Korallenriffe im Klimawandel

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Friedhelm Krupp & Uwe Zajonz
Korallenriffe im Klimawandel
Korallenriffe gehören zu den artenreichsten Ökosystemen unseres Planeten. Sie sind von herausragender wirtschaftlicher Bedeutung für Fischerei, Tourismus, Küstenschutz und die Gewinnung
pharmazeutischer Rohstoffe. Seit Jahrzehnten sind Korallenriffe bereits bedroht und ihr Niedergang wird durch die einsetzende globale Erwärmung und Versäuerung der Meere nun zusätzlich
beschleunigt. Es ist zu befürchten, dass viele Korallenarten bald aus den Riffgebieten der Erde
verschwunden sein werden. Die verbleibenden Riffgemeinschaften werden wesentlich artenärmer sein als die heutigen und ihre Ökosystemleistungen geringer. Kann dieser Entwicklung
noch Einhalt geboten werden? Das Jahr 2008 wurde zum Internationalen Jahr des Riffes ausgerufen, um die Weltöffentlichkeit auf diese dramatischen Entwicklungen aufmerksam zu machen.
S
Abb. 1
Detailansicht einer
Kolonie von roten
Hornkorallen mit
weißen Polypen,
Rotes Meer
Fotos, wenn nicht
anders angegeben,
Friedhelm Krupp.
....... 166
Korallenriffe, deren Erbauer winzige, koloniebildende Polypen sind (Abb. 1), gehören zu
den produktivsten und vielgestaltigsten
Lebensgemeinschaften der Erde. Sie beherbergen eine Unmenge an Tier- und Pflanzenarten, die dort Nahrung finden, sich auf oder
in Korallen ansiedeln, fortpflanzen und damit
ein komplexes, artenreiches und dynamisches Ökosystem bilden. Als produktive
Oasen in nährstoffarmen tropischen Zonen
der Ozeane (Abb. 2) sind sie die einzigen
Lebensräume im Meer, deren Artenvielfalt
mit derjenigen tropischer Regenwälder ver-
gleichbar ist. Obwohl sie weniger als ein Prozent des Meeresbodens bedecken, beherbergen sie ein Viertel aller Tierarten im Meer.
Durch menschliche Aktivitäten bereits
stark geschädigt, werden sie nun von der
globalen Erwärmung und Versäuerung der
Ozeane in ihrer Existenz bedroht. Der im
21. Jahrhundert erwartete Anstieg des
atmosphärischen Kohlendioxids und der
Temperaturen übertrifft denjenigen der letzten
420 000 Jahre, des Zeitraums, in dem sich die
meisten heutigen Meeresorganismen entwickelten.
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Die Internationale Korallenriff-Initiative
(International Coral Reef Initiative, ICRI), ein
Dachverband von Staaten und Organisationen, die sich der Erforschung und des
Schutzes von Korallenriffen annehmen, hatte
erstmals das Jahr 1997 zum Internationalen
Jahr des Riffes (International Year of the
Reef, IYOR) erklärt (GINSBURG & KIENE 1997,
LEINFELDER & BRÜMMER 1997). Die erfolgreiche
Initiative wird nun in diesem Jahr wiederholt, wobei die deutschen Aktivitäten vom
Museum für Naturkunde in Berlin koordiniert
werden (www.iyor2008.de). Hauptziel ist es,
das öffentliche Bewusstsein über die Bedeutung der Korallenriffe und deren Gefährdung
zu stärken. Dies geschieht durch Workshops,
Ausstellungen, öffentliche Vorträge, Broschüren, Fernsehdokumentationen sowie
Veranstaltungen in Zoos und öffentlichen
Aquarien.
Ökosystem Korallenriff
Korallen bilden die größten Kolonien des Tierreiches. Sie sind dazu in der Lage, weil so
genannte Zooxanthellen – mikroskopische,
Photosynthese betreibende Algen, die als
Symbionten in ihrem Gewebe leben – sie mit
über 90 % ihres Energie- und Nahrungsbedarfs versorgen. Diese befähigen ihren Wirt,
große Mengen an Kalk in dessen Skelette
einzulagern, welche die Grundstruktur des
Riffes bilden. Riffe setzen sich also aus biologischen und geologischen Komponenten
(lebende Korallengemeinschaften und Riffgerüst) zusammen. Die Gerüste können sich
mit der Zeit zu ausgedehnten Riffen entNatur und Museum 138 (7/8) 2008
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wickeln, die eine je nach Lage und Umweltfaktoren typische Zonierung hervorbringen
(SCHUHMACHER 1976, FLÜGEL 1997, BUDDEMEIER et al. 2004; Abb. 4).
Das Riff ist ein komplexes Ökosystem aus
Riffbildnern (vor allem den Steinkorallen,
aber auch Kalkalgen und Moostierchen) und
einer außerordentlichen Vielfalt an zumeist
hoch spezialisierten Riffbewohnern wie
Weichkorallen, Schwämmen, Borstenwürmern, Mollusken, Krebsen, Stachelhäutern,
Seescheiden und Fischen, welche die große
Zahl der ökologischen Nischen besetzen, die
das Riff bietet (Abb. 3 und 5–7). Nicht wenige
von ihnen tragen einen Teil der von den Riffbildnern errichteten Riffstruktur mechanisch
wieder ab bzw. setzen diese metabolisch um
(Bioerosion), so dass ein Riff ein hoch dynamisches System darstellt. Von den Ökosystemleistungen des Riffes profitieren aber
nicht nur Meeresorganismen. Durch eine
enge Vernetzung der Nahrungs- und Energie-
W
Abb. 2
Die Insel Karan im
Golf, Saudi Arabien,
ist von einem ausgedehnten Korallenriff
umgeben.
S
Abb. 3
Dieser Anemonenfisch
(Amphiprion clarkii)
ist ein typischer Riffbewohner, der in Symbiose mit einer Seeanemone lebt.
Golf, Insel Karan,
Saudi Arabien.
b
Abb. 4
Strukturelle Gliederung eines Küstensaumriffs. Zeichnung:
Pascale VantieghemSymens, Bearbeitung
Eveline Junqueira.
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Abb. 5
Riffhang im
Roten Meer mit
Fahnenbarschen.
Sanganeb, Sudan.
flüsse zwischen Riffen und benachbarten
Küsten-Ökosystemen kommen diese den
Organismen und Lebensgemeinschaften des
Küstenbereichs, darunter nicht zuletzt auch
den Menschen zugute (BUDDEMEIER et al.
2004).
Heute wie in der Erdgeschichte wird die
Ausprägung von Korallenriffen ganz entscheidend vom Klima bestimmt. Die meisten
Korallen gedeihen nur im flachen Wasser mit
ausreichend Sonnenlicht, bei Wassertemperaturen von 18–30 °C. Weiterhin wird die
Verbreitung der Riffe von Salzgehalt, Nährstoffgehalt, Transparenz des Wasserkörpers,
Strömungen und einer Reihe weiterer Faktoren bestimmt. So sind Korallenriffe mit wenigen Ausnahmen auf tropische Breitengrade
zwischen 30 °N und 30 °S der indopazifischen und atlantischen Riffprovinzen beschränkt. Diesen beiden Meeresbecken sind
X
Abb. 6
Riffblock mit
Schwämmen, Weichkorallen und Hornkorallen. Rotes Meer,
Sanganeb, Sudan.
X
Abb. 7
Mit ausgebreiteten
Fangarmen filtert dieser Federstern Plankton aus der Strömung.
Lifou, Neukaledonien.
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prozesse nachzuvollziehen und damit rezente
Entwicklungen zu interpretieren.
Besonders bemerkenswert ist das Fehlen
von Fossilien von Riffbildnern während der
unteren Trias (vor ca. 240 Mio. Jahren) und
des unteren Känozoikums (vor ca. 65 Mio.
Jahren), als atmosphärische Konzentrationen von Kohlendioxid drastisch anstiegen
und um ein Vielfaches höher waren als heute.
Korallen überlebten das Massenaussterben,
offensichtlich aber nur Arten, die keine Kalkskelette bildeten (HOEGH-GULDBERG et al.
2007). Wann immer während der Erdgeschichte Riffe verschwanden, bedurfte es in
der Folge mehrerer Millionen Jahre, bis sich
ähnlich komplexe Systeme mit vergleichbarer
Diversität und ökologischer Funktionalität
neu entwickelten.
W
Abb. 8
Aufgrund von Meeresspiegelschwankungen
während der Erdgeschichte liegt diese
fossile Kolonie einer
Hirnkoralle (Platygyra
sp.) heute über dem
Wasserspiegel.
Golf von Aden, Insel
Abd al-Kuri, SokotraArchipel, Jemen.
b
Abb. 9
Im kristallklaren
Wasser der Insel Lifou,
Neukaledonien, sieht
man lebende Riffe,
darüber die unterspülte
Kante eines fossilen
Riffs.
nur wenige Arten gemein und mit 85 % der
Rifffläche und Artenvielfalt sind indopazifische Riffe unvergleichlich bedeutender als
diejenigen des Atlantik. Der westliche Zentralpazifik ist dabei das globale Zentrum der Riffdiversität (VERON 1995).
Riffe im Wandel der Erdgeschichte
Seit zwei Milliarden Jahren gibt es Riffe. Die
Erdgeschichte ist seither geprägt von einem
fortlaufenden Wandel der Gemeinschaften
von Riffbildnern und Riffbewohnern. Zunächst wurden Riffe hauptsächlich durch
Bakterien und Algen, dann durch Schwämme,
später durch Kalkalgen, Korallen und andere
Organismen gebildet. Oft kam es zu Einschnitten und Krisen in der Riffentwicklung,
die durch einen markanten Wechsel der
Gemeinschaften der Riffbildner gekennzeichnet waren. Stets überdauerten einige Organismen, zum Teil auf kleine Restpopulationen
zusammengeschrumpft, solche Krisen und
bildeten den Keim neuer, besser angepasster
Riffgemeinschaften (FLÜGEL 1997, VERON &
PHINNEY 2006). Die Evolution der Riffe ist
somit ein langwieriger Prozess von Veränderungen der Rifftypen und riffassoziierten
Organismen. Geowissenschaftliche Daten,
die in fossilen Riffen (Abb. 8, 9) überliefert
wurden, erlauben es, diese AnpassungsNatur und Museum 138 (7/8) 2008
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Abb. 10
Der illegale Verkauf
von Korallen und
anderen Riffbewohnern als Souvenirs ist
immer noch weit verbreitet, wie hier auf
einem Markt in Djibuti.
b
Abb. 11
In vielen Ländern der
Tropen ist die Rifffischerei ein wichtiger
Wirtschaftszweig.
Oftmals werden alle
Fische unabhängig
von ihrer Größe genutzt,
was die Fischbestände
extrem gefährdet.
Hainan, Südchina.
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Nutzung und Gefährdung der Riffe
Riffe sind von herausragender wirtschaftlicher Bedeutung. Schon immer nutzten
Küstenbewohner der Tropen die Ökosystemleistungen der Korallenriffe. Zu Zeiten der
Tauchpioniere unter den Meeresforschern
wie HANS HASS und JEAN JACQUES COUSTEAU
erschienen Riffe noch als eine unerschöpfliche Ressource der Natur. Heute ist uns
bewusst, dass sie die stark bedrohte Existenzgrundlage für viele Millionen Menschen
bilden. Sie liefern Nahrung, Rohstoffe für die
Pharmaindustrie, locken jährlich Millionen
von Tauchtouristen in die Tropen und schützen
Küsten vor Erosion. Nicht zuletzt binden
biogene Riffe als Kalziumcarbonat einen
erheblichen Teil des globalen Kohlendioxids,
bekanntermaßen eines der klimaschädlichsten Gase.
Umso erstaunlicher ist es, dass ihr bereits
vor Jahrzehnten einsetzender Niedergang
von der Weltöffentlichkeit kaum beachtet
wurde. Nach Schätzungen von Riffforschern
sind bereits 60 % der Riffe geschädigt. Die
Gründe sind vielfältig: Immer noch werden
bei der Landgewinnung für Städtebau, Industrie und Tourismusprojekte Korallenriffe
zugeschüttet. Baumaßnahmen im Küstenbereich gehen mit einem Sedimenteintrag einher, der auch umgebende Riffe erstickt und
Wasserströmungen verändert. Vielen Entwicklungsprojekten, vor allem in Ländern der
Tropen, liegen keine oder nur unzureichende
Umweltverträglichkeitsprüfungen zugrunde.
Gesetzliche Bestimmungen werden oft ignoriert. Das Einleiten von nicht oder ungenügend behandelten Abwässern ins Meer zerstört Korallen durch den Eintrag von Nährund Schadstoffen. Der illegale Handel mit
Korallen und anderen Rifforganismen (Abb.10)
floriert weltweit. Auch in entlegenen Gegenden der Erde bestimmen heute Weltmarktpreise, welche Fischereiressourcen ausgebeutet werden. Sind große Exemplare von
Fischen erst einmal weggefangen, nutzt man
zunehmend Jungtiere (Abb. 11). Der Chance
beraubt, das Fortpflanzungsalter zu erreichen, droht dann die Ausrottung. An vielen
Küsten sind lokale Populationen begehrter
Arten bereits zusammengebrochen. Destruktive Fischereimethoden wie das Fischen mit
Netzen (Abb. 12), Dynamit und Kaliumzyanid
tragen zur Zerstörung der Riffe bei. Bei Ebbe
waten vielerorts Scharen von Menschen
über das Riffdach auf der Suche nach Essbarem und danach werden mitunter Schweine
ins Riffwatt getrieben, welche die wenigen
noch verbliebenen Organismen fressen (Abb.
13). Überbevölkerung, oftmals verbunden mit
Armut, lässt den Menschen vielerorts keine
andere Wahl. Nur wenn es gelingt, die Armut
in vielen Küstenregionen der Tropen nachhaltig einzudämmen, ist diese Entwicklung aufzuhalten. Ein Hauptproblem bleibt das unzureichende öffentliche Bewusstsein über die
Bedeutung von Korallenriffen, deren Bedrohung und die weltweiten Folgen dieser Entwicklung (KRUPP 1998, SCHUHMACHER & EISINGER 2005).
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Abb. 12
Die Fischerei mit
Netzen gefährdet die
Riffe. Netze, die sich
im Riff verfangen und
von den Fischern aufgegeben werden,
fischen weiter, ohne
dass die Ressourcen
genutzt werden
(„ghost fishing“).
Golf, Insel Kurain,
Saudi Arabien.
Klimawandel und Korallensterben
Viel weitreichender als alle im vorhergehenden Kapitel aufgelisteten Bedrohungen sind
die Auswirkungen von zwei sich in neuerer
Zeit dramatisch verstärkenden Faktoren: die
globale Erwärmung und die Versäuerung der
Meere.
Korallenlarven siedeln sich nur dann in
einem potenziellen Riffgebiet an, wenn sie
keinen chronischen Stressfaktoren ausgesetzt sind (WILKINSON et al. 1999, HOEGHGULDBERG et al. 2007). Zu diesen gehören
etwa ungewöhnlich hohe oder niedrige Wassertemperaturen, Schwankungen im Salzgehalt und Schadstoffe. In bereits vorhandenen
Riffen verlassen die Zooxanthellen unter diesen Bedingungen das Korallengewebe oder
sterben ab. Damit verliert der Polyp seine
typische grau-grüne Färbung und das weiße
Skelett scheint durch. Dieser Prozess wird als
Korallenbleiche („Coral Bleaching“) bezeichnet. Es ergibt sich ein ähnliches Bild wie
nach der Abweidung von Korallen durch
Fressfeinde (Abb. 14). Da die Koralle nun ihre
„Energiefabrik“ verloren hat, werden Polypenwachstum, Skelettbildung und Fortpflanzung
erheblich reduziert oder eingestellt. Korallen
erholen sich normalerweise von kurzzeitigem
Bleichen. Halten die erhöhten Temperaturen
jedoch über längere Zeiträume an, sterben
die Korallen ab.
In den Jahren 1997/1998 erlitten Korallen
rund um die Welt das bisher größte nachgewiesene Bleichen, gefolgt vom Absterben
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vieler Korallenkolonien. Im extremen Flachwasser des Indischen Ozeans starben mehr
als 90 % der Korallen aufgrund erhöhter Temperaturen. Umfangreiches Korallenbleichen
wurde erneut 2002 und 2007 beobachtet.
Besonders stark betroffen waren verzweigt
wachsende Korallenarten, wie etwa die Vertreter der Gattung Acropora. Sobald eine
Koralle abgestorben ist, wird das Skelett von
anderen Organismen besiedelt. Solange die
Riffstruktur erhalten bleibt, bietet sie Riffbewohnern weiterhin Unterschlupf. Erodiert
das Riff jedoch und zerfällt schließlich zu
Korallenschutt, so verschwinden diese Organismen (Abb. 15). Korallen reagieren allerdings auf unterschiedliche Weise auf erhöhte
Temperaturen und mittlerweile gibt es auch
Berichte von unerwarteten Anpassungen
(z. B. RIEGL 2003).
Der Eintrag von Kohlendioxid und anderen
Treibhausgasen in die Atmosphäre hat nicht
nur die Temperatur, sondern auch den Säuregehalt der Ozeane verändert. Etwa 25–30 %
der globalen industriellen Emissionen an
Kohlendioxid werden vom Meer absorbiert.
Vom Beginn der industriellen Revolution bis
heute wurde der pH-Wert der Meere um 0,1
Einheiten reduziert. Nun ist mit einem weiteren
dramatischen Abfall um 0,3–0,4 Einheiten zu
rechnen. Durch die Bildung von Kohlensäure
werden den Korallenriffen die lebenswichtigen
Karbonate entzogen, die sie zum Aufbau
ihrer Kalkskelette benötigen – derzeit die
wohl größte Gefahr für den Fortbestand der
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Abb. 13
Nachdem Menschen
das Riffwatt nach Nahrung abgesammelt
haben, werden
Schweine hineingetrieben, die den letzten
verbleibenden Lebewesen den Garaus
machen. Hainan,
Südchina.
X
Abb. 14
Infolge der Weideaktivität der korallivoren Schnecke
Drupella cornus ist nur
noch das weiße Skelett
der Korallen übrig
geblieben.
Rotes Meer, Insel
Uqban, Jemen.
Foto: M. Eisinger.
b
Abb. 15 a/b
Links: Riff im Golf bei
der Insel Jana, Saudi
Arabien, 1993 vor dem
ersten Korallenbleichen.
Rechts: Der in
Abb. 15 a gezeigte Riffabschnitt 2002 nach
dem Korallenbleichen.
Das Riff ist vollständig
abgestorben. Werden
bald die meisten Riffe
weltweit so aussehen?
....... 172
Riffe. KENNEDY (2007) und HOEGH-GULDBERG et
al. (2007) geben einen Überblick über die
neuere Literatur zu diesem Thema und stellen eine Anzahl von Modellierungsversuchen
vor, welche die zukünftige Entwicklung von
Korallenriffen bei unterschiedlichen Klimaszenarien vorhersagen.
Die sozioökonomischen Folgen der prognostizierten Entwicklungen werden dramatisch
sein: Der Küsten-Fischerei wird vielerorts die
Grundlage entzogen, mit den damit verbundenen Folgen für die Ernährung der Bevölkerung, Touristen bleiben aus, was zu erheblichen wirtschaftlichen Einbußen führt, und
durch den Verlust schützender Riffe sind viele
Küsten der Erosion preisgegeben, wodurch
wichtige Siedlungsgebiete verloren gehen.
Sind die Riffe noch zu retten?
Klimawandel ist grundsätzlich ein natürliches Phänomen, auch wenn dessen Ausmaß
derzeit durch den Menschen entscheidend
beeinflusst wird. So stellt sich die Frage:
Kann man einem solchen Phänomen überhaupt entgegenwirken? Das Hauptproblem
liegt darin, dass viele Korallen heute unter
mehreren Stressfaktoren leiden, die sich mitunter gegenseitig verstärken und die
gemeinsam zur Zerstörung der Riffe führen.
So muss es Hauptziel von Management- und
Rehabilitationsmaßnahmen sein, die negativen menschlichen Einflüsse auf ein Minimum zu reduzieren. Hier spielt etwa die Verringerung der Kohlendioxidemissionen eine
entscheidende Rolle. Ein wirksames Manage-
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ment ist nur dann möglich, wenn wir die
Hauptkomponenten eines spezifischen Riffökosystems kennen und seine Strukturen
und dynamischen Prozesse verstehen. Aber
Schutzmaßnahmen können nicht warten, bis
Forschungsarbeiten abgeschlossen sind oder
sich an der politisch heiß umkämpften Front
der Emissionsbegrenzungen etwas bewegt.
Um einen sinnvollen Beitrag zum globalen
Erhalt der Korallenriffe zu leisten, müssen
lokale Stressfaktoren wie physische Zerstörung von Korallen, durch Abwässer reduzierte
Wasserqualität, Überfischung und destruktive
Fischereimethoden sofort bekämpft werden.
Bereits solche Maßnahmen werden die
Widerstandsfähigkeit von Korallen gegenüber Klimaveränderungen erhöhen. Zunehmend werden auch Restaurierungsmaßnahmen, vor allem in Form künstlicher Riffe diskutiert. Diese Initiativen bleiben jedoch heftig
umstritten, da Aufwand und Nutzen oft weit
auseinander klaffen. Künstliche Riffe sind
sicherlich eine Option, will man vor einem
Touristenhotel eine Attraktion für die Gäste
schaffen. Angesichts des Ausmaßes des
weltweiten Korallensterbens müssen solche
Unterfangen in freier Natur jedoch ein Tropfen auf dem heißen Stein bleiben.
Trotz aller Initiativen bleibt die Prognose
für die Zukunft der Riffe düster. Werden wir
durch unser heutiges Handeln kommenden
Generationen die Chance nehmen, sich an
der bizarren Schönheit intakter Korallenriffe
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(Abb. 16) zu erfreuen? Es fehlt weltweit an
ernsthaftem politischen Willen. Nur wenn
politische Entscheidungsträger unter dem
Druck der öffentlichen Meinung bereit sind,
jetzt drastische Gegenmaßnahmen einzuleiten, könnten Riffe noch eine Chance haben.
So sind wir alle gefordert, uns am Internationalen Jahr des Riffes zu beteiligen, vor allem
aber unsere privaten Aktivitäten und unser
Konsumverhalten nachhaltig klimaverträglicher zu gestalten. Andernfalls bleiben uns
nur noch Bilder, Filme und den Tauchern
unter uns Erinnerungen an eine bessere Vergangenheit.
b
Abb. 16
Erfreulich intakte Rifflandschaft, die sich
hier vorwiegend aus
Feuerkorallen (Millepora sp.) zusammensetzt. Golf von Aden,
Insel Sikha, Jemen.
Foto: M. Eisinger.
Schriften
BUDDEMEIER, R. W., KLEYPOS, J. A. & ARONSON, R. B. (2004): Coral Reefs and Global Climate Change. – 42 S.; Pew Center on Global
Climate Change, Arlington. FLÜGEL, E. (1997): Riffe heute und früher. Die Entwicklung eines Ökosystems in der geologischen Zeit. – Kleine Senckenbergreihe 24: 13–18. GINSBURG, R. N. & KIENE, W. (1997): The International Year of the Reef
1997. – Kleine Senckenbergreihe 24: 7–8. HOEGH-GULDBERG, O., MUMBY, P. J., HOOTEN, A. J., STENECK, R. S., GREENFIELD, P.,
GOMEZ, E., HARVELL, C. D., SALE, F., EDWARDS, A. J., CALDEIRA, K., KNOWLTON, N., M. EAKIN, C., IGLESIAS-PRIETO, R., MUTHIGA, N., BRADBURY, R. H., DUBI, A. & HATZIOLOS, M. E. (2007): Coral Reefs Under Rapid Climate Change and Ocean Acidification. – Science 318
(5857): 1737–1742. KENNEDY, D. (2007): Year of the Reef. – Science 318 (5857): 1695. KRUPP, F. (1998): Coral reefs in
the Red Sea and Gulf of Aden threatened by bleaching and mortality. – Al-Sambouk 8: 9–11. LEINFELDER, R. & BRÜMMER, F.
(1997): Das Internationale Jahr des Riffes 1997. – Kleine Senckenbergreihe 24: 9–12. RIEGL, B. (2003): Climate change
and coral reefs: different effects in two high-latitude areas (Arabian Gulf, South Africa). – Coral Reefs, 22: 433–446.
SCHUHMACHER, H. (1976): Korallenriffe, ihre Verbreitung, Tierwelt und Ökologie. – 275 S.; BLV Verlagsgesellschft München.
SCHUHMACHER, H. & EISINGER, M. (2005): Welche Werte stehen auf dem Spiel? Riffe in Gefahr. – Biologie Unserer Zeit, 35
(3): 168–175 VERON, J. E. N. & PHINNEY, J. (2006): Corals and Climate Change: An Introduction. – Coral Reefs and Climate
Change: Science and Management. Coastal and EstuarineStudies, 61: 1–4. VERON, J. E. N. (1995): Corals in Space and
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J. & STRONG, A.E. (1999): Ecological and socioeconomic impacts of 1998 coral mortality in the Indian Ocean: An ENSO impact
and a warning of future change? – Ambio 28 (2): 188–196. Stockholm.
Natur und Museum 138 (7/8) 2008
Verfasser
Dr. F. Krupp
U. Zajonz
Forschungsinstitut
und Naturmuseum
Senckenberg
Senckenberganlage 25
D-60325 Frankfurt a. M.
173 .......
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