Chromosomale Aberrationen und frühembryonale Mortalität beim

Werbung
Arch.Geflügelk., 69 (4). S. 146–150, 2005, ISSN 0003-9098. © Verlag Eugen Ulmer GmbH & Co. Stuttgart
Chromosomale Aberrationen und frühembryonale Mortalität beim
Legehuhn
Chromosomal aberrations and early embryonic mortality in laying hens
Saefudin*1, W. Saar*, M. Schmutz**, R. Preisinger** and L. Schüler*
Manuskript eingegangen am 2. Mai 2003, angenommen am 1. Mai 2004
Einleitung
Chromosomenaberrationen können eine Ursache für hohe
embryonale Mortalität sein (THORNE et al., 1991). Die
meisten betroffenen Embryonen sterben bis zum 7. Inkubationstag ab und vermindern die Schlupfrate. Diese Annahme leitet sich aus dem weitgehenden Fehlen betreffender Aberrationen bei späteren Embryonen sowie bei geschlüpften Küken ab. So wurde die Beteiligung der Aberrationen an der embryonalen Mortalität auf Werte zwischen
10,8% (BLOOM, 1970, 1972) und 25% (LODGE et al., 1974),
sowie 30-50% (SZALAY et al., 1989) geschätzt.
Ausgehend von der Annahme, dass eine erhöhte Frühabsterberrate mit einer Häufung abnormer bzw. verzögerter
Entwicklungsstadien in den ersten Bruttagen einhergeht,
sollte der Vergleich der chromosomalen Aberrationen von
normal entwickelten Embryonen einerseits und phänotypisch abnormen Embryonen andererseits einen Hinweis
auf die ursächliche Beteiligung abweichender Chromosomensätze am Mortalitätsgeschehen erbringen.
In älteren Untersuchungen beim Huhn wurde eine Aberrationsfrequenz von 5,2% ermittelt und herausgefunden,
dass die aberranten Embryonen ausschließlich phänotypisch verändert waren (BLOOM, 1969). DONNER et al. (1969)
konnten bei phänotypisch veränderten und unterentwickelten Hühnerembryonen Triploidie-Aberrationen mit
der ZZZ-Konstitution beobachten. Untersuchungen von
BLOOM (1972) an weiteren Hühnerlinien zeigten relativ
hohe Aberrationsfrequenzen zwischen 2,3% und 23,7%
bei phänotypisch veränderten Embryonen im Gegensatz
zu den normal entwickelten mit 0 bis 1,5%. SZALAY et al.
(1989) konnten eine Aberrationsfrequenz von 14,6% bei
abnormen Embryonen aus einer Mastlinie beobachten.
THORNE et al. (1991) konnten eine Aberrationsfrequenz
von 4,4 - 28,1% ( X =11,8%) für eine Mastlinie und von 7,4
– 25,0% (X = 13,4%) für Legetypen bei phänotypisch veränderten Embryonen ermitteln, wobei reine Haploidieund Haploidie-Euploidie- Chimären-Typen am häufigsten
beobachtet wurden.
Ziel der Analyse war es, die Unterschiede hinsichtlich der
Frequenzen chromosomaler Aberrationen bei normalen
und unterentwickelten Embryonen in 2 Reinzuchtpopulationen des Legehuhns (Linie A und D) zu erfassen und
*Institut für Tierzucht und Tierhaltung mit Tierklinik Martin-Luther University
Halle-Wittenberg, Deutschland,
**Lohmann Tierzucht GmbH Cuxhaven, Deutschland und (1)Biologie UPI Bandung, Indonesien
außerdem eventuelle Beziehungen zwischen dem Auftreten unterentwickelter sowie frühabgestorbener Embryonen und dem Alter der Hennen bzw. der Legeperiode sowie dem Eigewicht aufzudecken. Beide Populationen weisen hohe Aberrationsfrequenzen und frühembryonale
Mortalität (SAEFUDIN et al., 2002a, b) auf.
Material und Methoden
Für die Analyse wurden zwei Reinzuchtlinien A und D verwendet. Zur Erfassung von Alterseinflüssen wurden Embryonen aus drei Legeabschnitten zytogenetisch untersucht:
20.–24. Lebenswoche (Legeanfang), 26.-28. Lebenswoche
(Legemitte), und 61.-65. Lebenswoche (Legeende). Je Linie wurden 20 Hennen als Stichprobe zufällig ausgewählt,
von denen je Legeabschnitt jeweils mindestens 5 Embryonen untersucht wurden.
Zur Erfassung von Eigewichtseinflüssen wurden die untersuchten Eier in drei Klassen unter Verwendung des Mittelwertes( X ) und der Standardabweichung (SD) klassifiziert: Leicht/L ( <X -SD ), Medium/M (X ± SD ) Schwer/S
( > X + SD ).
Die Anfertigung der Chromosomenpräparate erfolgte unter Verwendung des Gesamtembryos nach einer modifizierten Methode, die bei relativ geringem Zeitaufwand die
Analyse größerer Individuenzahlen gestattet (VAGT u.
SAAR, 1986).
Beim Öffnen der Eier nach ca. 72 Brutstunden konnte der
Entwicklungsstand der Embryonen beurteilt werden. Als
unterentwickelte Embryonen wurden die phänotypisch
veränderten bzw. zeitlich verzögerten Entwicklungsstadien erfasst. Dazu zählen auch jene Fälle, wo im Zentrum
der Keimscheibe lediglich ein undifferenziertes Epithel unterschiedlicher Größe und Form ohne erkennbaren Embryo vorliegt. Darunter können sich auch bereits abgestorbene Stadien befinden. Außerdem wurden die bereits am
1. bzw. 2. Bruttag abgestorbenen Keime als Frühabsterber
registriert. Von ihnen wurden keine Chromosomenpräparate angefertigt.
Die Analyse der mit Giemsa gefärbten Metaphasechromosomen zur Erkennung von Aberrationen erfolgte bei
1000-facher Vergrößerung am Mikroskop BH (Olympus).
Je Embryo wurden 20 einzeln liegende Metaphasen beurteilt. In die Beurteilung wurden die Makrochromosomen
bis zum Paar Nr. 8 einschließlich der Geschlechtschromosomen einbezogen. Es wurden ausschließlich numerische
Aberrationen erfasst.
Auftretende Aberrationen wurden anerkannt, wenn euploide Abweichungen (Haploidie, Triploidie oder TetraploiArch.Geflügelk. 4/2005
Saefudin et al.: Chromosomale Aberrationen und frühembryonale Mortalität beim Legehuhn
die) mindestens einmal und aneuploide Veränderungen
(Monosomie, Trisomie oder Tetrasomie) in mindestens
3-facher Wiederholung je Embryo auftraten.
Die statistische Prüfung erfolgte mit dem X2 Test und Fischer Exakt Test (Bedingung für X2 Test nicht erfüllt). Für
alle statistischen Tests wurde eine Irrtumswahrscheinlichkeit ( α ) von 5% angenommen.
147
von 377). In der Linie D betrug der Anteil 16,3% (62 von
380 – s. Tab. 1). Signifikante Unterschiede zwischen den
Linien bestanden nicht. Beiden Linien gemeinsam ist die
deutliche Abnahme unterentwickelter Embryonen am Legeende.
Aberrationsfrequenzen und Entwicklungszustand der Embryonen
Von der Linie A standen insgesamt 468 (100%) Embryonen zur Analyse zur Verfügung. Unter ihnen befanden sich
71 (15,2%) Frühabsterber, die zytologisch nicht darstellbar sind. Von 397 Embryonen wurden zytologische Präparate erstellt, von denen 91 (4,2%) nicht auswertbar waren
(mangelnde Qualität bzw. fehlende Zellteilung), so dass
377 (80,6%) Embryonen zur zytogenetischen Auswertung
zur Verfügung standen. Unter diesen befanden sich 66 Embryonen, die als unterentwickelt eingestuft wurden. Von
der Linie D betrugen die entsprechenden Präparate: 483
(100%) Embryonen, 79 Frühabsterber (16,3%), 404
(83,7%) zur zytogenetischen Analyse, 24 (5%) nicht zytologisch auswertbar, 380 (78,7%) zur zytogenetischen Auswertung.
Der Anteil unbefruchteter Eier lag bei 2,5% in der Linie A
und bei 2,2% in der Linie D
In der Linie A wurden bei 17 von 60 unterentwickelten Embryonen chromosomale Aberrationen gefunden (28,3%).
In der Linie D waren es 24,2% (15 von 62 – s. Tab. 1). Linienunterschiede bestanden nicht. Dagegen wurden für die
phänotypisch normal entwickelten Embryonen beider Linien wesentlich niedrigere Aberrationsfrequenzen ermittelt: 5,7% bei Linie A bzw. 10,7% bei Linie D.
Die Tabelle 1 zeigt die z.T. erheblichen Differenzen in
der Frequenz chromosomaler Aberrationen in Abhängigkeit vom Entwicklungszustand und vom Legeabschnitt
für beide Linien. Übereinstimmend zeigen die unterentwickelten Embryonen beider Linien am Legeanfang
und vor allem am Legeende deutlich höhere Aberrationsfrequenzen. In der Mitte der Legeperiode bestehen keine
Unterschiede. Bei der Linie A ist der Unterschied in der
Aberrationsfrequenz der unterentwickelten Embryonen
(Legeende in Vergleich zu Beginn und Mitte) statistisch
signifikant.
Frequenz unterentwickelter Embryonen im Legeverlauf
Aberrationstypen und unterentwickelte Embryonen
In der Linie A wurde der Anteil unterentwickelter, zytogenetisch auswertbarer Embryonen mit 15,9% ermittelt (60
Bei der Analyse der Beziehung zwischen den Aberrationstypen und dem Merkmal unterentwickelte Embryonen ist
Ergebnisse
Tab. 1. Chromosomale Aberrationsfrequenzen bei normal entwickelten und unterentwickelten sowie insgesamt untersuchten
Embryonen im Legeverlauf der Linie A und D . (A = Legeanfang; M = Legemitte; E = Legeende)
Chromosomal aberration frequencies of normal and underdeveloped embryos as well as number of total embryos analyzed in the laying perods of line A and D (Laying period; A = beginning, M = middle, E = end )
Linie A
A
M
E
Total
Embryonen insgesamt
davon aberrant
n/%
128
112
137
377
12 / 9.4
9 / 8.0
14 / 10.2
35 / 9.3
97
93
127
317
5 / 5.1
7 / 7.5
6 / 4.7
18 / 5.7
31 (24.3)
19 (17.0)
10 (7.3)
60 (15.9)
7 / 22.6
2 / 10.5
8 / 80.0
17 / 28.3
115
107
158
380
15 / 13.0
15 / 14.0
19 / 12.0
49 / 12.9
91
85
142
318
10 / 11.0
12 / 14.1
12 / 8.5
34 / 10.7
24 (20.9)
22 (20.6)
16 (10.1)
62 (16.3)
5 / 20.8
3 / 13.6
7 / 43.8
15 / 24.2
normal entwickelte E.
davon aberrant
n/%
unterentwickelte E:
n (%)
davon aberrant
n/%
Linie D
Embryonen insgesamt
davon aberrant
n/%
normal entwickelte E.
davon aberrant
n/%
unterentwickelte E:
n (%)
davon aberrant
n/%
Arch.Geflügelk. 4/2005
148
Saefudin et al.: Chromosomale Aberrationen und frühembryonale Mortalität beim Legehuhn
ein deutlicher Zusammenhang zu beobachten. Insgesamt
wurden 8 Aberrationstypen in beiden Linien gefunden.
Alle beobachteten Fälle reiner Haploidie (n = 9 / Linie A;
n = 4 / Linie D) finden sich ausschließlich bei unterentwickelten Embryonen; ebenso die Trisomie - Mosaike
(n = 1/Linie A) sowie die gemischten Formen von Aneuploidie und Euploidie (n = 1 / Linie A; n = 2 / Linie D). Die
Haploidie – Mosaike als generell häufigste Aberrationsform kommen ebenfalls gehäuft bei unterentwickelten Embryonen vor (mit 6 von insgesamt 15 Fällen bei Linie A
bzw. 8 von 27 Fällen bei Linie D).
Andererseits wurden die Aberrationstypen reine Triploidie, die Monosomie-Mosaike und Tetraploidie-Mosaike
nicht bei unterentwickelten Embryonen registriert.
Eimasse und unterentwickelte Embryonen
In diese Untersuchung wurden alle am 3. Bruttag geöffneten Eier einbezogen, d.h. nicht nur die zytogenetisch auswertbaren Embryonen berücksichtigt (vergl. Tab. 1). Was
die Häufigkeit des Auftretens unterentwickelter Embryonen in den verschiedenen Eiklassen anbelangt, zeigen bei-
de Linien ein in der Tendenz gegenläufiges Verhalten (s.
Tab. 2), was besonders in der Legemitte deutlich wird. Linie A zeigt häufiger unterentwickelte Embryonen in der
leichten, Linie D dagegen in der schweren Eiklasse. Signifikante Unterschiede bestehen nicht. Beiden Linien gemeinsam ist die abnehmende Frequenz unterentwickelter
Embryonen am Legeende, wie bereits in Tab. 1 dokumentiert.
Frequenz früh abgestorbener Embryonen im Verlauf der
Legeperiode
Der Arbeitshypothese folgend, dass es sich bei den unterentwickelten Embryonen um potentielle Absterber handelt, schien es sinnvoll, auch die bereits am 1. bzw. 2. Bruttag auf niedriger Entwicklungsstufe abgestorbenen Keime
in die Analyse einzubeziehen. Die Anfertigung von Chromosomenpräparaten zur zytogenetischen Auswertung ist
hier allerdings nicht möglich.
Wie Tab. 3 zeigt, ist in beiden Linien eine signifikante Abnahme dieser Frühabsterber im Verlauf der Legeperiode zu
verzeichnen. Linienunterschiede treten dabei nicht auf.
Tab. 2. Frequenz unterentwickelter Embryonen in der leichten (l), mittleren (m) und schweren (s) Eiklasse im Legeverlauf der Linien A und D. Angaben in Prozent; (A = Legeanfang; M = Legemitte; E = Legeende)
Frequency of underdeveloped embryos in egg weight classes light (l), middle (m) and haevy (s) in the laying period of the line A and D.
Data in percentage (laying period; A= beginning, M= middle, E= end)
Linie A
Eiklasse
l
m
s
Eier ges.
A
20.0
17.5
25.0
19.0
Linie D
M
33.3
13.9
4.8
14.6
E
0
9.9
7.1
8.4
insges.
19.3
14.3
14.3
14.95
A
25.0
15.1
4.5
14.4
M
10.0
14.0
34.8
16.9
E
insges.
12.5
13.4
17.2
13.88
6.3
10.3
10.5
9.8
Tab. 3. Frequenz früh abgestorbener Embryonen (FA) in der leichten (l), mittleren (m) und schweren (s) Eiklasse im Legeverlauf
der Linie A und D. Angaben in Prozent; (A = Legeanfang; M = Legemitte; E = Legeende;
EEM = Einzeleimasse in g)
Frequency of early atrophic embryos (FA) in egg weight classes light (l), middle (m) and heavy (s) and in the laying peiod of line A and
D. Data in percentage; (Laying period; A = beginning, M = middle, E = end )
Eiklasse
Zeit
Linie A
EEM
< 48.4
< 55.8
< 63.5
Linie D
EEM
FA
l
A
M
E
m
A
M
E
s
A
M
E
> 60.0
> 65.0
> 73.9
21.4
14.3
0
> 56.3
> 60.5
> 68.0
18.2
9.1
8.3
l
m
s
Legeperiode
insgesamt
< 52
52.0 – 67.6
67.6
34.7
14.3
5.0
< 50.5
50.5 – 62.5
62.5
40.5
16.3
4.6
Eier
insgesamt
A
M
E
48.4 - 60.0
55.8 – 65.0
63.5 – 73.9
-
35.5
13.3
0
25.4
13.9
3.7
26.5
13.9
2.8
< 47.3
< 53.9
< 58.8
FA
47.3 – 56.3
53.9 – 60.5
58.8 – 68.0
-
63.6
20.0
12.0
27.0
16.0
2.4
30.6
15.4
4.9
Arch.Geflügelk. 4/2005
Saefudin et al.: Chromosomale Aberrationen und frühembryonale Mortalität beim Legehuhn
Eimasse und Frühabsterber
Wie die in Tabelle 3 dokumentierte Gruppierung der Eier
nach der Einzeleimasse zeigt, lässt sich in beiden Linien
übereinstimmend eine deutliche Abnahme der Frühabsterberfrequenz mit steigender Eimasse feststellen. Innerhalb
aller Eiklassen wird ebenfalls übereinstimmend die abfallende Häufigkeit der Frühabsterber im Verlauf der Legeperiode deutlich. Die Frequenzunterschiede zwischen den Linien sind unbedeutend.
Diskussion
Der Anteil unterentwickelter Embryonen lag bei 14, 1% aller aufgefundenen Embryonen für Linie A und 13,3% für
Linie D. Auch andere Autoren berichteten über den Anteil
der unterentwickelten Embryonen in den verschiedenen
Linien. THORNE et al. (1991) beobachteten bei Masttypen
des Huhns 9,8 – 26,8% und bei Legehennen 16,4 – 27,9%.
39,1% unterentwickelte Embryonen beim Huhn wurden
von BLOOM (1969) beobachtet. In Untersuchungen bei der
Wachtel wurden zwischen 10,8 – 20,7% (TRAORE, 1999)
unterentwickelte bzw. phänotypisch abnorme Embryonen
erfasst.
Ein Einfluss der Legeabschnitte auf den Anteil unterentwickelter Embryonen wird in beiden Linien sichtbar. Der
Anteil unterentwickelter Embryonen zeigt Höchstwerte zu
Legebeginn und ist am Legeende am niedrigsten. Ein signifikanter Unterschied der Frequenzen zwischen den Linien
im Legeverlauf ist nicht feststellbar. Bei verschiedenen Linien der Wachtel wurde gezeigt, dass der Einfluss der Legeabschnitte auf den Anteil unterentwickelter Embryonen
nicht einheitlich ist (TRAORE, 1999).
Die bereits erwähnte höhere Frequenz chromosomaler
Aberrationen bei den unterentwickelten bzw. phänotypisch veränderten Embryonen zeigt in beiden Linien in
der Tendenz gleiche Veränderungen im Legeverlauf. Es
finden sich höhere Werte zu Legebeginn (22,6% Linie A;
20,8% Linie D), ein leichter Abfall in der Legemitte
(10,5% bzw. 13,6% für Linie A und D) sowie ein z.T. extremer Anstieg am Legeende mit 80% für Linie A und
43,8% für Linie D. Hinter dem hohen Wert für Linie A am
Legeende steht eine individuelle, bei einzelnen Hennen
gehäuft auftretende Bildung haploider Keime, die alle unterentwickelt sind.
Die Ergebnisse von TRAORE (1999) an verschiedenen Linien der Wachtel zeigen, dass dort in der Frequenz chromosomaler Aberrationen bei unterentwickelten Embryonen keine Veränderung im Laufe der Legeperiode auftritt.
Interessant sind die Befunde über die Häufung bzw. das
Fehlen bestimmter Aberrationstypen bei den unterentwickelten Embryonen. So befinden sich alle Fälle reiner Haploidie ausschließlich unter den unterentwickelten Embryonen, ebenso die meisten Haploidie-Mosaike (30-40%).
Andererseits treten die reine Tetraploidie- und Monosomie- Mosaike nicht unter den unterentwickelten Embryonen auf. Auch von THORNE et al. (1991) wurden reine Haploidie und Haploidie-Euploidie Chimären am häufigsten
bei unterentwickelten Embryonen gefunden. Dahingegen
steht insbesondere das Fehlen triploider Keime bei unterentwickelten Embryonen am 3. Bebrütungstag in guter
Übereinstimmung mit der beschriebenen Überlebensfähigkeit dieser Aberrationsform bei 3nZZZ- und 3nZZW-Embryonen (BITGOOD und SHOFFNER, 1990). Insbesondere aber
berichten THORNE et al. (1991) und THORNE u. SHELDON
(1991) über die hohe Schlupfrate triploider Keime sowie
über einen genetischen Defekt in einer Hühnerlinie, der zu
vermehrter Bildung unreduzierter Eier führt und auch eine
Arch.Geflügelk. 4/2005
149
Selektion auf eine erhöhte Anzahl triploider schlupffähiger
Nachkommen erlaubt (THORNE et al., 1997).
Diese sowohl für Mast- als auch für Legetypen ermittelten höheren Aberrationsfrequenzen der phänotypisch abnormen Embryonen stehen in guter Übereinstimmung mit
den hier beobachteten Werten, die z.T. ein Mehrfaches der
für normal entwickelte Embryonen erfassten Aberrationsfrequenzen betragen (Tabelle 1). Insgesamt ist diese signifikante Differenz ein klarer Hinweis auf einen positiven
Zusammenhang zwischen dem Auftreten chromosomaler
Aberrationen und frühembryonaler Mortalität.
Der Einfluss der Einzeleimasse auf die Häufigkeit unterentwickelter Embryonen zeigt ein uneinheitliches Bild.
Entwicklungsverzögerungen sind am häufigsten in der
leichten Eiklasse bei der Linie A und in der schweren bei
der Linie D, wobei die Frequenzunterschiede zwischen den
Eiklassen gering ausfallen. Sehr deutlich jedoch zeigen
sich diese Linienunterschiede in der Legemitte (Tabelle 2).
Auch TRAORE (1999) findet ein unterschiedliches Verhalten bei verschiedenen Wachtellinien, wobei die Frequenz
unterentwickelter Embryonen bei Mastlinien signifikant
höher in Eiern der leichten Gewichtsklasse auftritt. MAAROUF (1988) fand ebenfalls bei der Wachtel, dass unterentwickelte Embryonen signifikant häufiger in der leichten Eiklasse auftreten. Über ein gleiches Verhalten berichtet
VAGT (1987) bei der Ente.
Die bereits am 1. oder 2. Bruttag und somit vor Anfertigung der Chromosomenpräparate abgestorbenen Keime
zeigen in ihrer Häufigkeit überraschend klare Beziehungen
sowohl zum Legeverlauf als auch zur Einzeleimasse (Tabelle 3). Übereinstimmend in beiden Linien finden sich die
höchsten Frequenzen dieser Frühabsterber in den leichten
Eiklassen und zu Legebeginn, gefolgt von einem deutlichen Abfall mit zunehmenden Eigewicht einerseits und
dem Legealter andererseits.
Was die Bewertung der aufgefundenen chromosomalen
Aberrationsfrequenzen betrifft, sei abschließend darauf
hingewiesen, dass es sich dabei um eine Unterschätzung
des tatsächlichen Aberrationsgeschehens handelt. Einerseits wurden lediglich numerische Abweichungen erfasst,
die möglichen strukturellen Veränderungen im Chromosomenbau bleiben unberücksichtigt. Vor allem aber wurden
nur die Makrochromosomen bis zum Paar Nr. 8 bewertet.
Die große Zahl der Mikrochromosomen ist mit den für zytogenetische Routineuntersuchungen verfügbaren Methoden nicht unterscheidbar. Ihr Anteil am Gesamtgenom beträgt etwa 30%.
Andererseits ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei den
aufgefundenen Aberrationen meist um Mosaike handelt,
bei denen neben chromosomal abnormen Zellen solche
mit normalen Chromosomensatz vorliegen. Eine Letalität
solcher Fälle muss nicht zwingend folgen, d.h. eine Zellselektion gegen chromosomal abnorme Zustände muss hier
als Möglichkeit eingeräumt werden. Der Anteil und die
räumliche, d.h. organspezifische Verteilung der aberranten Zellen im Embryo können dabei beträchtlich variieren
und von großer Bedeutung sein, z.B. für die damit im Zusammenhang stehenden Entwicklungsverzögerungen.
Zusammenfassung
Der Anteil unterentwickelter Embryonen lag bei 14,1% aller Embryonen für Linie A (davon 28,3% von auswertbaren
Präparaten chromosomal aberrant) und 13,3% für Linie D
(davon 24,2% von auswertbaren Präparaten aberrant).
Die Aberrationsfrequenz der unterentwickelten Embryonen in beiden Linien sind signifikant höher als die Aberrationsfrequenzen der normal entwickelten Embryo-
150
Saefudin et al.: Chromosomale Aberrationen und frühembryonale Mortalität beim Legehuhn
nen(5,7% für Linie A und 10,7% in der Linie D). Im Legeverlauf zeigte sich, dass in beiden Linien die hohen Aberrationsfrequenzen der abnormen Embryonen zu Beginn und
vor allem am Legeende auftreten, während in der Legemitte kaum Unterschiede zu den normal entwickelten Embryonen bestehen. Der Einfluss der Einzeleimasse auf den Anteil unterentwickelter Embryonen in beiden Linien zeigte,
dass mit zunehmendem Eigewicht die unterentwickelten
Embryonen abnehmen.
Stichworte
Legehenne, Chromosomenaberrationen, embryonale Sterblichkeit, Legeperiode, Eigewicht
Summary
Chromosomal aberrations and early embryonic
mortality in laying hens
Aim of the present study was the analysis of the relationship between the frequency of chromosomal aberrations
and the number of underdeveloped embryos in two purebred lines of layers (lines A and D) of the breeding organization Lohmann Tierzucht GmbH. Furthermore, the effects
of laying period and egg weight on the incidence of underdeveloped embryos were evaluated.
In lines A and D, the proportion of underdeveloped embryos was 14.1%, and 13.3%, respectively, of which were
28.3% and 24.2% with aberrations. The aberration frequencies of underdeveloped embryos in both lines were
significantly higher than those in embryos developed normally (5.4% and 10.7% in lines A and D, respectively).
The aberration frequencies of underdeveloped embryos
as compared to normal embryos were influenced by the
laying period. In comparison to normally developed embryos, under-developed embryos exhibited higher frequencies of aberrations at the beginning and the end of the laying period while in the middle of the laying period similar
aberration frequencies were found in both lines. The proportion of underdeveloped embryos also was influenced by
egg weight. In both lines, the proportion of underdeveloped embryos decreased with increasing egg weight.
Key words
Laying hens, chromosomal aberrations, embryonic mortality, laying period, egg weight
References
BITGOOD, J.J. und R.N. SHOFFNER, 1990: Cytology and cytogenetics. In: Poultry breeding and genetics, 1st ed. (Crawford RD, ed.). Amsterdam, Elsevier Science, 401-427.
BLOOM, S.E., 1969: Chromosome abnormalities in early
chicken (Gallus domesticus) embryos. Chromosoma
(Berl.) 28, 357-369.
BLOOM, S.E., 1970: Haploid chicken embryos; evidence for
diploid and triploid cell populations. J. Hered. 61,
147-150.
BLOOM, S.E., 1972: Chromosome abnormalities in chicken
(Gallus domesticus) embryos: types frequencies and phenotypic effects. Chromosoma (Berl.) 37, 309-326.
DONNER, L., P.U. CHYLE und H. SAINEROVA, 1969: Malformations syndrome in chicken (Gallus domesticus) assotiated
with triploidy. J. Heredity 60, 13-115.
HAILU, C., H. PINGEL und W. SAAR, 1999: Impact of chromosome aberrations on the embryonic mortality of hybrid
ducks (Cairina moschata x Anas platyrhynchos). Arch.
Geflügelk. 63, 174-181.
LODGE, J.R., R.L. AX, und N.S. FECHHEIMER, 1974: Chromosome aberrations in embryos from in vivo aged chicken
sperm. Poultry Sci. 53, 1816-1819.
MAAROUF, I., 1988: Zytogenetische Untersuchung von Embryonen merkmalsdifferenzierter Wachtellinien zur
Analyse von Einflussfaktoren auf Frequenzen und Typen
chromosomaler Aberrationen. Diss. Uni Leipzig.
SAEFUDIN, W. SAAR, R. PREISINGER, and L. SCHÜLER, 2002a: The
influence of egg-weight on frequencies of early embryonic mortality and chromosomal aberrations in laying hens.
7th World Congress on Genetic Applied to Livestock Production, 19-23 August 2002 Montpellier, France. No.
04-26.
SAEFUDIN, W. SAAR, M. SCHMUTZ, R. PREISINGER, and L.
SCHÜLER, 2002b: The influence of the age of hen on early
embryonic mortality, frequency and types of chromosomal aberrations in laying hens. Arch. Geflügelk. 66, Sonderheft, 81.
SZALAY, I., A. HIDAS and E. VAS, 1989: Frequency of chromosomally abnormal embryos in breeding stocks of broiler
duck. International symposium on current problems of
avian genetics. 234-238.
THORNE, M.H., .R.K. COLLINS and B.L. SHELDON, 1991: Chromosome analysis of early embryonic mortality in layer
and broiler chickens. British Poultry Sci. 32, 705-717.
THORNE, M.H., F.W. NICHOLAS, C. MORAN and B.L. SHELDON,
1997: Genetic analysis of triploidy in a selected line of
chickens. J. Hered. 88, 495-498.
THORNE, M.H. and B.L. SHELDON, 1991: Cytological evidence
of maternal meiotic errors in a line of chickens with a high
incidence of triploidy. Cytogenet. Cell Genet. 57,
206-210.
TRAORE, D., 1999: Zum Auftreten chromosomaler Aberrationen und deren mögliche familiäre Häufung in Zusammenhang mit der Selektionsrichtung. Modelluntersuchungen an 2 Tage alten Embryonen der Japanischen
Wachtel (Coturnix coturnix japonica ). Diss., Univ. Halle.
VAGT, A. und W. SAAR, 1986: Untersuchungen zu Chromosomenaberrationen beim Wassergeflügel. 4. Leipziger
Tierzuchtsymposium, Leipzig, Dez. 1986, S. 46-55.
VAGT, A., 1987: Untersuchungen zum Einfluss ausgewählter
präinkubatorischer Faktoren auf die Schlupffähigkeit von
Entenbruteiern (Anas platyrhynchos f dom). Diss., Univ.
Leipzig.
Correspondence: Univ.-Prof. Dr. L. Schüler, Institut für Tierzucht und Tierhaltung mit Tierklinik, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Adam Kuckhoff Straße 35, D 06108 Halle (Saale), Germany;
e-mail: [email protected]
Arch.Geflügelk. 4/2005
Herunterladen