Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren

Werbung
Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren
Dr. Germar Knöchlein
Sommersemester 2010
Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, SS 2010, Dr. G. Knöchlein
1
Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren
Gliederung
I.
Einleitung – Zielsetzung Risikomanagement und aufsichtsrechtlicher
Rahmen
II.
Kreditrisikomanagement auf Schuldnerebene
III.
1.
EL – Expected Loss
2.
UL – Unexpected Loss
3.
EAD – Exposure at Default
4.
PD – Probability of Default
5.
LGD – Loss Given Default, RR – Recovery Rate
Kreditrisikomanagement auf Portfolioebene
1.
Portfolioverlustverteilung
2.
Risikomaße
3.
Kreditrisikomodelle (Überblick)
Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, SS 2010, Dr. G. Knöchlein
2
Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren
Gliederung
IV.
Ratingsysteme
1.
Externe Ratings
2.
Interne Ratings
3.
Ratingprozess
4.
Ratingmethoden
5.
Kalibrierung und Validierung
V.
Kreditrisiko in der Bankenregulierung
VI.
Kreditpricing in der Banksteuerung
Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, SS 2010, Dr. G. Knöchlein
3
Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren
Vertiefende Literatur (Auswahl)
1.
Eller, R., Gruber, W., Reif, M. (Hg.), Handbuch Kreditrisikomodelle und
Kreditderivate, Stuttgart 1997
2.
Duffie, D., Singleton, K.J., Credit Risk, Princeton 2003
3.
Gordy, M. (Ed.), Credit Risk Modelling, London 2003
4.
Ong, M. (Ed.), Credit Ratings, London 2002
5.
Ong, M., Internal Credit Risk Models, London 1999
6.
Jarrow, R.A., Turnbull, S.M., Derivative Securities, Cincinatti 1996
7.
Felsenheimer, J., Gisdakis, P., Zaiser, M.: Active Credit Portfolio
Management, Weinheim, 2006
8.
Suyter, A. (Ed.): Risikomanagement, Frankfurt 2004
9.
Engelmann, B., Rauhmeier, R. (Eds): The Basel II risk parameters,
Berlin 2006
10.
Schönbucher, P., Credit Derivatives Pricing Models, Hoboken, 2003
11.
Saunders, A., Allen, L., Credit Risk Measurement, New York 2002
Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, SS 2010, Dr. G. Knöchlein
4
Einleitung
Kreditrisiko – Begriffsbildungen und Zusammenhang
§ Kredit: Kreditbegriff: KWG § 19.1
§ 19 Begriff des Kredits für die §§ 13 bis 13b und 14 und des Kreditnehmers
(1) Kredite im Sinne der §§13 b5s 13b 4nd 14 sind Bilanzaktiva, Derivate mit Ausnahme der Stillhalterverpflichtungen aus Kaufoptionen sowie die dafür übernommenen
Gewährleistungen und andere außerbilanzielle Geschäfte. Bilanzaktiva im Sinne des Satzes 1 sind
1. Guthaben bei Zentralnotenbanken und Postgiroämtern,
2. Schuldtitel öffentlicher Stellen und Wechsel, die zur Refinanzierung bei Zentralnotenbanken zugelassen sind,
3. im Einzug befindliche Werte, für die entsprechende Zahlungen bereits bevorschußt wurden,
4. Forderungen an Kreditinstitute und Kunden (einschließlich der Warenforderungen von Kreditinstituten mit Warengeschäft),
5. Schuldverschreibungen und andere festverzinsliche Wertpapiere, soweit sie kein Recht verbriefen, das unter die in Satz 1 genannten Derivate fällt,
6. Aktien und andere nicht festverzinsliche Wertpapiere, soweit sie kein Recht verbriefen, das unter die in Satz 1 genannten Derivate fällt,
7. Beteiligungen,
8. Anteile an verbundenen Unternehmen,
9. Gegenstände, über die als Leasinggeber Leasingverträge abgeschlossen worden sind, unabhängig von ihrem Bilanzausweis und
10. sonstige Vermögensgegenstände, sofern sie einem Adressenausfallrisiko unterliegen.
Als andere außerbilanzielle Geschäfte im Sinne des Satzes 1 sind anzusehen
1. den Kreditnehmern abgerechnete eigene Ziehungen im Umlauf,
2. Indossamentsverbindlichkeiten aus weitergegebenen Wechseln,
3. Bürgschaften und Garantien für Bilanzaktiva,
4. Erfüllungsgarantien und andere als die in Nummer 3 genannten Garantien und Gewährleistungen, soweit sie sich nicht auf die in Satz 1 genannten Derivate beziehen,
5. Eröffnung und Bestätigung von Akkreditiven,
6. unbedingte Verpflichtungen der Bausparkassen zur Ablösung fremder Vorfinanzierungs- und Zwischenkredite an Bausparer,
7. Haftung aus der Bestellung von Sicherheiten für fremde Verbindlichkeiten,
8. beim Pensionsgeber vom Bestand abgesetzte Bilanzaktiva, die dieser mit der Vereinbarung auf einen anderen übertragen hat, daß er sie auf Verlangen zurücknehmen muß,
9. Verkäufe von Bilanzaktiva mit Rückgriff, bei denen das Kreditrisiko bei dem verkaufenden Institut verbleibt,
10. Terminkäufe auf Bilanzaktiva, bei denen eine unbedingte Verpflichtung zur Abnahme des Liefergegenstandes besteht,
11. Plazierung von Termineinlagen auf Termin,
12. Ankaufs- und Refinanzierungszusagen,
13. noch nicht in Anspruch genommene Kreditzusagen,
14. Kreditderivate und
15. außerbilanzielle Geschäfte, sofern sie einem Adressenausfallrisiko unterliegen und von den Nummern 1 bis 14 nicht erfasst sind.
Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, SS 2010, Dr. G. Knöchlein
5
Einleitung
Kreditrisiko – Begriffsbildungen und Zusammenhang
§ Kreditrisiko ist das Risiko, dass ein Kreditnehmer (Schuldner) seine vereinbarten
Zahlungen an den Kreditgeber (z.B. eine Bank) nicht leisten kann und dem
Kreditgeber dadurch ein Verlust entstehen kann. Synonym wird der Begriff
(Adressen-)Ausfallrisiko verwendet.
§ Ausfall: Ein Kreditnehmer gilt dann als ausgefallen, wenn er seinen
Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommt oder es unwahrscheinlich ist, dass er
seinen Zahlungsverpflichtungen in Zukunft nachkommen kann.
§ Kreditrisikomessung ist die Voraussetzung für
• Kreditvergabe
• Kreditpricing (Konditionengestaltung)
• Kreditportfoliosteuerung
• Kreditrisikomanagement
• Eigenkapitalunterlegung im Rahmen der Bankenregulierung (Basel II)
Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, SS 2010, Dr. G. Knöchlein
6
Einleitung
Kreditrisiko – Einordnung in die Systematik der bankbetrieblichen Risiken
Ma rktris iko
Ausfa llris iko
Einze lris iko
Allgeme ines
Kurs ris iko
Kontra he nte nris iko
Be s onde re s Kurs ris iko
Emitte nte n/
Kre ditne hme rris iko
Ope ra tione lle s
Ris iko
Lä nde rris iko
Wie de re inde kkungs ris iko
und
Zins ris iko
Währungs ris iko
S onstige s
P re is ris iko
Re s idua lris iko
Eve nt Ris iko
Wie de r- Vorle is e inde k- tungs kungs - ris iko
ris iko
Ande re
Eve nt
Ris ike n
Bonitä ts ä nde rungs ris iko
Emitte nte n-/
Kre ditne hme rris iko
Aus fa llris iko
Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, SS 2010, Dr. G. Knöchlein
7
Liquiditä ts ris iko
Ande re
Ris ike n
Einleitung
Verteilung der Risikokategorien in Banken
100%
90%
80%
70%
60%
Operational Risk
50%
Credit Risk
40%
Market Risk
30%
20%
10%
0%
Investment
Banking
Wholesale
Banking
Retail Banking
Transaction
Banking
Quelle: Deutsche Bank – Risk Management
Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, SS 2010, Dr. G. Knöchlein
8
Einleitung
Dimensionen des Kreditrisikos
Wie wahrscheinlich
ist ein Ausfall?
Ausfallwahrscheinlichkeit
(Probability of Default)
PD
x
Wie hoch ist die Kredithöhe
bei Ausfall?
Positionswert bei Ausfall
(Exposure at Default)
EAD
x
Wie viel Prozent der
Kredithöhe gehen im Fall
eines Ausfalls verloren?
Verlustquote bei Ausfall
(Loss Given Default)
LGD
=
Wie hoch ist der
erwartete Verlust?
Erwarteter Verlust
(Expected Loss)
Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, SS 2010, Dr. G. Knöchlein
EL
9
Einleitung
Beispiel zum erwarteten Verlust
§ Beispiel 1: Ein Kredit in Höhe von 10.000 Euro ist in einem Jahr zurückzuzahlen. Für
dieses Jahr verrechnet die Bank 5% Zinsen (am Periodenende fällig). Die
Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls nach einem Jahr beträgt 1%, die Verlustquote bei
Ausfall beträgt 75%.
Wie hoch ist der erwartete Verlust für den Zeithorizont von einem Jahr?
Lösung:
PD = 0,01
EAD = 10.000 + 10.000 x 0,05 = 10.500
LGD = 0,75
EL = 0,01 x 10.500 x 0,75 = 78,75 Euro.
Bemerkung: Häufig wird der Gegenwartswert des erwarteten Verlustes betrachtet.
Zur Berechnung ist dann der oben berechnete EL abzudiskontieren auf die
Gegenwart.
Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, SS 2010, Dr. G. Knöchlein
10
Einleitung
Beispiel zur Verlustverteilung
§ Aus dem vorhergehenden Beispiel lässt sich nicht nur der erwartete Verlust sondern
auch die Verlustverteilung bestimmen:
Wahrscheinlichkeit
Verlust
1%
10.500 x 0,75 = 7.875
99%
0
120%
100%
80%
60%
40%
99%
20%
1%
0%
0
7875
Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, SS 2010, Dr. G. Knöchlein
11
Einleitung
Beispiel zum erwarteten Verlust eines Portfolios
§ Beispiel 2: Ein Kreditportfolio besteht aus zwei Krediten mit derselben Ausstattung
und denselben Werten für PD, LGD und EAD wie in Beispiel 1. Wie sieht die
Verteilung der Verluste aus, wenn die Ausfälle der Kreditnehmer unkorreliert sind?
Verteilung der Verluste:
120,00%
100,00%
80,00%
60,00%
40,00%
20,00%
0,00%
0
7875
15750
EL = 0,0001 x 15.750 + 0,0198 x 7.875 + 0,9801 x 0 = 157,5
Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, SS 2010, Dr. G. Knöchlein
12
Einleitung
Beispiel zum erwarteten Verlust bei unsicherer Verlustquote
§ Schwankungen der Verlustquote (bzw. des Rückflusses) im Falle eines Ausfalls
können zusätzlich Einfluss auf die Verlustverteilung haben.
§ Beispiel 3: Ein Kredit über 10.000 Euro ist in einem Jahr zurückzuzahlen. Für dieses
Jahr berechnet die Bank 5% Zinsen zahlbar am Periodenende. Die
Ausfallwahrscheinlichkeit für ein Jahr beträgt 2,5%.
Bei einem Ausfall beträgt der LGD mit 60% Wahrscheinlichkeit 30% und mit 40%
Wahrscheinlichkeit 75%.
Wie sieht die Verlustverteilung aus?
Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, SS 2010, Dr. G. Knöchlein
13
Einleitung
Beispiel zum erwarteten Verlust bei unsicherer Verlustquote
Wahrscheinlichkeit
40%
60%
2,5%
97,5%
Verlust
10.500 x 0,75 = 7.875
10.500 x 0,3 = 3.150
0
EL = 0,025 x 0,4 x 7.875 + 0,025 x 0,6 x 3.150 + 0,975 x 0 = 126
1,2
1
0,8
0,6
0,4
0,2
0
0
3150
Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, SS 2010, Dr. G. Knöchlein
7875
14
Einleitung
Value-at-Risk als Risikomaß
§ Bei gegebener Verlustverteilung lässt sich das aufgrund der Verteilung bestehende
Risiko durch ein sog. Risikomaß quantifizieren.
§ Das wichtigste Risikomaß in Banken (neben der aus fundamentalen Gründen
wichtigen Varianz) ist der Value-at-Risk.
§ Value-at-Risk: Der Value-at-Risk VaR(α ,T) gibt den maximalen absoluten Verlust
eines Portfolios an, der mit einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit
(„Konfidenzniveau“) während einer bestimmten Halteperiode T (auch als
Liquidationsdauer für die betrachteten Risikopositionen interpretierbar) nicht
überschritten wird.
α
§ Der unerwartete Verlust UL(α ,T) ist der um den erwarteten Verlust EL(T) für den
Zeithorizont T verminderte VaR(α ,T).
Wahrscheinlichkeit
97,50%
2,5% x 60% = 1,5%
2,5% x 40% = 1%
Kumulierte Wahrscheinlichkeit
97,50%
99%
100%
Verlust
0
3.150
7.875
§ Der Value-at-Risk zum Konfidenzniveau 99% und zum Zeithorizont von einem Jahr
hat für die Verlustverteilung aus Beispiel 3 den Wert von 3.150 Euro.
Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, SS 2010, Dr. G. Knöchlein
15
Einleitung
Verlustverteilungen
§ Typische Dichtefunktionen der Verlustverteilungen für große Kreditportfolien von
Banken (schematisch):
Kreditrisiko- Wholesale-Geschäft
(Unternehmen, Banken, Staaten)
Kreditrisiko - Retail-Geschäft
(Wohnungsbaufinanzierungen, Kreditkartenforderungen,
Kontokorrent, ...)
Unerwarteter
Verlust
Erwarteter
Verlust
Unerwarteter
Verlust
Erwarteter
Verlust
σ
σ
VaR Verlust
(99%)
Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, SS 2010, Dr. G. Knöchlein
VaR
(99%)
Verlust
16
Einleitung
Verlustverteilungen
§ Zum Vergleich: typische Verlustverteilungen für Marktrisiko und operationelles Risiko
Marktrisiko
Operationelles Risiko
Erwarteter
Verlust
σ
Unerwarteter
Verlust
σ
Verlust
VaR
(95%)
VaR
(99%)
0
Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, SS 2010, Dr. G. Knöchlein
VaR
(99%)
17
Verlust
Einleitung
Beispiel einer Verlustverteilung für ein reales Wholesale-Kreditportfolio
§ Berechnung der Verteilung erfolgte mit Kreditrisikomodell
5
4,5
marginale Wahrscheinlichkeit in %
4
3,5
3
2,5
2
VaR(95%) VaR(99%) VaR(99,75%)
1,5
1
0,5
0
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
110
120
130
potentieller Verlust in Mio EUR
Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, SS 2010, Dr. G. Knöchlein
18
Einleitung
Parametrisierung des Einzelrisikos
§ PD, LGD und EAD sind wesentliche Parameter für die Kreditrisikomessung.
„Einzelrisiken“ werden durch sie sowie die Parameter
• Volatilität der PD
• Volatilität des LGD
• Volatilität des EAD
• (Rest-)Laufzeit M.
vollständig beschrieben.
§ Aufbauend auf diese Parameter können Modelle z.B. für
• Kreditvergabe
• Kreditpricing
entwickelt werden.
Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, SS 2010, Dr. G. Knöchlein
19
Einleitung
Portfoliorisiko, Portfoliosteuerung und Gesamtbanksteuerung
§ Ein wesentlicher weiterer Parameter, der die Verlustverteilung beeinflusst, ist die
Ausfallkorrelation zwischen einzelnen Kreditrisikopositionen.
§ Auf Basis der Verlustverteilung lassen sich Risikomaße wie der VaR oder der UL
berechnen. Sie sind Grundlage der Modelle, die verwendet werden für
• Portfoliosteuerung und –management
• Tranchierung von Verbriefungen (Asset Backed Securities, Mortgage Backed
Securities, Collateralized Debt Obligations, ...)
§ Die Modellierung erfolgt meist im Kontext von
• Risikopräferenz oder Risikoappetit, d.h. gewünschtem Risikoprofil der Bank
• Risikotragfähigkeit der Bank
• Risiko- und Ertragsprofil alternativer Investments,
um geschäftspolitische Entscheidungen quantitativ abzuleiten.
Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, SS 2010, Dr. G. Knöchlein
20
Einleitung
Zielsetzung des Kreditrisikomanagements
§ Unternehmen sind bemüht, ihre Risiken zu kontrollieren und zu managen, um
• Katastrophenereignisse zu vermeiden (strategische Steuerung)
• Vertrauen der Kapitalmärkte aufzubauen/zu festigen (strategische Steuerung)
• stabile operative Erträge zu erzielen (operative Steuerung)
§ Die strategische Steuerung zielt primär auf die Erwartungen der Fremdkapitalgeber
(incl. Kapitalmärkte, Ratingagenturen) sowie damit zusammenhängend auf die
Erfüllung regulatorischer Erfordernisse (Katastrophenrisiken und Zusammenhang zu
systemischem Risiko).
§ Die operative Steuerung zielt primär auf die Erwartungen der Eigentümer.
§ Die Portfolien der Geschäftsbanken in Deutschland sind wesentlich von den
Kreditrisiken aus dem Wholesale-Geschäft geprägt. Die Verteilung des Gesamtrisikos
ähnelt der Verteilung für Kreditrisiken aus dem Wholesale Geschäft mit ihren
Ausläufern zu hohen Verlustbeträgen.
⇒Das Kreditrisikomanagement spielt eine herausragende Rolle im bankweiten
Risikomanagement.
Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, SS 2010, Dr. G. Knöchlein
21
Einleitung
Risikomanagement und Unternehmenswert
§ Jensens Ungleichung: Für eine konkave Funktion V einer Zufallsvariablen X gilt
E(V(X)) < V(E(X))
§ Blackwell-Girschick-Theorem: Eine Reduzierung des Risikos von X (gemessen durch
var(X)) erhöht den Erwartungswert einer konkaven Funktion von X.
Steigerung des
Unternehmenswerts
V(X)
Dichtefunktion fohne von X
(ohne Risikomanagement)
Dichtefunktion fmit von X
(mit Risikomanagement)
Gewinne aus
eingegangenen
Transaktionen X
Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, SS 2010, Dr. G. Knöchlein
varfmit (X) < varfohne (X)
f konkav
⇔
E fmit (V(X)) > E fohne (V(X))
22
Einleitung
Risikomanagement und Unternehmenswert
§ Gewinne und Verluste aus eingegangenen Transaktionen fließen in einer vereinfachten
Betrachtung direkt von der GuV in die Bilanz
§ Dieser operative Erfolg ist zu korrigieren um Overhead- und operative Kosten =>
negativer Achsenabschnitt
§ Katastrophale Verluste aus eingegangenen Transaktionen verursachen zusätzliche
Kosten:
• Kosten aus dem Notverkauf von Assets (Liquidierungsabschläge)
• Strukturelle Verluste aus der Redimensionierung von Geschäftsfeldern und dem
Verlust von Marktanteilen
• Verluste aus Reputations- und Bonitätseinbußen
• Restrukturierungsaufwendungen
§ Adäquates Risikomanagement begrenzt die Wahrscheinlichkeit für katastrophale
Verlustereignisse und verringert damit die Varianz der Verteilung der Gewinne/Verluste
§ Manchmal spricht man bei niedrigerer Varianz auch von „höherer Qualität der Erträge“
Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, SS 2010, Dr. G. Knöchlein
23
Einleitung
Risikomanagement und Unternehmenswert
§ Interpretationen
• Interpretation von Jensens Ungleichung für das Risikomanagement:
E(V(X)) < V(E(X))
⇒
E(E(V(X))) < E(V(E(X)))
⇔
E(V(X)) < E(V(E(X)))
Ein Unternehmen bzw. ein Investor präferiert sichere Transaktionserträge
gegenüber unsicheren mit dem gleichen Erwartungswert (Risikoaversion)
• Interpretation des Blackwell-Girschick-Theorems für das Risikomanagement:
Adäquates Risikomanagement steigert den Unternehmenswert.
Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, SS 2010, Dr. G. Knöchlein
24
Einleitung
Elemente des finanzwirtschaftlichen Risikomanagements
Finanzwirtschaftliches Risikomanagement
Risikoanalyse
Risikopolitik
• Identifikation
• Bewertung
• Messung
• risikopolitische Maßnahmen
• operative Steuerung
• Kontrolle
• strategische Steuerung
Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, SS 2010, Dr. G. Knöchlein
25
Einleitung
Der Risikomanagement-Prozess
Risikoanalyse
Risikoidentifikation
und -messung
Risikokontrolle
Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, SS 2010, Dr. G. Knöchlein
Risikobewertung
Risikobewertung
Risikosteuerung
26
Einleitung
Strategische und operative Risikosteuerung
§ Strategische Risikosteuerung
• Zielsetzung: Integration der Risikobetrachtung in die strategischen
Unternehmensplanung
• Maßnahmen (Beispiele):
- Festlegung der Risikostrategie
- Produktprogrammpolitik
- Markteintritts-/-austrittsstrategien
- Kapitalstrukturentscheidungen
⇒ Wirkung auf den Leistungsbereich des Unternehmens
§ Operative Risikosteuerung
• Zielsetzung: Steuerung der finanziellen Auswirkungen der Unternehmensstrategie
• Maßnahmen: Positionierung im Rahmen der Limite und Kennzahlenvorgaben
⇒ Umsetzung auf Initiative des Finanzbereichs des Unternehmens
Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, SS 2010, Dr. G. Knöchlein
27
Einleitung
Beispiel für Investionsentscheidung unter Risiko: risikoneutraler Investor
§ Beispiel 4: Eine risikoneutrale Bank kann entweder den Kredit aus Beispiel 1
vergeben oder die 10.000 Euro risikolos zu 4% veranlagen.
Wie wird sich die Bank entscheiden?
Eine risikoneutrale Bank entscheidet sich für die Investitionsmöglichkeit mit dem
höchsten erwarteten Rückfluss.
Erwarteter Rückfluss:
Kredit: 10.500 – EL = 10.500 – 78,75 = 10.421,25
risikolose Veranlagung: 10.400
⇒Bank vergibt den Kredit.
Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, SS 2010, Dr. G. Knöchlein
28
Einleitung
Beispiel für Investitionsentscheidung unter Risiko: risikoaverser Investor
§ Beispiel 5: Eine risikoaverse Bank kann entweder den Kredit aus Beispiel 2
vergeben oder die 10.000 Euro risikolos zu 4% veranlagen. Die Bank hat ihre
Risikoaversion durch Verwendung des Value-at-Risk bei einem Konfidenzniveau von
99% für die Ermittlung der erwarteten Rückflüsse operationalisiert.
Diese Bank entscheidet sich für die Investitionsmöglichkeit, die abzüglich des
Expected Loss und des Unexpected Loss (in Summe also abzüglich des Value-atRisk) den höchsten Rückfluss verspricht.
Wie wird sich die Bank entscheiden?
Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, SS 2010, Dr. G. Knöchlein
29
Einleitung
Beispiel für Investitionsentscheidung unter Risiko: Risikoaversion
Lösung:
VaR: Welcher Verlust wird mit 99% Wahrscheinlichkeit nicht überschritten?
Kredit:
Wahrscheinlichkeit
97,50%
2,5% x 60% = 1,5%
2,5% x 40% = 1%
Kumulierte Wahrscheinlichkeit
97,50%
99%
100%
Verlust
0
3.150
7.875
VaR(99%) = 3.150
Rückfluss – VaR(99%) = 10.500 – 3.150 = 7.350
Risikolose Anlage:
VaR = 0
Rückfluss – VaR = 10.400 – 0 = 10.400
⇒Bank investiert in die risikolose Anlage.
Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, SS 2010, Dr. G. Knöchlein
30
Einleitung
Kreditrisikomanagement und Entwicklungen an den Finanzmärkten
§ Seit Anfang der Dekade ist das Interesse an der Messung und dem Management von
Kreditrisiko sowohl im akademischen Bereich als auch in der Praxis sprunghaft
angestiegen.
§ Die seit Mitte 2007 anhaltende Finanzkrise hat diese Entwicklung noch verstärkt.
Conceivable scenarios
Spread
Decline in
US housing
prices
credit
losses
macro
deterioration
Strong recession
cyclical recovery > 2010
?
Japan ´90s
lost decade
?
Doomsday
rising international
tensions
./.
liquidity
squeeze
Summer 2007
Lehman,
Icelandics
Q1/2009
RMBS Home equity loans
Financials
All securitisations
Corporates
Sovereigns
???
Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, SS 2010, Dr. G. Knöchlein
31
Einleitung
Kreditrisikomanagement und Entwicklungen an den Finanzmärkten
§ Verschiedene langfristige Trends haben zu einer signifikant erhöhten Bedeutung des
Kreditrisikomanagements bereits in den Jahren vor der Finanzkrise geführt
§ Durch die Finanzkrise sind latente Fehlentwicklungen im Finanzsystem offensichtlich
geworden
§ Langfristtrends
• Signifikanter Anstieg an Ausfällen
• nachhaltiger Anstieg der Ausfallraten
• struktureller, weltweiter Anstieg
• Anstieg in allen Wirtschaftszyklen (nicht nur Rezession)
• Potenzielle Auswirkung des verstärkten weltweiten Wettbewerbs
• steigender „Leverage“ im System
• steigende Nachfrage nach „Credit“ als Assetklasse (insbes. bei „real money
accounts“ wie Fonds, Versicherungen,...)
• Liquidität und Standards für Kreditvergabe im Bankensystem?
Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, SS 2010, Dr. G. Knöchlein
32
Einleitung
Kreditrisikomanagement und Entwicklungen an den Finanzmärkten
• Wachstum der Märkte für Derivate (insbes. Kreditderivate)
- Explosionsartiger Anstieg der Positionen in Derivaten bis zur Finanzkrise
- Nomineller Wert der Derivatepositionen oft das Zehnfache des
Kreditportfolios, häufig kein Bezug zwischen bilanziellen Positionen und
Derivaten => spekulative Positionen
- Risiko von Ausfällen der Kontrahenten (vgl. Lehman)
- Kreditanalyse der Kontrahenten für Handelsgeschäfte gewinnt an
Bedeutung; alternativ: Central Counterparties
• Veränderung des Bankgeschäfts
- Gute Unternehmen finanzieren sich direkt über den Kapitalmarkt
- Schlechtere Unternehmen finanzieren sich weiterhin über Bankkredite
- Daraus resultiert Verschlechterung der Kreditportfolien der Banken
- Gleichzeitig höherer Wettbewerb um die verbleibenden Kunden
Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, SS 2010, Dr. G. Knöchlein
33
Einleitung
Kreditrisikomanagement und Entwicklungen an den Finanzmärkten
• Volatile Sicherheiten
- Schwierigkeit Kreditsicherheiten zu bewerten
- Besonders physische Sicherheiten (Immobilien, Grundstücke aber auch
Flugzeuge, Schiffe etc.) sind starken Wertschwankungen unterworfen
- In Rezessionen mit steigenden Ausfallraten sowie infolge systemischer Krisen
sinkt der Verwertungserlös der Sicherheiten, da gleichzeitig viele Sicherheiten
aus Verwertungsgründen auf den Markt kommen (positive Korrelation zwischen
PD und LGD)
• Computertechnologie und Financial Engineering
- Rasante Entwicklung von Computertechnologie und Quantitative Finance
- Riesige Datenmengen können verarbeitet werden
- Rechenintensive Modelle können eingesetzt werden, Monte Carlo Simulationen
- Exponentieller Anstieg des Know-Hows in Banken
Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, SS 2010, Dr. G. Knöchlein
34
Einleitung
Kreditrisikomanagement und Entwicklungen an den Finanzmärkten
• Basel II
- Risikoorientierte Vorschriften für die Unterlegung von Eigenkapital und
Kreditrisiko
- Bankenaufsicht reagierte damit auf die wachsende Bedeutung des Kreditrisikos
- Höhe der Unterlegung abhängig vom Kreditrisiko des Portfolios
- Verschiedene Ansätze zur Berechnung der Unterlegung (KSA, IRBA)
- Kreditrisiko-Standardansatz KSA: Messung des Kreditrisikos durch externe
Bonitätsbeurteilungen
- Internal Ratings-based Approach IRBA: Messung des Kreditrisikos über PD,
LGD und EAD
- Bei gleichem Kreditrisiko führt IRB-Ansatz für die meisten Portfolien zu
niedrigerer Unterlegung
- Anreiz für bessere Kreditrisikomessung
- Hohe Prozyklizität des Regelungswerks
Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, SS 2010, Dr. G. Knöchlein
35
Einleitung
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
• Internationale Ebene
• Basel II und Weiterentwicklung (Basel III)
• Financial Stability Board
• Europäische Ebene
• Capital Requirements Directive (Eigenkapitalrichtline, CRD I von 2006)
• Künftig deutliche Erweiterung des Regelwerks als Folge aus der Finanzkrise
• European Financial Stability Board bei der EZB
Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, SS 2010, Dr. G. Knöchlein
36
Einleitung
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
• Nationale Ebene
• Kreditwesengesetz KWG
• Solvabilitätsverordnung SolvV
• Mindestanforderungen an das Risikomanagement MaRisk
⇒ Nationale Umsetzung der umfangreichen Änderungen auf europäischer Ebene
in Vorbereitung
Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, SS 2010, Dr. G. Knöchlein
37
Einleitung
Zielsetzung Vorlesung
§ Die Messung des Kreditrisikos im Bankgeschäft mit neuen, quantitativ-statistischen
Methoden ist daher ein zentrales Thema für die Finanzindustrie
§ Die Vorlesung möchte den Weg aufzeigen, wie quantitative Methoden in der Praxis
eingesetzt werden können
⇒Brücke von der Wissenschaft zur Praxis
Kreditrisikomanagement und Ratingverfahren, SS 2010, Dr. G. Knöchlein
38
Herunterladen