Grundlagen der Diagnostik und Therapie von somatoformer Schmerzstörung Dipl.-Psych. Daniela Tuffner Psychologische Psychotherapeutin Schmerzzentrum Erlangen Gliederung Bedeutsamkeit somatoformer Schmerzen Somatoforme Schmerzstörung: Was ist das? Ätiologie „Der schwierige Patient“: Arzt-Patient-Beziehung Behandlungsansätze Literatur Bedeutsamkeit somatoformer Schmerzen Lebenszeitprävalenz: ca. 12% Häufigkeit in Schmerzambulanzen: ca. 28% Hohe Kosten - Langwierige Krankheitsverläufe - Gesteigerte und dysfunktionale Inanspruchnahme des Gesundheitssystems - Krankschreibungen - Berentungen Häufige Komorbidität mit anderen psychischen Erkrankungen Somatoforme Schmerzstörung: Was ist das? Einteilung Somatoformer Störungen nach ICD-10 Somatisierungsstörung F 45.0 Undifferenzierte Somatisierungsstörung F 45.1 Hypochondrische Störung F 45.2 Somatoforme autonome Funktionsstörung F 45.3 Anhaltende somatoforme Schmerzstörung F 45.4 Sonstige somatoforme Störungen F 45.8 Somatoforme Störung NNB F 45.9 Somatoforme Schmerzstörung: Was ist das? Definition der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung (F 45.4) nach ICD-10: Andauernder, schwerer und quälender Schmerz Keine vollständige Erklärung durch physiologischen Prozess oder körperliche Störung Auftreten in Verbindung mit emotionalen Konflikten oder psychosozialen Belastungen Beträchtlich gesteigerte persönliche oder medizinische Unterstützung Ätiologische Faktoren Individuelle Faktoren Multifaktorielles Krankheitsmodell Soziokulturelle Faktoren Interaktionelle Faktoren Ätiologische Faktoren Auslöser Körperliche Veränderung Krankheitsverhalten Symptomverstärkung Bewertung Wahrnehmung Ätiologische Faktoren Dysfunktionales Krankheitsverhalten: Schon- und Vermeidungsverhalten Checking Behaviour Doctor hopping Rückversicherungen -> Kurzfristige Beruhigung, jedoch langfristige Aufrechterhaltung der Symptome! „Der schwierige Patient“: Arzt-PatientBeziehung Patientenängste: Ich werde fabrikmäßig abgefertigt! Man schiebt mich auf die Psycho-Schiene! Wieder mal wird keine Ursache der Schmerzen gefunden! Man nimmt mich nicht ernst und hält mich für einen Simulanten! Keiner kann mir helfen und mir sagen, wie es weiter gehen soll! „Der schwierige Patient“: Arzt-PatientBeziehung Arztverhalten: Achte auf eine empathische Gesprächsatmosphäre! Informiere über den Ablauf und den zeitlichen Rahmen des Gesprächs! Thematisiere Ängste und Erwartungen! Exploriere ausführlich alle körperlichen Beschwerden, veranlasse fehlende Untersuchungen! Betone die Realität der Beschwerden! Etabliere ein bio-psycho-soziales Erklärungsmodell Erarbeite einen Behandlungsplan mit realistischen Zielen! Liefere Informationen zu noch offenen Fragen! Behandlungsansätze Ärztliche Maßnahmen Multimodale Therapie Psychologische Maßnahmen Sport- und physiotherapeutische Maßnahmen Behandlungsansätze Teilstationärer Wochenbehandlungsplan Montag 09.30-10.30 h Psycholog. Einzel 10.30-12.00 h Ärztl. Schulung Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Psychoth. Gruppe Psycholog. Schulung Ärztl. Einzel Psychoth. Gruppe Psycholog. Schulung Mittagessen 13.00-14.00 h Entspannung Entspannung Entspannung Entspannung Entspannung 14.30-16.00 h Sport Sport Sport Sport Sport Behandlungsansätze Therapiebeginn: Aufbau einer therapeutischen Beziehung Diagnostik / Informationssammlung Vereinbaren therapeutischer Ziele Behandlungsansätze Erarbeitung eines biopsychosozialen Schmerzmodells: Schrittweises Vorgehen, um Überforderung zu vermeiden Gemeinsames Erarbeiten mit Verhaltensexperimenten und Beispielen aus dem Alltag des Patienten Zuhilfenahme von Symptomtagebüchern oder Biofeedback Betonung eines multifaktoriellen Bedingungsmodells Behandlungsansätze Bio-psychosoziales Schmerzmodell (ursprüngliche) Schmerzursache Schmerzen körperliche psychische Veränderungen soziale Behandlungsansätze Symptomtagebuch Zeit Situation / Ereignis Schmerzen (0-10) Gedanken Gefühle Körperreaktionen Behandlungsansätze Behandlungsansätze Vermittlung und kontinuierliche Erprobung einzelner Bewältigungsstrategien: Entspannung Aufmerksamkeitsumlenkung Umstrukturierung dysfunktionaler Gedanken Behandlungsansätze Entspannungsverfahren Progressive Muskelentspannung Beste empirische Absicherung Leicht zu erlernen Im Alltag einsetzbar Autogenes Training Atemtechniken Imaginationen Behandlungsansätze Aufmerksamkeit funktioniert wie ein Scheinwerfer Schmerz Behandlungsansätze Umstrukturierung dysfunktionaler Gedanken: ABC-Modell Auslösende Situation (A): Rückenschmerzen nach dem Aufwachen Bewertung (B): „Wenn das schon morgens anfängt, ist der Tag gelaufen!“ „Außer Schonen hilft nichts!“ „Ich bin zu nichts mehr zu gebrauchen!“ Consequenzen (C): Gefühle: Hoffnungs- und Hilflosigkeit, Angst, Selbstzweifel Verhalten: Bettruhe, Schonhaltung, sozialer Rückzug Körperliche Reaktionen: Verspannungen, Schmerzzunahme Behandlungsansätze Umstrukturierung dysfunktionaler Gedanken: ABC-Modell Auslösende Situation (A): Rückenschmerzen nach dem Aufwachen Bewertung (B): „Wenn ich erst mal aufstehe, wird es erfahrungsgemäß besser“ „Normalerweise hilft auch Entspannung!“ „Es ist in Ordnung, wenn ich heute nur kleine Schritte bewältigen kann“ Consequenzen (C): Gefühle: Zuversicht, Hoffnung Verhalten: Aufstehen, Anwendung von Entspannungsverfahren Körperliche Reaktionen: Lösung von Verspannungen, Schmerzabnahme Behandlungsansätze Veränderung des Krankheitsverhaltens: Erarbeitung von kurz- und langfristigen Konsequenzen des Krankheitsverhaltens Graduierter Abbau des Schon- und Vermeidungsverhaltens Vereinbarung eines realistischen Zeitraums zum Unterlassen des Checking Behaviours und Aufbau von Alternativen Festlegung einer sinnvollen Frequenz von Arztbesuchen, zeitkontingente statt symptomkontingente Arztkonsultationen Unterlassen des Rücksicherungsverhaltens und Aufbau von Alternativen Behandlungsansätze Ergänzende Therapieelemente: Pharmakotherapie Training sozialer Kompetenzen Berücksichtigung von Funktionalitäten der Schmerzen Behandlung komorbider Erkrankungen Einbezug von Bezugspersonen Behandlungsansätze Wann war die Behandlung erfolgreich? Reduktion der Beschwerden, des Krankheits- verhaltens und störungsspezifischer Kognitionen Steigerung von Lebensqualität und –zufriedenheit Reduktion der Krankheitskosten Literatur Bleichhardt G. & Hiller W. (2008). Somatoforme Störungen. In: Röhrle B., Caspar F. & Schlottke P.F. (Hrsg.). Lehrbuch der klinisch-psychologischen Diagnostik. Stuttgart: Kohlhammer. Bleichhardt G. & Hiller W. (2003). Somatoforme Störungen. In: Leibing E., Hiller W. & Sulz S.K.D. (Hrsg.). Lehrbuch der Psychotherapie, Band 3: Verhaltenstherapie. München: CIP Medien. Dilling H., Mombour W. & Schmidt M.H. (Hrsg.). (2005). Internationale Klassifikation psychischer Störungen. ICD-10 Kapitel V (F). Klinisch-diagnostische Leitlinien. Bern: Huber. Kanfer F.H., Reinecker H. & Schmelzer D. (2006). Selbstmanagement-Therapie. Ein Lehrbuch für die klinische Praxis. Heidelberg: Springer. Lahmann C., Henningsen P. & Noll-Hussong (2010). Somatoforme Schmerzen – Ein Überblick. Psychiatria Danubina, 22, 453-458. Meyer C., Rumpf H.-J., Hapke U., Dilling H. & John U. (2000). Lebenszeitprävalenz psychischer Störungen in der erwachsenen Allgemeinbevölkerung. Ergebnisse der TACOS-Studie. Nervenarzt, 71, 535 –542. Nickel R., Egle U.T. & Schwab R. (2002). Diagnostische Subgruppen und psychosoziale Charakterisierung von Patienten einer universitären Schmerzambulanz. Psychotherapie, Psychosomatik, Medizinische Psychologie, 52, 378-385. Sauer N. & Eich W. (2007). Somatoforme Störungen und Funktionsstörungen. Deutsches Ärzteblatt, 104, 45-53 Danke für Ihre Aufmerksamkeit! Dipl.-Psych. Daniela Tuffner Psychologische Psychotherapeutin Schmerzzentrum Universitätsklinikum Erlangen Krankenhausstr. 12 91054 Erlangen [email protected] http://www.schmerzzentrum.uk-erlangen.de