M E D I Z I N AKTUELL Manfred Dietel Diagnostische Molekularpathologie Die klinische Pathologie hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Methoden der Molekularbiologie an die wissenschaftlichen und diagnostischen Fragestellungen des Fachgebietes adaptiert. Nach der Einführung der Immunhistologie vor etwa 20 Jahren, die zur Immunphänotypisierung der Gewebsveränderungen führte und heute als Standard anzusehen ist, stellt die Molekularpathologie einen weiteie histo- und zytopathologische Untersuchung von Zellund Gewebsproben stellt nach wie vor die unersetzliche Basis für die Mehrzahl medizinischer Diagnosen dar. Unter Anwendung konventioneller Verfahren ist allerdings in zahlreichen Fällen eine eindeutige Festlegung nicht möglich. Um eine höhere diagnostische Präzision zu erreichen, können die neuen Techniken der Molekularpathologie eingesetzt werden, die dem Kliniker präzisere Aussagen für sein therapeutisches Handeln liefern. Dabei ist die Molekularpathologie als Teilgebiet der Pathologie zu definieren, das unter Anwendung der Nukleinsäurenanalytik zur „genotypischen Diagnostik“ von Erkrankungen beiträgt. Dies gilt für drei Bereiche: ! die Onkologie zur Bestimmung der Dignität, Prognose und mit Einschränkungen des therapeutischen Ansprechens, ! die Infektiologie zum Erregernachweis und ! die Gewebsidentifikation (speziell in der Rechtsmedizin, selten in der Pathologie). Da die Untersuchungen größtenteils an formalinfixiertem, in Paraffin eingebettetem Material durchgeführt werden können, eröffnet sich ein breites Spektrum neuer Aufgaben. Im folgenden Beitrag wird eine Übersicht über Methoden und Anwendungsgebiete der molekularen Pathologie gegeben, um dem anfordernden Arzt – Kliniker und Niedergelassenen im gleichen Maß – Infor- D ren „Quantensprung“ in der Entwicklung der pathologischen Diagnostik dar. Hieraus resultiert die Möglichkeit, tumoröse, infektiologische, hereditäre und andere Erkrankungen genotypisch zu charakterisieren und das damit erheblich erweiterte Befundspektrum in die funktionelle Diagnostik einzubringen. Möglichkeiten und Grenzen dieser Techniken in der täglichen Diagnostik werden dargestellt. mationen über Möglichkeiten und Limitationen der aktuellen Entwicklung aufzuzeigen. Das Methodenspektrum Zur Basismethode hat sich die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) mit ihren zahlreichen Variationen entwickelt, wie beispielsweise kompetitive, geschachtelte, multiplex oder differentielle PCR. Die PCR erlaubt eine exponentielle Vervielfältigung von DNA und RNA und kann an Gewebshomogenaten, Zellsuspensionen und Einzelzellen oder an mittels Mikrodissektion gewonnenen Zellkernen durchgeführt werden. Das PCRProdukt wird je nach Fragestellung mit verschiedenen Methoden analysiert, zum Beispiel Restriktionsendonukleaseverdau, denaturierende oder temperaturabhängige GradientenGelelektrophorese, Southern Blot, Dot-Blot, direktes Sequenzieren, Einzelstrang-Konformations-Polymorphismus oder Restriktions-Fragment-Längen-Polymorphismus (3, 8, 14, 3, 30, 31). Als Erleichterung bei der praktischen Anwendung hat sich die Möglichkeit der nicht-radioaktiven Markierung der DNA-/RNASonden, beispielsweise mit Digoxigenin oder Biotin, erwiesen (23). Mit der Vielfarben-Fluoreszenzin-situ-Hybridisierung (FISH) können ganze Genome und einzelne Genomabschnitte sichtbar gemacht werInstitut für Pathologie der Charité (Direktor: Prof. Dr. med. Manfred Dietel), HumboldtUniversität zu Berlin A-2856 (40) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 44, 1. November 1996 den (5). Dadurch gelingt es, molekulargenetische Analysen an Metaphasechromosomen und InterphasenZellkernen von konventionell aufgearbeitetem Zell- und Gewebsmaterial durchzuführen. Die Hybridisierung mit spezifischen Sonden erlaubt dabei die Detektion bekannter Läsionen. Die neue Methode der komparativen genomischen Hybridisierung (CGH) wird hingegen insbesondere als genetisches Screening auf unbekannte chromosomale Umlagerungen in soliden Tumoren eingesetzt. Das gegenwärtig noch begrenzte Auflösungsvermögen dieses Verfahrens wird zukünftig durch die Anwendung der konfokalen Lasermikroskopie weiter verbessert werden (15). Von großer Wichtigkeit bei der Durchführung molekularer Verfahren sind die exakten Einzelfallkontrollen und Ringversuche zwischen verschiedenen Laboratorien. Außerdem muß darauf hingewiesen werden, daß Formalinfixierung und Paraffineinbettung zu Einschränkungen der Empfindlichkeit oben genannter Methoden führen können – ein Problem, das durch weiter verbesserte Techniken voraussichtlich an Bedeutung verlieren wird. Notwendigkeit molekularpathologischer Untersuchungen Um Mißverständnissen vorzubeugen, sei klargestellt, daß am Beginn aller zyto- und histologischen Untersuchungen die konventionelle Aufarbeitung steht und der Aus- M E D I Z I N AKTUELL gangspunkt der diagnostischen Tätigkeit in der Pathologie, auch in der Molekularpathologie, die formalinfixierte, paraffineingebettete und in seltenen Fällen die tiefgefrorene Gewebsprobe ist. Erst nach deren Beurteilung sollte vom Pathologen entschieden werden, welche molekularen Zusatzuntersuchungen sinnvoll sind (21). Zur besseren Übersichtlichkeit werden die Indikationen an Hand der wichtigsten Anwendungsgebiete dargestellt. Onkologie Aufgrund der therapeutischen Konsequenzen muß die Diagnose eines Malignoms mit besonders hoher Verläßlichkeit gestellt werden. Auch die sich in der Onkologie immer mehr durchsetzenden individualisierten Therapiestrategien erfordern ein Höchstmaß an präzisen Aussagen über Histogenese, Prognose und, wenn möglich, über das Ansprechen auf die geplante Therapie. Ferner ist die Früherkennung kleiner Tumoren, erster Metastasen oder eines minimalen Resttumors ein akzeptiertes Ziel, das zur Verbesserung der Therapie und deren Wirksamkeit beitragen soll. Um diesen Anforderungen so gut wie irgend möglich gerecht zu werden, können die Detektion von Onkogenen, Tumorsuppressorgenen und die Bestimmung von tumorspezifischen Mutationen ein wertvoller Zusatz bei der Diagnose, Klassifikation, Prognoseabschätzung und Verlaufskontrolle von Malignomen sein (24). Hämatologische Tumoren Bei Verdacht auf ein malignes Non-Hodgkin-Lymphom (NHL) ist die Aufarbeitung der Lymphknotenbiopsie mit molekularen Methoden dann hilfreich, wenn reaktive Veränderungen, beispielsweise bei Virusinfektionen, nicht sicher von einem malignen NHL abgegrenzt werden können (Grafik 1). Der PCR-gestützte Nachweis monoklonaler Zellpopulationen sowie deren Linienzugehörigkeit (B- oder T-Zellen) ist hierbei diagnoserelevant (11, 25). Als molekulare Marker dienen klonspezifische Umlagerungen von Gensegmenten von Deletionen charakterisiert. Die damit assoziierte Inaktivierung eines oder mehrerer Tumorsuppressor-Gene ist vermutlich der entscheidende Mechanismus sowohl in der Ätiologie als auch der Tumorprogression (28). Da einzelne Mutationen jedoch in unterschiedlicher Häufigkeit auftreten, kommt deren Nachweis Grafik 1 durchaus eine diagnostische Bedeutung zu. So kann die Diagnose eines Pankreaskarzinoms an einem Feinnadelaspirat äußerst schwierig sein. Wird eine Mutation im Kras-Gen (codon 12) gefunden, so liegt bei allen Patienten ein Karzinom vor (12). Auch in bronchoalveolären Lavagen ist die Detektion dieser Mutation fast beweisend für ein Ig-Schwerketten-Rearrangementanalyse einer Lymphknotenbiopsie Bronchialkarzinom (17). (LK) mittels PCR. Die scharfen Doppelbanden (Spur 3 und 4) erlauben Hier ist die hohe Sensitiden hochgradigen Verdacht auf Monoklonalität, das heißt ein malig- vität der Methode besonnes B-Zell-Lymphom, da alle Zellen das gleiche Immunglobulin-Rear- ders nützlich, da der Nachrangement aufweisen. In reaktiven LK (Spur 2 und 6) hingegen ist weis aus nur wenigen Tuaufgrund der verschiedenen V- und N-Segmente ein breites Banden- morzellen zwischen vielen spektrum als Zeichen polyklonaler B-Zellpopulationen vorhanden. normalen Zellen erfolgen Ethidiumbromid-gefärbtes, UV-angeregtes Polyacrylamidgel, Spur 1 muß. Die Detektion von und 5: Kontroll-PCR von zwei bekannten NHL. Mutationen in Stuhl, Urinsediment und Sputum wird Einige Beispiele: Die chronische auch in der Früherkennung beziemyeloische Leukämie (CML) läßt hungsweise Rezidivdiagnostik eingesich über die PCR-gesteuerte Detek- setzt (33). Im Falle der Urindiagnotion der BCR/ABL-Translokation mit stik wurde sogar gezeigt, daß die moÜberexpression des Fusionsproteins lekulargenetische Diagnostik der zyp210 (Tyrosinkinase) sicher beweisen. tologischen überlegen ist (34, 18). Bei Infiltration von extranodalem Analoge Untersuchungen laufen für Gewebe (zum Beispiel Magenmuko- Kolon-, Ovarial- und Mammakarzisa, Haut) mit suspekten lymphoiden nome. Zellen und dem Verdacht auf ein Zur Erkennung von erblichen MALT-Lymphom oder ein kutanes T- Krebserkrankungen ist der Nachweis Zellymphom kann der Nachweis der der verantwortlichen Mutation in Klonalität und Linienspezifität den dem betreffenden Gen von zentraler Verdacht auf eine Neoplasie häufig Bedeutung (die ethische Problemaschon in einem frühen Stadium unter- tik derartiger Untersuchungen soll mauern (Tabelle 1). Allerdings bedeu- hier nicht diskutiert werden). So wird tet Monoklonalität nicht immer Mali- bei Verdacht auf die familiäre Form gnität. des Brust- oder Eierstockkarzinoms das BRCA-1- oder BRCA-2-Gen Epitheliale Tumoren auf bestimmte Keimbahnmutationen untersucht (Grafik 2). Dieser Spezifische, eine Tumorentität Nachweis gelingt heute mit den gecharakterisierende Mutationen sind nannten Methoden aus Blutproben in Karzinomen im Vergleich zu den oder winzigen Gewebsproben von pohämatopoetischen Tumoren seltener. tentiellen Mutationsträgerinnen. Zur Epitheliale Tumoren sind hingegen Sicherung der Familienanamnese insbesondere durch das Auftreten kann noch nach Jahrzehnten an Par(V-, D-, J-) der Immunglobuline (Ig) bei B-Zellymphomen beziehungsweise der T-Zellrezeptor-Gene bei TZellymphomen. Die Umlagerung der Gensegmente ist die spezifische Visitenkarte des Zellklons, die auch bei einer neoplastischen Entartung erhalten bleibt. A-2858 (42) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 44, 1. November 1996 M E D I Z I N AKTUELL Tabelle 1 Anwendungen der Molekularpathologie in der Tumordiagnostik*) Verdacht auf Genloci Þ chromosomale Lokalisation Funktion HÄMATOLOGISCHE TUMOREN malignes Non-HodgkinLymphom, B-Typ Immunglobulin-Schwerketten-Gen Þ 14q Ig-Rearrangement → Monoklonalität von B-Zellen malignes Non-HodgkinLymphom, T-Typ T-Zellrezeptor-Gene Þ diverse TCR-Rearrangement → Monoklonalität von T-Zellen Burkitt-Lymphom IGHV/MYC Þ 6 (8; 14) Ý des c-myc Onkoproteins chronisch myeloische Leukämie BCR/ABL Þ t (9; 22) Ý des Fusionsproteins p210 (Tyrosinkinase) follikuläres Lymphom IGHV/BCL2 Þ t (14; 18) Ý des bcl-2-Proteins in neoplastischen Keimzentren anaplastisches großzelliges Lymphom (ALCL) ALK/NPM Þ t (2; 5) Ý eines Fusionsproteins (Kinase) Mantelzonenlymphom, selten CLL IGHV/CCND1 Þ t (11; 14) Ý eines D-Cyclin akute lymphatische Leukämie, T-Typ IGHV/MYC Þ t (8; 14), Rearrangement des T-Zellrezeptors a SOLIDE TUMOREN Ewing-Sarkom FLI/EWS Þ t (11; 22) RNA/DNA-Bindungsfusionsprotein alveoläres Rhabdomyosarkom PAX 3/FKHR Þ t (2; 13) PAX 7/FKHRÞ t (1; 13) veränderte Zellzyklusproteine myxoides Liposarkom TLS/CHOP Þ t (12; 16) mutiertes DNA-Bindungsfusionsprotein Synovialissarkom SSXT/SSX1/2 Þ t (X; 18) Fusionsprotein Retinoblastom RB1 Þ del 13q14 Genverlust → mutiertes Zellzyklusprotein multiple endokrine Neoplasie 2 (MEN2) RET Þ 10q11.2 veränderte Tyrosinkinase Kolonkarzinom (CC) familiäre adenomatöse Polyposis hereditäre Nicht-Polyposis (HNPCC) DCC Þ del 18q21 APC Þ del 5q21 MLH1 Þ 3p13 MSH2 Þ 2p12 PMS1 Þ 2q PMS2 Þ 7p Genverlust → Zelladhäsionsproteindefekt Genverlust → veränderte Signalvermittlung Mutationen in DNA-Reparaturproteinen Mutationen in DNA-Reparaturproteinen Mutationen in DNA-Reparaturproteinen Mutationen in DNA-Reparaturproteinen familiäres Mamma- und Ovarialkarzinom BRCA1 Þ del 17q21 BRCA2 Þ del 13q14 Genverlust / mutiertes Genprodukt Genverlust / mutiertes Genprodukt zahlreiche solide Tumoren (Li-Fraumeni-Syndrom TP53 Þ del 17p13 p53-Mutation → Verlust der Wachstumskontrolle zahlreiche solide und hämatologische Tumoren MDR1 Þ 7q31 Ý P-Glycoprotein mit Freisetzung von Zytostatika → Multidrug-Resistenz *) Þ Ý → Untersuchungen sind an formalinfixiertem, paraffineingebetteten Gewebe möglich. lokalisiert vermehrte Expression zeigt an Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 44, 1. November 1996 (43) A-2859 M E D I Z I N AKTUELL Aussagen geführt. Sie kann möglicherweise im Einzelfall hilfreich sein (16). Der Nachweis mehrerer Aberrationen als Ausdruck einer genetischen Instabilität ist vermutlich besser geeignet, die Malignität eines Tumors abzuschätzen. Genetische Screening-Methoden wie die CGH (Grafik 4) könnten zukünftig eine große Bedeutung bei der Tumorgradierung bekommen. Eine genetische Tumorklassifizierung als Ergänzung der histologischen Bestimmung wäre für viele morphologisch nur schwer einschätzbaren Tumorentitäten wünschenswert. Zukünftig werden bei Grenzfalltumoren die Keimbahnmutation im BRCA1-Gen (Exon 12, del4282AG) bei familiärem Mammakarzinom. Im oberen Segment Wildtyp-Se- molekularen Zusatzunterquenz einer Normalperson mit sauberer Detektion der Basen, im unteren Segment Heterozygotie für Mutation bei einer Patien- suchungen eine wichtige tin mit überlappenden Sequenzen ab Position 107 (vgl. N-Markierung). Rolle bei der Frage spielen, ob bereits eine metaaffinmaterial, beispielsweise von kative Effekt mehrerer Mutationen stasierungsfähige Läsion vorliegt. So früher entnommenen Tumoren von bestimmt die Prognose. Die Korrela- konnte für Borderline-Tumoren des Familienangehörigen, der Mutations- tion eines einzelnen genetischen Mar- Ovars gezeigt werden, daß ein Henachweis erfolgen. Dies kann zur Dif- kers, zum Beispiel einer Mutation im terozygotie-Verlust auf Chromosoferenzierung zwischen der familiären p53-Tumorsuppressor-Gen, mit der menabschnitt 17p ein seltenes Ereigund sporadischen Form beitragen. Da Prognose hat zu widersprüchlichen nis ist, während es bei Ovarialkarzieine große Anzahl verschiedener Munomen in mehr als 60 Prozent aufGrafik 3 tationen in Betracht kommt und tritt (22). Bei Patientinnen kann solider Anteil (G 3) tubulärer Anteil (G 2) zunächst die Keimbahnmutation der Nachweis einer X-Chromoidentifiziert werden muß, ist die genesom-Inaktivierung in einer Läsion tische Untersuchung außerordentlich einen Hinweis auf Klonalität geaufwendig. Somit wird diese Diagnoben, beispielsweise bei der Abstik voraussichtlich auch in Zukunft grenzung einer atypischen EndoHauptdomäne der Humangenetik metrium-Hyperplasie von einem bleiben. Eine vergleichbare Situation hochdifferenzierten Karzinom. liegt bei Patienten mit hereditärem Mesenchymale und kolorektalem Karzinomsyndrom und neurogene Tumoren Formen der multiplen endokrinen Neoplasie (MEN2) vor (Tabelle 1). Liegt in dieser Tumorgruppe Bei Karzinomen konnte gezeigt eine sogenannte klein- und rundwerden, daß die Akkumulation genezellige Läsion vor, so ist die „rein“ tischer Alterationen in vielen Fällen morphologische Abgrenzung zwimit der Aggressivität der Tumoren schen dem Ewing-Sarkom (ES), korreliert (Grafik 3). So wurden in Allelverlust (LOH) in Tumorareal A einem primitiven neuroektoderKolonkarzinomen relativ häufig Veränderungen der Chromosomenab- Die Anzahl genetischer Verluste korreliert häufig mit der malen Tumor (PNET) oder einem schnitte 5q, 17p und 18p detektiert, in Differenzierung von malignen Tumoren; hier am Beispiel ei- anderen undifferenzierten Tumor Lungentumoren auf Chromosomen- nes serösen Ovarialkarzinoms verdeutlicht. Links: niedrig in vielen Fällen schwierig (13, 19). abschnitten 3p, 13q und 17p (26). We- differenzierter G3-Tumorbereich mit loss of heterozygosity Diese Frage spielt besonders in niger das Vorhandensein einer einzel- (LOH) auf Chromosom 17 (Pfeil), rechts: höher differenzier- der Kinderonkologie eine Rolle. Der Nachweis einer Translokatinen Läsion als vielmehr der multipli- ter G2-Tumoranteil ohne LOH. Grafik 2 A-2860 (44) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 44, 1. November 1996 M E D I Z I N AKTUELL on (11;22) ist dann beweisend für ein ES (9). In der Differentialdiagnose zu einem alveolären Rhabdomyosarkom, das eine Translokation (2;13) aufweist, kann die Genanalyse eine klare Entscheidung herbeiführen (10). Auch für Liposarkome, Retinoblastome und weitere Sarkome sind charakteristische, nicht jedoch spezifische Genveränderungen beschrieben. Bei zahlreichen Weichteiltumo- des Ausmaßes der Metastasierung oder die Suche nach wenigen Resttumorzellen nach einer Chemotherapie ein wichtiges Kriterium zur Entscheidung über Form und Intensität der nachfolgenden Maßnahmen. Dabei besteht bei der Frage nach Lymphknoten-, Organ oder Knochenmarksmetastasen stets die Schwierigkeit, daß bei konventioneller histologischer Aufarbeitung nur ein verhält- gegen die cDNA von Zytokeratinen und ein zweites gegen die des Östrogenrezeptorproteins beziehungsweise des PSA verwendet werden sollten. Mehrfach wurde gezeigt, daß beim Einsatz der PCR der Prozentsatz befallener Lymphknoten deutlich höher ist als bei (immun-)histologischer Aufarbeitung (6). Sollte sich dies bewahrheiten, so wird sich die Metasta sensuche mittels PCR möglicherweise zu einem RouGrafik 4 tineverfahren entwickeln (40). Besteht der Verdacht auf eine zerebrale Tumorläsion mit Anschluß an das Ventrikelsystem, so ist zum Beispiel der Nachweis des mutierten p53-Gens in Zellen aus dem Liquor ein starker Hinweis auf eine Tumorinfiltration (27). Mit der CGH können gröbere genomische Veränderungen verschiedener Tumorproben eines Patienten charakterisiert und verglichen werden. CGH-Summen-Karyogramm eines kleinzelligen Bronchialkarzinoms: rot entspricht einer Deletion, grün einer DNA-Amplifikation, blau Bei Übereinstimder Normalverteilung zwischen Tumor- und Normalgewebe. Das bunte Bild spiegelt die multiplen Aberrationen und damit die hohe Mali- mung der Alteragnität des Tumors wider. tionen ist die Zuordnung Primärturen sind aufgrund der therapeuti- nismäßig geringer Teil des Gewebes mor-Metastase gegenüber zwei Prischen Konsequenzen die genannten untersucht werden kann und somit ei- märtumoren eindeutig zu treffen – eiZusatzuntersuchungen heute als dia- ne maligne Infiltration möglicherwei- ne in der pathologischen Diagnostik gnostischer Standard zu fordern (37). se unerkannt bleibt. häufige Frage. Dieses Problem kann überwunMetastasensuche und Nachweis der den werden, indem die Gesamt-RNA minimale Resttumoren Zytostatikaresistenz eines Lymphknotens präpariert und auf das Vorhandensein nicht-lymphoLiegen bei einer hämotologi- zytärer mRNA, zum Beispiel für ZytoUm bei disseminierten malignen schen Neoplasie definierte geneti- keratine oder tumorassoziierte Anti- Tumoren eine rationale Grundlage sche Veränderungen vor, so können gene, untersucht wird. Um bei diesem für Therapieentscheidungen zu erhaldiese auch bei geringsten Tumorzell- Vorgang eine hohe Sicherheit zu errei- ten, ist die möglichst genaue Bestimzahlen (105 bis 106) als minimale Re- chen, ist es notwendig, mehre- mung ihres Verhaltens gegenüber eisidualerkrankung nachgewiesen wer- re Primerpaare gegen verschiedene ner Chemotherapie durch die Bestimden. Dabei dienen zum Beispiel die nicht-lymphozytäre mRNAs, die re- mung der Zytostatikaresistenz hilfTranslokationen BCR/ABL bei vers transkribiert wurden, einzusetzen. reich (7). So kodiert beispielsweise CML, PML/RAR-a/MYL bei der Als Beispiele seien das östrogenre- das mdr-1-Gen für das membrangePromyelozytenleukämie und IG- zeptor-positive Mammakarzinom und bundene Pumpprotein P-170, dessen HV/BCL2 bei follikulären Lympho- das für das prostataspezifische Anti- Überexpression mit einer Resistenz men als spezifische Marker (4, 20). gen (PSA) positive Prostatakarzinom gegen viele verschiedene Zytostatika Bei Malignomen ist die Bestimmung genannt, bei denen ein Primerpaar assoziiert ist, der sogenannten multi Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 44, 1. November 1996 (45) A-2861 M E D I Z I N AKTUELL drug resistance (MDR). Es wird in erreichen, ist mit molekularen Techl Ein AIDS-Patient zeigt die zahlreichen Tumoren primär oder se- niken präzise möglich (36, 39). Da das Symptome einer Hepatitis ohne entkundär nach Chemotherapie überex- Gewebe nach Homogenisierung voll- sprechende serologische Befunde. Die primiert. Zum Nachweis der mdr- ständig aufgearbeitet werden kann, an der Biopsie durchgeführte PCR 1mRNA in Gewebe wird die semi- wird zumindest theoretisch jedes Tu- kann eine Infektion zweifelsfrei nachquantitative RT-PCR weisen und zusätzlich angewendet (1). Bei Tabelle 2 zwischen den verstarker Expression Molekulare Infektionspathologie – Erregernachweis aus Gewebsmaterial oder am schiedenen Subtypen des P-Glykoprotein histologischen Schnitt*) (beispielsweise HBV, haben sich die TumoHCV) differenzieren. Viren Parasiten, Pilze ren in klinischen Stu- Bakterien l Auch extrem und andere Erreger dien als weitgehend seltene oder kürzlich resistent für MDR- Mycobact. tuberculosis entdeckte Erreger, Hepatitis B Virus (HBVc, HBVs) Entamoeba histolytica Zytostatika erwiesen, wie der Hantaan-ViCandida albicans so daß dann auf Atypische Mycobakterien Hepatitis C Virus (HCV) rus (35) oder das huMycobact. leprae Hepatitis D Virus (HDV) Plasmodium andere Substanzen mane Herpes-Virus 8 zurückgegriffen wer- E. coli (Abbildung), können Hum. Papilloma Virus (HPV) Trichomonas vaginalis den sollte. bei Kenntnis der ErbRickettsia Herpes simplex Virus (HSV) Trichomonas beigeli informationen mitChlamydien trachomatis Human Herpes Virus 8 (HHV8) Lamblium tels PCR diagnostiHelicobacter pylori Epstein-Barr Virus (EBV) Mycoplasmen ziert werden, ohne InfektionsBordetella pertussis Cytomegalie Virus (CMV) daß erst Antikörper pathologie für einen serologiSalmonella typhimurium Coxsackie Virus Die Detektion Pneumocystis carinii schen Test hergestellt Parvovirus B19 von Viren, Bakterien, werden müssen. Human Immundef. Virus (HIV) Parasiten und Myko- Clostridium difficile l In gynäkoloHantaan-Virus plasmen direkt am higischen Abstrichen stologischen Gewebs- *) Sämtliche Nachweise sind an formanlinfixierten, paraffineingebetteten Proben möglich. können „maligne“ material stellt, insbeHPV-Stämme (Typ sondere beim immun16, 18) mittels PCR supprimierten Patienten ohne zuver- berkelbakterium einer Detektion zu- erkannt und durch Restriktionsanalässige serologische Befunde, zum Bei- geführt. Wegen zahlreicher techni- lysen typisiert werden (38). spiel nach Chemotherapie oder Trans- scher Probleme (Kontamination, Geplantation, bei hämatologischen Er- webeverschleppung et cetera) sei hier krankungen oder AIDS, den einzig nochmals auf die Notwendigkeit entGewebeidentifikation möglichen Weg zum sicheren und spe- sprechender Kontrollen hingewiesen. Sollte in einem histologischen Lazifischen Nachweis dar. Hier liegt ein l Bei Patienten nach Transplanzukunftsweisendes Einsatzgebiet der tation ergibt sich eine Verschlechte- bor einmal eine Probe nicht mit dem rung der Leberwerte. vom Einsender angegebenen GeweEs stellt sich die Frage, be übereinstimmen, so ist die eindeutiob dies auf eine exa- ge „genetische Identifikation“ mögzerbierte virale He- lich, wenn von dem Patienten eine patitis oder eine bei- weitere Probe oder auch nur einige spielsweise medika- Zellen (Plattenepithel- oder Schleimmenteninduzierte Le- hautabstriche) zur Verfügung stehen. berinsuffizienz zurück- Diese werden dann molekular verglizuführen ist. In diesem chen, indem mehrere polymorphe Fall kann an einer Marker in den betreffenden Proben Leberstanzbiopsie der untersucht werden. Eine relativ selteVirusnachweis oder ne, aber bei juristischen AuseinanderAbbildung: Kaposisarkom im Larynx eines AIDS-Patienten (links) mit Nachweis -ausschluß mittels PCR setzungen wichtige Möglichkeit. anschließender eines Human-Herpes-Virus8-spezifischen 234-bp-Amplifikats mittels PCR und und Elektrophorese (rechts). Spur 1: Positivkontrolle, Spuren 2–3: Negativkontrol- Hybridisierung schnell und zuverlässig erfollen, Spur 4: DNA-Isolat aus der darstellten Biopsie, Spur 5: 220-bp-Marker. Ausblick gen (2, 29), während Die voraussichtlich rasante EntMolekularpathologe (Tabelle 2), das an die serologische Titerbestimmung nur einigen Beispielen verdeutlicht wird. eingeschränkt aussagekräftig ist. Zu- wicklung der molekularen Methoden l Der Nachweis einer Tuberku- sätzlich können Mischinfektionen wird der Molekularpathologie zahlreiloseinfektion, häufig mit histochemi- zum Beispiel mit Zytomegalieviren che zusätzliche Möglichkeiten zur Steigerung der diagnostischen Präzischen Färbungen nur unzuverlässig zu aufgedeckt werden. A-2862 (46) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 44, 1. November 1996 M E D I Z I N AKTUELL/FÜR SIE REFERIERT son eröffnen. Im Mittelpunkt stehen die Tumor- und Infektionspathologie. Vor dem Hintergrund begrenzter Mittel ist allerdings eindringlich auf die Notwendigkeit der kritischen und sorgfältigen Auswahl der einzusetzenden Zusatzuntersuchung hinzuweisen. Gewarnt wird auch vor einer euphorischen Überbewertung, da das technisch anspruchsvolle Methodenspektrum mit teilweise extrem hoher Sensibilität erhebliche Risiken insbesondere einer falsch positiven Aussage birgt. Daher sollten nur Arbeitsgruppen mit speziellen Fachkenntnissen in der diagnostischen Molekularpathologie tätig sein. Auf diesem Gebiet arbeitende Ärzte sollten die Zusatzbezeichnung „Molekularpathologie“ vorweisen. Zusätzlich müssen sich die entsprechenden Laboratorien regelmäßigen Ringversuchen unterziehen, um ihre Kompetenz zu belegen. Danksagung Dr. Kölble und Dr. Petersen (Institut für Pathologie) wird für die intensive Mitarbeit am Manuskript gedankt, ebenso Dr. Scherneck (Max-Delbrück-Zentrum, BerlinBuch) für die Überlassung der Abbildung. Zitierweise dieses Beitrags: Dt Ärztebl 1996; 93: A-2856–2863 [Heft 44] Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über den Verfasser. Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. med. Manfred Dietel Institut für Pathologie der Charité Humboldt-Universität zu Berlin Schumannstraße 20–21 10117 Berlin Risiko von Virusinfektionen nach Transfusion In einer großen amerikanischen Studie wurden von 1991 bis 1993 Daten von 586 507 Blutspendern von fünf Blutbanken bezüglich der Infektiosität mit dem humanen Immundefizienz-Virus (HIV), dem humanen T-Zell-lymphotrophen-Virus (HTLV), dem Hepatitis-C-Virus (HCV) und dem Hepatitis-B-Virus (HBV) untersucht. Hierbei wurde bei den regelmäßig wiederkehrenden Spendern vor allem der Zeitraum der Infektiosität bei negativen Screening-Tests („diagnostische Lücke“) retrospektiv erfaßt und mit Hilfe dieser Methode die potentielle Infektiosität der Blutprodukte ermittelt. Bei Spendern mit negativen Screening-Tests für die oben aufgeführten Erkrankungen ergaben sich folgende Wahrscheinlichkeiten, während einer „diagnostischen Lücke“ Blut zu spenden: für HIV 1 : 493 000; für HTLV 1 : 641 000; für HCV 1 : 103 000 und für HBV 1 : 34 000. Durch Einsatz neuer, hochsensitiver Screening-Tests auf VirusAntigene oder Virus-Nukleinsäuren ließen sich diese Zahlen nach Ansicht der Autoren noch um 27 bis 72 Prozent verbessern. acc Schreiber, GB., et al.: The risk of transfusion-transmitted viral infections. N Engl J Med 1996; 334: 1685–1690 Dr. Schreiber, Westat Inc., 1650 Research Blvd., Rockville, MD 20850, USA Nikotin und Magenentleerung Viele Patienten berichten, daß sie nach Einstellung des Nikotinkonsums zugenommen haben. Die Autoren untersuchten den Einfluß des Nikotins auf die Magenmotilität und konnten mittels Elektrogastrographie und Manometrie zeigen, daß Nikotin bei Rauchern und Nichtrauchern zu einer Antrumhypomotilität führt. Bei Nichtrauchern ließen sich prostaglandingabhängige Magendysrhythmien nachweisen. Raucher weisen eine Desensibilisierung gegenüber nikotinstimulierten Rhythmusstörungen (Tachygastrie, Arrhythmie) auf. w Kohagen KR et al.: Nicotine Effects on Prostaglandin-Dependent Gastric Slow Wave Rhythmicity and Antral Motility in Nonsmokers and Smokers. Gastroenterology 1996; 100: 3–11 Division of Gastroenterology, Department of Internal Medicine, University of Michigan Medical Center, Ann Arbor, Michigan, USA Ulkus-Prävention mit Omeprazol Über die Ergebnisse der Prävention peptischer Ulzera und dyspeptischer Symptome unter einer Langzeittherapie mit nichtsteroidalen Antirheumatika mit Protonenpumpenhemmern lagen bislang noch keine wissenschaftlichen Studien vor. Eine skandinavische Arbeitsgruppe berichtet jetzt über eine erste Studie an 175 Patienten, bei denen 20 Miligramm Omeprazol mit einer Plazebomedikation hinsichtlich gastroduodenaler Ulzera, Erosionen und dyspeptischer Symptome unter einer Dauertherapie mit nichtsteroidalen Antirheumatika-Präparaten verglichen wurden. Eine Analyse erfolgte jeweils nach einem und nach drei Monaten. Unter der Therapie mit Omeprazol entwickelten 4 von 85 Patienten, das entspricht 4,7 Prozent, ein Ulkus im Vergleich zu 15 von 90, das entspricht 16,7 Prozent, unter Plazebo. Dieser ulkusprophylaktische Effekt des Omeprazols war weder von einer positiven Ulkusanamnese noch von einem Helicobacter-pylori-Status abhängig. 15 der 85 Patienten, das entspricht 15,3 Prozent, entwickelten behandlungsbedürftige dyspeptische Symptome unter Omeprazol, 35,6 Prozent entwickelten diese Symptome unter Plazebo. In der beschriebenen Studie waren primär Patienten mit einer Dyspepsieanamnese oder einer unkomplizierten Ulkuskrankheit aufgenommen worden. Die Autoren kommen zu dem Schluß, daß zumindest bei diesem beschriebenen Kollektiv eine prophylaktische Behandlung mit Omeprazol einen weitreichenden Schutz vor der Entwicklung einer Nichtsteroidale-Antirheumatika-Gastropathie bietet. w Ekström P, Carling L, Wetterhus S, Wingren P E, Anker-Hansen O, Lundegardh G, Thorhallsson E, Unge P: Prevention of Peptic Ulcer and Dyspeptic Symptoms with Omeprazole in Patients Receiving Continuous Non-Steroidal Anti-Inflammatory Drug Therapy. Scand J Gastroenterol 1996; 31: 753–758 Department of Surgery, Sandvikens Hospital, 81189 Sandviken, Schweden. Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 44, 1. November 1996 (47) A-2863