VL Wahrnehmung und Aufmerksamkeit Wahrnehmung von Bewegung Bewegung • Bewegung = raum-zeitliche Veränderung – Abbild bewegt sich über die Retina à retinale Bewegung Objekt zu Zeitpunkt t 1 an Position A; Zeitpunkt t 2 an Position B à Inferenzleistung • t1 t2 Aber: BW auch wenn keine Bewegung vorhanden – Scheinbewegung – Bewegungsnacheffekte Zeit Rotating snakes Arten von Bewegung • Scheinbewegung (stroboskopische B.) – Max Wertheimer: Gestaltpsychologie Scheinbewegung von zwei Faktoren abhängig: 1. zeitlicher Abstand (Reizzwischenintervall) 2. räumlicher Abstand Arten von Bewegung • Bewegungsnacheffekt – Wasserfalltäuschung – http://www.michaelbach.de/ot/mot_adaptSpiral/index.html • Induzierte Bewegung – Bewegungswahrnehmung wird induziert – Beispiel: Zug Bewegung • Bewegung: Inferenzleistung oder fundamentale perzeptuelle Dimension wie Farbe oder Form Tuningkurve – Bewegungssensitive Neurone in V1, V2 • BW beruht auf neuronalen Schaltkreisen, die spezifisch auf Bewegung reagieren – Wie sehen diese Schaltkreise aus? – Wie wird Bewegung detektiert? neuronale Bewegungswahrnehmung • neuronaler Schaltkreis für Erkennung retinaler Bewegung nach W. Reichardt • Zelle A leitet Signal an Zelle D weiter • D verzögert Weiterleitung um ? t : Signale von A und B treffen gleichzeitig bei X ein • X (Multiplikatorzelle) verstärkt Signale von A und B • M-Antwort stark, wenn A und B gleichzeitig bei X • M-Antwort gering, wenn A und B nacheinander bei X neuronale Bewegungswahrnehmung Mechanismus für Bewegungsrichtung und Geschwindigkeit • M feuert nur, wenn rezeptive Felder in richtiger Reihenfolge gereizt • stärkste Zellenantwort (M), wenn rezeptive Felder mit bestimmter Verzögerung stimuliert Werner Reichardt (1961): Reichardt Rezeptoren Schwierigkeiten: 1. Korrespondenzproblem • stroboskopische Bewegung – Abfolge von Bildern enthält Bewegungsinformation (siehe oben) – aufeinander folgende Bilder unterscheiden sich leicht Problem: Einzelne Bildpunkte müssen richtig zugeordnet werden. Korrepsondenzproblem Korrespondenzproblem • Vergleich aller Punkte in einer Vorlage? bei einfachen Vorlagen möglich bei komplexen Vorlagen schwierig Schwierigkeiten: 2. Feldausschnittproblem Durch einen Ausschnitt betrachtet: wahrgenommene Bewegungsrichtung der Linie vertikal Bewegung eigentlich diagonal à Jeder Bewegungsdetektor „sieht“ auch nur einen Ausschnitt der gesamten Bewegung (siehe obere Abbildung) à Wie wird die Gesamtbewegung abgeleitet, so dass die tatsächliche Bewegungsrichtung erkannt wird? Ableitung der Gesamtbewegung • Newsome & Parre (1988) alle Punkte bewegen sich in dieselbe Richtung: Gesamtbewegungsmuster erkennbar. 50% der Punkte bewegen sich in dieselbe Richtung: Gesamtbewegungsmuster ist nicht aus einem einzelnen Punkt erkennbar – muss abgeleitet werden. • globale Bewegungsrichtung kann nur erkannt werden, wenn lokal detektierte Bewegungsinformation integriert wird. Bewegungsdetektoren im MT • Newsome & Parre (1988): Affen auf Erkennungsleistung trainiert – Erkennen die Bewegungsrichtung bei Korrelation von 3% • Läsion des mittleren Temporallappen (MT) verschlechterte Erkennungsleistung • MT enthält globale Bewegungsdetektoren Bei Bewegungsblinden ist Detektionsleistung noch deutlich schlechter! Bewegungsdetektion auf der Netzhaut? • "The dumber the animal, the smarter its retina." (Denis Baylor) – Keine Bewegungswahrnehmung auf Retina beim Menschen? • Anstis & Gregory (1964) – Wasserfalltäuschung beruht auf Bewegung über die Netzhaut • Bedingung 1: Fixieren eines Punktes à Bewegungsnacheffekt • Bedingung 2: Streifen mit den Augen folgen à kein Bewegungsnacheffekt • Annahme: antagonistisch gepaarte Zellen auf der Netzhaut gepaarte Bewegungszellen • Zellen empfindlich für links-Bewegung vs. rechts-Bewegung - Keine Bewegung: Beide „Teams“ ausgeglichen - Adaptation nach rechts: rechtsBewegung wird signalisiert - Nach Adaptation wieder statisches Bild - gegnerisches Team stärker: signalisiert links-Bewegung wissenschaftliche Erklärung! • Barlow & Hill (1963) – Zelle A (rechts) gepaart mit Zelle B (links) • Zelle A wird gereizt: Entladungsrate steigt an (über Spontanaktivität) • Reizung stoppt: Entladungsrate fällt unter Spontanniveau • B feuert weiterhin auf Spontanniveau à mehr als A • à nehmen entgegen gesetzte Richtung wahr Interokularer Transfer • Bewegungswahrnehmung trotzdem im Kortex • Evidenz: – Betrachtung des Streifenmusters mit nur einem Auge – Betrachtung des statischen Objekts mit anderem Auge Bewegungsnacheffekt Interokularer Transfer: BNE entsteht dort, wo Signale beider Augen zusammengefügt werden! Lokus des Bewegungsnacheffekt nicht nur auf Netzhaut Augenbewegungen • Auch durch Augen- oder Kopfbewegung kommt es zu einer Verschiebung des Abbildes über die Retina. – Unterscheidung zwischen tatsächliche Bewegung und Bewegung durch Augenbewegung • Reafferenzprinzip Reafferenzprinzip efferentes motorisches Signal (M): • vom Gehirn zum Auge bei willentlicher Augenbewegung • Efferenzkopie zum Komparator afferentes sensorisches Signal (S): • durch Augenbewegung bewegt sich retinales Abbild über die Netzhaut • Bewegung über Netzhaut erzeugt S • S ebenfalls zum Komparator Komparator • Komparator – hypothetische Struktur – verarbeitet M und S zusammen à welche Signale ins Gehirn? • Fall 1: Augenbewegung – Komparator empfängt Efferenzkopie – Signal S wird aufgehoben – à retinale Bewegung durch willentliche Augenbewegung • Fall 2: tatsächliche Bewegung – afferentes Signal S wird nicht durch Efferenzkopier aufgehoben à S erreicht Kortex – à retinale Bewegung nicht durch Augenbewegung Biological Motion • Wahrnehmung von Personenbewegungen • Johansson (1975): Biological Motion basale Funktion Lichtpunktvorlage nur mit Bewegung sinnvoll. Biological Motion • Scheinbewegung – Wahrnehmung einer tatsächlichen Bewegung • Shiffrar & Freyd (1993): abhängig vom Reizzwischenintervall – SOA < 200ms à Hand nimmt kürzesten Weg – SOA > 200ms à richtige Bewegung um den Kopf Bewegung und aktive Motorik • James Gibson: ökologische Wahrnehmung – Mensch als aktiv Wahrnehmender • umgebende optische Anordnung – Reizstruktur an einem bestimmten Punkt durch Bewegung werden Verdeckungen aufgehoben erhält Information über Anordnung von Objekten im Raum besondere Quelle: optisches Fließen Optisches Fließen Bewegung durch eine Szene Focus of expansion: Punkt, wo keine Bewegung à Zielrichtung • durch Bewegung entsteht ein Gradient der Bewegung • OF enthält Information über Bewegungsgeschwindigkeit und -richtung optisches Fließen • wesentliches Merkmal: – OF ist selbst produziert – à unterstreicht Gedanken des aktiven Suchens nach Information bei der Wahrnehmung Durch Bewegung erzeuge ich optisches Fließen, das ich nutze, um meine Bewegung zu steuern. Vermeiden von Kollisionen • Wie schaffe ich es bei alle dieser Bewegung Kollisionen zu vermeiden? Vermeiden von Kollisionen • Vermeiden von Kollisionen durch 1. durch Berechnung von Abstand und Geschwindigkeit 2. Lee & Reddish (1976) : Vergleich der Größe des retinalen Abbildes zu zwei Zeitpunkten t1 t2 • je näher ein Objekt kommt, desto größer wird sein Abbild auf der Retina • Tau (t ) = Größe des retinalen Abbilds : Geschwindigkeit der Größenveränderung zwischen t 1 zu t2 • à Wie viel Zeit bleibt bis zur Kollision?