuführen ist. (25-29) Warum dem so ist, ist bisher nur in Ansätzen geklärt: Spezielle genetische Polymorphismen etwa in der Promoterregion des Serotonintransportergens gehen mit einem schlechteren Ansprechen auf SSRI einher. (34) (35) Auch wird der hemmende Einfluss von SSRI auf die dopaminerge und noradrenerge Transmission als möglicher Grund hierfür diskutiert. (21) (22) Festgehalten werden kann, dass SSRI bei Frauen einen leicht höheren antidepressiven Effekt erreichen als bei Männern, und dass ferner ältere Menschen in geringerem Maße von SSRI profitieren. (36) (43) Die Potenz von Antidepressiva dürfte generell mit der Schwere der Symptomatik zunehmen und nicht alle Antidepressiva wirken gleich stark: Unter den SSRI weisen Sertralin und Escitalopram eine verbesserte Wirksamkeit auf; innerhalb der gesamten Gruppe der Antidepressiva kommen noch Mirtazapin, Venlafaxin und Amitryptilin hinzu, deren Einsatz insofern bei schweren depressiven Episoden am erfolgversprechendsten scheint. (26) (29) (30) (32) 54 Die meisten Nebenwirkungen, die von SSRI verursacht werden, bilden sich innerhalb der ersten zwei Behandlungswochen zurück: Störungen des Gastrointestinaltraktes wie Diarrhoe, Nausea und Vomitus; Störungen auf zentraler Ebene wie anfängliche Agitiertheit, Nervosität, Angstzustände und Schlafstörungen; ferner Kopfschmerzen und Schwitzen. Sexuelle Funktionsstörungen persistieren im Gegensatz dazu häufig. (11) Ernstzunehmende Nebenwirkungen sind darüber hinaus die besonders bei Citalopram und Escitalopram mögliche Verlängerung der QT-Zeit, was besonders bei Herzkranken von Bedeutung ist, und die Verminderung der Knochendichte, die bei beinahe allen SSRI nach Langzeitgabe beobachtet wird. (14) Da Citalopram als einziger Wirkstoff davon ausgenommen ist, erscheint seine Gabe bei älteren, herzgesunden Patienten als überlegenswert. (40) Viel und kontrovers diskutiert wird nach wie vor die Erhöhung des Suizidrisikos bei Kindern und Jugendlichen. Während bei Erwachsenen und älteren Patienten SSRI eindeutig einen protektiven Effekt hinsichtlich Suizid haben, geht die Datenlage bei jungen Patienten auseinander. Engmaschige Kontrollen sind bei dieser Altersgruppe in jedem Fall in den ersten Behandlungswochen indiziert, um das Risiko zu minimieren. (41) (42) Ein Nachteil der SSRI liegt sicherlich darin, dass sie ein hohes pharmakodynamisches wie pharmakokinetisches Interaktionspotential mit sich bringen, was eine genaue Kenntnis des Therapeuten über diese Interaktionen unerlässlich macht. Da SSRI chemisch uneinheitlich sind, unterscheiden sich mit den Wirkstoffen jeweils deren beeinträchtigte CYP-Enzyme. (4) Besonders gefährlich erweisen sich der gleichzeitige Einsatz von Citalopram/Escitalopram und trizyklischen Antidepressiva, die ebenfalls die QT-Zeit verlängern können und deren Abbau durch die SSRI gehemmt wird. (14) Eine weitere Interaktion, die zunehmend in den Fokus der Forschung geraten ist, ist die erhöhte Blutungswahrscheinlichkeit bei gleichzeitiger Verabreichung von SSRI und NSAR beziehungsweise oraler Antikoagulantien. SSRI selbst entziehen den Thrombozyten das zur Aggregation benötigte Serotonin – die Gefahr von Blutungen ist unter Monotherapie aber sehr gering. Wirkt jedoch noch eine weitere Substanz hemmend auf die Gerinnung ein, potenziert sich dieses Risiko. (43) (44) Darüber hinaus sind NSAR bei SSRIEinnahme auch aus einem weiteren Grund abzulehnen: Der antidepressive Effekt von SSRI wird von ihnen abgeschwächt. Coxibe hingegen beeinflussen das Blutungsrisiko nicht und zeigen auch keine Assoziation mit einer schlechteren Response unter SSRI, weswegen deren Einsatz bei Depressiven möglicherweise in Zukunft wohl überlegenswert scheint. (46) 55 Schlägt ein primärer Behandlungsversuch mit SSRI fehl, gibt es eine Reihe weiterer Optionen in der antidepressiven Therapie, die erfolgversprechend sind: Der Wechsel von SSRI auf ein anderes SSRI, der Wechsel auf ein Antidepressivum anderer Klasse, Kombinationstherapien von SSRI und anderen Antidepressiva, Augmentationsstrategien eines Antidepressivums mit einem Wirkstoff, der primär nicht antidepressiv wirkt (etwa Lithium oder Schilddrüsenhormone); daneben können auch der Einsatz von Psychotherapie und Elektrokrampftherapie zu jedem Zeitpunkt erwogen werden. (47) 56 4 Literaturverzeichnis 1. H.-J. Möller, G. Laux, H.-P. Kapfhammer (Hrsg.). Psychiatrie, Psychosomatik, Psychotherapie. 4. erweiterte und vollständig neu bearbeitete Auflage. Springer; 2011 2. F. Jacobi, H.-U. Wittchen, C. Hölting, M. Höfler, H. Pfister, N. Müller, R. Lieb. 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