Bewegungswahrnehmung • Bewegung ist eine Ortsveränderung über die Zeit hinweg • Elementare Bewegungsdetektoren erkennen lokale Bewegungen in eine bestimmte Richtung mit einer bestimmten Geschwindigkeit • Komplexere, globale Bewegungen setzen sich aus lokalen Bewegungsreizen zusammen Arten der Bewegung Retinale Bewegung • Bewegung eines Reizes führt zu einer Verschiebung des Netzhautbildes • Je weiter der Reiz entfernt ist, desto kleiner ist - bei gleicher Geschwindigkeit – die retinale Verschiebung • Wir nehmen trotzdem zumeist die physikalische Geschwindigkeit war, nicht die retinale • Diese Fähigkeit wird als Geschwindigkeitskonstanz bezeichnet Größe und Bewegung Der große Kreis muss sich schneller bewegen als der kleine, damit die Geschwindigkeit gleich hoch erscheint. Geschwindigkeit scheint durch Größe skaliert zu werden. Somit lässt sich Geschwindigkeitskonstanz erzielen. Bild-Retina-System Kopf und Augen sind stationär, ein Bild bewegt sich über die Netzhaut. Wahrnehmungsschwellen nehmen mit der Exzentrizität des Reizes zu, auch wenn die Abnahme der Sehschärfe korrigiert wird. Referenzpunkte erniedrigen die Schwelle stark, aber nur dann, wenn hinreichend lange Beobachtungszeiten zur Verfügung stehen. Der Bewegungsnacheffekt oder die Wasserfalltäuschung ist ein Hinweis auf richtungsspezifische Adaptation des BildRetina-Systems. Interokularer Transfer, höhere Effektstärke bei Tiefenbewegung und Ausfall bei stereoblinden Vpn deuten auf zentralen Ursprung des Bewegungsnacheffektes hin. Retinale Bewegungsschwelle Ohne Schärfekorrektur Mit Schärfekorrektur Bewegungsrichtung Ein kleiner Prozentsatz der Zellen in V1 (weniger als 10%) hat eine bevorzugte Bewegungsrichtung. Reize in Gegenrichtung lösen keine Antwort aus. Diese Zellen befinden sich vor allem in der Schicht 4B, deren Eingangssignale aus den magnozellulären Schichten des CGL stammen. Die Neurone aus der Schicht 4B projizieren in andere kortikale Areale, die für die Bewegungswahrnehmung wichtig sind. Im Areal MT gibt es fast nur Neurone, die für Bewegungsrichtung empfindlich sind. Die Wasserfalltäuschung Nach längerer Betrachtung einer gleichförmigen Bewegung stellt sich bei anschließender Betrachtung eines stationären Reizes ein Nacheffekt ein. Der stationäre Reiz bewegt sich anscheinend in die Gegenrichtung. Dieser Effekt tritt auch auf, wenn die Adaptation z.B. mit dem linken Auge erfolgt und der Test mit dem rechten. -> Video Bewegungsnacheffekt Ableitung von richtungsempfindlichen Zellen in der Netzhaut von Kaninchen (Barlow & Hill, 1963) Vom Neuron zum Verhalten • Wie lässt sich eine Verbindung herstellen zwischen Gehirn und Verhalten? • Dies soll am Beispiel der Bewegungswahrnehmung dargelegt werden – Bewegungsdetektoren – Bewegungswahrnehmung nach Gehirnläsionen – Antwortverhalten einzelner Neurone im visuellen Kortex von Makakken – Mikrostimulation von Neuronen – Funktionelle Bildgebung Bewegungs-Detektor Bewegungs-Detektor Reichardt -Detektor Bewegungsdetektoren • Der Reichhardt-Detektor wurde zuerst im visuellen System der Fliege nachgewiesen • Der Detektor spricht an, wenn die Verzögerung seines zeitlichen Filters identisch ist mit der Dauer der Reizbewegung • Daraus folgt, dass man für jede Geschwindigkeit einen eigenen Detektor benötigt • Um einfachen Flicker von Bewegung zu unterscheiden, werden zwei Detektoren für gegensätzliche Richtungen kombiniert Bewegungswahrnehmung nach Gehirnläsionen Läsion Mittlerer Temporaler Gyrus Einzelne Neurone im visuellen Kortex Bewegungsreize (Video) Paradigma • Der Affe führt eine psychophysische Aufgabe durch • Währenddessen wird von einer einzelnen Zelle in der Region MT abgeleitet • Der Reiz liegt über dem rezeptiven Feld der Zelle Verhalten Je mehr Punkte sich kohärent in eine Richtung bewegen, umso besser kann der Beobachter diese Bewegungsrichtung angeben. Analoge Messungen wurden von den einzelnen Zellen gemacht. Histogramme Für jeden Grad an Korrelation werden die Antworten des Neurons in der bevorzugten Richtung und in Gegenrichtung bestimmt. Aus den Histogrammen kann die Bewegungsrichtung des Reizes mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit richtig vorhergesagt werden Neurometrische Funktion Aus diesen Wahrscheinlichkeiten lassen sich „neurometrische“ Funktionen ableiten, die angeben, wie gut ein einzelnes Neuron die Bewegungsrichtung des Reizes erkennen kann Vergleich Verhalten – Physiologie Einzelne Zellen sind im Schnitt genauso gut bei dieser Aufgabe wie der ganze Affe Viele Zellen sind sogar besser! Mikrostimulation • Zellen in MT sind nach ihrer bevorzugten Bewegungsrichtung angeordnet • Während der Darbietung eines Bewegungsreizes wird nun eine solche Kolumne elektrisch stimuliert Mikrostimulation von Neuronen Effekt der Stimulation Stimulation verändert die Angaben der Bewegungsrichtung und daher vermutlich auch die wahrgenommene Richtung. Neurone in MT sind an diesen Entscheidungen kausal beteiligt! Funktionelle Bildgebung Bewegungsreiz Gehirnaktivität Bewegungsspezifische Aktivität Die funktionelle Kernspintomographie zeigt beim Menschen erhöhte Aktivität bei Bewegungsreizen in den Arealen MT (V5) und V3. In diesen Arealen wurde bei Einzelzellableitungen an Affen auch ein hoher Anteil richtungsempfindlicher Neurone gefunden. Newsome et al. haben gezeigt, dass die Neurone in MT kausal an der Wahrnehmung beteiligt sind. Zusammenfassung • Das Areal MT spielt eine wichtige Rolle bei der Bewegungswahrnehmung • Läsionen von MT können selektive Wahrnehmungsdefizite hervorrufen • Stimulation von Neuronen in MT kann Entscheidungsverhalten verändern Rezeptive Felder für Bewegung Aus Neuronen mit einfachen rezeptiven Feldern, die für Translationen empfindlich sind, lassen sich Neurone mit komplexeren Eigenschaften konstruieren, wie z.B Expansion oder Rotation. Optischer Fluß (a) (b) Optischer Fluß und Orientierung Der Schaukelraum von Lee und Aronson. (a) Eine Vorwärtsbewegung des Raumes erzeugt dasselbe Muster des optischen Fließens, wie wenn eine Person sich nach hinten lehnt wie in (b). Zum Ausgleich dieser Bewegungswahrnehmung lehnen sich Probanden nach vorne wie in (c) und verlieren dabei häufig das Gleichgewicht bis hin zum Umfallen. Biologische Bewegung Augenbewegungen Auge-Kopf-System Der Kopf ist stationär, ein Objekt bewegt sich und wird mit Augenbewegungen verfolgt. Da das Netzhautbild des Objektes stationär ist, kann das Bild-RetinaSystem die Bewegung nicht erkennen. Es bewegt sich zwar die Textur des Hintergrundes, aber Objektbewegungen werden auch im Dunkeln ohne Hintergrundtextur erkannt. Verarbeitung nach dem Reafferenzsystem: Das Bewegungssignal zur Steuerung der Augenbewegungen wird als Kopie (Efferenzkopie) mit der aus dem Netzhautbild gewonnenen Bewegungsinformation (Reafferenz) verglichen. Unterschiede erzeugen Bewegungswahrnehmung. Das Reafferenzprinzip Empirische Belege für das Reafferenzprinzip Mechanische Bewegung des Auges ohne Efferenz erzeugt Bewegungswahrnehmung. Lähmung der Augenmuskulatur und Ausführung willentlicher “Bewegungen” führt zu Bewegungseindruck. Das Autokinetische Phänomen kann als Folge unwillkürlicher Augenbewegungen (Bildbewegung ohne Efferenz) und als Folge einer Spannungsverminderung und darauf folgender willkürlicher Korrekturbewegungen der Augenmuskeln auftreten. Bewegungen bei stationärem Netzhautbild Neuronales Substrat Neurone im Areal MT reagieren auf alle retinalen Bildverschiebungen. Neurone im Areal MST reagieren nicht auf Bildverschiebungen, die durch Augenbewegungen hervorgerufen werden. Scheinbewegung Scheinbewegung Zeitintervall Wahrnehmung weniger als 30ms gleichzeitig (keine Bewegung) 30 - 60 ms Teilbewegung ab 60 ms Scheinbewegung oberhalb von 200 bis 300 ms nacheinander (keine Bewegung) Scheinwelt Kino Im Kino und Fernsehen werden Reihen von stationären Bildern gezeigt (25 pro Sekunde), die dann als glatte Bewegungen wahrgenommen werden Als Faustregel gilt: Ist der zeitliche Abstand der Bilder kleiner als 15 msec (60 Hz), dann kann die Bildsequenz nicht von einer glatten Bewegungsfolge unterschieden werden Trennung von Figur und Grund Bewegungsparallaxe Der kinetische Tiefeneffekt Bewegung ist auch ein Hinweisreiz bei der Rekonstruktion von räumlicher Tiefe. Die zweidimensionale Projektion eines dreidimensionalen Objektes ist nie eindeutig, da die Projektionslinien verschoben werden können. Der kinetische Tiefeneffekt besteht darin, dass der Schatten eines unbewegten Gegenstandes nicht immer erkannt werden kann. Wird der Gegenstand jedoch gedreht, entsteht ein räumlicher Eindruck. Bewegungswahrnehmung • Bewegung ist eine Ortsveränderung über die Zeit hinweg • Elementare Bewegungsdetektoren erkennen lokale Bewegungen in eine bestimmte Richtung mit einer bestimmten Geschwindigkeit • Bewegung ist wichtig zur visuellen Gruppierung verschiedener Objekte • Das war‘s für heute!