Prof. Dr. Moritz Kaßmann Fakultät für Mathematik Sommersemester 2016 Universität Bielefeld Übungsaufgaben zu Funktionalanalysis Lösungen von Blatt III vom 29.04.16 Aufgabe III.1 (5 Punkte) Sei `∞ der Raum der beschränkten reellen Zahlenfolgen zusammen mit der Metrik d∞ (x, y) = sup |xk − yk | . k∈N Zeigen Sie, dass jeder separable metrische Raum isometrisch auf eine Teilmenge von `∞ abgebildet werden kann. Aufgabe III.2 (5 Punkte) Seien (X, d) ein kompakter metrischer Raum und (fn ) eine Folge in C(X). Für jedes k ∈ N und jedes x ∈ X gelte fk+1 (x) ≥ fk (x). k→∞ n→∞ Weiterhin gelte fk (x) −→ 0 für alle x ∈ X. Zeigen Sie, dass dann bereits kfn k∞ −→ 0 gilt. Aufgabe III.3 (2+2+1 Punkte) Beweisen Sie das folgende Lemma aus der Vorlesung. Lemma 2.11 Sei (X, d) ein metrischer Raum. Dann gelten die folgenden Aussagen: a) Ist A ⊂ X präkompakt, dann ist A beschränkt. b) Ist A ⊂ X präkompakt, dann ist A präkompakt. c) Sei X vollständig bezüglich d. Dann ist A ⊂ X genau dann präkompakt, wenn A kompakt ist. Aufgabe III.4 (5 Punkte) Seien a > 0, x0 ∈ Rd und f : [0, a] × Rd → Rd eine in einer Umgebung U von (0, x0 ) ∈ Rd+1 stetige Funktion. Betrachtet sei das Anfangswertproblem ( x0 (t) = f (t, x(t)), x(0) = x0 . Zeigen Sie, dass ein a > 0 existiert, so dass das Anfangswertproblem im Intervall [0, a] mindestens eine Lösung besitzt. Folgen Sie dabei der Anleitung auf der nächsten Seite. Erreichbare Punktzahl: 20 Übungsblatt III – Lösungen Seite 2 Anleitung: • Schreiben Sie zunächst das obige Anfangswertproblem in eine geeignete Integraldarstellung um. • Betrachten Sie anschließend für α > 0 die Funktionen ( x0 Rt xα (t) = x0 + 0 f (τ, xα (τ − α)) dτ für t ≤ 0, für t > 0 und verwenden Sie den Satz von Arzela-Ascoli, der in der Vorlesung am 3. Mai besprochen wird. Lösungsvorschläge Aufgabe III.1 Sei M = {x1 , x2 , x3 , . . .} die abzählbare dichte Teilmenge des metrischen Raums (X, d). Definiere eine Abbildung T : X → T (X) ⊂ RN durch T (x) = (d(xk , x) − d(xk , x1 ))k∈N . Die Surjektivität dieser Abbildung ist klar. Die Injektivität folgt aus der Dichtheit von M : Denn, angenommen T sei nicht injektiv. Dann existieren x, y ∈ X mit x 6= y und T (x) = T (y), d.h. ∀ k ∈ N : d(xk , x) = d(xk , y). Wir nehmen nun zusätzlich an, dass x, y 6= xk für alle k ∈ N sind (sonst ergibt sich sofort ein Widerspruch aus der obigen Zeile). Dann folgt mit der Dreiecksungleichung d(x, y) ≤ d(x, xk ) + d(y, xk ) = 2 · d(x, xk ) > 0 für alle k ∈ N. Wähle nun 0 < ε < und somit d(x, xk ) ≥ d(x,y) 2 Bε (x) ∩ M = ∅. Widerspruch zu M dicht in X. Somit ist T bijektiv. d(x,y) 2 . Dann ist Mit der umgekehrten Dreiecksungleichung gilt für alle x, y ∈ X d∞ (T (x), T (y)) = sup |d(xk , x) − d(xk , y)| ≤ d(x, y). k∈N Mit xk → x, xk ∈ M , erhält man die Gleichheit in dieser Abschätzung. Wir müssen nur noch zeigen, dass T (X) ⊂ `∞ ist. Sei dazu x ∈ X beliebig. Dann ist kT (x)k∞ := sup |d(xk , x) − d(xk , x1 )| = d∞ (T (x), T (x1 )) ≤ d(x, x1 ) < ∞. k∈N Also ist T (x) ∈ `∞ und damit ist alles bewiesen. Aufgabe III.2 Variante 1: Ein Widerspruchsbeweis. Definiere eine Folge (gk ) = (−fk ). Dann gilt gk+1 (x) ≤ gk (x) für alle x ∈ X. Angenommen lim kgk k∞ 6= 0. Dann gibt es eine Teilfolge k→∞ (gkj ) von (gk ) und Punkte xj ∈ X, so dass für alle j ∈ N : gkj (xj ) > ε für ein ε > 0. Da X kompakt ist, konvergiert eine Teilfolge von (xj ), die wir einfachheitshalber wieder mit (xj ) bezeichnen, gegen x ∈ X. Wähle m ∈ N mit gm (x) ≤ 4ε . Da gm ∈ C(X), existiert ein δ > 0, so dass |gm (y)−gm (x)| < ε 4 , sofern d(y, x) < δ. Also ε gm (y) = |gm (y)| ≤ |gm (y) − gm (x)| + |gm (x)| < , 2 Übungsblatt III – Lösungen Seite 3 für alle y ∈ Bδ (x). Für große j ist d(xj , x) < δ und, wenn kj ≥ m, folgt ε gkj (xj ) ≤ gm (xj ) ≤ , 2 ein Widerspruch. Demnach lim kfk k∞ = lim kgk k∞ = 0. k→∞ k→∞ Variante 2: Ein direkter Beweis. Definiere eine Folge (gk ) = (−fk ). Dann gilt gk+1 (x) ≤ gk (x) für alle x ∈ X. Sei ε > 0. Setze Ek = {x ∈ X|gk (x) < ε}. Dann gilt E1 ⊂ E2 ⊂ E3 ⊂ . . . Da gk punktweise gegen 0 konvergiert, bilden die Ek eine Überdeckung von X, die wegen der vorausgesetzten Stetigkeit offen ist. Aufgrund der Kompaktheit von X existiert eine endliche Menge I ⊂ N, derart dass [ X= Ek . k∈I Also gilt Ek = X für alle k ≥ max I =: N . Demnach gk (x) = |gk (x)| < ε für alle x ∈ X und alle k ≥ N. Das bedeutet lim kfk k∞ = lim kgk k∞ = 0. k→∞ k→∞ Aufgabe III.3 a) Sei A ⊂ X präkompakt. Wähle ε = 1. Sei A mit B1 (x1 ), . . . , B1 (xk ), k ∈ N, xj ∈ A für j = 1, . . . k, überdeckt. Für jedes x ∈ A existiert demnach ein j = 1, . . . , k mit x ∈ B1 (xj ). Dann gilt d(x, x1 ) ≤ d(x, xj ) + d(xj , x1 ) ≤ 1 + max d(xj , x1 ) =: r. j=1,...,k Also ist A ⊂ Br (x1 ) und somit A beschränkt. b) Sei ε > 0. Sei A durch Bε/2 (x1 ), . . . , Bε/2 (xk ) überdeckt. Sei x ∈ A = {y ∈ X | ∀ ε > 0 : Bε (y) ∩ A = 6 ∅}. Per Definition existiert ein y ∈ A mit d(x, y) < 2ε und y ∈ Bε/2 (xj ) für ein j = 1, . . . , k. Daher ist d(x, xj ) ≤ d(x, y) + d(y, xj ) < ε, d.h. für jedes x ∈ A existiert ein j ≤ k mit x ∈ Bε (xj ). Damit wird A von den Kugeln Bε (x1 ), . . . , Bε (xk ) überdeckt und ist somit präkompakt. c) „⇒“: Aus b) folgt, dass A präkompakt ist. Wegen der Vollständigkeit von X ist A als abgeschlossene Teilmenge ebenfalls vollständig. Also ist A kompakt. „⇐“: A kompakt ⇒ A präkompakt ⇒ A präkompakt. Übungsblatt III – Lösungen Seite 4 Aufgabe III.4 Die Aufgabe ist gelöst, wenn wir a > 0 und eine Funktion x ∈ C([0, a]; Rd ) konstruiert haben, welche der folgenden Integralgleichung genügt: Zt x(t) = x0 + f (τ, x(τ )) dτ. (1) 0 Denn dann ist x differenzierbar in (0, a) und erfüllt die Differentialgleichung. Da U 3 (0, x0 ) offen ist, existieren kompakte Mengen I ⊂ R und V ⊂ Rd mit U 0 = I × V ⊂ U und (0, x0 ) ∈ Ů 0 . Wegen der Stetigkeit von f in U existiert K := max |f (t, y)|. Wähle a > 0 klein genug, dass (t,y)∈U 0 J := [0, a] ⊂ I und B := B(x0 , aK) = {x ∈ Rd | |x − x0 | ≤ aK} ⊂ V. Sei nun α ∈ (0, a). Dann existiert eine stetige Funktion xα : (−∞, a] → Rd mit ( x0 für t ≤ 0, Rt xα (t) = . x0 + 0 f (τ, xα (τ − α)) dτ für t ∈ J (2) Die Funktion xα konstruiert man nacheinander stückweise in den Teilintervallen (0, α], (α, 2α], (2α, 3α] u.s.w. mittels der Vorschrift (2). Wir betrachten im Folgenden die Funktionen xα nur in J. Definiere nun M = {xα | 0 < α < a} ⊂ C(J; Rd ). Wir zeigen, dass M die Voraussetzungen des Satzes von Arzela-Ascoli erfüllt. a) M ist beschränkt: Sei α ∈ (0, a) beliebig. Dann gilt: R t • Für t ∈ (0, α]: |xα (t) − x0 | ≤ 0 f (τ, xα (τ − α))dτ ≤ tK ≤ aK, | {z } =x0 d.h. xα (t) ∈ B ⊂ V . • Für t ∈ (α, 2α]: |xα (t) − x0 | ≤ αK + R t − α))dτ ≤ tK ≤ aK, α f (τ, xα (τ | {z } ∈(0,α] | {z ∈B } d.h. xα (t) ∈ B ⊂ V . • Analog für die Intervalle (2α, 3α], . . . , (kα, a] mit geeignetem k ∈ N. Damit ist gezeigt: ∀ t ∈ J : |xα (t)| ≤ |xα (t) − x0 | + |x0 | ≤ |x0 | + aK, also ist M beschränkt. b) M ist gleichgradig stetig, denn: Seien t1 , t2 ∈ J mit t1 < t2 und α ∈ (0, a) beliebig. Dann ist Zt2 t1 →t2 |xα (t1 ) − xα (t2 )| ≤ f (τ, xα (τ − α)) dτ ≤ K(t2 − t1 ) −− −−→ 0. | {z } t1 ∈U 0 vgl. a) Übungsblatt III – Lösungen Seite 5 Nach dem Satz von Arzela-Ascoli ist M somit kompakt. Sei nun (αk )k eine beliebige Folge mit 0 < αk < a für alle k ∈ N und αk → 0 für k → ∞. Wegen der Kompaktheit von M existiert eine Teilfolge (welche wiederum mit k→∞ (αk )k bezeichnet werde) und ein x ∈ M derart, dass xαk −−−→ x gleichmäßig in J. In der Abschätzung |xαk (t − αk ) − x(t)| ≤ |xαk (t − αk ) − xαk (t)| + |xαk (t) − x(t)| konvergieren für jedes t ∈ J aufgrund der gleichgradigen Stetigkeit und der gleichmäßigen Konvergenz beide Terme auf der rechten Seite gegen Null, also gilt k→∞ sup |xαk (t − αk ) − x(t)| −−−→ 0. (3) t∈J Wir müssen nur noch zeigen, dass der Grenzwert x die Integralgleichung (1) erfüllt. Nun gilt aber Zt Zt f (τ, x(τ )) dτ − f (τ, xα (τ − αk )) dτ k 0 0 Zt ≤ |f (τ, x(τ )) − f (τ, xαk (τ − αk ))| dτ → 0 0 für k → ∞, da der Integrand gleichmäßig gegen Null konvergiert, was wiederum aus (3) und der gleichmäßigen Stetigkeit von f folgt. Somit folgt aus (2) die Eigenschaft (1) und der Beweis ist abgeschlossen. Bemerkung: Allgemein sind solche Lösungen nicht eindeutig. Betrachte dazu z.B. die √ Differentialgleichung x0 = 2 x, x(0) = 0. Diese besitzt die stetig differenzierbaren Lösungen ( 0 für t ≤ τ , τ ≥ 0. xτ (t) = 2 (t − τ ) für t > τ