Gibt es für regionale Herkunfts- und Qualitätszeichen noch eine Zukunft? Prof. Dr. Tilman Becker Institut für Agrarpolitik und Landwirtschaftliche Marktlehre Universität Hohenheim 22. März 2000 veröffentlicht in: Ministerium ländlicher Raum (Hrsg.): Landinfo Nr. 3/2000, S. 29 - 36. 1 Was sind regionale Herkunfts- und Qualitätszeichen? Wesentliches Kennzeichen des regionalen Marketings in Deutschland ist die Herausstellung der Herkunft im Zusammenhang mit Qualität: "Herkunft und Qualität aus BadenWürttemberg", "Qualität aus Bayern", "Gutes aus Hessen" oder auch "Original Thüringer Qualität", um nur einige Beispiele zu nennen. Einen Zusammenhang zwischen Herkunft und Qualität wird auch im nationalen Marketing betont. Das Gütezeichen der Centralen Marketinggesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft (CMA) lautet "Markenqualität aus deutschen Landen". Solche Produkte, bei denen sich irgendeine Eigenschaft aus dem geographischen Ursprung ergibt, können bei der Kommission der Europäischen Union ihren geographischen Ursprungsnamen schützen lassen und erhalten damit ein Exklusivitätsrecht in der Nutzung. Der gemeinschaftsrechtliche Schutz richtet sich auf eine lokale bzw. regionale Herkunft in einem Mitgliedsland der Europäischen Union und erstreckt sich auf alle Mitgliedsländer. Darüber hinaus darf das Logo des jeweiligen Schutzsystems verwendet werden. Unter regionalen Herkunfts- und Qualitätszeichen sollen sowohl die Herkunfts- und Qualitätszeichen der deutschen Bundesstaaten, das Gütezeichen der CMA als auch die auf Ebene der Europäischen Union eingetragenen lokalen bzw. regionalen Herkunfts- und Qualitätszeichen verstanden werden. Wer vergibt die regionalen Herkunfts- und Qualitätszeichen? Durchführungsorganisationen des staatlichen regionalen Marketings in Deutschland sind die Marketingorganisationen der einzelnen Bundesländer. Das regionale Marketing kann durch einen Verein (Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Brandenburg und Sachsen), durch die Landwirtschaftskammer (Schleswig-Holstein, Saarland und Rheinland-Pfalz), durch eine Marketinggesellschaft (Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, SachsenAnhalt) oder durch das Landwirtschaftsministerium direkt (Bayern, Thüringen) wahrgenommen werden. Diese Träger vergeben das jeweilige regionale Herkunfts- und Qualitätszeichen und versuchen, durch Werbung und Verkaufsförderung den Bekanntheitsgrad, die Akzeptanz und den Absatzerfolg zu erhöhen. Das nationale Herkunfts- und Qualitätszeichen wird von der Centralen Marketinggesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft (CMA) vergeben. Die CMA ist Eigentümerin des Gütezeichens, legt das Qualitätsniveau fest und macht Werbung und Verkaufsförderung für dies nationalen Herkunfts- und Qualitätszeichens. Die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft 2 (DLG) erarbeitet die Qualitätsnormen und die Prüfungsmethoden, darüber hinaus bildet sie die Prüfer aus und fort. Zu den jährlichen DLG-Qualitätsprüfungen müssen alle Produkte vorgestellt werden, die das Herkunfts- und Qualitätszeichen der CMA erwerben oder weiterhin tragen wollen. Das europäische Gütezeichen, welches dann verwendet werden darf, wenn ein Produkt eingetragen ist und den besonderen gesetzlichen Schutz genießt, wird von der Kommission der Europäischen Union vergeben. Welche finanzielle Unterstützung erhalten regionale Herkunfts- und Qualitätszeichen? Nach vorsichtigen Schätzungen dürften die Ausgaben für das regionale Marketing durch die Bundesländer insgesamt etwa 20-25 Mio. DM pro Jahr betragen.1 Hinzu kommen die Ausgaben im Rahmen des zentral-regionalen Marketings der CMA in der Höhe von rund 45 Mio. DM, wobei die CMA ein Drittel, die regionalen Marketingorganisationen ein weiteres Drittel und die Wirtschaftspartner das letzte Drittel übernehmen. Aus der Sicht der Europäischen Gemeinschaft handelt es sich bei der CMA ebenfalls um eine regionale Marketingorganisation. Diese finanziert sich durch parafiskalische Abgaben auf landwirtschaftliche Produkte. Bei dem Verkauf landwirtschaftlicher Produkte werden an den jeweiligen "Flaschenhälsen", d.h. in der Regel bei dem Verkauf an die verarbeitende Industrie, produktspezifische Abgaben erhoben. Der Haushalt der CMA betrug 1998 etwa 160 Mio. DM. Hiervon wurden 50 Mio. DM für Werbung ausgegeben. Diese wurde zu 88,2% aus den parafiskalischen Abgaben, zu 8,2% aus Zuschüssen der EU und aus Eigenmitteln finanziert. In der staatlich unterstützten Werbung und Verkaufsförderung liegt eine Herausstellung der Herkunft wie selbstverständlich im Interesse der finanzierenden Institution: bei der Finanzierung durch den Landeshaushalt die Herkunft aus dem jeweiligen Bundesland, bei der Finanzierung durch die CMA die nationale Herkunft. Wie selbstverständlich wird die Herkunft mit einem Qualitätsargument verbunden. Es ist hier die Frage zu stellen, ob ein regionales oder nationales Marketing in der gegenwärtigen Form ohne die finanzielle Unterstützung mit fiskalischen oder parafiskalischen Abgaben überhaupt eine Bedeutung hätte. Private Unternehmen dürften nur dann, wenn sie in 1 Vgl. hierzu ausführlich Becker und Benner (2000). 3 irgendeiner Weise ein Gebietsmonopol besitzen, an einer werblichen Herausstellung der geographischen Herkunft ein Interesse haben. Wem stehen die regionalen Herkunfts- und Qualitätszeichen offen? Ein nationales bzw. regionales Herkunfts- und Qualitätszeichen für Lebensmittel kann als eine Form einer Kollektivmarke angesehen werden. Wenn die jeweiligen Qualitätsanforderungen erfüllt werden, steht das Herkunfts- und Qualitätszeichen des jeweiligen Bundeslandes allen Produzenten in dieser Region offen. Dies gilt gleichermaßen für die gemeinschaftsrechtlich geschützten Herkunfts- und Qualitätszeichen als auch für das Zeichen der CMA. Die Qualität wird jeweils von den Stellen, die das Zeichen vergeben, festgelegt, bzw. bei den gemeinschaftsrechtlich geschützten Zeichen anerkannt. Da es sich hierbei um Kollektivmarken handelt, bei denen sich das Kollektiv geographisch definiert, steht es in der Natur der Sache, das die lokale, regionale bzw. nationale Herkunft auch in der Werbung und Produktkennzeichnung herausgestellt wird. Diese Herkunfts- und Qualitätszeichen für Lebensmittel können von den Zeichennutzern als Zeichen bzw. Markierung auf der Verpackung des Produktes angebracht werden oder auch auf andere Art werblich herausgestellt werden. Wie unterscheidet sich die einfache Herkunftsangabe von einer qualifizierten Herkunftsangabe? Kollektivmarken für Lebensmittel, die sich aufgrund der geographischen Herkunft definieren, sind sowohl gemeinschaftsrechtlich aber auch einzelstaatlich geschützt. Bei der qualifizierten Herkunftsangabe muss ein nachweisbarer Zusammenhang zwischen Herkunft und Qualität gegeben sein. Bei der einfachen Herkunftsangabe ist ein solcher Zusammenhang nicht gegeben. Im gemeinschaftlichen Herkunftsangabe als Lebensmittelrecht geschützte ist nur geographische die qualifizierte Angabe (g.g.A.) geographischen und geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.) geschützt. Die einfache Herkunftsangabe hingegen nicht. Aufgrund der Verordnung (EWG) 2081/92 der Europäischen Union genießt die herkunftsbezogene Bezeichnung eines Agrarerzeugnisses oder eines Lebensmittels als geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.) den Schutz der Gemeinschaft, wenn 4 • es seine Güte oder Eigenschaften überwiegend oder ausschließlich den geographischen Verhältnissen einschließlich seiner natürlichen und menschlichen Einflüssen verdankt und wenn • es in dem begrenzten geographischen Gebiet erzeugt, verarbeitet und hergestellt wird. Hiervon unterscheidet sich nach Verordnung (EWG) 2081/92 die geschützte geographische Angabe (g.g.A.). Auch hier kann der Name einer Gegend, eines bestimmten Ortes oder in Ausnahmefällen eines Landes zur Bezeichnung eines Agrarerzeugnisses oder eines Lebensmittels dienen, das aus dieser Gegend, diesem Ort oder diesem Land stammt wenn • sich eine bestimmte Qualität, das Ansehen oder eine andere Eigenschaft aus diesem geographischen Ursprung ergibt und wenn • es in dem begrenzten geographischen Gebiet erzeugt und/oder verarbeitet und/oder hergestellt wird.2 Die einfache Herkunftsangabe wird ausdrücklich vom Schutz ausgenommen. Diesem Rechtsgrundsatz widerspricht das deutsche Recht. Im deutschen Rechtssystem wird sowohl die einfache als auch die qualifizierte Herkunftsangabe als schützenswert betrachtet. Geographische Herkunftsangaben als Bezeichnung bzw. Zeichen können im deutschen Recht geschützt werden, sobald die so bezeichneten Erzeugnisse aus dem Ort, der Gegend, dem Gebiet oder dem Land stammen, das durch diese Angabe bezeichnet wird. Eine besondere Qualität muss nicht notwendigerweise mit der Herkunft verbunden sein. Darüber hinaus erhalten auch qualifizierte Herkunftsangaben einen besonderen Schutz. Eine qualifizierte Herkunftsangabe liegt nach deutschem Recht dann vor, wenn • die geographische Herkunftsangabe einen besonderen Ruf genießt. Ganz erheblich ist der Unterschied in der Definition der qualifizierten Herkunftsangabe im deutschen und im gemeinschaftlichen Recht. Im deutschen Recht entscheidet der Ruf, im gemeinschaftlichen Recht die spezifische Produktqualität aufgrund der geographischen 2 Vgl. zu einem kurzen Überblick Buchholz (1997) oder ausführlich "Regionale Herkunftsbezeichnungen und besondere Produktionsmerkmale". In Agrar-Europe vom 2. Juni 1997. 5 Herkunft darüber, ob es sich um eine besonders schützenswerte Herkunftsangabe handelt oder nicht. Die Zulässigkeit der einfachen Herkunftsangaben in Verbindung mit der Herausstellung des Zusammenhangs zwischen geographischer Herkunft und Qualität wird durch das Lebensmittelrecht der Europäischen Union, welches prinzipiell nationales Recht dominiert, in Frage gestellt. Aus Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Verwendung der Marke "Warsteiner" geht hervor, dass bei geographische Herkunftsbezeichnungen in der Verwendung als Marken eine Herstellung in dem Gebiet, welches die geographische Herkunft bezeichnet, nicht unbedingt Voraussetzung ist.3 Damit steht das deutsche Recht auch mit dem territorialen Ausschließlichkeitsprinzip der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 in Konflikt. Nach Ansicht des BGH ist offen, ob der Schutz von geographischen Herkunftsangaben unter europäisches Recht oder nationales Recht fällt. Sollte der Schutz von geographischen Herkunftsbezeichnungen allein nach der EU-Verordnung bestimmt werden, müsste laut BGH, der im Streitfall Herkunftsangabe vorgebrachte, nach dem weiterreichende neuen deutschen nationale Schutz Markenrecht an der einfachen höherrangigem Gemeinschaftsrecht scheitern. Diese Auffassung hatte laut Bundesgerichtshof die Europäische Kommission 1995 in einem Schreiben an die Bundesregierung vertreten. Der Bundesgerichtshof hat den Fall jetzt an den Europäischen Gerichtshof weitergeleitet, der die Frage der Zuständigkeit klären soll.4 In dem deutschen Markengesetz bildet der Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen gemäß der Verordnung (EWG) 2081/92 einen eigenen Abschnitt und ist damit, wenn auch nicht inhaltlich abgestimmt mit anderen Teilen des Markengesetz und des Wettbewerbsrecht, so jedoch zumindest im Text des Markengesetz integriert. Einen mittelbaren Schutz erhält die geographische Herkunftsangabe im deutschen Rechtssystem gleichermaßen wie im Rechtssystem der Europäischen Union durch das generelle Verbot der Irreführung der Verbraucher. 3 Vgl. "Auch einfache geographische Herkunftsbezeichnungen sind geschützt". In Agra-Europe vom 6. Juli 1998. 4 Vgl. "Auch einfache geographische Herkunftsbezeichnungen sind geschützt". In Agra-Europe vom 6. Juli 1998. 6 Sind Herkunfts- und Qualitätszeichen qualifizierte Herkunftsangaben? Nach gemeinschaftlichem Recht sind alle Herkunfts- und Qualitätszeichen keine qualifizierten Herkunftsangaben, solange diese nicht als g.g.A oder g.U. eingetragen sind. Nach deutschem Recht werden die Herkunfts- und Qualitätszeichen der Bundesländer und der CMA als Gütezeichen angesehen, die als solche schützenswert sind. Welche Auswirkungen hat der Konflikt zwischen gemeinschaftlichem Lebensmittelrecht und deutschem Markenrecht? Dieser Konflikt zwischen dem Rechtssystem der Europäischen Gemeinschaft und der Bundesrepublik Deutschland ist erneut anhand eines Entwurfs der Leitlinien zur staatlichen Absatzförderung entbrannt. In diesem Entwurf wird eine staatliche Beihilfe zu solchen Absatzförderungsmaßnahmen, die einen Zusammenhang zwischen Herkunft und Qualität herstellen, verboten. Ausgenommen hiervon sind staatliche Absatzförderungsbeihilfen bei Produkten, die nach Gemeinschaftsrecht als geographischen Herkunftsangabe eingetragen sind. Die Herausstellung eines Zusammenhangs zwischen Herkunft und Qualität in der staatlichen Absatzförderung ist nach Ansicht der Europäischen Kommission nur für die auf Gemeinschaftsebene geschützten qualifizierten geographischen Herkunftsbezeichnungen zulässig. Wenn ein solcher Zusammenhang bei einfachen Herkunftsangabe hingegen werblich herausgestellt wird, wie bei den deutschen Herkunfts- und Gütezeichen, so besteht die zu widerlegende Vermutung, das es sich um eine Irreführung der Verbraucher handelt. Die Kommission ist aufgrund des EG-Vertrags ermächtigt, die Zulässigkeit staatlicher Beihilfen zu überprüfen. Der Entwurf der Kommission kann eigenmächtig von der Kommission in Verwaltungspraxis überführt werden, ohne dass eine Zustimmung der Mitgliedsländer eingeholt werden muss. Über den im April 1999 von der Kommission vorgelegte Entwurf der Gemeinschaftsleitlinien für die staatliche Förderung des Absatzes von Agrarprodukten ist jedoch bisher noch nicht entschieden worden. Wie ein Kommissionssprecher Ende November 1999 hierzu mitteilte, werden die Konsultationen mit den Mitgliedstaaten über die neuen Gemeinschaftsleitlinien fortgeführt. Eine Entscheidung darüber soll im Frühjahr 2000 fallen.5 Die Kommission hat die CMA wegen der Herausstellung des Zusammenhangs von Herkunft und Qualität bei dem 5 Vgl. hierzu "Neuer Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen im Agrarsektor". In Agra-Europe vom 29. November 1999. 7 CMA-Gütezeichen vor dem EuGH verklagt. Die Kommission stützt sich bei ihrer Klage auf die alte Leitlinie von 1987, nach der die Qualität nicht mit der Herkunft begründet werden darf.6 Welche Bedeutung haben die nach Gemeinschaftsrecht geschützte Herkunftsangaben und die nationalen Herkunfts- und Qualitätszeichen? In einer Studie7 wurden in der Europäischen Union insgesamt 1861 Kollektivmarken gezählt, wobei ca. 60% auf gemeinschaftsrechtlich geschützte Herkunfts- und Qualitätszeichen (g.g.A., g.U. und traditionelle Spezialität) und ca. 30% auf national geschützte Herkunfts- und Qualitätszeichen entfielen. Den Rest bilden Kollektivmarken von Erzeugergemeinschaften und für organisch produzierte Lebensmittel. Die meisten Kollektivmarken sind bei Wein zu finden (54%), gefolgt von Fleisch (16%), Milch, Milchprodukte und Honig (12%) sowie Gemüse (4%), Obst (4%), Olivenöl (3%) und Fleischwaren (3%). Nach Harte-Bavendamm (1996) sind der Kommission von den Mitgliedstaaten rund 1400 Bezeichnungen als schützenswert im Rahmen der Verordnung (EWG) 2081/92 mitgeteilt worden. Hiervon stammen etwa 900 aus Deutschland. Unter den ersten 343 für die Registrierung vorgesehenen Angaben finden sich dagegen nur rund 20 deutsche Bezeichnungen, und zwar für Mineralwässer. In 1996 wurden zwei weitere deutsche Bezeichnungen, nämlich "Nürnberger Lebkuchen und "Lübecker Marzipan"8, in das Gemeinschaftsregister der geschützten geographischen Bezeichnungen aufgenommen. Mittlerweile sind 58 deutsche Produkte anerkannt und registriert. Insgesamt sind nach Angaben der Kommission 500 Produkte registriert. Aus Tabelle 1 wird deutlich, dass Produkte aus Frankreich und Italien am häufigsten registriert sind, gefolgt von portugiesischen und griechischen. Mit etwas Abstand folgen Deutschland und Spanien, sowie das Vereinigte Königreich und Österreich. In Belgien, Niederlande und Luxemburg gibt es kaum registrierte Produkte und noch weniger Bedeutung hat die Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 für die skandinavischen Länder und Irland. 6 Vgl. hierzu "Regionale Siegel aus der Schusslinie". In Ernährungsdienst vom 4.12.1999. 7 Vgl. Peri und Gaeta (1999). 8 Vgl. Meyer (1997), S. 91. 8 Dies ist auf unterschiedliche Rechtssysteme in den Mitgliedsländern zurückzuführen.9 Geographische Herkunftsangaben werden in den herkömmlichen französischen, italienischen und portugiesischen Rechtssystemen durch administrative Überwachung und Registrierung erfasst, definiert und geschützt, und zwar sowohl gegen irreführende Verwendung als auch gegen Rufausbeutung und dem Abgleiten auf die Ebene des Gattungsbegriffs.10 Diesen Ansatz hat sich die Europäische Union mit der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 zu eigen gemacht. Tabelle 1: Anzahl der nach VO 2081/92 geschützten geographischen Herkunftsbezeichnungen Mitgliedstaat Frankreich Anzahl der Produkte Mitgliedstaat Anzahl der Produkte 103 Luxemburg 4 Italien 98 Niederlande 4 Portugal 76 Belgien 3 Griechenland 75 Dänemark 3 Deutschland 58 Finnland 1 Spanien 40 Schweden 1 Vereinigtes Königreich 23 Irland - Österreich 11 Quelle: Eigene Zusammenstellung nach Angaben der EU Kommission (http://europe.eu.int/comm/dg06/qual, 19.11.1999) Für Deutschland sind fast ausschließlich Bier (11) und Mineralwässer (31) registriert. Frankreich hat vor allem in den Bereichen Käse (37) und Frischfleisch (45) relativ viele Registrierungen. Italien zeichnet sich durch viele registrierte Produkte in den Kategorien Käse (30), Fleischprodukte (22), Öle und Fette (20) sowie Obst, Gemüse und Getreide (23) aus. Portugal weist eine Reihe von Produkten in den Bereichen Fleischprodukte (14), Frischfleisch (19), Käse (11) und Obst, Gemüse und Getreide (17) vor. Griechenland ist führend in den Kategorien Öle und Fette (22) sowie Tafeloliven (10), jedoch auch eine Reihe von Käseprodukten (19) sind für Griechenland registriert. 9 Hier lässt sich zu Recht die Frage stellen, ob die Rechtsysteme nicht ihrerseits wieder die Wirkung von tieferliegenden Ursachen sind. Diese mehr philosophische Frage soll hier nicht weiter diskutiert werden. 10 Vgl. Harte-Bavendamm (1996), S. 718. 9 Wie sind Herkunfts- und Qualitätszeichen geschützt? Ziel der Verordnung (EWG) 2081/92 ist ein gemeinschaftsrechtlicher Schutz von g.g.A und g.U. vor allem gegen anlehnende Benutzung sowie gegen herkunftsbezogene, irreführende Angaben und Praktiken.11 Insbesondere ist jede widerrechtliche Aneignung, Nachahmung oder Anspielung verboten, selbst wenn der wahre Ursprung des Erzeugnisses angegeben ist oder wenn die geschützte Bezeichnung in Übersetzungen oder zusammen mit Ausdrücken wie "Art", "Typ", "Verfahren", "Fasson", "Nachahmung" oder dergleichen verwendet wird. Dieses Verbot geht weit über den notwendigen Schutz des Verbrauchers vor Irreführung hinaus. Hintergrund dieser Verordnung ist die Förderung von Erzeugnissen mit bestimmten Merkmalen, die vor allem in den benachteiligten oder abgelegenen Gebieten von großem Vorteil für die ländliche Entwicklung sein kann. Darüber hinaus soll hiermit dem Interesse der Verbraucher nach Erzeugnissen mit besonderem Merkmalen, insbesondere nach Lebensmitteln mit bestimmbarer geographischer Herkunft, Rechnung getragen werden. Damit eine geographische Herkunftsangabe den Schutz des Gemeinschaftsrechts genießen kann, wird diese in das Verzeichnis der geschützten Ursprungsbezeichnungen und der geschützten geographischen Angaben eingetragen. Alle anderen geographischen Angaben oder Ursprungsbezeichnungen, wenn diese den Eindruck vermitteln, dass sich aus der geographischen Angabe oder der Ursprungsbezeichnung eine besondere Qualität herleitet, sind nach Ansicht der Kommission als Irreführung der Verbraucher anzusehen. Hierunter fallen auch die nationalen und regionalen Herkunfts- und Qualitätszeichen. In Deutschland hingegen ist die Verkehrsauffassung maßgebend. Geographische Herkunftsangaben dürfen nur dann nicht verwendet werden, wenn sie den Verbraucher täuschen. Es muss eine Irreführung des Verbrauchers vorliegen. Ein entlokalisierender Zusatz kann geeignet sein, eine mögliche Irreführung zu verhindern. Dies ist im Einzelfall durch die Rechtsprechung zu überprüfen. Diese unterschiedliche Auffassung über die Grenzen des gesetzlichen Schutzes bei qualifizierten geographischen Herkunfts- und Qualitätszeichen tritt besonders deutlich in der unterschiedlichen nationalen und gemeinschaftlichen Rechtsprechung zu der Verordnung (EWG) 2081/92 in dem Fall "Cambozola" zu Tage. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat in einem Urteil von 5. Juni 1997 entschieden hat, dass die Bezeichnung von "Cambozola" keine unzulässige Anspielung auf "Gorgonzola" darstellt. "Gorgonzola" ist seit 11 Artikel 13 der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92. 10 1996 eine auf Gemeinschaftsebene geschützte Ursprungsbezeichnung. Der EuGH hingegen betont in seinem Urteil Ende 1999 zu diesem Fall, dass eine Anspielung auf eine geschützte Bezeichnung auch dann vorliegen kann, wenn keinerlei Gefahr der Verwechslung zwischen den betroffenen Erzeugnissen besteht. Nach Ansicht des EuGH stellt "Cambozola" wegen der phonetischen Ähnlichkeit eine Anspielung auf eine geschützte Bezeichnung vor. Eine Angabe des wahren Ursprungs des Erzeugnisses auf der Verpackung oder auf andere Art und Weise wird demgegenüber als unerheblich angesehen. Was halten die Verbraucherinnen und Verbraucher von regionalen Herkunfts- und Qualitätszeichen? Von den europäischen Verbraucherinnen und Verbrauchern wird die Herkunft eines Nahrungsmittels als ein bestimmender Faktor der Kaufentscheidung angesehen. Eine Reihe von Verbraucherbefragungen kommen zu dem Ergebnis, dass das Ursprungsland12 bzw. die Ursprungsregion13 einer der wichtigsten Faktoren für die Kaufentscheidung der Verbraucher ist. Dies gilt nicht nur für die Verbraucher in Deutschland14, sondern auch für die Verbraucher in den anderen Mitgliedstaaten der Europäisches Union15. Die Bedeutung der regionalen bzw. nationalen Herkunft eines Nahrungsmittels für den Verbraucher ist auf eine Reihe von Ursachen zurückzuführen: In einer Welt der Internationalisierung und Globalisierung verliert die Region an Bedeutung. Informationsaustausch findet länderübergreifend statt. Waren und Dienstleistungen werden international gehandelt. Unternehmen agieren global. Zumindest mit den Urlaubsreisen dokumentieren die europäischen Verbraucher, insbesondere die Bundesbürger, auch eine weltweite Orientierung. Während früher der Horizont mit der jeweiligen Region endete, reicht 12 Einen umfassenden Überblick über die Bedeutung des Ursprungslandes für das internationale Marketing geben die verschiedenen Beiträge in Papadopoulos und Heslop (1993). 13 Einen Überblick über die Bedeutung der Ursprungsregion bzw. des Ursprungslands für Lebensmittel geben verschiedene Beiträge zu dem AIR-CAT Workshop "Consumer Preferences for Products of the Own Region/Country and Consequences for the Food Marketing, 23.-26- April 1998, Kiel, Deutschland, sowie zu dem AIR-CAT-Workshop "Consumer Attitudes Towards Typical Products", 22. Oktober 1998, Dijon, Frankreich. 14 Wirthgen et. al. (1999), Welzel (1998), Hensche et. al. (1993), Hauser (1993), Wolffram (1997), v. Alvensleben und Schrader (1999), Frohn (1996), Hamm et. al. (1996). 15 Glitsch (1999), Trognon et. al (1999). 11 er heutzutage über das jeweilige Land hinaus. Diese Globalisierung wird begleitet von Versuchen, Überkommenes zu erhalten und zu bewahren, welches dem Globalisierungprozess zum Opfer zu fallen droht. Eine Rückbesinnung auf die Region findet statt. Lebensmittel aus der eigenen Region oder dem eigenen Land genießen in der Regel einen Vertrauensvorschuss. Diese werden als sicherer als importierte Produkte wahrgenommen, weil den Konsumenten mehr Informationen zur Verfügung stehen, um Zweifel an der Qualität und Sicherheit des Lebensmittels auszuräumen. Auch die subjektiv wahrgenommenen Kontrollmöglichkeiten sind größer bei regional erzeugten Produkten. Dieser Vertrauensbeweis in regionale Produkte setzt sich zumeist nur dann in eine höhere Zahlungsbereitschaft um, wenn aktuelle Skandale Zweifel an der Sicherheit der Lebensmittel aufkommen lassen. Bei der geographischen Herkunftsangabe handelt es sich um einen Begriff, der für den Verbraucher geläufig ist, im Gegensatz zu manchen Angaben des Zutatenverzeichnis. Es ist kein Expertenwissen notwendig, um zu verstehen, was mit Fleisch deutscher Herkunft", "Gemüse aus Holland", "Französischer Käse", oder "Spanisches Olivenöl" gemeint ist.16 Die herausragende Bedeutung der Herkunft als Qualitätssignal wird dem Verbraucher durch die Herausstellung der Herkunft als Verkaufsargument beim Einkauf, in der Werbung und durch die Presse vermittelt. Die Skandale im Lebensmittelbereich tragen weiteres dazu bei, um diese Verbindung zwischen Herkunft und Qualität in der Wahrnehmung der Verbraucher zu verstärken. Mit jedem Lebensmittelskandal, der vor allem Produkte einer Region bzw. eines Landes betrifft (Österreichischer Wein, Spanisches Olivenöl, Britisches Rindfleisch, Belgische Hühnereier etc.), wird die Bedeutung der Herkunft herausgestellt und damit die Bedeutung dieses Qualitätssignals in der Wahrnehmung der Verbraucher verstärkt. Verstärkt wird die Bedeutung der Herkunft als Qualitätssignal noch dadurch, dass bei Lebensmitteln, insbesondere wenn diese auch unverpackt (wie frisches Fleisch) angeboten werden, den Verbrauchern nur sehr wenige (andere) Qualitätssignale zur Produktbewertung zur Verfügung stehen. Bei verpackten Lebensmitteln hingegen lassen sich mit der 16 Exakt zu definieren, was z. B. mit "Fleisch deutscher Herkunft" genau gemeint ist, ist hingegen sehr viel schwieriger, da Tiere in einem Land geboren und aufgezogen, in einem anderen Land gemästet und in einem dritten Land geschlachtet werden können. 12 Verpackung auch andere Qualitätssignale, die dem Informationsbedürfnis der Verbraucher eher gerecht werden, transportieren. Wenn nur wenige Qualitätssignale vorhanden sind und auf der anderen Seite ein großes Bedürfnis der Verbraucher an einer Bewertung der Produkte besteht, kann es zu einer subjektiven Überinterpretation von Qualitätssignalen kommen. Das Herkunftsland bzw. die Herkunftsregion ist nicht nur ein Kondensat bzw. ein "Summary Construct", sondern kann auch ein Surrogat und damit möglicherweise ein "Halo"17 oder gar ein "Potemkinsches Dorf" sein. Welche Probleme bergen das gemeinschaftsrechtliche Schutzsystem und das regionale Marketing für Herkunfts- und Qualitätszeichen in sich? Die inhaltliche Bedeutung von geographischen Herkunftsbezeichnungen ist über ein breites Spektrum gestreut. Es können objektivierbare Zusammenhänge zwischen geographischem Ursprung und Produktbeschaffenheit vorhanden sein. Im anderen Extrem kann dieser Zusammenhang überhaupt nicht gegeben, erst recht nicht nachweisbar sein und allenfalls in der Vorstellung der Verbraucher existieren. Das Spektrum reicht von der qualifizierten geographischen Herkunftsangabe in Form der geschützten Ursprungsbezeichnung (g.U.), z.B. Allgäuer Bergkäse oder der geschützten geographische Angabe (g.g.A.), z.B. Schwarzwälder Schinken, über die individualisierte geographische Herkunftsangabe, z.B. Warsteiner, die einfache Herkunftsangabe, z.B. Fleisch aus Baden-Württemberg, bis zu der geographischen Herkunftsangabe als Phantasiebezeichnung, z.B. "Ford Capri" oder auch "Capri" als Bezeichnung für ein Fruchtsaftgetränk. Insbesondere die Abgrenzung der geographischen Herkunftsangabe von der Gattungsbezeichnung fällt sehr schwer. Dies zeigt das Beispiel "Feta" oder auch "Pilsener", "Aachener Printen" oder "Lübecker Marzipan" Hier ist die Herstellung nicht an einen Ort gebunden, entstammt herkömmlich aber einer gewissen Tradition eines engeren oder weiteren geographischen Bezirks. Der im Gemeinschaftsrecht gewählte Ansatz zum Schutz der qualifizierten geographischen Herkunftsbezeichnung zeichnet sich durch mehrere Probleme aus: 17 Vgl. Han (1989). 13 1. Die sehr differenzierte Grenzziehung zwischen geographischer Ursprungsbezeichnung und geographischer Angabe dürfte auch für überdurchschnittlich gut informierte europäischen Verbraucherinnen und Verbraucher schwer nachvollziehbar sein. Dies dürfte sogar für den Fall gelten, wenn diejenigen Produkte, die als geschützt eingetragen sind, das Logo des jeweiligen Schutzsystems auch tatsächlich auf dem Produkt oder in der Kommunikationspolitik im allgemeinen verwenden würden. Dies geschieht bisher so gut wie gar nicht und zeigt die mangelnde Orientierung des Schutzsystems an den Bedürfnissen der Verbraucherinnen und Verbraucher nur zu deutlich. 2. Eine Reihe von geographischen Herkunftsbezeichnungen sind mittlerweile Gattungsbezeichnungen geworden. Dieser dynamische Entwicklungsprozess ist nach einer Eintragung als geschützte Herkunftsangabe nach Gemeinschaftsrecht nicht mehr möglich. 3. Selbst wenn in einigen Ländern aus der geographischen Herkunftsbezeichnung mittlerweile eine Gattungsbezeichnung geworden ist, so braucht dies nicht für alle Länder der EU der Fall zu sein zu sein. Die EU-Kommission hat beispielsweise die Käsebezeichnungen "Brie", "Camembert", Cheddar", "Edamer", "Emmentaler" und "Gouda" (nicht aber "Appenzeller" oder "Gruyere") als mittlerweile degenerierte, nicht mehr ortsbezogene Beschaffenheitsangaben qualifiziert.18 "Feta" wurde 1996 als geschützte geographische Ursprungsbezeichnung eingetragen. Erst in einem Urteil des EuGH von 1999 wurde diese Eintragung für nichtig erklärt, da bei der Eintragung der Bezeichnung nicht das Vorhandensein von Erzeugnissen berücksichtigt wurde, die in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig vermarktet werden. 4. Verbraucherinnen und Verbraucher haben Interesse an der regionalen Herkunft aus einer Reihe von Gründen, wobei die spezifisch regionale Produktqualität, falls diese überhaupt gegeben ist, nur ein Beweggrund für den Kauf regionaler Produkte sein dürfte. Andere Gründe können kurze Transportwege, Unterstützung der regionalen Wirtschaft, bessere Kontrolle des Risikos, größeres Vertrauen etc. sein. Der gemeinschaftsrechtliche Ansatz des Schutzes der qualifizierten Herkunftsangabe schließt ausdrücklich die einfache Herkunftsangabe aus. Damit wird nicht dem Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher entsprochen. 18 Vgl. hierzu ausführlich Harte-Bavendamm (1996). 14 5. Die Beurteilung darüber, ob ein Zusammenhang zwischen Qualität und Herkunft im Sinne der Verordnung (EWG) 2081/92 besteht, dürfte oft sehr willkürlich sein. Beispielsweise ist North Hollandse Gouda, als geschützte Ursprungsbezeichnung eingetragen, unterscheidet sich jedoch nicht wesentlich von dem Gouda anderer Herkunft.19 6. Mit dem gemeinschaftsrechtlichen Schutzsystem werden diejenigen Unternehmen diskriminiert, die dieselbe Produktqualität erzeugen könnten, wie die regional ansässigen Unternehmen. Diese nicht in der Region ansässigen Unternehmen ist der Gebrauch des geschützten Namens untersagt, selbst wenn der Verbraucher nicht über die wahre Herkunft getäuscht wird. 7. Wenn einige Unternehmen sich zu einem Konsortium zusammengefunden haben, die Produktqualität definiert und beschrieben haben und eine Eintragung erlangt haben, ist jedem anderen Unternehmen in der Region, welches ein Lebensmittel anderer Qualität produziert, der Gebrauch der geschützten geographischen Bezeichnung untersagt und jede Anlehnung verboten, selbst wenn eine Irreführung der Verbraucher ausgeschlossen wird. Gleichermaßen besteht auch die Gefahr der Diskriminierung von konkurrierenden landwirtschaftlichen Erzeugern. 8. Eine andere Begründung als eine regionalpolitische oder strukturpolitische Begründung, welche auch in der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 explizit als Begründung aufgeführt wird, dürfte schwer fallen. Regional bzw. Strukturpolitik sollte mit regional- bzw. strukturpolitischen Maßnahmen umgesetzt werden, jedoch nicht durch das Markenrecht. 9. Durch die Verbindung des Schutzes der geographischen Herkunft mit nur einer genau bestimmten Produktqualität wird die geographische Herkunftsbezeichnung unzulässig monopolisiert. Dies könnte nur aus marktstrukturpolitischen Gründen gerechtfertigt werden, erscheint aber selbst dann sehr problematisch. 10. Durch den weitreichenden Schutz auch gegen jede Form der Anlehnung, auch wenn diese nicht die Gefahr der Irreführung der Verbraucher oder der Rufausbeutung in sich trägt, wird neben dem "Qualitätsmonopol" noch ein "Begriffsmonopol" errichtet. Schlussfolgerungen Es ist die Rolle des Staates bzw. des Gesetzgebers, die Produktkennzeichnung und Werbebehauptungen zu kontrollieren. Insbesondere ist der Verbraucher vor Irreführung zu 19 Vgl. Barjolle und Sylvander (1999) 15 schützen. Das Problem asymmetrischer Information gepaart mit opportunistischem Verhalten auf der Anbieterseite reicht bei Angaben, die von den Verbrauchern nicht überprüft werden können -sogenannten Vertrauenseigenschaften- aus, um die Kontrolle durch eine dritte Partei ökonomisch zu begründen. Das Marktergebnis kann durch eine Überwachung des Wahrheitsgehalts von Aussagen über Vertrauenseigenschaften durch eine dritte Partei verbessert werden. Diese dritte Partei ihrerseits muss von einer unabhängigen Stelle kontrolliert werden, um ein "Gefangennehmen" der dritten Partei oder eine "Kartellbildung" zwischen Kontrolliertem und Kontrolleur vorzubeugen. Diese Rolle nimmt geeigneterweise der Staat ein. Angesichts der Bedeutung des Herkunftsarguments für die Verbraucher ist es nicht weiter erstaunlich, dass das private Marketing und die staatliche Verkaufsförderung an einer Herausstellung der Herkunft interessiert sind, weil dieses dem Bedürfnis der Verbraucher entgegenkommt. Auf der anderen Seite besteht insbesondere bei geographischen Herkunftsangaben die Gefahr der Irreführung des Verbrauchers, insbesondere wenn im Marketing oder in der staatlichen Absatzförderung ein Zusammenhang zwischen Herkunft und Qualität herausgestellt wird, ohne das ein solcher Zusammenhang tatsächlich gegeben ist. Der Staat sollte dafür sorgen, dass sich die Verbraucher auf die Wahrhaftigkeit einer Produktangabe, wie die geographische Herkunft, verlassen kann. Jeder darüber hinaus gehende Schutz der geographischen Herkunftsangabe erscheint überflüssig, wenn nicht sogar sehr problematisch. Die Vermischung von Herkunft und Qualität, sowohl im Gemeinschaftsrecht, als auch in der Praxis des regionalen Marketings, trägt die Möglichkeit der Irreführung des Verbrauchers in sich. Der gemeinschaftliche Schutz nach Verordnung 2081/92 reicht weit über den Schutz der Verbraucher vor Irreführung hinaus. Hier wird auf Gemeinschaftsebene von gesetzgeberischer Seite eine Möglichkeit zur Ausschöpfung von Subventionen und Monopolrenten gegeben, die sich nicht rechtfertigen lassen. Sowohl aus verbraucherpolitischen, als auch aus regional- und strukturpolitischen Erwägungen erscheint der Schutz der einfachen Herkunftsangabe und der Herkunftsangabe mit einem bestimmten Ruf gegen Irreführung der Verbraucher ausreichend und sachgerechter als der Ansatz des ausschließlichen Schutzes der qualifizierten Herkunftsangabe. Sowohl im regionalen Marketing als auch in einem neu zu schaffenden gemeinschaftsrechtlichen Rahmen sollte jede Verquickung von Herkunft und Qualität vermieden werden. 16 Literaturverzeichnis Barjolle, D., B. Sylvander: Some Factors of Success for Origin Labelled Products in AgriFood Supply Chains in Europe: Market, Internal Resources and Institutions, 67th EAAE Seminar, Le Mans 1999. Becker, T. und E. 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