Rendu-Osler-Weber- Syndrom

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M E D I Z I N
Rendu-Osler-WeberSyndrom
Bastian Pasche1
Ana Cerra Wollstein2
Barbara Zoll1 Klinik, Genetik und Therapie der hereditären
Benedikt Folz2 hämorrhagischen Teleangiektasie
Zusammenfassung
Die hereditäre hämorrhagische Teleangiektasie (HHT), auch als Rendu-Osler-Weber-Syndrom oder Morbus Osler bekannt, ist eine autosomal dominant vererbte Erkrankung des
Gefäßbindegewebes. Zu den wichtigsten Manifestationen gehören Epistaxis, Teleangiektasien im Mund-Nasen-Bereich und arteriovenöse Fehlbildungen in inneren Organen,
vor allem in der Lunge und im Gastrointestinaltrakt. Man unterscheidet drei Typen dieser
Erkrankung (HHT 1 bis 3), die auf Mutationen
in unterschiedlichen Genen zurückzuführen
sind. Dabei ist bei Patienten mit HHT 1 meist
ein schwererer Krankheitsverlauf als bei Patienten mit HHT 2 und 3 zu beobachten. Diese
Patienten haben weiterhin ein deutlich erhöhtes Risiko, pulmonale arteriovenöse Malformationen (AVM) auszubilden. Dagegen
scheint bei Patienten mit HHT 3 das Risiko für
hepatische AVM erhöht zu sein. Bislang konnten zwei Gene identifiziert werden, deren Mutationen zur Ausbildung von HHT führen: En-
D
as Erkrankungsbild der hereditären hämorrhagischen Teleangiektasien ist sehr variabel. Das
bekannteste und häufigste Symptom ist
die rezidivierend auftretende Epistaxis.
Über eine erbliche Form von Epistaxis
berichtete bereits Babington 1865 (2),
aber erst Rendu (23) beschrieb 1896 einen 52-jährigen Patienten, der neben
starker Epistaxis auch Teleangiektasien
in der Mundhöhle, auf Lippen, Wangen,
Zunge und Gaumen aufwies. Die Beteiligung innerer Organe bei diesem Erkrankungsbild wurde erstmals 1901 von
Osler (17) beschrieben. Bei einem 52jährigen Patienten mit Epistaxis und
zahlreichen Teleangiektasien wurde ein
großer Magentumor entdeckt, an dem
der Patient wenige Wochen später verstarb. Bei der Obduktion wurden in
der Magenschleimhaut runde, etwa 3 bis
4 mm große Punkte beobachtet, die sich
bei genauerer Untersuchung als stark
erweiterte Venolen und Kapillaren erwiesen. Übersichten über dieses Krank-
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doglin (HHT 1) und die Aktivin-Rezeptor-ähnliche Kinase 1 (ALK-1, HHT 2). In den letzten
Jahren wurden zahlreiche unterschiedliche
Mutationen in beiden Genen beschrieben,
wobei jedoch eine Phänotyp-/Genotypkorrelation bisher nicht nachgewiesen werden konnte. Die Mutationen sind über die gesamten Gene verteilt, sodass die molekulargenetische
Diagnostik die komplette Sequenzierung der
Gene erfordert.
Schlüsselwörter: hereditäre hämorrhagische
Teleangiektasie, Genmutation, Molekularbiologie, Morbus Osler, Diagnosestellung, Endoglin
Summary
Hereditary Hemorrhagic Telangiectasia
Hereditary hemorrhagic telangiectasia (HHT)
is an autosomal dominant inherited disorder of
the connective tissue of vessels. The most important manifestations are epistaxis, telangiectases
in the mouth, nose region and arteriovenous
heitsbild wurden 1907 von Weber (32)
und 1909 von Hanes (11) publiziert, der
auch erstmals den Begriff hereditäre
hämorrhagische Teleangiektasien (HHT)
verwendete.Aufgrund der Erstbeschreiber ist dieses Krankheitsbild auch unter
den Bezeichnungen Rendu-Osler-Weber-Syndrom beziehungsweise Morbus
Osler bekannt.
Über die Häufigkeit der HHT in der
Bevölkerung gibt es keine verlässlichen
Angaben. Während früher eine Häufigkeit von 1/50 000 bis 1/100 000 angenommen wurde, wird aufgrund neuerer
Studien die Inzidenz mit > 1/10 000 angegeben (9). In einer nördlichen Provinz Japans liegt die Häufigkeit von
HHT bei 1/5 000 bis 1/8 000 (7), auf der
dänischen Insel Fünen wurde ein Be1 Institut für Humangenetik (Direktor: Prof. Dr. med. Wolfgang Engel) der Universität Göttingen
2 Klinik und Poliklinik für Hals- Nasen- und Ohrenheilkunde (Direktor: Prof. Dr. med. Jochen A. Werner) der Universität Marburg
malformations of inner organs, especially of
the lung and the gastrointestinal tract. Three
different types of this disorder (HHT 1 to 3) can
be differentiated, which are caused by mutations
in different genes. Patients with HHT 1 show a
clinically more dangerous phenotype and exhibit
a higher risk of developing pulmonary arteriovenous malformations (AVM) than patients with
HHT 2 and 3. Patients with HHT 3 seem to have a
higher risk to develop hepatic AVMs. Up to now
two different genes could be identified, whose
mutations lead to HHT: endoglin (HHT 1) and
activin receptor-like kinase 1 (ALK-1; HHT 2). During the last few years several different mutations
in both genes were published, but so far there
is no evidence for a phenotype/genotype correlation. The mutations are distributed over the
whole genes, hot spots do not exist. Thus,
molecular genetic diagnosis needs total sequencing of the genes.
Key words: hereditary hemorrhagic telangiectasia, gene mutation, molecular biology, Osler
disease, diagnosis, endoglin
Textkasten
Kriterien des Scientific Advisory
Boards der HHT Foundation International
(Curaçao-Kriterien) zur klinischen
Diagnostik der HHT (24)
> Epistaxis, spontan und rezidivierend
> Teleangiektasien, multiple,
an charakteristischen Stellen (Lippen, Mundhöhle, Finger, Nase)
> Viszerale Beteiligung (gastrointestinale
Teleangiektasien mit oder ohne Blutung,
pulmonale arteriovenöse Malformationen
(AVM), hepatische AVM, zerebrale AVM
> Positive Familienanamnese
(ein Verwandter ersten Grades mit HHT
nach diesen Kriterien)
Eine HHT gilt als gesichert, wenn drei oder vier
der Kriterien zutreffen. Werden nur zwei Kriterien
erfüllt, kann lediglich von einem Verdachtsfall
ausgegangen werden. Wenn nur ein Kriterium
übereinstimmt, ist die Diagnose HHT unwahrscheinlich.
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Therapie
troffener auf 3 500 Einwohner gezählt
(30) und im französischen Department
Ain ein Betroffener auf 2 351 Einwohner (19).
Klinisches Bild
Das klinische Bild der HHT ist sehr variabel. Die erste Manifestation ist meist
die rezidivierende Epistaxis, obwohl bei
Kindern die Erkrankung auch mit neurologischen Symptomen beginnen kann.
Das Nasenbluten beginnt häufig vor dem
20. Lebensjahr, in seltenen Fällen manifestiert sich die Epistaxis aber erst im 7.
Lebensjahrzehnt (20). Vom wiederkehrenden und nur schwer behandelbaren
Nasenbluten sind mehr als 90 Prozent der Patienten betroffen.Die Diagnose erfolgt meistens aufgrund klinischer
Befunde unter Zugrundelegung der
Curaçao-Kriterien (24) (Textkasten). Neben der Epistaxis sind häufig punktförmige Gefäßerweiterungen (Teleangiektasien) zu beobachten, die in der Regel
erst später im Leben und an charakteristischen Stellen auftreten:im Gesicht,vor
allem an Wangen, Lippen, Zunge, Nase
oder Ohren, und an den Fingern, hier besonders an den Fingerspitzen (Abbildung). Die Entstehung dieser Gefäßerweiterungen wurde von Bravermann et
al. (5) elektronenmikroskopisch untersucht. Mithilfe der dreidimensionalen
Rekonstruktion konnten die Autoren
zeigen,dass sich zunächst die postkapillaren Venolen erweitern, eine Erweiterung, die sich in die Kapillaren und Arteriolen fortsetzt und schließlich einen arteriovenösen „Kurzschluss“ ausbildet.
Solche arteriovenösen Malformationen
entstehen auch in den inneren Organen,
vor allem in der Lunge (bei circa 33 Prozent der Patienten) (Abbildung), im Gastrointestinaltrakt (bei circa 44 Prozent)
und in der Leber (bei circa 17 Prozent).
Bei bis zu 15 Prozent der Patienten wurde auch eine zerebrale Beteiligung diagnostiziert (10, 22, 16). Die pulmonalen
AVM können sich mit fortschreitendem
Alter und während der Schwangerschaft
vergrößern und zu schwerwiegenden
Problemen infolge von Blutungen führen
(10). Durch den arteriovenösen „Shunt“
wird die Filterwirkung der Lungenkapillaren eingeschränkt. Bakterien und Gerinnsel können die Lunge passieren und
a
b
c
Abbildung: a) Typische, punktförmige Teleangiektasien auf der Zungenschleimhaut. b)
Korkenzieherartige Teleangiektasien an der
Ohrmuschel sowie rezidivierend blutende Teleangiektasien am Daumen einer Patientin. c)
Komplexe arteriovenöse Malformation der linken Lunge im Segment 10.
in der Folge zu zerebralen Abszessen und
Embolien führen. Gastrointestinale Blutungen beginnen meist erst im fünften
Lebensjahrzehnt, machen häufig Bluttransfusionen notwendig und können in
einzelnen Fällen sogar zum Tod des Patienten führen (20). Bei Leberbeteiligung
kann es sowohl zu Kurzschlüssen hepatischer Arterien und Venen als auch zu
„Shunts“ zwischen Pfortader und Lebervenen mit resultierender Herzinsuffizienz kommen (8). Zerebrale AVM treten
nur bei einem kleinen Teil der HHT-Patienten auf. Sie machen sich meist durch
Kopfschmerzen, intrakranielle Blutungen und Anfallsleiden bemerkbar. Zu beachten ist dabei allerdings, dass ein Teil
der ZNS-Symptome auf Hirnabszesse
aufgrund pulmonaler AVM zurückgeführt werden kann (14).
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Die am häufigsten und in der Regel bereits in frühem Alter auftretende Manifestation der HHT ist die rezidivierende
Epistaxis. Auch aufgrund der immer
wiederkehrenden Blutungen kommt
der Behandlung der Epistaxis eine besondere Bedeutung zu. Als wichtigste
vorbeugende Maßnahmen gegen Epistaxis wird eine stetige Nasenpflege mit
weicher Nasensalbe empfohlen. Ein
Überblick über die verschiedenen Behandlungsformen der Epistaxis und ihre Vor- und Nachteile ist in einer Übersicht von Werner et al. (33) dargestellt.
Vor allem zwei Therapiemethoden werden als hilfreich angesehen. Bei der
Lasertherapie kann eine Reduktion
von Intensität und Frequenz der Epistaxis erreicht werden. Zudem ist die Lasertherapie relativ einfach durchzuführen und lässt sich bei Patienten wiederholt anwenden. Dabei wirkt sich ein
frühzeitiger Behandlungsbeginn positiv
auf die Therapie aus. Eine dauerhafte
Heilung ist mit dieser Methode jedoch
nicht möglich. Die andere Therapieform ist die Dermoplastik, die vor allem
bei Patienten mit schwergradiger Epistaxis angewendet werden sollte, bei denen eine Lasertherapie nicht erfolgreich durchgeführt werden konnte. Hier
wird die Nasenschleimhaut operativ
durch Hauttransplantate ersetzt. Trotz
der Operation kommt es auch in diesen
Fällen nicht zu vollständiger Beschwerdefreiheit, da sich auch nach erfolgreicher Operation wieder neue Teleangiektasien in unbehandelten Arealen
ausbilden können.
Bei der pulmonalen AVM hat sich
in den letzten Jahren das Verfahren
der Katheterembolisation durchgesetzt.
Dabei werden die erweiterten Gefäße
mithilfe von Spiralen, teilweise ergänzt
durch kleine Ballons, verschlossen.
Trotz des guten Erfolgs dieser Behandlungsmethode konnten bei bis zu
60 Prozent der Patienten noch verbliebene AVM diagnostiziert werden (26).
Die gastrointestinalen Blutungen können durch Verabreichung einer Östrogen-Progesteron-Kombination vermindert werden. Diese Therapie hat den
Vorteil, dass auch die Magen-DarmAbschnitte behandelt werden, die endoskopisch nicht untersucht werden
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können. In einer Studie von van Cutsem
et al. (29) konnte dabei bei mehreren
HHT-Patienten mit gastrointestinalen
Blutungen nach der Hormonbehandlung die Zahl der erforderlichen Bluttransfusionen reduziert werden. Naturgemäß ist diese Therapie für männliche
Patienten problematisch, da die Nebenwirkungen (wie Gynäkomastie, Ödembildung, Feminisierung) oft sehr ausgeprägt sind. Daher wird die Hormontherapie eigentlich nur für postmenopausale Frauen, die sich vorzugsweise einer
gynäkologischen Totaloperation unterzogen haben, eingesetzt.
Eine Therapie der hepatischen AVM
ist derzeit noch nicht etabliert. Caselitz
et al. (6) führen als mögliche Therapien
eine Embolisation betroffener Leberarterien, die Ligatur der Arteria hepatica
sowie die Lebertransplantation an. Allerdings wird lediglich über eine erfolgreiche Therapie bei einzelnen Patienten
oder in kleinen Patientenkollektiven
berichtet. Therapieempfehlungen bei
der zerebralen AVM sind nicht verfügbar.
Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung ist es insgesamt schwierig, einheitliche Behandlungsschemata zu entwickeln. Die Sammlung der Betroffenen in einigen Zentren wird jedoch sicherlich zu einem Wissenszuwachs und
zur Entwicklung standardisierter Diagnostik und Therapiepfade beitragen.
Genetik
Die HHT wird autosomal dominant
vererbt, das Wiederholungsrisiko für
Nachkommen Betroffener beträgt
demnach 50 Prozent. Die Penetranz ist
altersabhängig und im Alter von 45 Jahren nahezu vollständig (20, 21), obwohl
auch Erstmanifestationen nach dem 65.
Lebensjahr beobachtet wurden. Die
HHT ist genetisch heterogen, ihrer Entstehung können Mutationen in wenigstens drei verschiedenen Genen zugrunde liegen. Mithilfe von Kopplungsanalysen wurde die HHT auf Chromosom 9q34 und 12q13 kartiert (25, 31),
mindestens ein weiterer Genort wird
jedoch angenommen (18). Für HHT 1
werden Mutationen im Endoglin-Gen
auf Chromosom 9q34 verantwortlich
gemacht (15), für HHT 2 Mutationen
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im Gen für die Aktivin-Rezeptor-ähnliche Kinase 1 (ALK-1) auf Chromosom
12q13 (12). Beide Gene werden vor allem in Endothelzellen exprimiert und
kodieren für membranständige Proteine, die Bestandteile des Rezeptorkomplexes für den transforming growth factor E (TGF-E) darstellen. TGF-E ist in
verschiedene Prozesse der Gefäßentwicklung und -reparatur involviert und
beispielsweise an der Migration, Proliferation, Adhäsion und Zusammenset-
des Protein, in der 362 Aminosäuren großen zytoplasmatischen Region
konnten vier mutmaßliche Serin/Threonin-Kinase-Domänen identifiziert werden (28). Das Gen besteht aus zehn
Exons und erstreckt sich über einen
Abschnitt von 14 kb. Es wurden vor allem Missense-Mutationen bei den Patienten beobachtet, aber auch Deletionen, Insertionen und Nonsense-Mutationen. Spleißmutationen wurden bislang nicht nachgewiesen.Auch im ALK1-Gen existiert kein hot spot,
die Mutationen betreffen fast
Grafik 1
alle Exons (Grafik 1).
Bisher wurde erfolglos versucht, eine Genotyp-Phänotyp-Korrelation für die verschiedenen Mutationen zu erstellen. Allerdings zeigt der
Krankheitsverlauf bei Patienten mit Mutationen im Endoglin-Gen häufig einen schwereren Verlauf als bei Patienten
mit ALK-1-Mutationen. Weiterhin haben die HHT-1-Patienten ein auf 30 bis 41 Prozent
geschätztes Risiko, pulmonale
arteriovenöse Malformationen (PAVM) zu entwickeln,
während das Risiko bei HHT2-Patienten nur auf bis zu 14
Schematische Darstellung der kodierenden Abschnitte
Prozent geschätzt wird. Für
der cDNAs von Endoglin und ALK 1. Die einzelnen Exons
sind nummeriert und schwarz umrandet. Oberhalb der Patienten mit HHT 3 wird ein
cDNA sind die verschiedenen Proteindomänen einge- erhöhtes Risiko für hepatizeichnet, unterhalb sind alle bislang publizierten Muta- sche AVM angenommen (18).
tionen in beiden Genen eingetragen.
Im Mausmodell konnte gezeigt werden, dass Endoglin
zung der Extrazellulärmatrix der Endo- für die Entstehung von Teleangiektasithelzellen beteiligt.
en und Epistaxis verantwortlich ist.
Das Endoglin-Gen kodiert für ein Mäuse, die hemizygot für das Endoglininsgesamt 673 Aminosäuren umfassen- Gen waren, entwickelten ebenfalls Tedes Protein, das zum größten Teil ex- leangiektasien und Epistaxis, in zwei
trazellulär lokalisiert ist. Das Gen be- Mäusen konnte eine viszerale Beteilisteht aus 14 Exons und erstreckt sich gung nachgewiesen werden (1, 4). Mäuim Genom über einen Bereich von et- se mit homozygoter Endoglin-Defiziwa 40 Kilobasen (Kb). Es wurden bei enz waren nicht lebensfähig. Das deckt
Patienten verschiedene Mutationen im sich mit dem Nachweis ausschließlich
Endoglin-Gen gefunden: Deletionen, heterozygoter Patienten mit EndoglinInsertionen, Nonsense- und Missense- Mutationen. Es gibt lediglich einen FallMutationen sowie Spleißmutationen. bericht über einen im Alter von zehn
Diese Mutationen sind über das ge- Wochen verstorbenen Säugling, der
samte Gen verteilt, es konnten keine möglicherweise homozygot für EndogRegionen mit gehäuft vorkommenden lin-Mutationen war (27).
Mutationen (hot spots) gefunden werBislang gibt es keine befriedigende
den (Grafik 1).
Erklärung für die lokale Entstehung von
Das ALK-1-Gen kodiert für ein ins- Teleangiektasien und für die bevorzugte
gesamt 503 Aminosäuren umfassen- Beteiligung bestimmter Organe, obwohl
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Grafik 2
a) Stammbaum einer Familie mit HHT 1. Männliche Familienmitglieder sind mit einem Quadrat, weibliche Familienmitglieder mit einem
Kreis und Betroffene mit einem ausgefüllten
Symbol gekennzeichnet. Verstorbene sind mit
einem durchgestrichenen Symbol markiert. b)
Ausschnitt aus der Sequenz des EndoglinGens am Übergang von Intron 11 zu Exon 12
(normal), c) die entsprechende Sequenz eines
Patienten der Familie: Der Basenaustausch
von Adenin zu Guanin führt zu einer Veränderung der Spleißsequenz in der RNA und hat
ein Überspringen von Exon 12 zur Folge.
der Gendefekt in allen Endothelzellen
vorliegt. Die mögliche Hypothese, dass
es durch somatische Mutationen vereinzelt zu Homozygotie für Mutationen in
Gefäßendothelzellen kommt, ist unwahrscheinlich, da die Expression von
Endoglin in AVM gegenüber dem umgebenden Normalgewebe nicht reduziert
ist (3). Marchuk (13) diskutiert, dass die
durch das mutierte Allel reduzierte Proteinkonzentration für bestimmte Prozesse wie zum Beispiel Reparaturmechanismen nicht mehr ausreicht. Die Reparatur erfolgt daraufhin fehlerhaft und führt
schließlich zur Ausbildung der AVM.
Molekulargenetische
Diagnostik
Die HHT wird in den meisten Fällen
ausschließlich aufgrund klinischer Befunde diagnostiziert. Inzwischen ist jedoch auch eine molekulargenetische
Untersuchung verfügbar, die bisher
überwiegend bei Patienten mit stärkerer Krankheitsmanifestation, die an
Lungenbeteiligung litten, angewendet
wurde. Bei diesen Patienten steht die
Analyse des Endoglin-Gens im Vordergrund. Da die Mutationen über das gesamte Gen verteilt sind, müssen sämtliche 14 Exons und die angrenzenden Intronsequenzen mittels PCR amplifiziert und anschließend sequenziert
werden. Bei Patienten, bei denen keine
Mutation im Endoglin-Gen gefunden
wird oder die aufgrund der klinischen
Diagnose als HHT-2-Patienten eingestuft werden, wird in gleicher Weise die
gesamte kodierende Region des ALK1-Gens mit den 9 Exons auf Mutationen untersucht. Wird bei einem Patienten eine Mutation gefunden, können
weitere Familienmitglieder gezielt auf
das Vorhandensein dieser Mutation untersucht werden.
Bei den bisher von den Autoren untersuchten Patienten konnten mehrere
noch nicht beschriebene Mutationen
in beiden Genen nachgewiesen werden, darunter Missense- und Nonsense-Mutationen, Deletionen sowie
Spleißmutationen. Beispielhaft ist in
Grafik 2 eine Spleißmutation in Intron
11 des Endoglin-Gens dargestellt, die
bei den betreffenden Patienten zu einem Verlust des gesamten Exons 12
führt.
Vorteile der molekulargenetischen
Diagnostik
Die Diagnostik einer HHT konnte bisher ausschließlich nach bereits vorliegender klinischer Manifestation erfolgen. Dies machte teilweise eine
Kontrastechokardiographie, eine Computertomographie des Thorax, eine
Magnetresonanztomographie (MRT)
des Schädels und eine Abdomen-Sonographie nötig, zeit- und kostenintensive
und für den Patienten belastende Maßnahmen. In Zukunft können Träger der
HHT-Mutation in solchen Familien, in
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denen die Erkrankung vorkommt, bereits vor der Krankheitsmanifestation
identifiziert oder ausgeschlossen werden. Personen, die das veränderte Gen
nicht tragen, werden von der Sorge befreit, Symptome zu entwickeln und die
Erkrankung vererben zu können. Bisher symptomlosen Genträgern hingegen bieten sich auch Möglichkeiten für
präventive Maßnahmen.
Zu diesen Maßnahmen gehört neben der regelmäßigen Nasenpflege zur
Therapie der Epistaxis auch die Aufklärung über potenzielle Gesundheitsrisiken durch okkulte viszerale AVMMalformationen. Nach dem Auftreten
erster Episoden von Epistaxis sollte
umgehend eine regelmäßig wiederholte Laserbehandlung der Nasenschleimhaut erfolgen, da sich ein frühzeitiger
Behandlungsbeginn positiv auf die
Therapie auswirkt. Genträger sollten
sich außerdem in regelmäßigen Abständen untersuchen lassen, um Symptome, die auf okkulte, viszerale AVM
schließen lassen könnten, frühzeitig erkennen und behandeln zu können.
Schließlich können Patienten bezüglich ihres Vererbungsrisikos beraten
werden, wobei gegebenenfalls auch eine pränatale Diagnostik durchgeführt
werden kann.
Aufgrund der molekulargenetischen
Untersuchung besteht erstmals die
Möglichkeit, die Diagnose HHT bereits vor Auftreten der ersten Symptome zu stellen. Damit bietet sich die
Möglichkeit für Ärzte und Wissenschaftler, Präventionsmaßnahmen für
diese Patienten zu entwickeln, um so
die Ausbildung der klinischen Symptome zu verzögern oder sogar zu verhindern.
Manuskript eingereicht: 5. 6. 2002, revidierte Fassung angenommen: 27. 11. 2002
❚ Zitierweise dieses Beitrags:
Dtsch Arztebl 2003; 100: A 490–493 [Heft 8]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet
unter www.aerzteblatt.de/lit0803 abrufbar ist.
Anschrift für die Verfasser:
Priv.-Doz. Dr. med. Barbara Zoll
Institut für Humangenetik
der Universität Göttingen
Heinrich-Düker-Weg 12
37073 Göttingen
E-Mail: [email protected]
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