Deutsch und andere Sprachen im Vergleich

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Sprachenvielfalt im Klassenzimmer:
Deutsch und andere Sprachen
im Vergleich
Dr.(Rus) Hahn
Kontrastive Linguistik
{
Vergleich eines oder mehrerer bestimmter Aspekte in
zwei Sprachen bzw. innerhalb einer reduzierten
Sprachgruppe, z.B.
{
Kontrastive Phonetik
Kontrastive Syntax
Kontrastive Semantik
Kontrastive Pragmatik
Kontrastive Morphologie
Kontrastive Grammatik
{
{
{
{
{
Klassifikation von Sprachen
{
Genetisch
{
Typologisch (z.B. morphologisch)
Morphologische Klassifikation:
Sprachbau
{
Analytische Sprachen: Isolierend
{
Synthetische Sprachen:
Agglutinierend
polysynthetisch (inkorporierend)
flektierend (fusionierend)
A. Sprachtyp: Analytisch / isolierend
{
(alle Wörter unveränderlich, keine Flexionen, grammatikalische
Beziehungen werden durch die Wortstellung angezeigt).
{
z.B. Chinesisch und Vietnamesisch:
“ta bu hui yong dao chi fan” =
“er nein kann benutzen Messer essen Reis”
(“Er kann Reis nicht mit dem Messer essen”).
{
Hochchinesisch: Wŏ măi juzi chī
Ich kaufen Orange essen
Ich habe Orangen zum Essen gekauft
B. Sprachtyp: Flektierend
{
{
{
{
{
Flektierend = fusionierend = synthetisch
grammatikalische Beziehungen werden durch Veränderungen der
inneren Struktur von Wörtern vermittelt - meist durch
Flexionsendungen, die mehrere grammatikalische Bedeutungen
gleichzeitig ausdrücken.
Latein, Altgriechisch und Arabisch:
amo “ich liebe” die 1. Person Singular, Präsens, Indikativ und Aktiv
Innere Flexion:
Deutsch: binden – das Band, der Bund
Latein: tego ‘decke’, toga ‘Obergewand des Mannes’
Semantische Fusion:
Latein: amica (Nom. Sg. Fem.) ‘Freundin’
amicus (Nom. Sg. Mask.) ‘Freund’
amici (Gen. Sg. Mask.) ‘des Freundes’
die Gäste (dreifache Signalisierung des Plurals) Deutsch
gósti (einfache Signalisierung) Russisch
C. Sprachtyp: Agglutinierend
{
Die Wörter setzen sich aus langen Abfolgen von kleinsten Einheiten
(Morphemen) zusammen, wobei jede Einheit eine bestimmte
grammatikalische Bedeutung hat.
Die Bedeutung von amo würde etwa durch 5 Affixe ausgedrückt - je
eines für Person, Numerus, Tempus, Genus verbi und Modus.
Türkisch: ev=Haus; evde=im Haus; evden=vor dem Haus
Suaheli: mimi ni-na-ku-penda wewe
Mich ich-Präs-Du-lieben Dich
„Ich liebe Dich“
D. Sprachtyp:
Polysynthetisch / Inkorporierend
{
Eine Vielzahl von Morphemen wird zu komplexen Wörtern
zusammengesetzt, die als Einwort-Sätze fungieren können
{
Tschuktschisch, Eskimo, Mohawk, die australischen Sprachen
{
Tiwi [Australian Aboriginal]
ngirruunthingapukani = ngi - rru unthing - apu
I PAST TENSE for some time eat repeatedly
‘I kept on eating.’
{
(Aztekisch) Nahuatl:
ninakakwa = ni -naka -kwa
ich Fleisch ess‘ich esse Fleisch’
-kani
Sprachenvielfalt im Klassenzimmer
{
www.freidaz.de
{
Russisch, Arabisch, Italienisch, Türkisch…
Deutsch
{
Indogermanische Sprachen Æ germanische Sprachen Æ
westlicher Zweig
{
Ca. 120 Millionen Muttersprachler weltweit,
mind. 80 Millionen Fremdsprachler
{
Flektierender Sprachbau
{
Das deutsche Alphabet: Variante des lateinischen Alphabets.
(26 Grundbuchstaben des lateinischen Alphabets (5 Vokale)
zuzüglich der drei Umlaute (Ä, Ö, Ü) + das Eszett (ß) (auch
„scharfes S“ genannt)
{
Alphabetschrift (phonographische Schrift)
Schreibung: von links nach rechts, von oben nach unten
Russisch
{
Indogermanische Sprachen Æ slawische Sprachen Æ
ostslawischer Zweig
{
Ca. 170 Millionen Muttersprachler, 114 Millionen Zweitsprachler
{
Flektierender Sprachbau
{
Das russische Alphabet: Variante des kyrillischen Alphabets.
(33 Grundbuchstaben: 23 Konsonanten + 10 Vokale,
Besonderheiten: Weichheitszeichen und Härtezeichen)
http://ru.wikipedia.org/wiki/%D0%A0%D1%83%D1%81%D1%81%D0%BA%D0%B8%D0%B9_%
D1%8F%D0%B7%D1%8B%D0%BA
{
Alphabetschrift (phonographische Schrift)
Schreibung: von links nach rechts, von oben nach unten
Arabisch
{
Afroasiatische Sprachen Æ Semitische Sprachen Æ
Westsemitische Sprachen
{
Ca. 320 Millionen Muttersprachler, 60 Millionen Zweitsprachler
{
Flektierender Sprachbau
{
Das arabische Alphabet: 3 Vokale, 2 Diphthonge, 28 Konsonanten
http://ar.wikipedia.org/wiki/%D9%84%D8%BA%D8%A9_%D8%B9%D8%B1%D8%A8%D9%8A%
D8%A9
{
Konsonantenschrift (phonographische Schrift)
Schreibung: von rechts nach links
Türkisch
{
Altaische Sprachen Æ Turksprachen Æ Oghusische Sprachen
{
Ca. 65 Millionen Muttersprachler
{
Agglutinierender Sprachbau
{
Das türkische Schriftsystem bezieht seine Grapheme aus dem
Lateinischen (Einführung 1928); vorher hat man mit arabischen
Schriftzeichen geschrieben. 29 Grapheme entsprechen 29
Phonemen.
http://tr.wikipedia.org/wiki/T%C3%BCrk%C3%A7e
{
Alphabetschrift
Kontrastive Phonetik
{
{
Türkisch:
- eine relativ eindeutige Silbenstruktur (K + V + K) Æ
keine Konsonantenhäufungen
Æ Fehler im DaZ: Schiepigel, Schututtgart
- Vokalharmonie
Russisch:
keine Diphthonge Æ Doitschland, Saite, noi, Schpielen,
Fraiburg;
Vokalreduktion: unbetontes „O“ wird zu „a“; unbetontes
„E“ wird zu „I“ (z.B. Konsonanten; Intonation; flektierend);
P, T, K – keine Aspiration (Papa, Tochter, Natalia)
Kontrastive
Morphologie und Wortbildung
{
Türkisch:
agglutinierender Sprachbau Æ
keine Veränderung des Stammvokals;
Bildung der Verben ist regelmäßig; wenig Hilfsverben,
Vergangenheitsbildung durch den Anhang von Suffixen an den
Verbstamm;
Deklination der Nomen ist regelmäßig,
ein Morphem = eine Bedeutung
Kontrastive Grammatik: Genus
Sprachen mit Genusopposition
beim Nomen
Sprachen ohne
Genusopposition beim Nomen
Genusopposition dreigliedrig
(Mask./Fem./neutr.) – Deutsch,
Griechisch, slawische Sprachen,
Norwegisch
Englisch, Finnisch-Ugrisch,
türkische Sprachen
Genusopposition zweigliedrig
(Mask./Fem.) – baltische,
romanische, keltische Sprachen +
Arabisch
Eine besondere Eigenart von
Genuswechsel kennen das
Rumänische und das Italienische
Genusopposition zweigliedrig
(Utrum/Neutr.) – nordische
Sprachen.
{
Türkisch:
kein grammatisches Geschlecht, kein Artikel Æ große
Schwierigkeiten beim Erwerb vom Genus und Kasus des Deutschen
Æ ich gehe Schule, Kind sitzt auf Stuhl, Hast du Problem?
{
Russisch:
f, m, n, ABER: deutliche Kennzeichen:
Konsonanten Æ m,
O, E Æ n,
A (JA) Æ f.
Kontrastive Grammatik: Kasus
{
Der Kasus wird vom Verb und seiner Rektion bestimmt
(Verben mit Präpositionaler Ergänzung)
{
Æ Russ. Ich gratuliere dich; ich warte dich
{
hoffen auf Akk.
sich freuen auf Akk.
träumen von Dat.
gierig nach Dat.
neidisch auf Akk.
Verbkonjugation
Starke Verben =/ schwache Verben
ich lag im Bett =/ ich legte mich ins Bett
Russisch und Arabisch:
Sein (Vergangenheit und Zukunft) Æ Ich Natalia, Du klein; Wir
im Kino; Wer du? Wie dein Name? Von wo du?
Russisch:
Haben = bei mir (ist; gibt es) Æ Bei mir (ist) Katze, bei mir
nicht Katze
Aspekt: Grad der Vollendung der Handlung
(zwei unterschiedliche Verben)
Stroitj =/ postroitj
Otwetschatj =/ otwetitj
Æ Schwierigkeiten bei der Bildung von Vergangenheitsformen
Kontrastive Wortfolge
• Wortfolgemuster in der Sprachen der Welt:
SVO, SOV, VSO, VOS, OVS, OSV
Deutsch: S + P sind obligatorisch
•Aussagesatz, direkte Wortfolge: SV
• Aussagesatz, invertierte Wortfolge: ..VS..
• Fragesatz: VS? Fragewort VS?
• Nebensatz: , weil S… V
• Verbalklammer
Der Frosch saß unter einem Seerosenblatt. Seit Tagen
hatte er keine einzige Fliege gefangen. Was sollte er nun
machen? Ich gebe die Hoffnung nicht auf!, dachte er
schließlich. Eine Prinzessin küsse ich nur im Notfall,
wenn es keine Alternative mehr gibt.
(Rosmary Tracy: Wie Kinder Sprachen lernen, S. 38)
Ein topologisches Modell deutscher Sätze
Verbalklammer /Satzklammer
Vorfeld
V2 finit
Mittelfeld
1. Der Frosch
saß
unter
Seerosenblatt.
2
Seit Tagen
hatte
er keine einzige Fliege
gefangen.
3
Was
sollte
er nur
machen?
4
Ich
gebe
die Hoffnung nicht
auf
dachte
er schließlich.
küsse
ich nur im Notfall
wenn
es
keine
mehr
5
6
Eine
Prinzessin
VE
einem
Alternative gibt.
{
Ich habe das Haus angemalt, das du mir gezeigt hast.
Malst du bitte noch das andere Haus an? … weil ich
auch noch was male.
Ich hab das auch / nicht gesehen… weil ich das auch /
nicht gesehen habe.
Wen hast du gesehen?
Du hast wen gesehen?
{
Regel für DaF-/DaZ-Lerner: TEKAMOLO
{
{
{
{
Türkisch:
SOP-Sprache, das flektierte Verb steht am Satzende, auch bei
Fragesätzen
Russisch:
Neutrale Wortfolge: SVO,
Die Wortfolge ist aber frei.
Numerus
{
Singular, Dual, Paral, Trial, Quadral, Paukal, Plural, Distributiv
Standardarabisch
Singular (Einzahl)
Dual (Zweizahl)
Plural (Mehrzahl)
*‫ البيت‬al-baytu,
„das Haus“
‫ البيتان‬al-baytāni,
‫ البيوت‬al-buyūtu,
„die beiden Häuser, die
„die Häuser“
zwei Häuser“
*‫ أنت‬ʾanta, ʾanti,
„du“ (m., f.)
‫ أنتما‬ʾantumā,
„ihr beide“
‫ أنتن‬,‫ أنتم‬ʾantum,
ʾantunna, „ihr“ (m., f.)
101 konkrete Unterrichtsvorschläge
{
{
{
{
{
{
{
{
{
{
Minimal Standard: die Sprachentabelle im Schulzimmer,
Unsere Schule grüßt in allen Sprachen,
„Stammbäume“ – Vielfalt in der eigenen Familie,
Sprachbilder – die eigene Sprachensituation zeichnen,
„Unser Abfall ist voller Sprachen“,
Sprachenvielfalt dreidimensional,
Mehrsprachige Beschriftungen,
Mini-Sprachkurse in verschiedenen Sprachen,
Memory, Quartett, Domino,
Selbstgemachte mehrsprachige Bilderbücher,
{
{
{
{
{
{
Lieblingsbücher vorstellen,
Mehrsprachiger Gedichtvortrag – live und auf Tonband,
Verschiedene Kulturen kennenlernen – „Sonderwochen“
Haus- und andere Tiere (z.B. Hunde als Haustiere in der
Türkei),
Mehrsprachige Landwirtschaft,
usw.
http://www.goethe.de/ges/spa/prj/sog/fms/dit/deindex.htm
(Schader 2000)
Mehrsprachige Kinder- und Jugendliteratur für
mehrsprachige Lernkontexte
{
Parallele Mehrsprachigkeit / parallele zwei- bzw. mehrsprachige
Texte
{
Sprachmischungen bzw. Mischsprachigkeit / integrierte
zweisprachige Texte: innertextliche plurilunguale Texte, in denen
einzelne Textelemente in verschiedenen Sprachen verfasst sind
(1983. Emer O´Sullivan und Dietmar Rösler „I like you – und du?“)
Mehrsprachige Literatur
{
{
{
{
{
{
{
Schader, B. (2000): Sprachenvielfalt als Chance. Handbuch für den Unterricht in
mehrsprachigen Klassen und 95 Unterrichtsvorschläge für Kindergarten bis
Sekundarstufe I. Zürich: Orell Füssli.
Colombo-Scheffold, Simona / Fenn, Peter / Jeuk, Stefan / Schäfer, Joachim (2008):
Ausländisch für Deutsche. Sprachen der Kinder – Sprachen im Klassenzimmer.
Freiburg: Fillibach.
Macaire, Dominique (2001): Konzepte der Sprachaufmerksamkeit in der
Grundschule. In: Schmölzer-Eibinger, Sabine; Portmann-Tselikas, Paul R. (Hrsg.):
Grammatik und Sprachaufmerksamkeit. Innsbruck: Studienverlag, 200-215.
(http://www.pze.at/aktuell/de/publikationen/Macaire_Sprachaufmerksamkeit.pdf)
(20.04.2011).
Oomen-Welke, Ingelore; Hans-Jürgen, Krumm (2004): Sprachenvielfalt – eine
Chance für den Deutschunterricht. In: Fremdsprache Deutsch, Heft 31, 5-13.
Oomen-Welke, Ingelore und Arbeitsgruppe (2006): Der Sprachenfächer. Höflichkeit.
Benimm bei Tisch. Begrüßung und Anrede. Kopiervorlagen für den interkulturellen
Deutschunterricht. Klasse 4 und Sekundarstufe I. Didaktische Einführung.
Methodische Vorschläge. CD mit den Arbeitsblättern. Freiburg i. Br.: Fillibach.
(www.sprachenfaecher.de) (20.04.2011). (hier: Probekapitel).
Oomen-Welke, Ingelore und Arbeitsgruppe (2001): Vornamen. Vorkommen.
Bedeutung. Geschichte. (JaLing Comenius-Projekt, Erprobungsfassung) Freiburg:
Pädagogische Hochschule Freiburg. (http://home.phfreiburg.de/jaling/material/material_examples.html) (20.04.2011).
http://www3.germanistik.uni-halle.de/prinz/index.htm
Vielen Dank!
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