Hintergrund der Politik der Europäischen Kommission hinsichtlich

Werbung
Gibt es für regionale Herkunfts- und Qualitätszeichen noch eine Zukunft?
Prof. Dr. Tilman Becker
Institut für Agrarpolitik und Landwirtschaftliche Marktlehre
Universität Hohenheim
22. März 2000
veröffentlicht in: Ministerium ländlicher Raum (Hrsg.): Landinfo Nr. 3/2000, S. 29 - 36.
1
Was sind regionale Herkunfts- und Qualitätszeichen?
Wesentliches Kennzeichen des regionalen Marketings in Deutschland ist die Herausstellung
der Herkunft im Zusammenhang mit Qualität: "Herkunft und Qualität aus BadenWürttemberg", "Qualität aus Bayern", "Gutes aus Hessen" oder auch "Original Thüringer
Qualität", um nur einige Beispiele zu nennen.
Einen Zusammenhang zwischen Herkunft und Qualität wird auch im nationalen Marketing
betont. Das Gütezeichen der Centralen Marketinggesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft
(CMA) lautet "Markenqualität aus deutschen Landen".
Solche Produkte, bei denen sich irgendeine Eigenschaft aus dem geographischen Ursprung
ergibt, können bei der Kommission der Europäischen Union ihren geographischen
Ursprungsnamen schützen lassen und erhalten damit ein Exklusivitätsrecht in der Nutzung.
Der gemeinschaftsrechtliche Schutz richtet sich auf eine lokale bzw. regionale Herkunft in
einem Mitgliedsland der Europäischen Union und erstreckt sich auf alle Mitgliedsländer.
Darüber hinaus darf das Logo des jeweiligen Schutzsystems verwendet werden.
Unter regionalen Herkunfts- und Qualitätszeichen sollen sowohl die
Herkunfts- und
Qualitätszeichen der deutschen Bundesstaaten, das Gütezeichen der CMA als auch die auf
Ebene der Europäischen Union eingetragenen lokalen bzw. regionalen Herkunfts- und
Qualitätszeichen verstanden werden.
Wer vergibt die regionalen Herkunfts- und Qualitätszeichen?
Durchführungsorganisationen des staatlichen regionalen Marketings in Deutschland sind die
Marketingorganisationen der einzelnen Bundesländer. Das regionale Marketing kann durch
einen Verein (Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Brandenburg und Sachsen),
durch die Landwirtschaftskammer (Schleswig-Holstein, Saarland und Rheinland-Pfalz), durch
eine Marketinggesellschaft (Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, SachsenAnhalt)
oder
durch
das
Landwirtschaftsministerium
direkt
(Bayern,
Thüringen)
wahrgenommen werden. Diese Träger vergeben das jeweilige regionale Herkunfts- und
Qualitätszeichen
und
versuchen,
durch
Werbung
und
Verkaufsförderung
den
Bekanntheitsgrad, die Akzeptanz und den Absatzerfolg zu erhöhen.
Das nationale Herkunfts- und Qualitätszeichen wird von der Centralen Marketinggesellschaft
der deutschen Agrarwirtschaft (CMA) vergeben. Die CMA ist Eigentümerin des
Gütezeichens, legt das Qualitätsniveau fest und macht Werbung und Verkaufsförderung für
dies nationalen Herkunfts- und Qualitätszeichens. Die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft
2
(DLG) erarbeitet die Qualitätsnormen und die Prüfungsmethoden, darüber hinaus bildet sie
die Prüfer aus und fort. Zu den jährlichen DLG-Qualitätsprüfungen müssen alle Produkte
vorgestellt werden, die das Herkunfts- und Qualitätszeichen der CMA erwerben oder
weiterhin tragen wollen.
Das europäische Gütezeichen, welches dann verwendet werden darf, wenn ein Produkt
eingetragen ist und den besonderen gesetzlichen Schutz genießt, wird von der Kommission
der Europäischen Union vergeben.
Welche finanzielle Unterstützung erhalten regionale Herkunfts- und Qualitätszeichen?
Nach vorsichtigen Schätzungen dürften die Ausgaben für das regionale Marketing durch die
Bundesländer insgesamt etwa 20-25 Mio. DM pro Jahr betragen.1 Hinzu kommen die
Ausgaben im Rahmen des zentral-regionalen Marketings der CMA in der Höhe von rund 45
Mio. DM, wobei die CMA ein Drittel, die regionalen Marketingorganisationen ein weiteres
Drittel und die Wirtschaftspartner das letzte Drittel übernehmen.
Aus der Sicht der Europäischen Gemeinschaft handelt es sich bei der CMA ebenfalls um eine
regionale Marketingorganisation. Diese finanziert sich durch parafiskalische Abgaben auf
landwirtschaftliche Produkte. Bei dem Verkauf landwirtschaftlicher Produkte werden an den
jeweiligen "Flaschenhälsen", d.h. in der Regel bei dem Verkauf an die verarbeitende
Industrie, produktspezifische Abgaben erhoben. Der Haushalt der CMA betrug 1998 etwa 160
Mio. DM. Hiervon wurden 50 Mio. DM für Werbung ausgegeben. Diese wurde zu 88,2% aus
den parafiskalischen Abgaben, zu 8,2% aus Zuschüssen der EU und aus Eigenmitteln
finanziert.
In der staatlich unterstützten Werbung und Verkaufsförderung liegt eine Herausstellung der
Herkunft wie selbstverständlich im Interesse der finanzierenden Institution: bei der
Finanzierung durch den Landeshaushalt die Herkunft aus dem jeweiligen Bundesland, bei der
Finanzierung durch die CMA die nationale Herkunft. Wie selbstverständlich wird die
Herkunft mit einem Qualitätsargument verbunden.
Es ist hier die Frage zu stellen, ob ein regionales oder nationales Marketing in der
gegenwärtigen Form ohne die finanzielle Unterstützung mit fiskalischen oder parafiskalischen
Abgaben überhaupt eine Bedeutung hätte. Private Unternehmen dürften nur dann, wenn sie in
1
Vgl. hierzu ausführlich Becker und Benner (2000).
3
irgendeiner Weise ein Gebietsmonopol besitzen, an einer werblichen Herausstellung der
geographischen Herkunft ein Interesse haben.
Wem stehen die regionalen Herkunfts- und Qualitätszeichen offen?
Ein nationales bzw. regionales Herkunfts- und Qualitätszeichen für Lebensmittel kann als
eine
Form
einer
Kollektivmarke
angesehen
werden.
Wenn
die
jeweiligen
Qualitätsanforderungen erfüllt werden, steht das Herkunfts- und Qualitätszeichen des
jeweiligen Bundeslandes allen Produzenten in dieser Region offen. Dies gilt gleichermaßen
für die gemeinschaftsrechtlich geschützten Herkunfts- und Qualitätszeichen als auch für das
Zeichen der CMA. Die Qualität wird jeweils von den Stellen, die das Zeichen vergeben,
festgelegt, bzw. bei den gemeinschaftsrechtlich geschützten Zeichen anerkannt.
Da es sich hierbei um Kollektivmarken handelt, bei denen sich das Kollektiv geographisch
definiert, steht es in der Natur der Sache, das die lokale, regionale bzw. nationale Herkunft
auch in der Werbung und Produktkennzeichnung herausgestellt wird.
Diese Herkunfts- und Qualitätszeichen für Lebensmittel können von den Zeichennutzern als
Zeichen bzw. Markierung auf der Verpackung des Produktes angebracht werden oder auch
auf andere Art werblich herausgestellt werden.
Wie unterscheidet sich die einfache Herkunftsangabe von einer qualifizierten
Herkunftsangabe?
Kollektivmarken für Lebensmittel, die sich aufgrund der geographischen Herkunft definieren,
sind sowohl gemeinschaftsrechtlich aber auch einzelstaatlich geschützt. Bei der qualifizierten
Herkunftsangabe muss ein nachweisbarer Zusammenhang zwischen Herkunft und Qualität
gegeben sein. Bei der einfachen Herkunftsangabe ist ein solcher Zusammenhang nicht
gegeben.
Im
gemeinschaftlichen
Herkunftsangabe
als
Lebensmittelrecht
geschützte
ist
nur
geographische
die
qualifizierte
Angabe
(g.g.A.)
geographischen
und
geschützte
Ursprungsbezeichnung (g.U.) geschützt. Die einfache Herkunftsangabe hingegen nicht.
Aufgrund der Verordnung (EWG) 2081/92 der Europäischen Union genießt die
herkunftsbezogene Bezeichnung eines Agrarerzeugnisses oder eines Lebensmittels als
geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.) den Schutz der Gemeinschaft,
wenn
4
•
es seine Güte oder Eigenschaften überwiegend oder ausschließlich den geographischen
Verhältnissen einschließlich seiner natürlichen und menschlichen Einflüssen verdankt
und wenn
•
es in dem begrenzten geographischen Gebiet erzeugt, verarbeitet und hergestellt wird.
Hiervon unterscheidet sich nach Verordnung (EWG) 2081/92 die geschützte geographische
Angabe (g.g.A.). Auch hier kann der Name einer Gegend, eines bestimmten Ortes oder in
Ausnahmefällen eines Landes zur Bezeichnung eines Agrarerzeugnisses oder eines
Lebensmittels dienen, das aus dieser Gegend, diesem Ort oder diesem Land stammt
wenn
•
sich eine bestimmte Qualität, das Ansehen oder eine andere Eigenschaft aus diesem
geographischen Ursprung ergibt
und wenn
•
es in dem begrenzten geographischen Gebiet erzeugt und/oder verarbeitet und/oder
hergestellt wird.2
Die einfache Herkunftsangabe wird ausdrücklich vom Schutz ausgenommen.
Diesem Rechtsgrundsatz widerspricht das deutsche Recht. Im deutschen Rechtssystem wird
sowohl die einfache als auch die qualifizierte Herkunftsangabe als schützenswert betrachtet.
Geographische Herkunftsangaben als Bezeichnung bzw. Zeichen können im deutschen Recht
geschützt werden, sobald die so bezeichneten Erzeugnisse aus dem Ort, der Gegend, dem
Gebiet oder dem Land stammen, das durch diese Angabe bezeichnet wird. Eine besondere
Qualität muss nicht notwendigerweise mit der Herkunft verbunden sein. Darüber hinaus
erhalten auch qualifizierte Herkunftsangaben einen besonderen Schutz. Eine qualifizierte
Herkunftsangabe liegt nach deutschem Recht dann vor, wenn
•
die geographische Herkunftsangabe einen besonderen Ruf genießt.
Ganz erheblich ist der Unterschied in der Definition der qualifizierten Herkunftsangabe im
deutschen und im gemeinschaftlichen Recht. Im deutschen Recht entscheidet der Ruf, im
gemeinschaftlichen Recht die spezifische Produktqualität aufgrund der geographischen
2
Vgl. zu einem kurzen Überblick Buchholz (1997) oder ausführlich "Regionale Herkunftsbezeichnungen und
besondere Produktionsmerkmale". In Agrar-Europe vom 2. Juni 1997.
5
Herkunft darüber, ob es sich um eine besonders schützenswerte Herkunftsangabe handelt oder
nicht.
Die Zulässigkeit der einfachen Herkunftsangaben in Verbindung mit der Herausstellung des
Zusammenhangs zwischen geographischer Herkunft und Qualität wird durch das
Lebensmittelrecht der Europäischen Union, welches prinzipiell nationales Recht dominiert, in
Frage gestellt.
Aus Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Verwendung der Marke "Warsteiner"
geht hervor, dass bei geographische Herkunftsbezeichnungen in der Verwendung als Marken
eine Herstellung in dem Gebiet, welches die geographische Herkunft bezeichnet, nicht
unbedingt Voraussetzung ist.3 Damit steht das deutsche Recht auch mit dem territorialen
Ausschließlichkeitsprinzip der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 in Konflikt.
Nach Ansicht des BGH ist offen, ob der Schutz von geographischen Herkunftsangaben unter
europäisches Recht oder nationales Recht fällt. Sollte der Schutz von geographischen
Herkunftsbezeichnungen allein nach der EU-Verordnung bestimmt werden, müsste laut BGH,
der
im
Streitfall
Herkunftsangabe
vorgebrachte,
nach
dem
weiterreichende
neuen
deutschen
nationale
Schutz
Markenrecht
an
der
einfachen
höherrangigem
Gemeinschaftsrecht scheitern. Diese Auffassung hatte laut Bundesgerichtshof die Europäische
Kommission
1995
in
einem
Schreiben
an
die
Bundesregierung
vertreten.
Der
Bundesgerichtshof hat den Fall jetzt an den Europäischen Gerichtshof weitergeleitet, der die
Frage der Zuständigkeit klären soll.4
In dem deutschen Markengesetz bildet der Schutz von geographischen Angaben und
Ursprungsbezeichnungen gemäß der Verordnung (EWG) 2081/92 einen eigenen Abschnitt
und ist damit, wenn auch nicht inhaltlich abgestimmt mit anderen Teilen des Markengesetz
und des Wettbewerbsrecht, so jedoch zumindest im Text des Markengesetz integriert.
Einen mittelbaren Schutz erhält die geographische Herkunftsangabe im deutschen
Rechtssystem gleichermaßen wie im Rechtssystem der Europäischen Union durch das
generelle Verbot der Irreführung der Verbraucher.
3
Vgl. "Auch einfache geographische Herkunftsbezeichnungen sind geschützt". In Agra-Europe vom 6. Juli
1998.
4
Vgl. "Auch einfache geographische Herkunftsbezeichnungen sind geschützt". In Agra-Europe vom 6. Juli
1998.
6
Sind Herkunfts- und Qualitätszeichen qualifizierte Herkunftsangaben?
Nach gemeinschaftlichem Recht sind alle Herkunfts- und Qualitätszeichen keine
qualifizierten Herkunftsangaben, solange diese nicht als g.g.A oder g.U. eingetragen sind.
Nach deutschem Recht werden die Herkunfts- und Qualitätszeichen der Bundesländer und der
CMA als Gütezeichen angesehen, die als solche schützenswert sind.
Welche Auswirkungen hat der Konflikt zwischen gemeinschaftlichem Lebensmittelrecht
und deutschem Markenrecht?
Dieser Konflikt zwischen dem Rechtssystem der Europäischen Gemeinschaft und der
Bundesrepublik Deutschland ist erneut anhand eines Entwurfs der Leitlinien zur staatlichen
Absatzförderung entbrannt. In diesem Entwurf wird eine staatliche Beihilfe zu solchen
Absatzförderungsmaßnahmen, die einen Zusammenhang zwischen Herkunft und Qualität
herstellen, verboten. Ausgenommen hiervon sind staatliche Absatzförderungsbeihilfen bei
Produkten, die nach Gemeinschaftsrecht als geographischen Herkunftsangabe eingetragen
sind.
Die Herausstellung eines Zusammenhangs zwischen Herkunft und Qualität in der staatlichen
Absatzförderung ist nach Ansicht der Europäischen Kommission nur für die auf
Gemeinschaftsebene geschützten qualifizierten geographischen Herkunftsbezeichnungen
zulässig. Wenn ein solcher Zusammenhang bei einfachen Herkunftsangabe hingegen werblich
herausgestellt wird, wie bei den deutschen Herkunfts- und Gütezeichen, so besteht die zu
widerlegende Vermutung, das es sich um eine Irreführung der Verbraucher handelt.
Die Kommission ist aufgrund des EG-Vertrags ermächtigt, die Zulässigkeit staatlicher
Beihilfen zu überprüfen. Der Entwurf der Kommission kann eigenmächtig von der
Kommission in Verwaltungspraxis überführt werden, ohne dass eine Zustimmung der
Mitgliedsländer eingeholt werden muss.
Über den im April 1999 von der Kommission vorgelegte Entwurf der Gemeinschaftsleitlinien
für die staatliche Förderung des Absatzes von Agrarprodukten ist jedoch bisher noch nicht
entschieden worden. Wie ein Kommissionssprecher Ende November 1999 hierzu mitteilte,
werden die Konsultationen mit den Mitgliedstaaten über die neuen Gemeinschaftsleitlinien
fortgeführt. Eine Entscheidung darüber soll im Frühjahr 2000 fallen.5 Die Kommission hat die
CMA wegen der Herausstellung des Zusammenhangs von Herkunft und Qualität bei dem
5
Vgl. hierzu "Neuer Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen im Agrarsektor". In Agra-Europe vom 29.
November 1999.
7
CMA-Gütezeichen vor dem EuGH verklagt. Die Kommission stützt sich bei ihrer Klage auf
die alte Leitlinie von 1987, nach der die Qualität nicht mit der Herkunft begründet werden
darf.6
Welche Bedeutung haben die nach Gemeinschaftsrecht geschützte Herkunftsangaben
und die nationalen Herkunfts- und Qualitätszeichen?
In einer Studie7 wurden in der Europäischen Union insgesamt 1861 Kollektivmarken gezählt,
wobei ca. 60% auf gemeinschaftsrechtlich geschützte Herkunfts- und Qualitätszeichen
(g.g.A., g.U. und traditionelle Spezialität) und ca. 30% auf national geschützte Herkunfts- und
Qualitätszeichen entfielen. Den Rest bilden Kollektivmarken von Erzeugergemeinschaften
und für organisch produzierte Lebensmittel.
Die meisten Kollektivmarken sind bei Wein zu finden (54%), gefolgt von Fleisch (16%),
Milch, Milchprodukte und Honig (12%) sowie Gemüse (4%), Obst (4%), Olivenöl (3%) und
Fleischwaren (3%).
Nach Harte-Bavendamm (1996) sind der Kommission von den Mitgliedstaaten rund 1400
Bezeichnungen als schützenswert im Rahmen der Verordnung (EWG) 2081/92 mitgeteilt
worden. Hiervon stammen etwa 900 aus Deutschland. Unter den ersten 343 für die
Registrierung vorgesehenen Angaben finden sich dagegen nur rund 20 deutsche
Bezeichnungen, und zwar für Mineralwässer. In 1996 wurden zwei weitere deutsche
Bezeichnungen, nämlich "Nürnberger Lebkuchen und "Lübecker Marzipan"8, in das
Gemeinschaftsregister der geschützten geographischen Bezeichnungen aufgenommen.
Mittlerweile sind 58 deutsche Produkte anerkannt und registriert.
Insgesamt sind nach Angaben der Kommission 500 Produkte registriert. Aus Tabelle 1 wird
deutlich, dass Produkte aus Frankreich und Italien am häufigsten registriert sind, gefolgt von
portugiesischen und griechischen. Mit etwas Abstand folgen Deutschland und Spanien, sowie
das Vereinigte Königreich und Österreich. In Belgien, Niederlande und Luxemburg gibt es
kaum registrierte Produkte und noch weniger Bedeutung hat die Verordnung (EWG) Nr.
2081/92 für die skandinavischen Länder und Irland.
6
Vgl. hierzu "Regionale Siegel aus der Schusslinie". In Ernährungsdienst vom 4.12.1999.
7
Vgl. Peri und Gaeta (1999).
8
Vgl. Meyer (1997), S. 91.
8
Dies ist auf unterschiedliche Rechtssysteme in den Mitgliedsländern zurückzuführen.9
Geographische Herkunftsangaben werden in den herkömmlichen französischen, italienischen
und portugiesischen Rechtssystemen durch administrative Überwachung und Registrierung
erfasst, definiert und geschützt, und zwar sowohl gegen irreführende Verwendung als auch
gegen Rufausbeutung und dem Abgleiten auf die Ebene des Gattungsbegriffs.10 Diesen
Ansatz hat sich die Europäische Union mit der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 zu eigen
gemacht.
Tabelle 1: Anzahl der nach VO 2081/92 geschützten geographischen Herkunftsbezeichnungen
Mitgliedstaat
Frankreich
Anzahl der
Produkte
Mitgliedstaat
Anzahl der
Produkte
103
Luxemburg
4
Italien
98
Niederlande
4
Portugal
76
Belgien
3
Griechenland
75
Dänemark
3
Deutschland
58
Finnland
1
Spanien
40
Schweden
1
Vereinigtes Königreich
23
Irland
-
Österreich
11
Quelle: Eigene Zusammenstellung nach Angaben der EU Kommission (http://europe.eu.int/comm/dg06/qual,
19.11.1999)
Für Deutschland sind fast ausschließlich Bier (11) und Mineralwässer (31) registriert.
Frankreich hat vor allem in den Bereichen Käse (37) und Frischfleisch (45) relativ viele
Registrierungen. Italien zeichnet sich durch viele registrierte Produkte in den Kategorien Käse
(30), Fleischprodukte (22), Öle und Fette (20) sowie Obst, Gemüse und Getreide (23) aus.
Portugal weist eine Reihe von Produkten in den Bereichen Fleischprodukte (14), Frischfleisch
(19), Käse (11) und Obst, Gemüse und Getreide (17) vor. Griechenland ist führend in den
Kategorien Öle und Fette (22) sowie Tafeloliven (10), jedoch auch eine Reihe von
Käseprodukten (19) sind für Griechenland registriert.
9
Hier lässt sich zu Recht die Frage stellen, ob die Rechtsysteme nicht ihrerseits wieder die Wirkung von
tieferliegenden Ursachen sind. Diese mehr philosophische Frage soll hier nicht weiter diskutiert werden.
10
Vgl. Harte-Bavendamm (1996), S. 718.
9
Wie sind Herkunfts- und Qualitätszeichen geschützt?
Ziel der Verordnung (EWG) 2081/92 ist ein gemeinschaftsrechtlicher Schutz von g.g.A und
g.U. vor allem gegen anlehnende Benutzung sowie gegen herkunftsbezogene, irreführende
Angaben und Praktiken.11 Insbesondere ist jede widerrechtliche Aneignung, Nachahmung
oder Anspielung verboten, selbst wenn der wahre Ursprung des Erzeugnisses angegeben ist
oder wenn die geschützte Bezeichnung in Übersetzungen oder zusammen mit Ausdrücken wie
"Art", "Typ", "Verfahren", "Fasson", "Nachahmung" oder dergleichen verwendet wird. Dieses
Verbot geht weit über den notwendigen Schutz des Verbrauchers vor Irreführung hinaus.
Hintergrund dieser Verordnung ist die Förderung von Erzeugnissen mit bestimmten
Merkmalen, die vor allem in den benachteiligten oder abgelegenen Gebieten von großem
Vorteil für die ländliche Entwicklung sein kann. Darüber hinaus soll hiermit dem Interesse
der Verbraucher nach Erzeugnissen mit besonderem Merkmalen, insbesondere nach
Lebensmitteln mit bestimmbarer geographischer Herkunft, Rechnung getragen werden.
Damit eine geographische Herkunftsangabe den Schutz des Gemeinschaftsrechts genießen
kann, wird diese in das Verzeichnis der geschützten Ursprungsbezeichnungen und der
geschützten geographischen Angaben eingetragen. Alle anderen geographischen Angaben
oder Ursprungsbezeichnungen, wenn diese den Eindruck vermitteln, dass sich aus der
geographischen Angabe oder der Ursprungsbezeichnung eine besondere Qualität herleitet,
sind nach Ansicht der Kommission als Irreführung der Verbraucher anzusehen. Hierunter
fallen auch die nationalen und regionalen Herkunfts- und Qualitätszeichen.
In
Deutschland
hingegen
ist
die
Verkehrsauffassung
maßgebend.
Geographische
Herkunftsangaben dürfen nur dann nicht verwendet werden, wenn sie den Verbraucher
täuschen. Es muss eine Irreführung des Verbrauchers vorliegen. Ein entlokalisierender Zusatz
kann geeignet sein, eine mögliche Irreführung zu verhindern. Dies ist im Einzelfall durch die
Rechtsprechung zu überprüfen.
Diese unterschiedliche Auffassung über die Grenzen des gesetzlichen Schutzes bei
qualifizierten geographischen Herkunfts- und Qualitätszeichen tritt besonders deutlich in der
unterschiedlichen nationalen und gemeinschaftlichen Rechtsprechung zu der Verordnung
(EWG) 2081/92 in dem Fall "Cambozola" zu Tage. Das Oberlandesgericht Frankfurt am
Main hat in einem Urteil von 5. Juni 1997 entschieden hat, dass die Bezeichnung von
"Cambozola" keine unzulässige Anspielung auf "Gorgonzola" darstellt. "Gorgonzola" ist seit
11
Artikel 13 der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92.
10
1996 eine auf Gemeinschaftsebene geschützte Ursprungsbezeichnung. Der EuGH hingegen
betont in seinem Urteil Ende 1999 zu diesem Fall, dass eine Anspielung auf eine geschützte
Bezeichnung auch dann vorliegen kann, wenn keinerlei Gefahr der Verwechslung zwischen
den betroffenen Erzeugnissen besteht. Nach Ansicht des EuGH stellt "Cambozola" wegen der
phonetischen Ähnlichkeit eine Anspielung auf eine geschützte Bezeichnung vor. Eine Angabe
des wahren Ursprungs des Erzeugnisses auf der Verpackung oder auf andere Art und Weise
wird demgegenüber als unerheblich angesehen.
Was halten die Verbraucherinnen und Verbraucher von regionalen Herkunfts- und
Qualitätszeichen?
Von den europäischen Verbraucherinnen und Verbrauchern wird die Herkunft eines
Nahrungsmittels als ein bestimmender Faktor der Kaufentscheidung angesehen. Eine Reihe
von Verbraucherbefragungen kommen zu dem Ergebnis, dass das Ursprungsland12 bzw. die
Ursprungsregion13 einer der wichtigsten Faktoren für die Kaufentscheidung der Verbraucher
ist. Dies gilt nicht nur für die Verbraucher in Deutschland14, sondern auch für die Verbraucher
in den anderen Mitgliedstaaten der Europäisches Union15.
Die Bedeutung der regionalen bzw. nationalen Herkunft eines Nahrungsmittels für den
Verbraucher ist auf eine Reihe von Ursachen zurückzuführen:
In einer Welt der Internationalisierung und Globalisierung verliert die Region an Bedeutung.
Informationsaustausch findet länderübergreifend statt. Waren und Dienstleistungen werden
international gehandelt. Unternehmen agieren global. Zumindest mit den Urlaubsreisen
dokumentieren die europäischen Verbraucher, insbesondere die Bundesbürger, auch eine
weltweite Orientierung. Während früher der Horizont mit der jeweiligen Region endete, reicht
12
Einen umfassenden Überblick über die Bedeutung des Ursprungslandes für das internationale Marketing
geben die verschiedenen Beiträge in Papadopoulos und Heslop (1993).
13
Einen Überblick über die Bedeutung der Ursprungsregion bzw. des Ursprungslands für Lebensmittel geben
verschiedene Beiträge zu dem AIR-CAT Workshop "Consumer Preferences for Products of the Own
Region/Country and Consequences for the Food Marketing, 23.-26- April 1998, Kiel, Deutschland, sowie zu
dem AIR-CAT-Workshop "Consumer Attitudes Towards Typical Products", 22. Oktober 1998, Dijon,
Frankreich.
14
Wirthgen et. al. (1999), Welzel (1998), Hensche et. al. (1993), Hauser (1993), Wolffram (1997), v.
Alvensleben und Schrader (1999), Frohn (1996), Hamm et. al. (1996).
15
Glitsch (1999), Trognon et. al (1999).
11
er heutzutage über das jeweilige Land hinaus. Diese Globalisierung wird begleitet von
Versuchen, Überkommenes zu erhalten und zu bewahren, welches dem Globalisierungprozess
zum Opfer zu fallen droht. Eine Rückbesinnung auf die Region findet statt.
Lebensmittel aus der eigenen Region oder dem eigenen Land genießen in der Regel einen
Vertrauensvorschuss. Diese werden als sicherer als importierte Produkte wahrgenommen,
weil den Konsumenten mehr Informationen zur Verfügung stehen, um Zweifel an der Qualität
und Sicherheit des Lebensmittels auszuräumen. Auch die subjektiv wahrgenommenen
Kontrollmöglichkeiten sind größer bei regional erzeugten Produkten.
Dieser Vertrauensbeweis in regionale Produkte setzt sich zumeist nur dann in eine höhere
Zahlungsbereitschaft um, wenn aktuelle Skandale Zweifel an der Sicherheit der Lebensmittel
aufkommen lassen.
Bei der geographischen Herkunftsangabe handelt es sich um einen Begriff, der für den
Verbraucher geläufig ist, im Gegensatz zu manchen Angaben des Zutatenverzeichnis. Es ist
kein Expertenwissen notwendig, um zu verstehen, was mit Fleisch deutscher Herkunft",
"Gemüse aus Holland", "Französischer Käse", oder "Spanisches Olivenöl" gemeint ist.16
Die herausragende Bedeutung der Herkunft als Qualitätssignal wird dem Verbraucher durch
die Herausstellung der Herkunft als Verkaufsargument beim Einkauf, in der Werbung und
durch die Presse vermittelt.
Die Skandale im Lebensmittelbereich tragen weiteres dazu bei, um diese Verbindung
zwischen Herkunft und Qualität in der Wahrnehmung der Verbraucher zu verstärken. Mit
jedem Lebensmittelskandal, der vor allem Produkte einer Region bzw. eines Landes betrifft
(Österreichischer Wein, Spanisches Olivenöl, Britisches Rindfleisch, Belgische Hühnereier
etc.), wird die Bedeutung der Herkunft herausgestellt und damit die Bedeutung dieses
Qualitätssignals in der Wahrnehmung der Verbraucher verstärkt.
Verstärkt wird die Bedeutung der Herkunft als Qualitätssignal noch dadurch, dass bei
Lebensmitteln, insbesondere wenn diese auch unverpackt (wie frisches Fleisch) angeboten
werden, den Verbrauchern nur sehr wenige (andere) Qualitätssignale zur Produktbewertung
zur Verfügung stehen. Bei verpackten Lebensmitteln hingegen lassen sich mit der
16
Exakt zu definieren, was z. B. mit "Fleisch deutscher Herkunft" genau gemeint ist, ist hingegen sehr viel
schwieriger, da Tiere in einem Land geboren und aufgezogen, in einem anderen Land gemästet und in einem
dritten Land geschlachtet werden können.
12
Verpackung auch andere Qualitätssignale, die dem Informationsbedürfnis der Verbraucher
eher gerecht werden, transportieren.
Wenn nur wenige Qualitätssignale vorhanden sind und auf der anderen Seite ein großes
Bedürfnis der Verbraucher an einer Bewertung der Produkte besteht, kann es zu einer
subjektiven Überinterpretation von Qualitätssignalen kommen. Das Herkunftsland bzw. die
Herkunftsregion ist nicht nur ein Kondensat bzw. ein "Summary Construct", sondern kann
auch ein Surrogat und damit möglicherweise ein "Halo"17 oder gar ein "Potemkinsches Dorf"
sein.
Welche Probleme bergen das gemeinschaftsrechtliche Schutzsystem und das regionale
Marketing für Herkunfts- und Qualitätszeichen in sich?
Die inhaltliche Bedeutung von geographischen Herkunftsbezeichnungen ist über ein breites
Spektrum gestreut. Es können objektivierbare Zusammenhänge zwischen geographischem
Ursprung und Produktbeschaffenheit vorhanden sein. Im anderen Extrem kann dieser
Zusammenhang überhaupt nicht gegeben, erst recht nicht nachweisbar sein und allenfalls in
der Vorstellung der Verbraucher existieren.
Das Spektrum reicht von der qualifizierten geographischen Herkunftsangabe in Form der
geschützten Ursprungsbezeichnung (g.U.), z.B. Allgäuer Bergkäse oder der geschützten
geographische Angabe (g.g.A.), z.B. Schwarzwälder Schinken, über die individualisierte
geographische Herkunftsangabe, z.B. Warsteiner, die einfache Herkunftsangabe, z.B. Fleisch
aus
Baden-Württemberg,
bis
zu
der
geographischen
Herkunftsangabe
als
Phantasiebezeichnung, z.B. "Ford Capri" oder auch "Capri" als Bezeichnung für ein
Fruchtsaftgetränk.
Insbesondere
die
Abgrenzung
der
geographischen
Herkunftsangabe
von
der
Gattungsbezeichnung fällt sehr schwer. Dies zeigt das Beispiel "Feta" oder auch "Pilsener",
"Aachener Printen" oder "Lübecker Marzipan" Hier ist die Herstellung nicht an einen Ort
gebunden, entstammt herkömmlich aber einer gewissen Tradition eines engeren oder weiteren
geographischen Bezirks.
Der im Gemeinschaftsrecht gewählte Ansatz zum Schutz der qualifizierten geographischen
Herkunftsbezeichnung zeichnet sich durch mehrere Probleme aus:
17
Vgl. Han (1989).
13
1. Die sehr differenzierte Grenzziehung zwischen geographischer Ursprungsbezeichnung
und geographischer Angabe dürfte auch für überdurchschnittlich gut informierte
europäischen Verbraucherinnen und Verbraucher schwer nachvollziehbar sein. Dies dürfte
sogar für den Fall gelten, wenn diejenigen Produkte, die als geschützt eingetragen sind,
das Logo des jeweiligen Schutzsystems auch tatsächlich auf dem Produkt oder in der
Kommunikationspolitik im allgemeinen verwenden würden. Dies geschieht bisher so gut
wie gar nicht und zeigt die mangelnde Orientierung des Schutzsystems an den
Bedürfnissen der Verbraucherinnen und Verbraucher nur zu deutlich.
2. Eine
Reihe
von
geographischen
Herkunftsbezeichnungen
sind
mittlerweile
Gattungsbezeichnungen geworden. Dieser dynamische Entwicklungsprozess ist nach einer
Eintragung als geschützte Herkunftsangabe nach Gemeinschaftsrecht nicht mehr möglich.
3. Selbst wenn in einigen Ländern aus der geographischen Herkunftsbezeichnung
mittlerweile eine Gattungsbezeichnung geworden ist, so braucht dies nicht für alle Länder
der EU der Fall zu sein zu sein. Die EU-Kommission hat beispielsweise die
Käsebezeichnungen "Brie", "Camembert", Cheddar", "Edamer", "Emmentaler" und
"Gouda" (nicht aber "Appenzeller" oder "Gruyere") als mittlerweile degenerierte, nicht
mehr ortsbezogene Beschaffenheitsangaben qualifiziert.18 "Feta" wurde 1996 als
geschützte geographische Ursprungsbezeichnung eingetragen. Erst in einem Urteil des
EuGH von 1999 wurde diese Eintragung für nichtig erklärt, da bei der Eintragung der
Bezeichnung nicht das Vorhandensein von Erzeugnissen berücksichtigt wurde, die in
anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig vermarktet werden.
4. Verbraucherinnen und Verbraucher haben Interesse an der regionalen Herkunft aus einer
Reihe von Gründen, wobei die spezifisch regionale Produktqualität, falls diese überhaupt
gegeben ist, nur ein Beweggrund für den Kauf regionaler Produkte sein dürfte. Andere
Gründe können kurze Transportwege, Unterstützung der regionalen Wirtschaft, bessere
Kontrolle des Risikos, größeres Vertrauen etc. sein. Der gemeinschaftsrechtliche Ansatz
des Schutzes der qualifizierten Herkunftsangabe schließt ausdrücklich die einfache
Herkunftsangabe aus. Damit wird nicht dem Interesse der Verbraucherinnen und
Verbraucher entsprochen.
18
Vgl. hierzu ausführlich Harte-Bavendamm (1996).
14
5. Die Beurteilung darüber, ob ein Zusammenhang zwischen Qualität und Herkunft im Sinne
der Verordnung (EWG) 2081/92 besteht, dürfte oft sehr willkürlich sein. Beispielsweise
ist North Hollandse Gouda, als geschützte Ursprungsbezeichnung eingetragen,
unterscheidet sich jedoch nicht wesentlich von dem Gouda anderer Herkunft.19
6. Mit dem gemeinschaftsrechtlichen Schutzsystem werden diejenigen Unternehmen
diskriminiert, die dieselbe Produktqualität erzeugen könnten, wie die regional ansässigen
Unternehmen. Diese nicht in der Region ansässigen Unternehmen ist der Gebrauch des
geschützten Namens untersagt, selbst wenn der Verbraucher nicht über die wahre
Herkunft getäuscht wird.
7. Wenn einige Unternehmen sich zu einem Konsortium zusammengefunden haben, die
Produktqualität definiert und beschrieben haben und eine Eintragung erlangt haben, ist
jedem anderen Unternehmen in der Region, welches ein Lebensmittel anderer Qualität
produziert, der Gebrauch der geschützten geographischen Bezeichnung untersagt und jede
Anlehnung verboten, selbst wenn eine Irreführung der Verbraucher ausgeschlossen wird.
Gleichermaßen besteht auch die Gefahr der Diskriminierung von konkurrierenden
landwirtschaftlichen Erzeugern.
8. Eine andere Begründung als eine regionalpolitische oder strukturpolitische Begründung,
welche auch in der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 explizit als Begründung aufgeführt
wird, dürfte schwer fallen. Regional bzw. Strukturpolitik sollte mit regional- bzw.
strukturpolitischen Maßnahmen umgesetzt werden, jedoch nicht durch das Markenrecht.
9. Durch die Verbindung des Schutzes der geographischen Herkunft mit nur einer genau
bestimmten Produktqualität wird die geographische Herkunftsbezeichnung unzulässig
monopolisiert. Dies könnte nur aus marktstrukturpolitischen Gründen gerechtfertigt
werden, erscheint aber selbst dann sehr problematisch.
10. Durch den weitreichenden Schutz auch gegen jede Form der Anlehnung, auch wenn diese
nicht die Gefahr der Irreführung der Verbraucher oder der Rufausbeutung in sich trägt,
wird neben dem "Qualitätsmonopol" noch ein "Begriffsmonopol" errichtet.
Schlussfolgerungen
Es ist die Rolle des Staates bzw. des Gesetzgebers, die Produktkennzeichnung und
Werbebehauptungen zu kontrollieren. Insbesondere ist der Verbraucher vor Irreführung zu
19
Vgl. Barjolle und Sylvander (1999)
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schützen. Das Problem asymmetrischer Information gepaart mit opportunistischem Verhalten
auf der Anbieterseite reicht bei Angaben, die von den Verbrauchern nicht überprüft werden
können -sogenannten Vertrauenseigenschaften- aus, um die Kontrolle durch eine dritte Partei
ökonomisch zu begründen. Das Marktergebnis kann durch eine Überwachung des
Wahrheitsgehalts von Aussagen über Vertrauenseigenschaften durch eine dritte Partei
verbessert werden. Diese dritte Partei ihrerseits muss von einer unabhängigen Stelle
kontrolliert werden, um ein "Gefangennehmen" der dritten Partei oder eine "Kartellbildung"
zwischen Kontrolliertem und Kontrolleur vorzubeugen. Diese Rolle nimmt geeigneterweise
der Staat ein.
Angesichts der Bedeutung des Herkunftsarguments für die Verbraucher ist es nicht weiter
erstaunlich, dass das private Marketing und die staatliche Verkaufsförderung an einer
Herausstellung der Herkunft interessiert sind, weil dieses dem Bedürfnis der Verbraucher
entgegenkommt. Auf der anderen Seite besteht insbesondere bei geographischen
Herkunftsangaben die Gefahr der Irreführung des Verbrauchers, insbesondere wenn im
Marketing oder in der staatlichen Absatzförderung ein Zusammenhang zwischen Herkunft
und Qualität herausgestellt wird, ohne das ein solcher Zusammenhang tatsächlich gegeben ist.
Der Staat sollte dafür sorgen, dass sich die Verbraucher auf die Wahrhaftigkeit einer
Produktangabe, wie die geographische Herkunft, verlassen kann. Jeder darüber hinaus
gehende Schutz der geographischen Herkunftsangabe erscheint überflüssig, wenn nicht sogar
sehr
problematisch.
Die
Vermischung
von
Herkunft
und
Qualität,
sowohl
im
Gemeinschaftsrecht, als auch in der Praxis des regionalen Marketings, trägt die Möglichkeit
der Irreführung des Verbrauchers in sich.
Der gemeinschaftliche Schutz nach Verordnung 2081/92 reicht weit über den Schutz der
Verbraucher
vor
Irreführung
hinaus.
Hier
wird
auf
Gemeinschaftsebene
von
gesetzgeberischer Seite eine Möglichkeit zur Ausschöpfung von Subventionen und
Monopolrenten gegeben, die sich nicht rechtfertigen lassen.
Sowohl aus verbraucherpolitischen, als auch aus regional- und strukturpolitischen
Erwägungen erscheint der Schutz der einfachen Herkunftsangabe und der Herkunftsangabe
mit einem bestimmten Ruf gegen Irreführung der Verbraucher ausreichend und sachgerechter
als der Ansatz des ausschließlichen Schutzes der qualifizierten Herkunftsangabe.
Sowohl
im
regionalen
Marketing
als
auch
in
einem
neu
zu
schaffenden
gemeinschaftsrechtlichen Rahmen sollte jede Verquickung von Herkunft und Qualität
vermieden werden.
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