Hintergrund der Politik der Europäischen

Werbung
Bedeutung und Nutzung geschützter
Herkunftszeichen
Gutachten im Auftrag des Deutschen Bundestages
im Rahmen des TA-Projektes "Entwicklungstendenzen von
Nahrungsmittelangebot und -nachfrage und ihre Folgen - Vertiefungsphase
Vorgelegt dem Büro für Technikfolgenabschätzung
beim Deutschen Bundestag (TAB)
15. Dezember 2002
bearbeitet durch
Prof. Dr. Tilman Becker
1
Bedeutung und Nutzung geschützter
Herkunftszeichen .............................................................................................. 1
Kurzfassung ............................................................................................................................... 4
1.
Einleitung .......................................................................................................................... 9
2.
Bedeutung der geographischen Herkunftsangabe für die Verbraucher ...................... 21
2.1.
Die geographische Herkunftsangabe als Qualitätssignal ................................... 22
2.2.
Die geographische Herkunftsangabe als staatlich kontrollierter
Qualitätsstandard............................................................................................................... 24
2.3.
3.
4.
Staatlich finanzierte Werbung mit dem Herkunftsargument............................ 25
Wettbewerbsrechtlicher Hintergrund und Stand des Konfliktes................................... 27
3.1.
Rechtsrahmen in der Bundesrepublik Deutschland ........................................... 30
3.2.
Schutz des Verbrauchers vor Irreführung .......................................................... 32
3.3.
Wiesenhof-Urteil..................................................................................................... 33
3.4.
Rechtsrahmen der Europäischen Union .............................................................. 35
3.5.
Warsteiner, Feta und noch offene Fragen ........................................................... 40
Beihilfenrechtlicher Hintergrund und Stand des Konfliktes ........................................ 46
4.1.
Staatliche Förderung der regionalen Vermarktung ........................................... 50
4.2.
Zulässigkeit staatlicher Beihilfen: Erste Entscheidungen des EuGH ............... 54
4.3.
Neue Rahmenregelung für die staatliche Beihilfen............................................. 57
4.4.
Regelung für Beihilfen zur Förderung der Erzeugung und Vermarktung von
landwirtschaftlichen Erzeugnissen hoher Qualität......................................................... 58
4.5.
Regelung für Beihilfen zur Förderung des Absatzes landwirtschaftlicher
Erzeugnisse und zur Werbung hierfür............................................................................. 59
4.6.
Konsequenzen für die Herkunfts- und Gütezeichen........................................... 62
2
5.
Die geographische Herkunftsangabe in der EU im Vergleich...................................... 65
5.1.
Bedeutung und Nutzung ........................................................................................ 66
5.2.
Förderung und Unterstützung .............................................................................. 70
5.3.
Rechtlicher Schutz und Organisation .................................................................. 72
5.3.1.
Frankreich......................................................................................................... 72
5.3.2.
Italien................................................................................................................ 77
5.3.3.
Spanien ............................................................................................................. 79
5.3.4.
Vereinigtes Königreich .................................................................................... 81
5.4.
6.
Die internationalen rechtliche Rahmenbedingungen.......................................... 82
Ein Konzept zur Förderung der geographischen Herkunftsangaben in Deutschland 86
3
Kurzfassung
Es lassen sich drei grundlegende Kategorien von geographischen Herkunftsangaben
unterscheiden. Dies sind die einfache, die kombinierte und die qualifizierte Herkunftsangabe,
Bei der einfachen Herkunftsangabe "Apfel aus Deutschland" steht die Herkunft im
Vordergrund. Bei der kombinierten Herkunftsangabe "Markenqualität aus deutschen Landen"
oder "Herkunft und Qualität aus Baden-Württemberg" wird die Herkunft mit der Qualität
verbunden. Bei "Schwarzwälder Schinken" steht die Herkunft für eine besondere Qualität.
Die Qualität ergibt sich praktisch aus der Herkunft. Es besteht eine enge Beziehung, ein
"Link", zwischen Herkunft und Qualität.
Eine geographische Herkunftsangabe ist primär eine Verständigungsnorm über den Ursprung
bzw. die Herkunft eines Produktes. Darüber hinaus kann diese Angabe auch den Charakter
einer Marke bekommen, wenn mit der geographischen Herkunft für die Verbraucher
bestimmte qualitätsbestimmende Produkteigenschaften verbunden sind.
Die qualitätsbestimmenden Eigenschaften können sich ursächlich aus dem geographischen
Ursprung ergeben und können nur dort produziert werden oder können weitgehend
unabhängig von der geographischen Herkunft produziert werden.
Die Verordnung EWG Nr. 2081/92 zum Schutz von geographischen Angaben und
Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel wurde in deutsches Recht
mit dem neuen Markengesetz von 1995 übernommen.
Während es in Frankreich und anderen Mittelmeeranrainerstaaten eine lange Tradition hat,
Agrar- bzw. Strukturpolitik und Verbraucherpolitik durch die staatliche Förderung von
regionalen Spezialitäten zu betreiben, ist dieser Ansatz dem deutschen System fremd.
Hier werden zwar auch regionale bzw. nationale Produkte durch Werbe- und andere
Maßnahmen durch den Staat gefördert - nationale Produkte durch das CMA-Gütezeichen und
Produkte der einzelnen Bundesländer durch deren Herkunfts- und Qualitätszeichen - jedoch
handelt es sich hier nicht um Produkte, die nach der Verordnung 2081/92 eingetragen werden
könnten, da sich die Qualität nicht aus dem geographischen Ursprung ergibt.
Die Ziele, die mit der Verordnung 2081/92 erreicht werden sollen, sind die folgenden:
1.Agrarmarktpolitik: Diversifizierung der Agrarproduktion, damit das Angebot besser an die
Nachfrage angepasst wird.
4
2. Regional- und Strukturpolitik: Förderung der ländlichen Entwicklung, sowohl durch
Steigerung des Einkommens der Landwirte, als auch durch die Verhinderung der
Abwanderung der ländlichen Bevölkerung.
3. Verbraucherpolitik: Dem Interesse der Verbraucher nach Qualität sowie klarer und knapper
Information gerecht zu werden.
Während der Schutz von geographischen Angaben und von Ursprungsbezeichnungen nach
Verordnung Nr. 2081/92 sich in einigen Mitgliedstaaten großer Beliebtheit erfreut, hat er in
anderen Mitgliedstaaten so gut wie keine Bedeutung. Dies ist auf unterschiedliche
Rechtssysteme in den Mitgliedsländern zurückzuführen.1 Geographische Herkunftsangaben
werden
in
den
herkömmlichen
französischen,
italienischen
und
portugiesischen
Rechtssystemen durch administrative Überwachung und Registrierung erfasst, definiert und
geschützt, und zwar sowohl gegen irreführende Verwendung als auch gegen Rufausbeutung
und dem Abgleiten auf die Ebene des Gattungsbegriffs. Diesen Ansatz hat sich die
Europäische Lebensmittelpolitik mit der Verordnung Nr. 2081/92 zu eigen gemacht.
In Deutschland werden traditionell nur die kombinierten geographischen Herkunftsangaben
als Herkunfts- und Gütezeichen der CMA und der Bundesländer staatlich unterstützt und
gefördert.
Für die Verbraucher und Verbraucherinnen sowohl in Deutschland, als auch in anderen
Ländern der Europäischen Union ist die geographische Herkunftsangabe ein wichtiges
Qualitätssignal, insbesondere bei solchen Produkten, die an der Thekenware gekauft werden.
Diesem Bedürfnis der Verbraucher und Verbraucherinnen hat der Staat durch die Kontrolle
und Überwachung von Qualitätsstandards Rechnung zu tragen.
Es dürfte nicht die Aufgabe des Staates sein, für bestimmte Produkte Werbung zu betreiben.
Werbung ist eine Aufgabe der Wirtschaft. Der Staat sollte die Werbeaussagen auf ihre
Richtigkeit hin überwachen.
Wenn der Staat aber sich selbst als Werbetreibender in der Werbung zu erkennen gibt, so
besteht ein klassischer Rollenkonflikt, der zwangsläufig zu einer kognitiven Dissonanz auf
Seiten den Verbraucher führen muss. Der Staat verliert hierdurch an Glaubwürdigkeit.
1
Hier lässt sich zu Recht die Frage stellen, ob die Rechtsysteme nicht ihrerseits wieder die Wirkung von
tieferliegenden Ursachen sind. Diese mehr philosophische Frage soll hier nicht weiter diskutiert werden.
5
Mit dem neuen Markengesetz von 1995 fand die Verordnung EWG Nr. 2081/92 zum Schutz
von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und
Lebensmittel Eingang in das deutsche Wettbewerbsrecht.
Der europäische Ansatz ist dem traditionellen deutschen Markenrecht fremd. Jüngste
Rechtsprechungen des EuGH im "Warsteiner-Urteil" gehen davon aus, dass in Bezug auf die
geographische Herkunftsangabe als Individualmarke beide Rechtssysteme nebeneinander
existieren. Damit bleiben aber andere rechtlichen Fragen offen, beispielsweise wie die
Abgrenzung zum Gattungsbegriff, zur Kollektivmarke und insbesondere zur kombinierten
Herkunftsangabe zu sehen ist.
Ganz brisant ist die Grenzziehung im Gemeinschaftsrecht zwischen der qualifizierten und der
kombinierten Herkunftsangabe angesichts der im regionalen Marketing in Deutschland
verwendeten Bezeichnungen: "Herkunft und Qualität aus Baden-Württemberg", "Qualität aus
Bayern - Garantierte Herkunft", "Gutes aus Hessen" bzw. "Original Thüringer Qualität".
Solche
Bezeichnungen
könnten
markenrechtlich
in
Konkurrenz
zu
den
gemeinschaftsrechtliche geschützten geographischen Herkunftsangaben gesehen werden und
wären daher geeignet, den Verbraucher irrezuführen. Die marken- bzw. generell
wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit dieser Werbeaussagen wäre damit in Frage gestellt.
Die Rechtsprechung des EuGH ist in Bezug auf das Markenrecht nicht eindeutig. Es gibt
jedoch eine eindeutige Stellungnahme zu der öffentlichen Unterstützung und Förderung von
nationalen Herkunfts- und Gütezeichen. Nach einem im November 2002 ergangenen Urteil
hat die Bundesrepublik Deutschland durch die Vergabe des Gütezeichens "Markenqualität aus
deutschen Landen" an in Deutschland hergestellte Fertigerzeugnisse bestimmter Qualität
gegen íhre Verpflichtungen nach Artikel 28 EG-Vertrag verstoßen. Nach ständiger
Rechtsprechung bezweckt Artikel 28 EG-Vertrag das Verbot jeder Regelung oder sonstigen
Maßnahme der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel
unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern.
Folgende
Aufgaben
dürfen
von
staatlich
finanzierten
Marketingorganisationen
wahrgenommen werden: Bestimmung von Absatzgebieten gegen Beratungsgebühren,
Marktforschung und Marktumfragen zur Unterstützung von Werbeaktionen, Veranstaltungen
von Messen und Ausstellungen sowie die Teilnahme daran. Beschränken sich die derzeitigen
Marketinggesellschaften auf diese Maßnahmen im Rahmen ihrer Absatzförderung, so spricht
nichts gegen ihre weitere Existenz.
6
Die Kommission ist aufgrund des EG-Vertrags ermächtigt, die Zulässigkeit staatlicher
Beihilfen zu überprüfen. Im Gemeinschaftsrecht sind Beihilfen für die Werbung für
Erzeugnisse,
die
mit
einer
auf
Gemeinschaftsebene
eingetragenen
geschützten
Ursprungsbezeichnung oder geschützten geographischen Angabe versehen sind, sowie für
Erzeugnisse aus ökologischem Anbau, ausdrücklich erlaubt, nicht jedoch die Werbung für
Produkte mit dem CMA-Gütezeichen.
Das Beihilfenrecht setzt zwangsläufig strengere Maßstäbe an die Zulässigkeit der Vergabe
und Benutzung geographischer Herkunftsangaben als das Markenrecht. Hier ist das Urteil des
EuGH eindeutig. Ein staatliches Herkunfts- und Gütezeichen darf keine Verbindung zwischen
Herkunft und Qualität herstellen. Dies bedeutet das Ende der traditionellen staatlichen
Herkunfts- und Gütezeichenpolitik.
Zu der markenrechtlichen Problematik macht das Urteil des EuGH keine Aussage. Auch unter
wettbewerbs- insbesondere markenrechtlichen Aspekten dürfte die Zulässigkeit der
Herkunfts- und Gütezeichen sehr fragwürdig sein. Dies zeigt die Rechtsprechung in diesem
Bereich. Wenn bei den Herkunfts- und Gütezeichen eine Beziehung, ein "Link", zwischen
Herkunft und Qualität hergestellt wird, dürften diese derart kombinierten geographischen
Herkunftsangaben in den Gegensandsbereich der Verordnung 2081/92 fallen und wären damit
unzulässig, wenn keine Eintragung nach der Verordnung 2081/92 erfolgt. Dies gilt
insbesondere auch dann wenn ein "privates" Kollektiv diese kombinierte geographische
Herkunftsangabe nach deutschem Recht als Marke eintragen und benutzen will.
Damit ist ein traditionelles Standbein der Förderung regionaler Vermarktung in Deutschland
nicht mehr vereinbar mit Gemeinschaftsrecht. Mehrere Zehnmillionen Euro wurden bisher
jährlich für die Werbung für Agrarprodukte und Lebensmittel aufgewendet. Ein Teil dieser
Mittel darf in Zukunft wie bisher verwendet werden. Wenn auch weiterhin regionale Produkte
zum Wohl der Erzeuger und Verbraucher gefördert werden, so sollten die Mittel, die bisher in
die Unterstützung und Förderung der Herkunfts- und Gütezeichen der Bundesländer und der
CMA geflossen sind, umgewidmet werden. Es wäre anzustreben, die Anzahl von Produkten
mit geographischen Herkunftsangaben entsprechend dem gemeinschaftsrechtlichem Schutz zu
erhöhen. Von den vielen Hundert Agrarprodukten und Lebensmitteln in Deutschland mit
einer geographischen Angabe als Bezeichnung sind bisher nur ganz wenige nach
Gemeinschaftsrecht registriert.
Es sollten die institutionellen Voraussetzungen geschaffen werden, um die Erzeuger bei der
Antragstellung einer Eintragung nach Verordnung 2081/92 zu unterstützten und zu beraten.
7
Diese Aufgabe sollten die bereits in den einzelnen Bundesländern sowie auf nationaler Ebene
bestehenden Organisationen übernehmen und entsprechend den jeweiligen Kompetenzen und
Aufgabenbereichen zugeordnet werden.
Die Erfahrungen anderer Länder mit dem Schutz und der Förderung regionaler Produkte kann
hilfreich für sein, um ähnliche Fehler in dem Aufbau eines solchen Systems in Deutschland zu
umgehen. Da Frankreich, Italien, und Spanien bereits seit längerer Zeit ein Schutz- und
Förderungssystem für qualifizierte Herkunftsangaben haben, bietet es sich an, die dort
beschrittenen Wege näher zu betrachten. Das Vereinigte Königreich hingegen ist ein einer
ähnlichen Ausgangssituation, wie Deutschland.
Auch auf die Bedeutung und Nutzung, die öffentliche Förderung und staatliche Unterstützung
sowie der rechtliche Schutz und die Organisation der geographischen Herkunftsangaben in
diesen Ländern wird in diesem Gutachten ausführlich eingegangen. Abschließend wird in
dem letzten Kapitel dieses Gutachtens ein Konzept entwickelt, um regionale Produkte zu
fördern und zu unterstützen.
8
1. Einleitung
Es können drei Kategorien von geographischen Herkunftsangaben unterschieden werden: die
einfache, die kombinierte und die qualifizierte Herkunftsangabe. Die geographische
Herkunftsangabe ist zunächst eine Angabe, die ein Anbieter gebraucht, um den Nachfrager
über die Herkunft des Produktes zu informieren. Damit handelt es sich noch um eine einfache
geographischen Herkunftsangabe. Erst wenn darüber hinaus mit der geographischen Angabe
ein Qualitätsversprechen verbunden ist, handelt es sich um eine kombinierte oder qualifizierte
geographische Herkunftsangabe.
Eine einfache geographische Herkunftsangabe wäre etwa die Bezeichnung "Hergestellt in
Deutschland". Bei der einfachen geographischen Herkunftsangabe erschöpft sich der
Aussagegehalt in dem Hinweis auf die geographische Herkunft des damit gekennzeichneten
Erzeugnisses. Bei der kombinierten Herkunftsangabe, wie "Markenqualität aus deutschen
Landen" , "Herkunft und Qualität aus Baden-Württemberg" handelt es sich um eine Angabe,
die über den Hinweis auf die geographische Herkunft hinaus in den Augen der Verbraucher
eine Aussage über eine bestimmte Eigenschaft oder die Qualität des Erzeugnisses macht bzw.
versucht zu etablieren. Als qualifizierte Herkunftsangaben sollen solche Herkunftsangaben
verstanden werden, bei denen sich die besondere Qualität aus einer spezifisch regionalen
Produktionstradition,
regionalspezifischen
Grunderzeugnissen
etc. ergibt. Bei einer
qualifizierten Herkunftsangabe besteht eine enge Verbindung, ein "Link", zwischen Herkunft
und Qualität. Ein Beispiel für eine qualifizierte Herkunftsbezeichnung wäre "Schwarzwälder
Schinken".
Geographische Herkunftsangaben und Qualitätsaussagen
Geographische
Herkunftsangaben
einfache
kombinierte
qualifizierte
Herkunftsangabe
Herkunftsangabe
Herkunftsangabe
Hergestellt in Deutschland
Markenqualität aus
deutschen Landen
9
Schwarzwälder Schinken
Eine geographische Herkunftsangabe ist primär eine Verständigungsnorm über den Ursprung
bzw. die Herkunft eines Produktes. Darüber hinaus kann diese Angabe auch den Charakter
einer Marke bekommen, wenn mit der geographischen Herkunft für die Verbraucher
bestimmte qualitätsbestimmende Produkteigenschaften verbunden sind. Eine Marke ist in
diesem Zusammenhang nichts anderes als ein Qualitätssignal in der Kommunikation
zwischen Anbieter und Nachfrager.
Geographische Herkunftsangaben sind bereits bestehende Verständigungsnormen, jedoch
sicherlich von unterschiedlichem Bekanntheitsgrad entsprechend der jeweiligen Region, die
bezeichnet wird. Unterschiedliche Regionen haben ein unterschiedliches Image, sei es z.B.
der Schwarzwald oder die Champagne. Dieses besondere Image kann sich auf einzelne
Produkte oder Produktgruppen beziehen und spiegelt die natürlichen Bedingungen, aber auch
die Tradition und Kultur in der jeweiligen Region wieder.
Markennamen hingegen sind in der Regel Verständigungsnormen, die erst von den Anbietern
etabliert werden müssen. Damit diese bekannt werden und mit einem bestimmten Image
verbunden werden, betreiben Markenhersteller Werbung. Werbung informiert über das
Produkt und hat (neben anderen Faktoren) einen Einfluss auf das Image des Produktes bzw.
versucht dieses aufzubauen und zu erhalten.
Geographische Herkunftsangaben und Marken haben sehr viele Gemeinsamkeiten. Es besteht
jedoch (zumindest) ein ganz wichtiger Unterschied. Im Gegensatz zu privaten Marken können
geographische Herkunftsangaben in der Regel nicht nur von einem Anbieter, sondern von
allen Anbietern in der jeweiligen Region verwendet werden. Damit lohnen sich Investitionen
in den Aufbau von Reputation für die jeweilige geographische Herkunftsangabe nur sehr
begrenzt. Aus diesem Grund spielen in Deutschland die geographischen Herkunftsangaben als
Qualitätssignal nur eine vergleichsweise untergeordnete Bedeutung.
Der Aufbau einer Marke d.h. Investitionen in die Qualität des Produktes, lohnt sich für einen
Anbieter nur, wenn die damit verbundenen Kosten geringer sind, als der Nutzen, der sich
hieraus ergibt. Es lohnt sich nur dann, in das Image des Produktes zu investieren, wenn
hierdurch höhere Erlöse erzielt werden können.
Wenn diese überdurchschnittlichen Erlöse auch von anderen Anbietern, die nicht in den
Aufbau der Reputation für eine geographische Herkunftsangabe oder Marke investieren,
realisiert werden (können), trägt der ursprüngliche Anbieter allein die Kosten des
Reputationsaufbaus, während die Vorteile in der Form eines höheren Preises allen Anbietern
zu Gute kommt. Es kommt zu einem "Trittbrettfahrerverhalten".
10
Im Gegensatz zu einem Markenprodukt besteht bei einem Produkt mit einer geographischen
Herkunftsangabe zusätzlich die Tendenz zu einer Qualitätsverschlechterung. Auch bei der
Qualität kann es zu leicht zu Trittbrettfahrerverhalten kommen. Wenn die Produktion einer
herausgehobenen Qualität mit höheren Kosten verbunden ist, so werden die Anbieter
versuchen, die mindestens geforderte Qualität mit möglichst geringen Kosten zu produzieren.
Dies gilt sowohl für die kombinierte als auch die qualifizierte Herkunftsangabe.
Es ist daher nicht weiter erstaunlich, dass die Qualitäts- und Gütezeichen der einzelnen
Bundesländer in der Regel nur unwesentlich höhere Anforderungen an die Produktion haben,
als die gesetzlichen Vorschriften. Auch bei qualifizierten Herkunftsangaben wird diese
Tendenz zu einer Qualitätserosion zu finden sein. Da jedoch das Kollektiv hier sehr viel
kleiner ist, ist diese Tendenz nicht so ausgeprägt.
Marke und Qualität, Werbung und Markenschutz sind eng miteinander verbunden. Ohne
einen Markenschutz gäbe es keine Marken. Ohne Marken gäbe es (in der Regel) keine
Werbung. Ohne Marken oder andere geschützten Verständigungsnormen gäbe es keine
Qualität.
Um den Anbietern einen Anreiz zu geben, eine Marke zu produzieren, muss sichergestellt
werden, dass dieser Markennamen nur von dem betreffenden Anbieter benutzt werden darf.
Markennamen sind oft die Namen der Hersteller und sind in der Regel Privateigentum.
Geographische Herkunftsangaben hingegen beziehen sich immer auf ein Kollektiv und sind in
der Regel Kollektiveigentum.
Marken und Markenwerbung versuchen, das Produkt aus der Masse der Anbieter
herauszuheben. Je deutlicher sich ein Produkt von den Konkurrenzprodukten unterscheidet
und je positiver es von den Konsumenten wahrgenommen wird, desto größer ist auch der
Spielraum für vergleichsweise hohe Preise.
Da die geographische Herkunft von dem Verbraucher selbst in der Regel nicht überprüft
werden kann, ist die Glaubwürdigkeit der Angabe keine Selbstverständlichkeit, insbesondere
dann, wenn der Verbraucher eine erhöhte Zahlungsbereitschaft für die geographische
Herkunft hat, weil damit eine besondere Qualität verbunden wird. Hier dürfte der Verbraucher
zu Recht davon ausgehen, dass für den einzelnen Anbieter des Produktes ein Anreiz besteht,
dem Verbraucher bzw. der Verkehrsauffassung nur gerade zu entsprechen, d.h. nur die
Mindestqualität zu liefern, die mit der geographischen Herkunft verbunden wird. "Lübecker
Marzipan" hat eben nicht die Qualität von "Niederegger Marzipan".
11
Geographische Herkunftsangaben haben es schwer, sich als Marken zu etablieren, obwohl
die Anfangsvoraussetzungen in der Regel besser sind, als bei gänzlich unbekannten
Markennamen. Nur wenn sich die Produkte mit einer geographischen Herkunft durch eine
besondere Qualität auszeichnen, kann diese einen Markencharakter bekommen. Doch dann
lohnt sich wiederum das Trittbrettfahrerverhalten für andere Anbieter aus der Region, d.h.
sich nicht an den Kosten zu beteiligen, aber von dem Nutzen zu partizipieren. In der Folge
sinkt die Produktqualität und die geographische Angabe verliert den Markencharakter.
Barjolle und Sylvander untersuchen etwa 20 nach Verordnung EWG Nr. 2081/92 registrierte
Produkte in Hinsicht auf den ökonomischen Erfolg dieser Produkte im Vergleich zu
ähnlichen, nicht registrierten Produkten.2 Der Erfolg scheint insbesondere abzuhängen von
der Spezifität, d.h. der Besonderheit, des Produktes, der Relevanz für den Markt und der
Koordination und Kooperationsfähigkeit zwischen den Mitgliedern des Konsortiums, welches
die Eintragung beantragt.
Damit auch langfristig mit einer geographischen Herkunftsangabe eine besondere Qualität
verbunden wird, muss die geographische Herkunftsangabe zusammen mit der dazugehörigen
besonderen Qualität geschützt werden. Nur wenn die Konsumenten sich auf die besondere
Qualität verlassen können, werden geographische Herkunftsangaben, genau wie auch Marken,
sich erfolgreich als Qualitätssignal etablieren können. Besteht kein besonderer Schutz der mit
der geographischen Herkunftsangabe verbundenen besonderen Qualität, so können sich
geographische Herkunftsangaben bestenfalls als Gattungs- bzw. Verkehrsbezeichnungen
etablieren, wie in Deutschland, jedoch nicht als Marken, wie in Frankreich.
Die qualitätsbestimmenden Eigenschaften können sich ursächlich aus dem geographischen
Ursprung ergeben und können entweder nur dort oder auch weitgehend unabhängig von der
geographischen Herkunft produziert werden. Diesen Unterschied zwischen der qualifizierten
geographischen Herkunftsangabe und der kombinierten geographischen Herkunftsangabe
kennt das deutsche Markengesetz nicht. In diesem wird unterschieden zwischen dem Schutz
von geographischer Herkunftsangaben als Kollektivmarken und dem Schutz geographischer
Herkunftsangaben nach Verordnung EWG Nr. 2081/92.
2
Barjolle, D., B. Sylvander: Some Factors of Success for Origin Labelled Products in Agri-Food Supply Chains
in Europe: Market, Internal Resources and Institutions, 67th EAAE Seminar, Le Mans 1999.
12
Die Verordnung EWG Nr. 2081/92 zum Schutz von geographischen Angaben und
Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel wurde in deutsches Recht
mit dem neuen Markengesetz von 1995 übernommen.
Während es in Frankreich und anderen Mittelmeeranrainerstaaten eine lange Tradition hat,
Agrar- bzw. Strukturpolitik und Verbraucherpolitik durch die Förderung von regionalen
Spezialitäten zu betreiben, ist dieser Ansatz in dem deutschen System fremd. Hier werden
zwar auch regionale bzw. nationale Produkte durch Werbe- und andere Maßnahmen durch
den Staat gefördert - nationale Produkte durch das CMA-Gütezeichen und Produkte der
einzelnen Bundesländer durch deren Herkunfts- und Qualitätszeichen - jedoch handelt es sich
hier nicht um Produkte im Sinne der Verordnung 2081/92. In Frankreich hingegen hat die
staatliche Unterstützung von Produkten, die der Verordnung EWG Nr. 2081/92 entsprechen,
eine lange Tradition.
Die Verordnung EWG Nr. 2081/92 entstammt vor allem der französischen Tradition, aber
auch für andere Staaten, insbesondere Italien, Spanien und Portugal ist der politische und
kulturelle Ansatz, auf dem die Verordnung EWG Nr. 2081/92 basiert, nicht fremd.
Die Ziele, die mit der Verordnung 2081/92 erreicht werden sollen, werden in den
Erwägungsgründen der Verordnung genannt. Folgende Ziele sollen mit der Verordnung
erreicht werden:
1.Agrarmarktpolitik: Diversifizierung der Agrarproduktion, damit das Angebot besser an die
Nachfrage angepasst wird.
2. Regional- und Strukturpolitik: Förderung der ländlichen Entwicklung, sowohl durch
Steigerung des Einkommens der Landwirte, als auch durch die Verhinderung der
Abwanderung der ländlichen Bevölkerung.
3. Verbraucherpolitik: Dem Interesse der Verbraucher nach Qualität sowie klarer und knapper
Information gerecht zu werden.
Es lassen sich drei Formen des Schutzes der geographischen Herkunftsangabe unterscheiden.
Eine geographische Herkunftsmarke kann als Individual- oder als Kollektivmarke beim
Patentamt oder auch als national- oder bundesstaatliches Herkunfts- und Gütezeichen bei dem
RAL Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung e.V. beantragt und eingetragen
werden.
Formen des Schutzes der geographischen Herkunftsangabe
13
Schutz der Geographische
Herkunftsangabe
Individualmarke
Markenrecht
Kollektivmarke
VO 2081/92
Staatliches
Zeichen
Herkunfts- u. Gütezeichen
Bei der Kollektivmarke brauchen die Eigenschaften oder die Qualität nicht mit dem
geographischen Ursprung zusammenzuhängen. Es brauchen im Prinzip überhaupt keine
besonderen qualitätsbestimmenden Merkmale vorhanden zu sein. Bei der Eintragung nach
Verordnung 2081/92 hingegen muss eine Beziehung, ein "Link", zwischen den
qualitätsbestimmenden Eigenschaften und der geographischen Herkunft bestehen.
Mit der Eintragung nach Verordnung 2081/92 wird das Recht auf Nutzung eines staatliches
Zeichens erworben. Damit steht dieses Zeichen auch in Konkurrenz zu den Herkunfts- und
Gütezeichen.
Ein Beispiel für eine geographische Herkunftsangabe als Individualmarke wäre "Warsteiner",
für eine Kollektivmarke nach deutschem Recht wäre "Aischgrürder Karpfen" und für ein
staatliches Zeichen das CMA-Gütezeichen: "Markenqualität aus deutschen Landen". Ein
Beispiel für eine Eintragung nach Verordnung 2081/92 wäre "Schwarzwälder Schinken".
Die regionalen Herkunfts- und Qualitätszeichen, sowohl die Herkunfts- und Qualitätszeichen
der deutschen Bundesländer als auch das Gütezeichen der CMA, können als kombinierte
Herkunfts- und Qualitätszeichen verstanden werden. Hier wird versucht, die Herkunft mit
einer Qualität zu verbinden. Hier ergibt sich die Qualität, das Ansehen oder eine andere
Eigenschaft jedoch nicht aus dem geographischen Ursprung noch verdankt das Produkt gar
seine Güte oder Eigenschaften überwiegend oder ausschließlich den geographischen
14
Verhältnissen. Damit ist ein rechtlicher Konflikt zwischen dem traditionellen Markenrecht
und dem Schutz der geographischen Herkunftsangabe nach Verordnung 2081/92 angelegt.
Die Vereinbarkeit von Markenrecht und dem gemeinschaftsrechtlichen Schutz der
geographischen Herkunftsangabe wird anhand von richterlichen Einzelfallentscheidungen
geklärt. Eine Problem wurde hier bereits weitgehend gelöst. Die Frage, ob die geographische
Herkunftsangabe als Individualmarke in den Geltungsbereich der Verordnung 2081/92 fällt,
ist bereits beantwortet. Dabei wurde die Individualmarke "Warsteiner" als einfache
Herkunftsangabe interpretiert. Diese fallen nicht in den Regelungsbereich der Verordnung
2081/92. Ungeklärt ist jedoch immer noch die Frage, ob die kombinierten Herkunftsangaben,
die Herkunfts- und Gütezeichen, mit der Verordnung 2081/92 in einem markenrechtlichen
Konflikt stehen.
Die Verwendung von geographischen Herkunftsbezeichnungen ist über ein breites Spektrum
gestreut. Es können objektiv nachvollziehbare und vielleicht sogar messbare Zusammenhänge
zwischen geographischem Ursprung und Produktbeschaffenheit vorhanden sein. Im anderen
Extrem kann dieser Zusammenhang überhaupt nicht gegeben, erst recht nicht nachweisbar
sein und allenfalls in der Vorstellung der Verbraucher existieren. Das Spektrum reicht von der
geschützten Ursprungsbezeichnung (g.U.), z.B. "Allgäuer Bergkäse", über die geschützte
geographische Angabe (g.g.A.), z.B. "Schwarzwälder Schinken", die kombinierte
Herkunftsangabe, z. B. "Hergestellt und geprüft in Schleswig-Holstein", die einfache
Herkunftsangabe, z.B. "Fleisch aus Baden-Württemberg", die Gattungsbezeichnung, z. B.
"Pilsener", die individualisierte geographische Herkunftsangabe, z.B. "Warsteiner", bis zu der
geographischen Herkunftsangabe als Phantasiebezeichnung, z.B. "Capri" als Bezeichnung für
ein Fruchtsaftgetränk.
Insbesondere
die
Abgrenzung
der
geographischen
Herkunftsangabe
von
der
Gattungsbezeichnung fällt sehr schwer, dies zeigt das Beispiel "Feta" oder auch "Pilsener",
"Aachener Printen" oder "Lübecker Marzipan". Bei der Abgrenzung zur Gattungsmarke hat
sogar der Europäische Gerichtshof (EuGH) erhebliche Probleme und kommt zu
widersprüchlichen Aussagen. Bei Gattungsmarken ist die Herstellung nicht an einen Ort
gebunden, entstammt herkömmlich aber einer gewissen Tradition eines engeren oder weiteren
geographischen Bezirks.
15
Kategorien von geographischen Herkunftsangaben
Besondere Qualität aufgrund der regionalen Herkunft
Qualifizierte Herkunftsangaben:
Kollektive Marken
Geschützte
Ursprungsbezeichnung
(g.U) (PDO)
Geschützte
geographische Angabe
(g.g.A.) (PGI)
Kombinierte
Herkunftsangaben
Gattungsbezeichnung
Einfache
Einfache
Herkunftsangaben
Herkunftsangaben
Individuelle Marken
Individualisierte
Individualisierte
geographische Angabe
geographische Angabe
Regionale Herkunft
Phantasiebezeichnung
Indirekter regionalen Bezug
Quelle: Eigene Darstellung
Selbst wenn in einigen Ländern aus der geographischen Herkunftsbezeichnung mittlerweile
eine Gattungsbezeichnung geworden ist, so braucht dies nicht für alle Länder der EU der Fall
zu sein zu sein. Die EU-Kommission hat beispielsweise die Käsebezeichnungen "Brie",
"Camembert", Cheddar", "Edamer", "Emmentaler" und "Gouda" (nicht aber "Appenzeller"
oder
"Gruyere")
als
mittlerweile
degenerierte,
nicht
mehr
ortsbezogene
Beschaffenheitsangaben qualifiziert.3
Auch die Abgrenzung geographischer Angaben zu reinen Phantasiebezeichnungen (Capri
Fruchtsaft) ist ein Problem, dessen Lösung eine Einzelfallentscheidung erfordert. Es dürfte
sehr schwierig sein, eine generelle Entscheidungsregel zu finden, die jedem Einzelfall gerecht
wird.
3
Vgl. hierzu ausführlich Harte-Bavendamm, H.: Ende der geographischen Herkunftsbezeichnung? - "Brüsseler
Spitzen" gegen ergänzenden nationalen Rechtsschutz -, in Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Heft 10
S. 717 - 729, 1996.
16
Die Abgrenzung von geographischen Herkunftsangaben zu privaten Marken ist nicht immer
leicht. Dies zeigt das auch Beispiel „Rügenwalder Teewurst"4.
Ganz brisant ist die Grenzziehung kombinierten und qualifizierten Herkunftsangaben
angesichts der im regionalen Marketing in Deutschland verwendeten Bezeichnungen:
"Herkunft und Qualität aus Baden-Württemberg", "Qualität aus Bayern - Garantierte
Herkunft", "Gutes aus Hessen" oder "Original Thüringer Qualität". Nach Gemeinschaftsrecht
sind geographische Herkunftsangaben nur dann schützenswert, wenn eine Beziehung
zwischen Herkunft und qualitätsbestimmenden Eigenschaften besteht. Solche Bezeichnungen
können daher nicht nach der Verordnung 2081/92 geschützt werden, könnten jedoch dem
Geltungsbereich der Verordnung unterliegen und wären dann unzulässig.
Mit der Übernahme der Verordnung EWG Nr. 2081/92 in das deutsche
Markenrecht
befinden sich im deutschen Recht seit 1995 zwei unterschiedliche Ansätze zum Schutz der
geographischen
Angaben.
Diese
unterschiedlichen
rechtlichen
Ansätze
führen
zu
unterschiedlichen Auffassungen über die gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit der Herkunftsund Gütezeichen.
In der staatlichen Absatzförderung, durchgeführt von der CMA und den jeweiligen
Institutionen in den einzelnen Bundesländern, hat die Herausstellung des nationalen
Ursprungs bzw. der Herkunft aus dem jeweiligen Bundesland unter Betonung der sich hieraus
ergebenden Qualität eine lange Tradition. Die Europäische Kommission geht davon aus, dass
eine staatliche Unterstützung von Werbemaßnahmen für Produkte einer bestimmte Herkunft
nach Gemeinschaftsrecht nur dann zulässig ist, wenn diese Produkte den rechtlichen Schutz
der Verordnung 2081/92 erhalten haben. Im Januar 1998 übersandte die Kommission der
deutschen Regierung ein Mahnschreiben hinsichtlich des CMA-Gütezeichens. Gleichermaßen
betroffen sind auch die Herkunfts- und Gütezeichen einzelner Bundesländern. Im Juni 1998
antwortete
die
Bundesrepublik
Deutschland.
Diese
Antwort
war
jedoch
nicht
zufriedenstellend.
Am 5. November 2002 ist hierzu ein Urteil des Europäischen Gerichtshof ergangen. In diesem
Urteil wird folgendes für Recht erkannt und entschieden: "Die Bundesrepublik Deutschland
4
Fleischwarenbetriebe, die nicht dem Verband Rügenwalder Wurstfabriken e.V. angehörten, haben die
Bezeichnung „Rügenwalder Teewurst" verwendet. Diese Bezeichnung ist seit 1976 durch den RAL anerkannt
und registriert. Das Oberlandesgericht Hamburg untersagte den Betrieben die Verwendung der Bezeichnung, da
„Rügenwalder Teewurst" nicht eine als Kollektivmarke eingetragene geographische Herkunftsbezeichnung sei,
sondern ein markenschutzfähiges Zeichen, weil es geeignet ist, die Mitglieder des Inhabers der Kollektivmarke
von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (Lebensmittel Zeitung Nr. 10 vom 12.3.1999, S. 30).
17
hat durch die Vergabe des Gütezeichens Markenqualität aus deutschen Landen an in
Deutschland hergestellte Fertigerzeugnisse bestimmter Qualität gegen íhre Verpflichtungen
aus Artikel 30 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 28) verstoßen. Nach ständiger
Rechtsprechung bezweckt Artikel 30 EG-Vertrag das Verbot jeder Regelung oder sonstigen
Maßnahme der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel
unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern.5
Es bleibt abzuwarten, welchen Weg das CMA-Gütezeichen weiterhin beschreiten wird. Mit
der Öffnung des Gütezeichens für Anbieter aus anderen Ländern der EU dürfte es nicht getan
sein.
Der Freistaat Bayern hat bereits einen möglichen Weg vorgezeigt. Bayern startete zunächst
mit „Geprüfte Qualität – Bayern“ für Rindfleisch. Die EU-Kommission hat es als erstes
Zeichen nach der neuen, im September 2001 verabschiedeten, EU-Werbeleitlinie genehmigt.
Bei der Bekanntgabe der Genehmigung durch die EU-Kommission am 13.02.2002 hat
Kommissar Dr. Franz Fischler erklärt: „Ich unterstütze diese Initiative voll und ganz. Das
Qualitätszeichen ist Teil eines umfassenden Qualitätssicherungs- und Kontrollprogramms.“6
Bayern will das neue Qualitätssicherungsprogramm Zug um Zug auch auf die übrigen
landwirtschaftlichen Produkte übertragen, die bisher im Programm „Qualität aus Bayern –
Geprüfte Herkunft“, vertreten waren, kündigte Staatsminister Josef Miller an.7 Die
entsprechenden Programminhalte sind bereits erarbeitet. Vor ihrem Inkrafttreten müssen sie
allerdings noch der EU-Kommission zur Genehmigung vorgelegt werden.
Der Streit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Kommission der Europäischen
Union hat dazu geführt, dass in der staatlich finanzierten Werbung nicht mehr der
Zusammenhang zwischen Herkunft und Qualität in der selben Weise hergestellt wird, wie
noch vor einigen Monaten geschehen. So wird nicht mehr die Herkunft herausgehoben,
sondern die Kontrolle durch das jeweilige Bundesland.
Nicht
nur
die
Marketingorganisationen
für
Agrarprodukte,
sondern
auch
das
Umweltbundesamt richten sich seit einigen Monaten bereits nach der Rechtsauffassung der
5
vgl. Urteil der Gerichtshofes vom 5. November 2002 (http://curia.eu.int/jurisp/ vom 6. 11. 2002).
6
Manuskriptfassung: Bekanntmachung des neuen Qualitäts- und Herkunftszeichens „Geprüfte Qualität –
Bayern“ in München durch Staatsminister Josef Miller anlässlich der Pressekonferenz zur Bekanntmachung des
neuen Qualitäts- und Herkunftszeichens „Geprüfte Qualität – Bayern“ am 21. Oktober 2002 in München
(http://www.stmelf.bayern.de/ vom 21. 11. 2002).
7
ebenda.
18
Kommission über die gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit staatlicher Produktempfehlungen
bei regionalen Produkten. Die positiven Effekte des Einkaufs von Getränken aus der Region
auf die regionale Wirtschaft und die Regionalinitiativen, die regionale Produkte erzeugen und
vertreiben, wurden aus den "Tipps für den Getränkekauf" des Umweltbundesamtes
gestrichen.
Mit der Verordnung EWG Nr. 2081/92 treffen nicht nur zwei unterschiedliche Auffassungen
über das Markenrecht und das Beihilferecht aufeinander, sondern ganz generell zwei
unterschiedliche politische und kulturelle Systeme.
Der Konflikt in dem Markenrecht, der dem Konflikt über die Zulässigkeit staatlicher
Werbung für Produkt regionaler Herkunft zu Grunde liegt, kann nur durch die staatliche
Gesetzgebung oder Gerichtsentscheidungen gelöst werden und wird in den nächsten Jahren
voraussichtlich anhand von Einzelfallentscheidungen entschieden.
Der Konflikt in den politischen Systemen über die Zulässigkeit staatlicher Produktinformation
mit Herausstellung der Regionalität des Produktes und der sich hieraus ergebenden Vorzüge
ist durch Einlenken der deutschen staatlichen Institutionen gelöst worden. Hier hat das Urteil
des Europäischen Gerichtshofes keine Überraschungen gebracht.
Leider haben die Bundesregierung und die Bundesländer, vielleicht mit Ausnahme Bayerns,
bisher nur in der Defensive verharrt. Die Chancen, die das gemeinschaftsrechtliche
Schutzsystem aufgrund der Verordnung 2081/92 für die Vermarktung regionaler Produkte
bietet, werden nur sehr zögerlich, wenn überhaupt, realisiert.
In Frankreich haben die qualifizierten Herkunftsangaben eine lange Tradition, insbesondere
auch der rechtliche Schutz und die finanzielle Unterstützung durch den Staat. Auch in Italien
und den anderen Mittelmeeranrainerstaaten der EU trifft der rechtliche, politische, kulturelle
und wirtschaftliche Hintergrund der Verordnung 2081/92 auf ähnliche Traditionen.
Ganz anders in Deutschland. Während andere Länder qualifizierte geographische Herkunftsangaben durch den Ausbau bereits vorhandener Institutionen und durch finanzielle
Unterstützung vorantreiben, ist in Deutschland bisher nur die kombinierte Herkunftsangabe
unterstützt worden.
In diesem Gutachten wird zuerst die Bedeutung der geographischen Herkunftsangabe für die
Verbraucher vorgestellt. Es folgt eine Darstellung des markenrechtlichen Schutzes sowie der
beihilfenrechtlichen
Herkunftsangaben.
Zulässigkeit
Die
der
Bedeutung
und
staatlichen
Förderung
von
geographischen
Nutzung von geschützten geographischen
19
Herkunftsangaben in Deutschland und in anderen Ländern der EU werden untersucht. Das
Gutachten schließt mit einem Vorschlag, wie regionale Produkte in Deutschland gefördert
werden könnten.
20
2. Bedeutung der geographischen Herkunftsangabe für die Verbraucher8
Zunehmend wird die Herkunft eines Nahrungsmittels von den Verbrauchern als ein
bestimmender
Faktor
der
Kaufentscheidung
angesehen.
Eine
Reihe
von
Verbraucherbefragungen kommen zu dem Ergebnis, dass das Ursprungsland bzw. die
Ursprungsregion einer der wichtigsten Faktoren für die Kaufentscheidung der Verbraucher ist.
Dies gilt nicht nur für die Verbraucher in Deutschland9, sondern auch für die Verbraucher in
den anderen Mitgliedstaaten der Europäisches Union10.
Die zunehmende Bedeutung der regionalen bzw. nationalen Herkunft eines Nahrungsmittels
für den Verbraucher ist jedoch nicht nur darauf zurückzuführen, dass die Grundbedürfnisse
der Verbraucher nach Menge, Sicherheit und Auswahlmöglichkeiten der Nahrungsmittel
weitestgehend gedeckt sind, sondern auch auf (zumindest) drei weitere Faktoren.
Bei der Herkunft handelt es sich um einen Begriff, der zum Allgemeinwissen der Verbraucher
gehört. Es ist kein Expertenwissen notwendig, um zu verstehen, was mit "Fleisch deutscher
8
Hier wird immer von dem Verbraucher bzw. den Verbrauchern als Gattungsbegriff die Rede sein. Ich werde in
der Regel nicht zwischen Verbraucher und Verbraucherinnen unterscheiden. Auch den Begriff VerbraucherIn
werde ich nicht benutzen, da ich davon ausgehe, dass der Begriff Verbraucher als Gattungsbezeichnung
anzusehen ist, und damit keine spezifisch weibliche oder männliche Qualität verbunden wird.
9
Frohn, H.: Qualitäts- und Herkunftszeichen für Nahrungsmittel in Deutschland, Bonn 1996; Hamm, U., M.
Müller, E.-M. Flick: Einkaufsverhalten in Nordost-Deutschland, Reihe A: Band 1, Neubrandenburg, 1996;
Hauser, A.: Verbraucherpräferenzen für Nahrungsmittel aus der näheren Umgebung: Analyse einer
Repräsentativbefragung bei nordrhein-westfälischen Verbrauchern, Agrimedia: Pinneberg-Waldau, 1993;
Hensche, H-U., A. Hauser, M. Reiniger, C. Wildraut: Verbraucherpräferenzen für Nahrungsmittel aus der
näheren Umgebung - eine Chance für marktorientierte Landwirte, Empirische Ergebnisse aus NordrheinWestfalen, Vauk: Kiel 1993; v. Alvensleben, R., S.-K. Schrader: Consumer Attitudes towards Regional Products
- A Case-Study for Northern Germany -, in: AIR-CAT Food for the Consumer, Measurements of Consumer
Attitudes Vol. 5, No. 1 1999; Weltzel, F.: Consumer Preferences for Food of Specific Regions/Countries: The
Case of Germany, in: AIR-CAT Food for the Consumer Measurements of Consumer Attitudes Vol. 4 No. 3,
1998; Wirtghen, B., H. Kuhnert, M. Altmann, J. Osterloh, A. Wirtghen: Die regionale Herkunft von
Lebensmitteln und ihre Bedeutung für die Einkaufsentscheidung der Verbraucher - auf der Basis von
Verbraucherbefragungen in drei benachbarten Regionen Deutschlands-, in: Berichte über Landwirtschaft, Bd. 77
(2), 1999; Wolffram, R.: Konzepte zum Aufbau regionaler Vermarktungsstrukturen in Nordrhein-Westfalen, in:
Agrar-Europe 12/97 Sonderbeilage 1997.
10
Becker, T.: 'Country of Origin' as a Cue for Quality and Safety of Fresh Meat. In: Sylvander, B., D. Barjolle
and F. Artini (Hrsg.): "The socio-economics of origin labelled products in agrifood supply chains: spatial,
institutional and co-ordination aspects". Economie et sociologie rurales "Actes et Communications No. 17-1. Le
Mans: INRA-UREQUA. November 2000, S. 187-208, Glitsch, K.: Verhalten europäischer Konsumenten und
Konsumentinnen gegenüber Fleisch: eine theoretische und empirische Analyse, Frankfurt/M: Lang, 1999;
Trognon, L., J-P. Bousset, J. Brannigan, L. Lagrange: Consumers' Attitudes towards Regional Food Products. A
Comperison between five different European Countries, 67th EAAE Seminar, Le Mans 1999.
21
Herkunft", "Gemüse aus Holland", "Französischer Käse", oder "Spanisches Olivenöl" gemeint
ist.11 Die Verbindung von nationaler Herkunft und Qualität ist den Verbrauchern geläufig.
Weiterhin wird mit einer geographischen Herkunftsangaben das Image der jeweiligen Region
zu dem Verbraucher transportiert. Dieses Image, welches Markenprodukte erst mühsam
aufbauen müssen, kann positiv auf die Wahrnehmung des jeweiligen Produktes ausstrahlen.
Auch die Skandale im Lebensmittelbereich tragen Weiteres dazu bei, um diese Verbindung in
der Wahrnehmung der Verbraucher zu verstärken. Mit jedem Lebensmittelskandal, der vor
allem Produkte einer Region bzw. eines Landes betrifft (Österreichischer Wein, Spanisches
Olivenöl, Britisches Rindfleisch, Belgische Hühnereier etc.), wird die Bedeutung der
Herkunft herausgestellt und damit die Bedeutung dieses Qualitätssignals in der Wahrnehmung
der Verbraucher aufgewertet.
2.1. Die geographische Herkunftsangabe als Qualitätssignal
Die herausragende Bedeutung der Herkunft als Qualitätssignal wird dem Verbraucher durch
die Herausstellung der Herkunft als Verkaufsargument beim Einkauf, in der Werbung und
durch die Presse vermittelt.
Bei Agrarprodukten und Lebensmitteln stehen den Verbrauchern nur wenige andere
Qualitätssignale außer der geographischen Herkunft zur Verfügung. Damit wird die
Bedeutung der Herkunft als Qualitätssignal bei Agrarprodukten und Lebensmitteln von den
Verbrauchern besonders gewürdigt. Insbesondere bei frischem Fleisch sowie Obst und
Gemüse stehen den Verbrauchern nur wenig (andere) Qualitätssignale zur Produktbewertung
zur
Verfügung
stehen.
Gerade
für
Thekenprodukte
kommt
der
geographischen
Herkunftsangabe eine besondere Bedeutung zu. Bei verpackten Lebensmitteln hingegen
lassen sich mit der Verpackung auch andere Qualitätssignale transportieren, die das
Informationsbedürfnis der Verbraucher befriedigen können.
Wenn nur wenige Qualitätssignale vorhanden sind und auf der anderen Seite ein großes
Bedürfnis der Verbraucher an einer Bewertung der Produkte besteht, kann es zu einer
11
Exakt zu definieren, was z. B. mit "Fleisch deutscher Herkunft" genau gemeint ist, ist hingegen sehr viel
schwieriger, da Tiere in einem Land geboren und aufgezogen, in einem anderen Land gemästet und in einem
dritten Land geschlachtet werden können.
22
subjektiven Überinterpretation von Qualitätssignalen kommen. Dies gilt insbesondere für die
Vertrauenseigenschaften eines Produktes, wie der geographischen Herkunft.12
Es können drei Kategorien von Eigenschaften unterschieden werden: Such-, Erfahrungs- und
Vertrauenseigenschaften. Eine Sucheigenschaft ist eine solche Eigenschaft des Produktes, die
dem Verbraucher bereits beim Kauf hinreichend bekannt, wie z.B. die Farbe oder generell das
Aussehen. Eine Erfahrungseigenschaft hingegen wird erst im Konsum (Verzehr) erfahren, wie
die Zartheit des Fleisches oder generell der Geschmack des Produktes. Bei einer
Vertrauenseigenschaft hingegen kann die jeweilige Konsumentin oder der Konsument diese
nicht mit seinen eigenen Sinnen erfahren, sondern ist hier auf andere Informationsquellen
angewiesen, wie z.B. der Produktkennzeichnung.
Je
weniger
Qualitätssignale
dem
Verbraucher
zur
Verfügung
stehen,
um
die
Vertrauenseigenschaften in dem jeweiligen Produkt zu beurteilen, um so mehr Bedeutung
wird den einzelnen, wenigen Qualitätssignalen für Vertrauenseigenschaften zugeschrieben.13
Auch ein Ausweichen auf andere Informationsquellen wird erfolgen. Je weniger
Qualitätssignale der Verbraucher mit dem jeweiligen Produkt selbst erhält, um so eher wird er
bzw. sie zur Produktinformation auf andere, produkt-unspezifischere Informationsquellen,
wie die Medien zurückgreifen.
Beispiele für Vertrauenseigenschaften sind die Herkunft, die Form der Tierhaltung, die
Umweltgerechtigkeit der Produktion, der Verzicht auf den Einsatz gentechnisch veränderter
Agrarprodukte, oder ganz generell die gesamte Politik desjenigen Unternehmens, welches das
jeweilige Lebensmittel herstellt bzw. in den Verkehr bringt. Auch die Belastung mit
Schadstoffen, Mikroorganismen und sonstige Kontaminationen sind in der Regel vom
Verbraucher weder beobachtbar noch werden diese im Konsum erfahren und gehören daher
zu der Kategorie der Vertrauenseigenschaften.
12
Diese Bezeichnung steht für Produkteigenschaften, die weder vor noch nach dem Kauf vom Verbraucher
verifiziert werden können, vgl. z.B. Becker, T.: Quality Policy and Consumer Behavior. In: Schiefer, G. und R.
Helbig (Hrsg.): Quality Management and Process Improvement for Competitive Advantage in Agriculture and
Food. Volume I. Proceedings of the 49th Seminar of the European Association of Agricultural Economists
(EAAE), February 19-21, 1997, Bonn, Germany. Bonn 1997, S. 7 - 28; oder auch Becker T.: Consumer
Perception of Fresh Meat Quality: A Framework for Analysis. In: British Food Journal, Vol. 102, No. 3, 2000. S.
158-176.
13
Dies ist empirisch belegt. Für einen Überblick vgl. Liefeld: Experiments on Country-of-Origin Effects:
Review and Meta-Analysis of Effect Size. In: Papadopoulos, N. und L.A. Heslop (Hrsg.): Product Country
Images - Impact and Role in International Marketing, New York: International Business Press, 1993.
23
Im günstigsten Fall, d.h. bei einer vertrauenswürdigen Kennzeichnung, vertraut der
Verbraucher einer Herkunftsangabe genauso, wie den (anderen) Angaben auf dem Etikett
eines Lebensmittels. Im ungünstigsten Fall, z. B. bei einer nicht vertrauenswürdigen Auskunft
des Verkaufspersonals, geht der Verbraucher bzw. die Verbraucherin davon aus, dass das,
was der/die Verkäufer/in ihm bzw. ihr erzählt, billiges Geschwätz ist.
Damit einer geographische Herkunftsangabe vertraut werden kann, ist diese zu definieren und
zu kontrollieren. Die Kontrolle sollte in der Regel direkt durch Dritte vorgenommen bzw.
durch diese kontrolliert werden. Nur wenn der geographischen Herkunftsangabe als einem
geschützten Herkunftszeichen vertraut werden kann, kann die Herkunftsangabe sich auch
mittel- und langfristig als Qualitätssignal etablieren.
2.2. Die
geographische
Herkunftsangabe
als
staatlich
kontrollierter
Qualitätsstandard
Qualitätsstandards für Sucheigenschaften sind überflüssig und verringern in der Regel die
soziale Wohlfahrt, da das mögliche Qualitätsspektrum auf dem Markt hierdurch nur
eingeschränkt wird. Daher lassen sich freiwillige oder verpflichtende Standards bei einem
ansonsten funktionsfähigen Wettbewerbsmarkt ökonomisch nicht rechtfertigen.14
Qualitätsstandards für Erfahrungseigenschaften sind ebenfalls weitestgehend überflüssig,
wenn sich Reputationsmechanismen aufbauen können. Bei Erfahrungseigenschaften besteht
das Problem der Qualitätserosion, jedoch können Marken, Kennzeichnungen und andere
Reputationsmechanismen dafür sorgen, dass sich auch Erfahrungseigenschaften in einem,
wenn nicht perfektem, so jedoch zumindest ausreichendem Umfang auf dem Markt etablieren
können.
Als Vertrauenseigenschaften werden solche qualitätsbestimmenden Produkteigenschaften
bezeichnet, die von dem Verbraucher weder beim Kauf noch in dem Konsum des Produktes
erfahren werden können. Es gibt Vertrauenseigenschaften, die die Lebensmittelsicherheit
betreffen. Hier finden vor allem verpflichtende und für alle verbindliche Mindeststandards für
die
qualitätsbestimmenden
Produkteigenschaften
in
der
Form
von
z.B.
Höchstmengenbegrenzungen für Schwermetalle etc. ihre Anwendung. Aber auch Prozess-
14
Vgl. Becker, T.: The Economics of Food Quality Standards. In: Proceedings of the Second Interdisciplinary
Workshop on Standardization Research, University of the Federal Armed Forces Hamburg, 24. – 27. May 1999.
24
Standards wie das HACCP-Konzept werden zunehmend von gesetzgeberischer Seite zur
Kontrolle der Lebensmittelsicherheit eingesetzt.
Für die Verbraucher sind nicht nur solche Vertrauenseigenschaften von Bedeutung, die die
Lebensmittelsicherheit und Hygiene betreffen, sondern auch solche Vertrauenseigenschaften,
die sich aus Eigenschaften des Produktionsprozesses ergeben. Beispiele sind die
Haltungsform für Legehennen (Batterie-, Boden- oder Freilandhaltung) oder die
umweltgerechte Produktionsweise und insbesondere auch die geographische Herkunft. Mit
der Gesetzgebung in diesem Bereich wird versucht, Verständigungsnormen in der Form von
freiwilligen Prozessstandards zu schaffen.
Die Festlegung von Qualitätsstandards durch die Gesetzgebung ist eine Möglichkeit. Die
zweite Möglichkeit ist die Festlegung des Standards durch die betroffenen Anbieter. Dies ist
bei einem Kollektivmarkenschutz der Fall.
Eine dritte Möglichkeit besteht darin, die Meinung der betroffenen Verkehrskreise den
Qualitätsstandards zugrunde zu legen, wie bei dem deutschen Lebensmittelbuch. Etwas
ähnliches fehlt auf Gemeinschaftsebene. Die Verordnung (EWG) 2081/92 kann als ein
Versuch betrachtet werden, ein Register für die mit geographischen Verständigungsnormen
verbundenen Qualitätsspezifikationen zu erstellen. Ein solches Register ist sehr hilfreich, um
Irreführung und Täuschung justitiabel zu machen und daher zu verhindern.
2.3. Staatlich finanzierte Werbung mit dem Herkunftsargument
Angesichts der Bedeutung des Herkunftsarguments für die Verbraucher ist es nicht weiter
erstaunlich, dass das private Marketing und die staatliche Verkaufsförderung an einer
Herausstellung der Herkunft interessiert sind, weil dieses dem Bedürfnis der Verbraucher
entgegenkommt.
Auf der anderen Seite besteht insbesondere bei geographischen Herkunftsangaben die Gefahr
der Irreführung des Verbrauchers, insbesondere wenn im Marketing oder in der staatlichen
Absatzförderung ein Zusammenhang zwischen Herkunft und Qualität herausgestellt wird,
ohne das ein solcher Zusammenhang tatsächlich nachweisbar ist.
In der staatlich unterstützten Verkaufsförderung liegt eine Herausstellung der Herkunft wie
selbstverständlich im Interesse der finanzierenden Institution. Staatliche Verkaufsförderung
seitens eines Bundeslandes ist daran interessiert, dass die Verkaufsförderung den Produkten
zu Gute kommt, die in dem jeweiligen Bundesland hergestellt oder verarbeitet werden.
25
Verkaufsförderung auf nationaler Ebene ist daran interessiert, dass vor allem in der jeweiligen
Nation hergestellte und verarbeitete Produkte von der Verkaufsförderung profitieren.
Wenn für die Verbraucher erkennbar wird, dass der Staat auf der einen Seite Werbung
betreibt und damit, genauso wie der private Werbetreibende, versucht, die Verbraucher zu
dem Kauf der beworbenen Produkte zu überreden, auf der anderen Seite jedoch gleichzeitig
die unabhängige dritte Instanz darstellt, kommt es zu einer kognitiven Dissonanz.
Diese beiden Rollen des Staates widersprechen sich. Verbraucher gehen zu Recht davon aus,
dass in der Werbung vor allem die positiven Produkteigenschaften herausgestellt. Auf der
anderen Seite erwarten Verbraucher zu Recht, dass der Staat nicht nur die Interessen einer
einzelnen Gruppe sich zu eigen macht, sondern im Gegenteil für einen politischen
Interessensausgleich sorgt. Diese beiden Funktionen des Staates geraten bei der staatlich
unterstützten Absatzwerbung in Konflikt. Der Staat bzw. die Politik verliert hierdurch an
Glaubwürdigkeit.
Dabei vollzieht sich die staatliche Absatzförderung nicht nur im Kontext der Bundesländer
bzw. der Bundesrepublik, sondern insbesondere auch im Kontext des Europäischen
Binnenmarktes. Damit sind aber die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen der
Europäischen Union, die ihren Niederschlag im EU-Rechtssystem finden, maßgeblich für die
Gestaltung der staatlichen Absatzförderung regionaler Produkte. Hierdurch wird der einzelne
Staat in seinen Möglichkeiten eingeschränkt.
26
3. Wettbewerbsrechtlicher Hintergrund und Stand des Konfliktes
Inwieweit herkunftsbezogene Angaben und Werbeaussagen in Deutschland generell geregelt
sind, wird im folgenden dargestellt.
Im privaten Wirtschaftsleben spricht nichts gegen sachlich gestaltete herkunftsbezogene
Informationen, die an den Verbraucher gerichtet sind. Werbung darf auch an die Gefühle der
Umworbenen
appellieren.
15
Leistungswettbewerbes.
Es
gilt
in
Deutschland
der
Grundgedanke
des
Dem Grundsatz des Leistungswettbewerbs steht dabei nicht
entgegen, dass der Werbende die positiven Seiten eines beworbenen Produkts oder dessen
Herstellung betont.16
Geographische Herkunftsangaben als Bezeichnung bzw. Zeichen können im deutschen Recht
geschützt werden, sobald die so bezeichneten Erzeugnisse aus dem Ort, der Gegend, dem
Gebiet oder dem Land stammen, das durch diese Angabe bezeichnet wird.17 Das
Gemeinschaftsrecht kennt hier nur die geschützte Ursprungsbezeichnung und die geschützte
geographische Angabe. Es besteht kein gemeinschaftsrechtlicher Schutz der einfachen
Herkunftsangabe.
Wenn allerdings bei der Benutzung von Angaben oder Zeichen eine Gefahr der Irreführung
über die geographische Herkunft besteht, ist ein Schutz nach deutschem Markenrecht
ausgeschlossen.18 Der gleiche Grundsatz gilt für Werbeaussagen, insbesondere bei solchen für
Lebensmitteln, auch diese dürfen den Verbraucher nicht über die Herkunft täuschen.19 Zudem
kann entsprechend dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, derjenige, welcher im
Wettbewerb über den Ursprung irreführende Angaben macht, auf Unterlassung der Angaben
15
Landesgericht Oldenburg 1995 Urteil - 5.0. 1327/95 vom 28.07. 1995.
16
Bundesgerichtshof: BGH - Urteil - I ZR 213/93 - 14.12.95.
(http://www.vrp.de/archiv/rupdig/apr96/aktuell/ar297.htm 19.11.1999)
17
Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen (Markengesetz): § 126 - §128. In:
Wettbewerbsrecht und Kartellrecht. Nördlingen: DTV, 1997
18
ebenda § 127
19
nach Artikel 17 Absatz 1 Punkt 5 Lebensmittel und Bedarfsgegenstände Gesetz. In: Meyer, A. H.:
Lebensmittelrecht: Leitfaden für Studium und Praxis. Stuttgart: Wiss. Verl. Ges., 1998.
27
in Anspruch genommen werden.20 Selbst wer dabei "nur" gegen die guten Sitten verstößt,
kann haftbar gemacht werden.21
Bereiche des Schutzes der geographischen Herkunftsangaben
Schutz der
Herkunftsangaben
Schutz der
Mitbewerber vor
unfairen
Handelspraktiken
Schutz und Förderung
der regionalen Anbieter
Schutz der
Verbraucher vor
Irreführung
Unabhängige
Kontrolle
Freihaltebedürfnis
Schutz vor Rufausbeutung,
-anlehnung und Abgleiten
zu einem Gattungsbegriff
Staatliche
Förderung
Definition und
Kontrolle
der
geographischen
Herkunftsangabe
Es gibt drei Bereiche, die von einem Schutz der geographischen Herkunftsangaben betroffen
sind oder sein können.
Die Mitbewerber sind vor unlauterem Wettbewerb zu schützen. Insbesondere sind
(potentielle) Mitbewerber vor einer Schädigung durch die "Aneignung" der geographischen
Herkunftsangabe durch einen bestimmten Anbieter in der Region zu schützen. Es besteht ein
Freihaltebedürfnis für geographische Herkunftsangaben.
20
nach Artikel 3 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. In: Wettbewerbsrecht und Kartellrecht. Nördlingen:
DTV, 1997.
21
nach Artikel 1 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. In: Wettbewerbsrecht und Kartellrecht. Nördlingen:
DTV, 1997.
28
Die regionalen Anbieter, die die geographische Herkunftsangabe als "Kollektivmarke"
benutzen wollen, sind davor zu schützen, dass der Ruf dieser "Marke" ausgebeutet wird, eine
Anlehnung erfolgt oder gar zu einem Gattungsbegriff abgleitet.
Der gemeinschaftsrechtliche Schutz der geographischen Herkunftszeichen ist maßgeblich
strukturpolitisch bestimmt. Damit wird eine staatliche Förderung begründet.
Als dritten Bereich betrifft der Schutz der geographischen Herkunftsangaben die Verbraucher.
Diese sind vor Irreführung und Täuschung zu schützen. Maßgebend kann die
Verkehrsauffassung sein, ob es sich um eine einfache, eine kombinierte oder um eine
qualifizierte Herkunftsangabe handelt. Die Verbraucher sind vor Täuschung zu schützen.
Auf Gemeinschaftsebene werden die Lebensmittelkennzeichnung und Werbebehauptungen
geregelt. Der Schutz der geographischen Herkunftsbezeichnungen wird im Rechtssystem der
EU ebenfalls dem Lebensmittelrecht zugerechnet.22 Dieser Bereich gehört zu den weitgehend
harmonisierten Gesetzesbereichen.
Hingegen ist der Schutz geographischer Herkunftsangaben im deutschen Recht Teil des
Markenrechts und damit des Wettbewerbsrecht. Bei dem Wettbewerbsrecht handelt es sich
um einen auf Gemeinschaftsebene bisher weitgehend nicht harmonisierten Bereich.
Insbesondere das Verhältnis des deutschen Markenrechts zu dem gemeinschaftlichen Recht,
wie es sich aus dem EG-Vertrag ergibt, ist offen.23
Im folgenden wird zunächst auf das Markenrecht eingegangen werden, da eine Konkurrenz
zwischen Gemeinschaftsschutz und dem nationalem Markenschutz besteht.24 Danach wird
genauer dargestellt, was der Schutz des Verbrauchers vor Irreführung und Täuschung für die
geographischen Herkunftsangaben bedeutet. Auch auf den Rechtsrahmen der EU wird
eingegangen. Abschließend werden in diesem Kapitel die kritischen Probleme dargestellt, die
sich durch das gleichzeitige Nebeneinander von zwei nicht kompatiblen Rechtstraditionen
ergeben. Weitgehend geklärt ist das Verhältnis von Gemeinschaftsrecht und deutschem
Markenrecht in Bezug auf die einfache Herkunftsangabe. Ungeklärt ist jedoch das Verhältnis
von Gemeinschaftsrecht zu deutschem Markenrecht in Bezug auf die kombinierte
22
Vgl. Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL): Das gemeinschaftliche Lebensmittelrecht Eine Zwischenbilanz zum 31.12. 1998. Reinheim: 3er Druck, 1999.
23
Vgl. Meyer, A. H.: Lebensmittelrecht: Leitfaden für Studium und Praxis. Stuttgart: Wiss.Verl.-Ges, 1998. S.
150.
29
Herkunftsangabe. Wenn diese in den rechtlichen Gegenstandsbereich der Verordnung
2081/92 fällt, so muss ein Link zwischen Herkunft und Qualität nachgewiesen werden,
ansonsten handelt es sich um eine unzulässige Kennzeichnung und damit um unlauteren
Wettbewerb und Verbrauchertäuschung. Falls diese nicht in den Regelungsbereich der
Verordnung 2081/92 fallen würde, würden die Ziele, die mit der Verordnung verfolgt werden,
konterkariert werden. Doch die markenrechtliche Frage ist noch immer nicht geklärt. Auch in
Bezug auf den Grad des Schutzes besteht noch eine Uneinigkeit, die ihren Ausdruck in
Gerichtsentscheidungen
findet.
In
Bezug
auf
die
Abgrenzung
der
qualifizierten
Herkunftsangabe zum Gattungsbegriff widerspricht sogar der Europäische Gerichtshof seinen
eigenen früheren Entscheidungen, so geschehen im Fall "Feta".
3.1. Rechtsrahmen in der Bundesrepublik Deutschland25
Der Schutz der geographischen Herkunftsbezeichnungen wird im deutschen Markengesetz
geregelt. Vor der Gültigkeit des neuen Markengesetzes aus 1995 gab es in deutschem Recht
kein subjektives Recht an geographischen Herkunftsangaben. Es wurde kein absolutes Recht
zur ausschließlichen Benutzung der Herkunftsangaben, wie es bei Warenzeichen der Fall ist,
gewährt. Ein Schutz geographischer Herkunftsangaben erfolgte nur indirekt durch den Schutz
vor unlauterem Wettbewerb und gegen Irreführung des Verkehrs. Maßgeblich dafür, ob eine
Irreführung des Verkehrs vorliegt, ist die gängige Verkehrsauffassung. Aus dem Verbot, im
geschäftlichen Verkehr falsche Herkunftsangaben zu benutzen, folgte lediglich mittelbar und
nur als Rechtsreflex der Schutz der Herkunftsangabe selbst.26
Das neue Markengesetz von 1995 hingegen beruht auf der Konzeption eines umfassenden
Kennzeichenschutzes. Der Schutz aller geschäftlichen Kennzeichen, auch geographische
Herkunftsangaben werden als solche genannt, ist das Ziel dieses Gesetzes. Das neue
Markengesetz ordnet die geographische Herkunftsangabe in einer Reihe mit den Marken und
den
geschäftlichen
Bezeichnungen
ein
und
erkennt
damit
ausdrücklich
ihren
Kennzeichencharakter an.
24
Vgl. hierzu z.B. Meyer, A. H.: Lebensmittelrecht: Leitfaden für Studium und Praxis. Stuttgart: Wiss.Verl.Ges, 1998, S. 150 oder Tilmann, W.: EG-Schutz für geographische Angaben, in: Gewerblicher Rechtsschutz und
Urheberrecht Heft 2 1992, S. 831.
25
Die Abschnitte 3.1 bis 3.4 basieren weitgehend auf Becker, T. und E. Benner: Zur Problematik der
Herkunftsangabe im regionalen Marketing. Arbeitsbericht Nr. 1, Hohenheim 2000.
26
Vgl. Knaak, R.: Der Schutz geographischer Herkunftsangaben im neuen Markengesetz, in: Gewerblicher
Rechtsschutz und Urheberrecht Heft 2, 1995, S. 104.
30
Das neue Markengesetz27 sieht ein dreistufiges Schutzsystem vor. Es besteht auf der ersten
Stufe der klassische Irreführungsschutz für geographische Herkunftsangaben. Solche
Angaben dürfen nicht für Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft verwendet werden,
wenn dadurch eine Irreführungsgefahr über die geographische Herkunft hervorgerufen wird.
Entscheidend dafür ob eine Irreführung vorliegt, ist, wie generell im deutschen Recht, die
Verkehrsauffassung. Die entsprechende Verkehrsauffassung ist schutzwürdig.
Auf der zweiten Stufe stehen die qualitätsabhängigen geographischen Herkunftsangaben.
Diese genießen insbesondere auch Schutz vor einer missbräuchlichen Benutzung für Waren
gleicher Herkunft, also durch Ortsansässige, wenn die Beschaffenheitsmerkmale der Ware
nicht den ortsüblichen Herstellungsgrundsätzen bzw. Qualitätsanforderungen entsprechen.
Auf der dritten Stufe stehen die Herkunftsangaben mit besonderem Ruf. Die
Gesetzesbegründung bezeichnet diese Herkunftsangaben als bekannte oder berühmte
geographische Herkunftsangaben. Diese Bezeichnungen genießen auch einen Schutz vor
Verwässerung oder Rufausbeute. Dieser Schutz entspricht dem Anlehnungsschutz.
Das neue Markengesetz sieht erstmalig auch einen Schutz geographischer Kollektivmarken
vor. Mit der Anmeldung muss eine Markensatzung vorgelegt werden. Qualitätsbedingungen,
die der Verkehr erwartet und die den ergänzenden Kollektivschutz begründen, müssen als
Benutzungsbedingungen in die Satzung aufgenommen werden. Weiterhin besteht bei
geographischen Kollektivmarken ein Beitrittsrecht aller ortsansässigen Hersteller, deren
Waren den in der Satzung enthaltenen Benutzungsbedingungen entsprechen. Auch bei den auf
Gemeinschaftsebene geschützten geographischen Herkunftsangaben besteht eine solche Form
des Kollektivschutzes.
Nach deutschem Recht kann es zu einem Individualschutz geographischer Herkunftsangaben
in folgenden Fällen kommen: bei fehlendem Freihaltebedürfnis, bei einer Überwindung dieses
Freihaltebedüfnisses durch Verkehrsdurchsetzung als Marke und bei geographischen
Herkunftsangaben, die als Bestandteil von Kombinationszeichen für ortsansässige
Unternehmen eingetragen sind. Dieser Schutz hat keine Entsprechung im gemeinschaftlichen
Recht.
27
Vgl. zu den folgenden Abschnitten ebenda
31
3.2. Schutz des Verbrauchers vor Irreführung
Für die Entscheidung, ob eine Irreführung des Verbrauchers vorliegt, ist von einem
Verbraucherleitbild auszugehen. Das deutsche Recht, ähnlich wie das Gemeinschaftsrecht,
verbietet die Irreführung des Verbrauchers.
Sowohl im deutschen als auch im gemeinschaftlichen Lebensmittelrecht wird von dem
Leitbild des verständigen Verbrauchers ausgegangen. Im Lebensmittelrecht, als einem
weitgehend harmonisierten Bereich, stimmt das Verbraucherleitbild des deutschen Rechts mit
dem Verbraucherleitbild des Gemeinschaftsrechts überein. Im deutschen Lebensmittelrecht
gehört der Bereich der Kennzeichnung und damit der irreführenden Angaben zu den
harmonisierten Bereichen.
Innerhalb
des
deutschen
Verbraucherleitbildern.
Das
Rechts
gibt
es
jedoch
Wettbewerbsrecht,
als
Unterschiede
weitgehend
zwischen
nicht
mit
den
dem
Gemeinschaftsrecht harmonisierter Bereich, geht von dem flüchtigen Verbraucher aus. Der
flüchtige Verbraucher des deutschen Wettbewerbsrechts widerspricht dem Leitbild des
verständigen Verbrauchers des deutschen und des gemeinschaftlichen Lebensmittelrechts.28
Der Europäische Gerichtshof gibt im Lebensmittelrecht den nationalen Gerichten einen
Rahmen zur Bestimmung der Irreführungsgefahr vor. Einer normativen Stabilisierung
überkommener Verbrauchervorstellungen über geringe Irreführungsquoten, wie sie das
deutsche Recht in der Vergangenheit kennzeichnete, erteilt er dabei eine deutliche Absage.
Für den Europäischen Gerichtshof ist das Leitbild ein Verbraucher, der nicht nur ein Recht
auf Information hat, sondern dem auch eine Informationsbeschaffungslast aufgebürdet wird.29
Das Leitbild des verständigen Verbrauchers hat sich auf Gemeinschaftsebene durchgesetzt
und wird mittlerweile auch von der deutschen Rechtsprechung in nicht harmonisierten
Bereichen angewendet. Obwohl in dem deutschen Wettbewerbsrecht regelmäßig bei der
Prüfung des Aussagegehaltes einer Werbung von der Auffassung eines flüchtigen
Verbrauchers
ausgegangen
wurde,
lassen
jedoch
jüngste
Entscheidungen
des
Bundesgerichtshofs ein Abrücken vom flüchtigen hin zum verständigen Verbraucher
erkennen.30 In der deutschen Rechtsprechung scheint ein Paradigmenwechsel von den
28
Vgl. Meyer, A. H.: Lebensmittelrecht: Leitfaden für Studium und Praxis, Stuttgart: Wiss.Verl.-Ges. 1998, S.
92 ff.
29
ebenda S. 92ff.
30
Vgl. hierzu "EuGH Urteil wird vorsichtig bewertet" in Lebensmittel Zeitung vom 30. Juli 1998.
32
empirisch ermittelten Verbrauchervorstellungen als Grundlage der Entscheidung, ob es sich
um eine Irreführung des Verbrauchers handelt hin zur normativen Bestimmung der
Verbrauchervorstellungen stattzufinden.
Im sogenannten Wiesenhof-Urteil31 wird deutlich, dass sich die Rechtsprechung deutscher
Gerichte von der Auffassung der Kommission nicht allzu sehr unterscheidet. Dieses Urteil
zeigt insbesondere, inwiefern Herkunftsbezeichnungen in der Werbung in der Lage sind, den
Verkehr irrezuführen.
3.3. Wiesenhof-Urteil
In 1995 wurde ein Gerichtsverfahren über mehrere Instanzen zwischen Wiesenhof GeflügelKontor GmbH und dem französischen Geflügelverband C.I.D.E.F. geführt.32 Aus dem Urteil
der zweiten Instanz geht hervor, dass im Hinblick auf Herkunftsangaben deren Sachlichkeit
und
das
Prinzip
des
Leistungswettbewerbs
zu
beachten
sind.
So
darf
eine
Herkunftsbezeichnung weder derart unsachlich aufgemacht sein, dass sie den Verbraucher
über die wahre Herkunft täuscht. Noch darf die Herkunftsbezeichnung in überzogener und
ständiger Weise auf die deutsche/regionale Herkunft eines Produktes hinweisen und an die
"chauvinistischen Gefühle" der Verbraucher appellieren, so dass durch Ausnutzung der
Gefühle der Leistungswettbewerb außer Kraft gesetzt wird. Denn eine mehrfache Betonung
der Herkunft z.B. Deutsch enthält einen mittelbaren Appell an den Verbraucher, keinen Preisbzw. Leistungsvergleich zwischen inländischen und ausländischen Produkten vorzunehmen,
sondern das beworbene Produkt allein aufgrund seiner Herkunft zu kaufen.33
In erster und zweiter Instanz wurde Wiesenhof die Werbung mit insgesamt 22 Werbeaussagen
verboten, da sie gegen die europäische und nationale Gesetzgebung verstießen. In dritter
Instanz wurde der Antrag abgewiesen, jedoch nicht mit der Begründung, die
Werbebotschaften seien erlaubt, sondern auf Grundlage der Nicht-Dringlichkeit, da zwischen
Start der betreffenden Werbeaktion und der Klage gegen Wiesenhof zu viel Zeit verstrichen
31
Landesgericht Oldenburg 1995 Urteil - 5.0. 1327/95 vom 28.07. 1995.
32
Landesgericht Oldenburg 1995 Urteil - 5.0. 1327/95 vom 28.07. 1995.
und Oberlandesgericht Oldenburg 1995 Urteil - 1 U 125/95 - vom 21.12. 1995.
33
Landesgericht Oldenburg 1995 Urteil - 5.0. 1327/95 vom 28.07. 1995.
33
sei.34 Nach der Aufhebung des Urteils einigten sich die zwei Parteien außergerichtlich, die
Werbung von Wiesenhof hat sich seitdem geändert.
Das Wiesenhof-Urteil ist auch für die Werbung mit Qualitätsaussagen von Bedeutung.35 Wird
mit einer besonderen Qualität geworben, ist maßgeblich, welches Verständnis der
Verbraucher von Qualität hat. Der Begriff der Qualität wird in hohem Maße durch den
Geschmack, die Bekömmlichkeit, die Zusammensetzung des Lebensmittels und vergleichbare
Kriterien bestimmt, die Sicherheit ist ebenfalls ein Teilaspekt. Eine Reduzierung des
Qualitätsbegriffs, auch wenn dies aus professioneller Sicht zulässig erscheint, ist nicht
gestattet. Wird also mit "beste Qualität" geworben so muss glaubhaft gemacht werden
können, dass sich diese Aussage auf den Qualitätsaspekt bezieht, wie ihn der Verbraucher
versteht. Ist damit lediglich die Sicherheit des Lebensmittels gemeint, ist die Werbebotschaft
irreführend.36
Unter Bezug auf das Wiesenhof-Urteil bezogen können "regionale Begriffe" in der Lage sein,
über die wahren Bedingungen der Produktion von Agrarerzeugnissen und Lebensmittel zu
täuschen. Durch die Werbung mit "regionalen Begriffen" wie ländlich, bäuerlich, vom Lande,
etc. kann aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit gesetzlich erlaubten Angaben37 ein irreführender
Eindruck erweckt werden. So wird durch die Werbung mit z.B. "denn auf einem Hof wachsen
die Hähnchen tiergerecht auf" der Eindruck vermittelt, als läge eine Haltungsform vor, die
einer "Bäuerlichen Auslaufhaltung" oder "Bäuerlichen Freilandhaltung" entspricht, obwohl
die Tiere tatsächlich in Bodenhaltung gehalten werden. Dabei kommt es nicht darauf an, dass
bei isolierter Betrachtung die Werbebotschaft inhaltlich zutreffend ist, entscheidend und
ausreichend ist vielmehr allein, dass die Begriffe irreführend im Sinne des Gesetzes38 sind.
Auch die kürzlich erfolgte Entscheidung des Oberlandesgericht Frankfurt in der Klage der
Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) gegen die Rewe geht in dieselbe Richtung. In
dem Verfahren musste Rewe einräumen, dass die Darstellung einer Bauernhofidylle auf den
34
Das Gesetz über unlauteren Wettbewerb geht von der Idee der Dringlichkeit aus. Die Dringlichkeit einer
Klage kann durch den Beklagten widerlegt werden (Oberlandesgericht Oldenburg (1995)).
35
Landesgericht Oldenburg 1995 Urteil - 5.0. 1327/95 vom 28.07. 1995.
36
Landesgericht Oldenburg 1995 Urteil - 5.0. 1327/95 vom 28.07. 1995.
37
z.B. niedergelegt in der Verordnung (EWG) Nr. 1538/91 der Kommission.
38
Landesgericht Oldenburg 1995 Urteil - 5.0. 1327/95 vom 28.07. 1995 und § 3 Gesetz gegen den unlauteren
Wettbewerb. In: Wettbewerbsrecht und Kartellrecht, Nördlingen: DTV, 1997.
34
Eierverpackungen die Verbraucher unzulässig täuscht, wenn es sich um Eier aus der
Käfighaltung handelt.39
3.4. Rechtsrahmen der Europäischen Union
Das gemeinschaftlichen Lebensmittelrecht umfasst eine Vielzahl von Bereichen.40 Relevant
sind im Zusammenhang mit regionalen Herkunftsangaben:
•
Lebensmitteletikettierung,
•
Regelungen von Werbebehauptungen sowie
•
der Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen.
Aus der Bezeichnung der Richtlinie zur Lebensmitteletikettierung41 folgt, dass unter den
Begriff "Etikettierung" eines Lebensmittels auch die auf das Lebensmittel bezogene Werbung
fällt. Dabei bezieht sich der Begriff auf alle Angaben, Kennzeichnungen, Hersteller- und
Handelsmarken, Abbildungen oder Zeichen, die sich auf das Lebensmittel beziehen und auf
jegliche Art von Verpackung, Schriftstück, Tafel, Etikett, Ring oder Verschluss angebracht
sind und die dieses Lebensmittel begleiten oder sich auf dieses Lebensmittel beziehen.42 Das
bedeutet
letztlich,
dass
EU-Etikettierungsvorschriften
auch
die
Möglichkeit
der
Informationsweitergabe an den Kunden regeln bzw. beschränken.
Demzufolge darf Werbung für Lebensmittel die Käufer nicht über die Eigenschaften wie:43
•
•
•
•
•
•
•
•
Art,
Identität
Beschaffenheit
Zusammensetzung,
Menge,
Haltbarkeit,
Ursprung oder Herkunft
Herstellungs- oder Gewinnungsart.
39
Vgl. Pressemitteilung vzbv vom 29. November 2002: "Verbraucherzentrale gewinnt gegen Rewe" OLG
Frankfurt, Verhandlung vom 28.11.2002; 6 U 85/02.
40
Einen Überblick ist in Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL): Das gemeinschaftliche
Lebensmittelrecht, Reinheim: 3er Druck, verschiedene Jhrg. zu finden.
41
Richtlinie des Rates vom 18. Dezember 1978 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über
die Etikettierung und Aufmachung von für den Endverbraucher bestimmten Lebensmitteln sowie der Werbung
hierfür (79/112/EWG), Abl Nr. L 33 vom 08.02. 1978, S. 1 - 13.
42
Landesgericht Oldenburg 1995 Urteil - 5.0. 1327/95 vom 28.07. 1995.
43
Richtlinie 79/112/EWG zur Lebensmitteletikettierung (siehe oben).
35
eines Lebensmittel täuschen. Ebensowenig darf der Verbraucher über die Zuschreibung von
Wirkungen und Eigenschaften, die das Lebensmittel nicht hat, getäuscht werden.
Eigenschaften, die vergleichbare Lebensmittel auch haben, dürfen nicht als besonders
herausgestellt werden. Darüber hinaus ist die krankheitsbezogene Werbung verboten.
Die Richtlinien über irreführende44 und vergleichende45 Werbung legen objektive Kriterien
nieder, nach denen beurteilt werden kann, wann eine Werbebehauptung eine nicht gestattete
irreführende Behauptung bzw. eine gestattete vergleichende Behauptung ist. Hierbei wird
davon ausgegangen, dass irreführende Werbung den Verbraucher und alle betroffenen
natürlichen und juristischen Personen täuschen kann und infolge dessen zu nachteiligen
Kaufentscheidungen führt. Vergleichende Werbung wird hingegen nicht per se als irreführend
angesehen, sondern vielmehr als ein Mittel, mit dessen Hilfe Verbraucher informiert werden
können.
Gemäß der Richtlinie ist irreführende Werbung "jede Werbung, die in irgendeiner Weise einschließlich ihrer Aufmachung - die Personen, an die sie sich richtet oder die von ihr
erreicht werden, täuscht oder zu täuschen geeignet ist und infolge der ihr innewohnenden
Täuschung ihr wirtschaftliches Verhalten beeinflussen kann oder aus diesen Gründen einen
Mitbewerber schädigt oder zu schädigen geeignet ist".46
Vergleichende Werbung ist "jede Werbung, die unmittelbar oder mittelbar einen Mitbewerber
oder die Erzeugnisse oder die Dienstleistungen, die von einem Mitbewerber angeboten
werden, erkennbar macht."47 Sie ist dann zulässig, wenn sie Waren oder Dienstleistungen des
gleichen Bedarfs oder derselben Zweckbestimmung, objektiv anhand wesentlicher, relevanter,
nachprüfbarer und typischer Eigenschaften dieser Waren und Dienstleistungen vergleicht.48
Zu den Etikettierungsvorschriften, die die Informationsweitergabe an den Kunden regeln
gehört die Rindfleischetikettierungsrichtlinie.49 Die Rindfleischetikettierungsrichtlinie soll
44
Richtlinie des Rates über irreführende Werbung (84/450/EWG). Abl Nr. L 250 vom 19.09.1984,
45
Richtlinie 97/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Oktober 1997 zur Änderung der
Richtlinie 84/450/EWG über irreführende Werbung zwecks Einbeziehung der vergleichenden Werbung, Abl. Nr.
L 290 vom 23.10. 1997, S. 18 - 22..
46
Richtlinie 84/450/EWG, Artikel 2, Absatz 2, Abl Nr. L 250 vom 19.09.1984, S. 18
47
Richtlinie 97/55/EG, Artikel 1, Absatz 3, Abl Nr. L 290 vom 23.10.1997, S. 20.
48
ebenda Artikel 1, Absatz 4.
49
Verordnung (EG) Nr. 820/97 des Rates zur Einführung eines Systems zur Kennzeichnung und Registrierung
von Rindern und über die Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen, Abl Nr. 117 vom
07.05.1997, S. 1-8..
36
letztlich dem Verbraucher die Garantie über eine nachvollziehbare und kontrollierte
Erzeugung geben. Beabsichtigt ein Marktbeteiligter die Etikettierung von Rindfleisch an der
Verkaufsstätte, so sind nur die von der Richtlinie erlaubten Angaben zugelassen. Dies sind:50
•
Mitgliedstaat, Drittland oder Betrieb in dem das Tier geboren wurde,
•
Mitgliedstaaten, Drittländer oder Betriebe, in denen die gesamte Mast oder ein Teil davon
stattgefunden hat; zur teilweisen Mast sind nähere Angaben zu machen,
•
Mitgliedstaat, Drittland oder Schlachtbetrieb in dem das Tier geschlachtet wurde,
•
Kennummer und Geschlecht des Tieres,
•
Mastverfahren oder andere Angaben über die Fütterung
•
Angaben über die Schlachtung, wie z.B. Schlachtalter und Schlachtdatum oder Zeitraum
der Reifung des Fleisches,
•
jede weitere Information, die der betreffende Marktbeteiligte mitteilen möchte und die
von der betreffenden zuständigen Behörde genehmigt wurde.
Jede herkunftsbezogene Angabe in der Verkaufsstätte, die auf das betreffende Produkt
bezogen ist und die über die Nennung des Herkunftslandes hinausgeht, ist demzufolge von
der zuständigen Behörde des Mitgliedslandes zu genehmigen.
Im Rahmen des Schutzes von herkunftsbezogenen Angaben bei Lebensmitteln und
Agrarprodukten im Rahmen der Verordnung Nr. 2081/92 definiert die Europäische
Gemeinschaft den zulässigen Zusammenhang zwischen Herkunft und Qualität eines
Produktes,51 die sogenannte qualitative Herkunftskennzeichnung52. Sie unterscheidet dabei
zwischen zwei Konzepten, zum einen gibt es geschützte Ursprungsbezeichnungen (g.U.) und
zum anderen geschützte geographische Angaben (g.g.A.). Eine herkunftsbezogene
Bezeichnung eines Produktes geht dabei aus dem Namen einer Gegend, eines bestimmten
Ortes oder eines Landes hervor, der Bestandteil des Namens des betreffenden Produktes ist.
Geschütze Ursprungsbezeichnungen (g.U.)
Die herkunftsbezogene Bezeichnung eines Agrarerzeugnisses oder eines Lebensmittels
genießt den Schutz der Gemeinschaft,
50
ebenda Artikel 16.
51
Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 des Rates zum Schutz von geographischen Abgaben und
Ursprungskennzeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel. Abl Nr. L 208 vom 24.07.1992, S. 1 - 8.
52
Im Gegensatz zur einfachen Herkunftsangabe (vgl. Loewenheim, U. 1999: Verwendung einer einfachen
geographischen Herkunftsangabe mit entlokalisierendem Zusatz (Warsteiner II), in: Lebensmittelrecht 1/99
http://www.beck.de/rsw/zeitschr/lm/Archiv/lm199/lm199_126MarkenG_Nr1.htm 15.11.1999).
37
wenn
•
seine Güte oder Eigenschaften überwiegend oder ausschließlich den geographischen
Verhältnissen einschließlich seiner natürlichen und menschlichen Einflüssen verdankt
und wenn
•
es in dem begrenzten geographischen Gebiet erzeugt, verarbeitet und hergestellt wird.
Erfüllt ein Erzeugnis diese Bedingung, können darüber hinaus
•
auch bestimmte traditionelle geographische oder nichtgeographische Bezeichnungen,
den Namen eines Agrarerzeugnisses oder ein Lebensmittels bezeichnen, das aus einer
bestimmten Gegend oder einem bestimmten Ort stammt.
Geschützte Geographische Angabe (g.g.A.)
Auch kann der Name einer Gegend, eines bestimmten Ortes oder in Ausnahmefällen eines
Landes, zur Bezeichnung eines Agrarerzeugnisses oder eines Lebensmittels dienen, das aus
dieser Gegend, diesem Ort oder diesem Land stammt,
wenn
•
sich eine bestimmte Qualität, das Ansehen oder eine andere Eigenschaft aus diesem
geographischen Ursprung ergibt
und wenn
•
es in dem begrenzten geographischen Gebiet erzeugt und/oder verarbeitet und/oder
hergestellt wird.
Wird dieser Zusammenhang für ein Produkt anerkannt, kann der Name des Produktes gegen
Missbrauch geschützt werden.
Es können auch große regionale Gebiete im Produktnamen gemäß der Verordnung Nr.
2081/92 geschützt werden. Dies zeigt das Beispiel Specially Selected Scotch Beef. Specially
Selected Scotch Beef ist eine geschützte geographischen Angabe (g.g.A.), die aufgrund der
traditionellen Haltungsmethode der Rinder in der charakteristischen Landschaft Schottlands,
die auf der Weidehaltung beruht, eine herausgehobene Qualität und Ansehen erlangt hat.53
53
vgl. http://www.maff.gov.uk/food/foodname/meatoff/uk/scotbeef.htm 15.11. 1999.
38
Allerdings fallen unter die Bestimmungen dieser Verordnung keine herkunftsbezogene
Angaben, deren Charakter über die nationalen Grenzen hinausgeht und bei denen der
Verbraucher an Eigenschaften denkt, die abstrakt mit der Herkunft der Erzeugnisse
zusammenhängen, wie z.B. "montagne" also "Berg". Eine nationale Regelung kann diese
herkunftsbezogenen Angaben für bestimmte Produkte vorsehen, ohne dass sie gegen die
Verordnung Nr. 2081/92 verstößt. Diese Regelung ist zu weit vom sachlichen Gegenstand der
Verordnung Nr. 2081/92 entfernt, als dass sie ihr entgegenstünde. Allerdings kann die
nationale Regelung den Bestimmungen des Vertrages und hier insbesondere Artikel 28
entgegenstehen, wenn sie die Bezeichnung nur inländischen Produkten vorbehält.54
Ziel der Verordnung Nr. 2081/92 ist ein gemeinschaftsrechtlicher Schutz von g.g.A und g.U.
vor allem gegen anlehnende Benutzung sowie gegen herkunftsbezogene, irreführende
Angaben und Praktiken.55 Hintergrund dieser Verordnung ist die Förderung von Erzeugnissen
mit bestimmten Merkmalen, die vor allem in den benachteiligten oder abgelegenen Gebieten
von großem Vorteil für die ländliche Entwicklung sein kann. Darüber hinaus soll hiermit dem
Interesse der Verbraucher nach Erzeugnissen mit besonderem Merkmalen, insbesondere nach
Lebensmitteln mit bestimmbarer geographischer Herkunft, Rechnung getragen werden.
Damit eine geographische Herkunftsangabe den Schutz des Gemeinschaftsrechts genießen
kann, wird diese in das Verzeichnis der geschützten Ursprungsbezeichnungen und der
geschützten geographischen Angaben eingetragen. Alle anderen geographischen Angaben
oder Ursprungsbezeichnungen, wenn diese den Eindruck vermitteln, dass sich aus der
geographischen Angabe oder der Ursprungsbezeichnung eine besondere Qualität herleitet,
sind als Irreführung der Verbraucher anzusehen.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass bei Aussagen über die Produktherkunft das
Prinzip des Verbots der Irreführung der Verbraucher im Mittelpunkt steht. Dies bezieht sich
nicht nur auf Werbebehauptungen sondern auch auf die Angaben im Rahmen der
Etikettierung. In diesen Zusammenhang ist es von großer Bedeutung, dass im Europäischen
Recht der Zusammenhang von Qualität und Herkunft definiert ist.
Nach deutschem Recht ist es für den Schutz von geographischen Herkunftsangaben
grundsätzlich nicht entscheidungserheblich, ob es sich um eine einfache Herkunftsangabe
54
vgl. Rechtssache C-321/94-324/94 ("montagne"), Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes, S.2343 2379, 1997.
55
Artikel 13 der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92.
39
oder eine kombinierte oder qualifizierte Herkunftsangabe handelt.56 Der Schutz der
geographischen Herkunftsangabe auf Gemeinschaftsebene hingegen geht davon aus, dass ein
Zusammenhang zwischen Herkunft und Qualität gegeben sein muss, um die geographische
Herkunftsangabe zu schützen.
3.5. Warsteiner, Feta und noch offene Fragen
In dem deutschen Markengesetz bildet der Schutz von geographischen Angaben und
Ursprungsbezeichnungen gemäß der Verordnung (EWG) 2081/92 zwar einen eigenen
Abschnitt und ist damit, wenn auch nicht inhaltlich abgestimmt mit anderen Teilen des
Markengesetz und des Wettbewerbsrechts, so jedoch zumindest in den Text des
Markengesetzes integriert. Eine Integration in das deutsche Markenrecht ist bisher jedoch
noch nicht erfolgt, wie die folgenden Auseinandersetzungen zwischen deutscher und
gemeinschaftlicher Rechtssprechung zeigen.
Verhältnis zwischen Gemeinschaftsrecht und deutschem Markenrecht in Bezug auf die
einfache Herkunftsangabe
Aus Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Verwendung der Marke
„Warsteiner" geht hervor, dass bei geographische Herkunftsbezeichnungen in der
Verwendung als Marken, eine Herstellung in dem Gebiet, welches die geographische
Herkunft bezeichnet, nicht unbedingt Voraussetzung ist57. Damit könnte das deutsche Recht
mit dem territorialen Ausschließlichkeitsprinzip der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 in
Konflikt stehen.
Nach Ansicht des BGH ist offen, ob der Schutz von einfachen geographischen
Herkunftsangaben unter europäisches Recht oder nationales Recht fällt. Sollte der Schutz von
geographischen Herkunftsbezeichnungen allein nach der EU-Verordnung bestimmt werden,
müsste laut BGH, der im Streitfall vorgebrachte, weiterreichende nationale Schutz der
einfachen Herkunftsangabe nach dem neuen deutschen Markenrecht an höherrangigem
Gemeinschaftsrecht scheitern. Diese Auffassung hatte laut Bundesgerichtshof die Europäische
Kommission
1995
in
einem
Schreiben
an
56
die
Bundesregierung
vertreten.
Der
Vgl. hierzu Kapitel 2.1 und Meyer, A. H.: Lebensmittelrecht: Leitfaden für Studium und Praxis, Wiss.Verl.Ges.: Stuttgart, 1998, S. 92.
57
Lebensmittel Zeitung Nr. 28 vom 10. Juli 1998, S. 22
40
Bundesgerichtshof hat den Fall an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) weitergeleitet, der
die Frage der Zuständigkeit klären soll (Deutscher Juristischer Nachrichtendienst 2000).
Vor einiger Zeit hat der EU-Generalanwalt Jacobs hierzu Stellung genommen (Handelsblatt
Nr. 137 vom 19.7.2000). Nach seiner Ansicht ist die in § 127 Markengesetz liegende
Beschränkung des freien Warenverkehrs nach Artikel 28 (ehemals Artikel 30) EG-Vertrag nur
dann
gerechtfertigt,
wenn
dieses
Verbot
der
Verwendung
der
geographischen
Herkunftsangabe aus Verbraucherschutzgründen gerechtfertigt ist. Damit wird klar, dass
„Warsteiner" nach deutschem Recht als eine Marke einzustufen ist und damit hat das
territoriale Ausschließlichkeitsprinzip keine Geltung mehr.
Die etwas später erfolgte Entscheidung des EuGH ist hier sehr deutlich. Der EuGH stellt fest,
ohne die Vereinbarkeit der deutschen Rechtsvorschriften mit der Verordnung EWG Nr.
2081/92 im Bereich der Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln zu prüfen, dass der
Gemeinschaftsschutz nur für geographische Angaben gilt, bei denen ein unmittelbarer
Zusammenhang zwischen einer bestimmten Qualität, dem Ansehen oder einer anderen
Eigenschaft des Erzeugnisses und seinem speziellen geographischen Ursprung besteht. Die
Geltungsbereiche des deutschen Markenrechts und der Verordnung 2081/92 sind nach
Auffassung des EuGH nicht identisch.58
Das EuGH Urteil vom 7. November 2000 macht eines sehr deutlich. Einfache
Herkunftsangaben, bei denen kein Zusammenhang zwischen den Eigenschaften des Produktes
und der geographischen Herkunft besteht, fallen nicht unter die Verordnung 2081/92 und
verbleiben damit im Schutzsystem der nationalen Gesetzgebung und Rechtsprechung.59
Verhältnis zwischen Gemeinschaftsrecht und deutschem Markenrecht in Bezug auf die
kombinierte Herkunftsangabe
Es bleibt jedoch die Frage offen, um der Umkehrschluss zulässig ist (Loschleder 2001, S.
117). Fallen alle qualifizierten Herkunftsangaben, die mit der geographischen Bezeichnung
zugleich eine Angabe über die -mit der Herkunft zusammenhängende- Beschaffenheit der
Ware geben, in jedem Fall unter die Verordnung 2081/92 fallen und nur nach deren Maßgabe
geschützt werden können?
58
Handelsblatt und Lebensmittelzeitung vom 8.11.2000.
59
Vgl. zu dem EuGH Urteil Obergfell, E.I.: „Qualitätsneutrale“ geographische Herkunftsangaben als
Schutzdomäne des nationalen Rechts – Zur Entscheidung des EuGH vom 7.11.2000 – Rs. C-31298 (Warsteiner)
2001, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht 2001 Heft 1
41
Zu klären wäre insbesondere auch, was gelten soll, wenn eine geographische Angabe nach der
Verordnung 2081/92 gar nicht eintragungsfähig ist,60 z.B. weil es sich um eine kombinierte
Herkunfts- und Qualitätsangabe handelt. Dies betrifft insbesondere die regionalen und
nationalen Herkunfts- und Qualitätszeichen.
Der EuGH nimmt in seiner Entscheidung ausdrücklich Bezug auf die Pistre-Entscheidung.
Gegenstand dieser Entscheidung war ein französisches Gesetz, das vorsah, dass die
Bezeichnung "Montagne" bestimmten Produkten aus Bergregionen vorbehalten war, um die
besonderen Schwierigkeiten der Produzenten zu kompensieren. Allerdings wurden unter
Bergregion alle Gebiete verstanden, die mehr als 100 Meter über dem Meeresspiegel liegen.
Im konkreten Fall ging es um die Verwendung der Bezeichnung "Monts de Lacaune". Zwar
bezeichne die Angabe "Monts de Lacaune" eine bestimmte Gebirgsregion und könne
dementsprechend Gegenstand einer Registrierung nach der Verordnung 2081/82 sein, wenn
der erforderliche Zusammenhang zwischen Produkteigenschaften und -herkunft vorliege. Ein
solcher Zusammenhang sei aber nach den fraglichen nationalen Regelungen nicht notwendig.
Diese nationalen Regelungen würden nämlich offensichtlich derartige geographische
Bezugsrahmen nur insoweit schützen, als diese den Eindruck eines Ursprungs in irgendeiner
Gebirgsregion erweckten und nicht, soweit sie sich auf eine bestimmte Gebirgsregion
bezögen.61
Damit ist jedoch immer noch offen, ob der Schutz von regionalen Herkunfts- und
Gütezeichen weiterhin durch die nationale Gesetzgebung und Rechtsprechung möglich ist,
wenn bei diesen kombinierten geographischen Angaben eine Verbindung zwischen Herkunft
und Qualität behauptet wird. Wenn der Regelungsbereich der Verordnung 2081/92 nur auf die
Behauptungen begrenzt wäre, die den Bestimmungen der Verordnung genügen, so würde die
Verordnung sich selbst ad absurdum führen. Hier sind die beiden rechtlichen Systeme nicht
kompatibel.
Grad des Schutzes
60
Loschleder, M.: Rechtsprechung Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft – „Warsteiner“. Gewerblicher
Rechtsschutz und Urheberrecht 2001 Nr. 1, S. 117
61
Aus einer Anfrage eines italienischen Abgeordneten an die Kommission wird deutlich, dass die Bezeichnung
"Erzeugnisse aus den italienischen Bergen" nicht nur den nach Verordnung 2081/92 geschützten
Herkunftsbezeichnungen offen stehen darf (Vgl. Schriftliche Anfrage E-0036/02 von Luciano Caveri an die
Kommission. In: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften C172 E/132 DE vom 18.7.2002).
42
Ein weitere offene Fragen ist der Grad des Schutzes. Dies tritt besonders deutlich in dem Fall
„Cambozola" zu Tage. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat in einem Urteil von 5.
Juni 1997 entschieden hat, dass die Bezeichnung „Cambozola" keine unzulässige Anspielung
auf „Gorgonzola" darstellt. „Gorgonzola" ist seit 1996 eine auf Gemeinschaftsebene
geschützte Ursprungsbezeichnung. Der EuGH hingegen betont in seinem Urteil Ende 1999 zu
diesem Fall, dass eine Anspielung auf eine geschützte Bezeichnung auch dann vorliegen
kann, wenn keinerlei Gefahr der Verwechslung zwischen den betroffenen Erzeugnissen
besteht.
Nach Ansicht des EuGH stellt „Cambozola" wegen der phonetischen Ähnlichkeit eine
Anspielung auf eine geschützte Bezeichnung vor.62 Eine Angabe des wahren Ursprungs des
Erzeugnisses auf der Verpackung oder auf andere Art und Weise wird demgegenüber als
unerheblich angesehen. Der Schutz richtet sich damit nicht nur gegen jede Form der
Verwendung des Begriffs einer geschützten geographischen Herkunftsangabe, auch wenn die
tatsächliche geographische Herkunft angegeben wird, sondern auch alle nur entfernt ähnlich
klingenden Namen dürfen nicht verwendet werden.
Dies macht deutlich, dass der Schutz der geographischen Herkunftsangaben nach Verordnung
2081/92 ein Schutzniveau vorsieht, welches höher ist, als das Schutzniveau bei Marken. Der
überzogene rechtliche Schutzumfang wird mit regional- und strukturpolitischen Zielen
gerechtfertigt.
Abgrenzung zum Gattungsbegriff
Insbesondere
die
Abgrenzung
der
geographischen
Herkunftsangabe
Gattungsbezeichnung fällt sehr schwer und ist oft recht willkürlich.
63
von
der
Dies zeigen die
Beispiele „Feta"64, „Pilsener"65, „Aachener Printen"66, „Lübecker Marzipan"67, „Dresdner
62
Verbraucherdienst 1999, S. 323.
63
Das Problem der Abgrenzung wird ausführlich bei Harte-Bavendamm, H.: Ende der geographischen
Herkunftsbezeichnung? - "Brüsseler Spitzen" gegen ergänzenden nationalen Rechtsschutz -, in Gewerblicher
Rechtsschutz und Urheberrecht Heft 10 S. 717 - 729, 1996 diskutiert.
64
Feta bezeichnet keine Region Griechenlands, sondern hat sich in Griechenland als Bezeichnung für den Käse
einer bestimmten Region durchgesetzt. In einem bilateralen Abkommen zwischen Griechenland und Österreich
ist der Schutz von „Feta" auf Österreich ausgedehnt worden. Die EG-Kommission hatte auf Antrag
Griechenlands die Bezeichnung „Feta" als geschützte Herkunftsangabe eingetragen. In Dänemark, den
Niederlanden und Deutschland ist „Feta" ausdrücklich als Gattungsbezeichnung zugelassen. Der Europäische
Gerichtshof hat die Entscheidung der Kommission als rechtsfehlerhaft bezeichnet, weil sie der rechtmäßigen
Vermarktung von Erzeugnissen unter der Bezeichnung „Feta" in einigen Mitgliedstaaten keine Bedeutung
beigemessen habe (Verbraucherdienst 12/99 S. 322 und Knack 2000). Im Urteil des EuGH vom 16. März 1999
wurde die Eintragung der Bezeichnung "Feta" als geschützte Ursprungsbezeichnung für nichtig erklärt. Mitte
43
Stollen"68 oder „Nürnberger Rostbratwürste"69. Hier ist die Herstellung nicht an einen Ort
gebunden, entstammt herkömmlich aber einer gewissen Tradition eines engeren oder weiteren
geographischen Bezirks. Die EU-Kommission hat die Käsebezeichnungen „Brie",
„Camembert", „Cheddar", „Edamer", „Emmentaler", „Gouda" (nicht aber „Appenzeller" oder
„Gruyere") als mittlerweile degenerierte, nicht mehr ortsbezogene Beschaffenheitsangaben
qualifiziert.70
In der deutschen Rechtsauffassung ist die Abgrenzung des Gattungsbegriffs von der
geographischen
Herkunftsangabe
von
der
Verkehrsauffassung
abhängig.
Von
der
Rechtsprechung in Deutschland ist die Umwandlung einer Herkunftsbezeichnung in eine
Gattungsbezeichnung bzw. eine Beschaffenheitsangabe nur dann vorgenommen worden,
wenn nur ein ganz unbeachtlicher Teil der beteiligten Verkehrskreise in der Angabe einen
Herkunftshinweis
sah.
Die
Rückentwicklung
von
der
Beschaffenheits-
bzw.
Gattungsbezeichnung in die geographische Herkunftsbezeichnung wurde ebenfalls nur dann
Oktober 2002 wurde dann zum zweiten Mal nach 1996 Feta in die Liste der geschützten
Ursprungsbezeichnungen aufgenommen. Es darf abgewartet werden, ob und wie lang die
Kommissionsentscheidung Bestand hat (Agra Europe 43/02 vom 21. Oktober 2002: "Feta" darf künftig nur noch
für Käse aus griechischer Produktion verwendet werden. Kurzmeldungen S. 30f.)
65
Tschechien wird bei der nächsten Verhandlungsrunde der WTO in Seattle fordern, Bier-Regionen denselben
Herkunftsschutz wie Wein-Anbaugebieten zukommen zu lassen. Dies würde die tschechischen geographischen
Herkunftsbezeichnungen „Pilsener" und „Budweiser" betreffen (LZ Nr. 47 vom 26.11.1999, S. 32).
66
„Aachener Printen" ist als geschützte geographische Angabe eingetragen.
67
„Lübecker Marzipan" wurde seit Jahrhunderten für Marzipan verwandt, das in Lübeck hergestellt wurde. In
den zwanziger Jahren traten Nachahmer auf, die die Bezeichnung auch dann verwandten, wenn das Marzipan
außerhalb Lübecks hergestellt war. Die Lübecker Marzipanhersteller unternahmen nichts, um diesen Wandel zur
Gattungsmarke zu unterbinden. Zu Beginn der siebziger Jahre wurden fast 90% des unter der Bezeichnung
„Lübecker Marzipan" verkauften Marzipans nicht in Lübeck hergestellt. In den siebziger und achtziger Jahren
wurden dann um die Bezeichnung zahlreiche Prozesse geführt (vgl. hierzu Lochelder, M. und W. Schnepp:
Deutsche geographische Herkunftsangaben. Köln:Carl Heymanns, 1992, S. 2. und Harte-Bavendamm, H.: Ende
der geographischen Herkunftsbezeichnung? - "Brüsseler Spitzen" gegen ergänzenden nationalen Rechtsschutz -,
in Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Heft 10 S. 717 - 729, 1996., S. 717). Mittlerweile ist „Lübecker
Marzipan" als geschützte geographische Angabe eingetragen.
68
Auch „Dresdner Stollen" ist mittlerweile als geschützte geographische Angabe eingetragen.
69
Der „Schutzverband Nürnberger Bratwürste e.V." hat beim Deutschen Patent- und Markenamt beantragt, die
Bezeichnung „Nürnberger Rostbratwürste" als geographische Angabe (entsprechend der Verordnung 2081/22)
zu schützen (Lebensmittel Zeitung Nr. 21 vom 26.5.2000, S. 28). Seit 1893 steht das Nürnberger Bratwurst
Glöckl in München und jeder Wies'n Besucher kennt die „Nürnberger Bratwürste" des Münchner Wirts Michael
Beck. Der „Schutzverband Nürnberger Bratwurst" will mittlerweile wegen des Schutzes der geographischen
Herkunftsbezeichnung gegen Beck vorgehen (Allgemeine Fleischerzeitung Nr. 33 vom 16.8.2000, S. 1).
70
Harte-Bavendamm, H.: Ende der geographischen Herkunftsbezeichnung? - "Brüsseler Spitzen" gegen
ergänzenden nationalen Rechtsschutz -, in Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Heft 10 S. 717 - 729,
1996.
44
vorgenommen, wenn über 50% der einschlägigen Verkehrskreise wieder auf einen
geographischen Herkunftshinweis schlossen.71
Bezeichnungen wie "Dresdner Stollen" oder "Lübecker Marzipan" können auf eine
Gratwanderung dieser Art zurückblicken. Eine enge Auslegung der Verordnung Nr. 2081/92
hätte den Schutz für geographischen Herkunftsangaben wie "Aachener Printen", oder
"Lübecker Marzipan" verhindert. Diese hätten auch als Gattungsbezeichnungen eingestuft
werden können. Mittlerweile sind sie jedoch auf Gemeinschaftsebene anerkannt und
registriert.
Besonders problematisch ist auch die Abgrenzung der geschützten Ursprungsbezeichnung von
der geschützten geographischen Angabe. Beispielsweise ist „North Hollandse Gouda" und
anderer Käse als geschützte Ursprungsbezeichnung eingetragen, unterscheidet sich jedoch in
den qualitätsbestimmenden Produkteigenschaften nicht von dem Gouda anderer Herkunft.72
Auf der anderen Seite sind die Fleischwaren in der Regel als geschützte geographische
Angabe eingetragen. Da beide Formen der geographischen Herkunftsangabe denselben
rechtlichen Schutz genießen, ist die Unterscheidung weniger von juristischem, denn von
wissenschaftlichem Interesse.
Mittelbare geographische Angaben
Bisher sind auf Gemeinschaftsebene nur die qualifizierte geographische Angaben nach
Verordnung Nr. 2081/92 geschützt. Eine rechtliche Grauzone ist der Bereich der mittelbaren
Herkunftsangaben, z.B. die drei Löwen als Zeichen für das Herkunfts- und Qualitätszeichen
Baden-Württemberg oder die Landkarte mit Heraushebung der Region im Falle des
Gütezeichen Schleswig-Holstein. Mittelbare, insbesondere bildliche geographische Angaben
können zwar unter das Beihilferecht fallen, gehören jedoch nicht in den Anwendungsbereich
der Verordnung Nr. 2081/92.
71
Vgl. ebenda S. 718.
72
Vgl. Barjolle, D., B. Sylvander: Some Factors of Success for Origin Labelled Products in Agri-Food Supply
Chains in Europe: Market, Internal Resources and Institutions, 67th EAAE Seminar, Le Mans 1999.
45
4. Beihilfenrechtlicher Hintergrund und Stand des Konfliktes
In Deutschland sind die Basis der Förderung der Vermarktung regionaler Produkte die
Gesetze auf Ebene der Bundesländer im landwirtschaftlichen Bereich.73 Darin wird allgemein
festgeschrieben, dass die Förderung der Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte zu den
Zielen der Agrarpolitik zählt. Ausgehend von dieser Gesetzesgrundlage steht auf Länderebene
die Förderung der regionalen Produkte auf zwei Säulen. Zum einen werden private
Wirtschaftsakteure im Bereich regionaler Vermarktung gefördert. Zum anderen etablieren die
Länder die sogenannten Herkunfts- und Qualitätszeichen. Im Rahmen dieser Unterteilung
erfolgt in den einzelnen Bundesländern eine unterschiedliche Schwerpunktsetzung.
Formen der Förderung regionaler Produkte
Förderung
regionaler
Produkte
Förderung
Förderung von
regionaler
Herkunfts- und
Vermarktung
Qualitätszeichen
Zu dieser Förderung von Seiten der Bundesländer kommt das Konzept des zentral-regionalen
Marketings der Centrale Marketinggesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft (CMA) hinzu.
Dieses Kapitel beginnt mit einem Überblick über die staatliche Förderung der Werbung für
Agrarprodukte und Lebensmittel durch die CMA und die Bundesländer. Anschließend wird
auf die beihilfenrechtlichen Grenzen der staatlichen Unterstützung von geographischen
Herkunftsangaben eingegangen. Diese sind noch enger als die markenrechtlichen Grenzen.
Die Zulässigkeit von Beihilfen zur Förderung der Erzeugung und Vermarktung von
landwirtschaftlichen Erzeugnissen hoher Qualität und von Beihilfen zur Förderung des
46
Absatzes landwirtschaftlicher Erzeugnisse und zur Werbung hierfür sind detailliert geregelt.
Diese Regelungen werden vorgestellt. Ausführlich wird auf die neuen Gemeinschaftsleitlinie
für Werbung von 2001 eingegangen. Die Konsequenzen für das CMA-Gütezeichen werden
abschließend diskutiert.
Die Förderung der regionalen Vermarktung bezieht sich auf die Erarbeitung und Einführung
von Vermarktungskonzeptionen für regional erzeugte landwirtschaftliche Erzeugnisse. Hierzu
zählen
Marktanalysen,
Entwicklungsstudien,
Beratungs-
Planungsmaßnahmen,
und
Informationsveranstaltungen. Voraussetzung ist oft, dass mit der Maßnahme eine
Verbesserung der Marktposition oder der Marktchancen regionaler Agrarprodukte verbunden
ist und im Ergebnis positive Effekte für den landwirtschaftlichen Erzeuger erreicht werden.
Gefördert werden landwirtschaftliche Erzeugerzusammenschlüsse, Unternehmen des Handels
oder der Be- und Verarbeitung als Marktpartner von Erzeugerzusammenschlüsse, sowie
Absatzförderungsorganisationen und Vereine/Verbände. Die Fördersumme beträgt bis zu 35
% bzw. 50 % der förderfähigen Ausgaben bis zu maximalen Förderbeträgen von 50.000 DM
bzw. 100.000 DM je Maßnahme. 74
Durchführungsorganisationen des staatlichen regionalen Marketings in Deutschland sind die
Marketingorganisationen der einzelnen Bundesländer. Das regionale Marketing kann durch
einen Verein (Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Brandenburg und Sachsen),
durch die Landwirtschaftskammer (Schleswig-Holstein, Saarland und Rheinland-Pfalz), durch
eine Marketinggesellschaft (Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, SachsenAnhalt)
oder
durch
das
Landwirtschaftsministerium
direkt
(Bayern,
Thüringen)
wahrgenommen werden. Diese Träger vergeben das jeweilige regionale Herkunfts- und
Qualitätszeichen
und
versuchen,
durch
Werbung
und
Verkaufsförderung
den
Bekanntheitsgrad, die Akzeptanz und den Absatzerfolg zu erhöhen. Ziel der Herkunfts- und
Qualitätszeichen ist die Herausstellung der Herkunft im Zusammenhang mit Qualität:
"Herkunft und Qualität aus Baden-Württemberg", "Qualität aus Bayern", "Gutes aus Hessen"
oder auch "Original Thüringer Qualität", um nur einige Beispiele für die Herkunfts- und
Qualitätszeichen der Bundesländer zu nennen.
73
wie z.B. das Landwirtschafts- und Landeskulturgesetz von 1972 in Baden-Württemberg, das
Landwirtschaftsförderungsgesetz von 1970 in Bayern
74
z.B. die Richtlinie des MURL NW über die Gewährung von Zuwendungen zur regionalen Vermarktung
landwirtschaftlicher Erzeugnisse, ebenso in Thüringen, Rheinland-Pfalz: VV über Förderungen im Marktbereich,
Hessen: Richtlinien zur Förderung von Marketingprojekten in der Landwirtschaft.
47
Herkunfts- und Qualitätszeichen stehen unter der Schirmherrschaft des jeweiligen
Landesministeriums für Landwirtschaft.75 Neben den zuständigen Referaten in den
Ministerien sind oft nachgelagerte Institutionen im Zuständigkeitsbereich der Ministerien in
die Aufgabe eingebunden.76 Auch Marketinggesellschaften können mit der Vergabe der
Zeichen und der Kontrolle der Einhaltung der Richtlinien betraut werden.77 Diesen
Marketinggesellschaften werden oft ihr Budget, ihre personelle Ausstattung bzw. ihre Ziele
von
der
entsprechenden
Landesregierung
vorgegeben.78
Bei
der
Kontrolle
der
Vergabekriterien stehen sie in Konkurrenz zu rein privaten Kontrollinstituten, welche darüber
hinaus meist für zusätzliche Kontrolle akkreditiert sind.79 Die Durchführung von weiteren
Marketingmaßnahmen wird ferner z.B. über Rahmenverträge mit einer rein privaten
Marketingagentur, die als Durchführungsgesellschaft fungiert, sichergestellt.80
Einen Zusammenhang zwischen Herkunft und Qualität wird auch im nationalen Marketing
betont. Das Herkunfts- und Qualitätszeichen der Centralen Marketinggesellschaft der
deutschen Agrarwirtschaft (CMA) lautet "Markenqualität aus deutschen Landen". Die CMA
ist Eigentümerin des Gütezeichens, legt das Qualitätsniveau fest und macht Werbung und
Verkaufsförderung für das nationalen Herkunfts- und Qualitätszeichens. Die Deutsche
Landwirtschaftsgesellschaft
(DLG)
erarbeitet
die
Qualitätsnormen
und
die
Prüfungsmethoden, darüber hinaus bildet sie die Prüfer aus und fort. Zu den jährlichen DLGQualitätsprüfungen müssen alle Produkte vorgestellt werden, die das Herkunfts- und
Qualitätszeichen der CMA erwerben oder weiterhin tragen wollen.
Das CMA-Zeichen ist beim RAL (Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung
e.V.) als Gütezeichen eingetragen. Die regionalen Herkunfts- und Qualitätszeichen von
Schleswig-Holstein
und
Baden-Württemberg
sind
bei
dem
RAL
als
RAL-
Herkunftsbezeichnungen mit genauer Qualitätsfestlegung eingetragen.81
75
Baden-Württemberg, Bayern, Schleswig-Holstein etc.
76
Landwirtschaftskammern, etc.
77
z.B. der Agrar-Marketing Sachsen e.V. oder die MBW Marketinggesellschaft für Agrar- und Forstprodukte
aus Baden-Württemberg.
78
z.B. die MBW Marketinggesellschaft für Agrar- und Forstprodukte aus Baden-Württemberg.
79
z.B. LACON GmbH (Privatinstitut für Qualitätssicherung und Zertifizierung ökologisch erzeugter
Lebensmittel GmbH), Offenburg.
80
z.B. in Sachsen die MS-Marketing GmbH.
81
.Vgl. hierzu die Liste der RAL Gütezeichen (http://www.ral.de/RALg63.htm, 17.08.00). Eine vollständig Liste
aller RAL-Herkunftsbezeichnungen mit genauer Qualitätsfestlegung war nicht erhältlich, jedoch werden die
48
Herkunfts- und Qualitätszeichen stehen unter der Schirmherrschaft des jeweiligen
Landesministeriums für Landwirtschaft.82 Neben den zuständigen Referaten in den
Ministerien sind oft nachgelagerte Institutionen im Zuständigkeitsbereich der Ministerien in
die Aufgabe eingebunden.83 Auch Marketinggesellschaften können mit der Vergabe der
Zeichen und der Kontrolle der Einhaltung der Richtlinien betraut werden.84 Diesen
Marketinggesellschaften werden oft ihr Budget, ihre personelle Ausstattung bzw. ihre Ziele
von
der
entsprechenden
Landesregierung
vorgegeben.85
Bei
der
Kontrolle
der
Vergabekriterien stehen sie in Konkurrenz zu rein privaten Kontrollinstituten, welche darüber
hinaus meist für zusätzliche Kontrolle akkreditiert sind.86 Die Durchführung von weiteren
Marketingmaßnahmen wird ferner z.B. über Rahmenverträge mit einer rein privaten
Marketingagentur, die als Durchführungsgesellschaft fungiert, sichergestellt.87
Die Festlegung der Qualitätskriterien für die Herkunfts- und Gütezeichen erfolgt in der Regel
in Zusammenarbeit mit allen Beteiligten. Es wird versucht, Qualitätskriterien zu finden, die
von möglichst allen Beteiligten akzeptiert werden können. Damit wird der "kleinste
gemeinsame Nenner" gesucht, der oft über die allgemein geltenden gesetzlichen Vorschriften
nicht hinaus geht.
Bei den nach Gemeinschaftsrecht eingetragenen geographischen Herkunftsangaben hingegen
werden die Qualitätskriterien von dem Schutzkonsortium festgelegt, zu dem sich Produzenten
des jeweiligen Produktes in der jeweiligen Region zusammengeschlossen haben. Die
Qualitätskriterien müssen deutlich über den gesetzlichen Mindeststandard hinausgehen und es
muss eine Verbindung zwischen der Herkunft und der besonderen Qualität bestehen und
nachgewiesen werden. Damit wird ein verbindlicher Qualitätsstandard für die mit der
geographische Herkunftsangabe verbundenen qualitätsbestimmenden Produkteigenschaften
eingeführt. Das Potential für ein Marke ist für die geographischen Herkunftsangaben, die nach
beiden genannten Herkunfts- und Qualitätsbezeichnungen als Beispiele für diese Zeichen aufgeführt
(http://www.ral.de/RALg3a.htm, 17.08.00).
82
Baden-Württemberg, Bayern, Schleswig-Holstein etc.
83
Landwirtschaftskammern, etc.
84
z.B. der Agrar-Marketing Sachsen e.V. oder die MBW Marketinggesellschaft für Agrar- und Forstprodukte
aus Baden-Württemberg.
85
z.B. die MBW Marketinggesellschaft für Agrar- und Forstprodukte aus Baden-Württemberg.
86
LACON GmbH (Privatinstitut für Qualitätssicherung und Zertifizierung ökologisch erzeugter Lebensmittel
GmbH), Offenburg.
87
z.B. in Sachsen die MS-Marketing GmbH.
49
der Verordnung 2081/92 eingetragen sind, erheblich größer, als das der Herkunfts- und
Gütezeichen.
Herkunftsbezogene Absatzförderungsmaßnahmen werden von einer ganzen Reihe von
Institutionen finanziell unterstützt. Diese Institutionen können privat oder öffentlicher Natur
sein. Staatliche Institutionen, die das regionale Marketing finanziell unterstützen, sind
Landes- und Bundesregierungen sowie die Europäische Gemeinschaft. Außerdem trägt die
CMA zum regionalen Marketing bei.
4.1. Staatliche Förderung der regionalen Vermarktung88
Die CMA bestreitet ihr Budget über den Deutschen Absatzfond aus parafiskalischen
Abgaben. Aus dem jährlichen Budget von über DM 160 Mio. wurden in 1998 etwa 50 Mio.
für Werbung ausgegeben. Diese wurde zu 88,2% aus den parafiskalischen Erzeugerabgaben,
zu 8,2% aus Zuschüssen der EU und zu 3,2% aus eigenen Mittel aufgebracht.
Der Schwerpunkt der Werbung lag bei den Produktgruppen Fleisch und Fleischwaren sowie
Milch und Milchprodukte. Bei der CMA-Werbung handelt es sich in der Regel um generische
Produktwerbung. Es wird nicht für ein einzelnes Produkt geworben, sondern für eine
Produktkategorie wie Fleisch oder Milch. Der Informationsgehalt der Werbung ist gering. Es
werden z.B.
keine gesundheitliche Aspekte angesprochen. Weiterhin zeichnet sich die
traditionelle CMA-Werbung auch durch eine mangelnde Zielgruppenorientierung aus. Wenn
diese ausnahmsweise mal vorhanden ist, ist sie fragwürdig. So hat eine Werbekampagne bei
den Landfrauen zu deutlich artikuliertem Widerstand geführt, bis die Werbekampagne
eingestellt wurde. Hier sollte auf das junge Publikum abgestellt werden. Eine gewisse
Zielgruppenorientierung war vorhanden.
Es erscheint zumindest fragwürdig, wenn der Staat in die Rolle des Werbetreibenden tritt. Es
kommt zwangsläufig zu Rollenkonflikten. Hinzu kommt, dass der ökonomische Erfolg der
generischen Werbung zumindest zweifelhaft ist. Auch hat die CMA-Werbung bisher nur
ausnahmsweise zur Imagewerbung für die Landwirtschaft beigetragen. Informative Werbung
hat kaum eine Rolle gespielt. Es erscheint sehr angebracht, zu überprüfen, ob die Ausgaben
für generische Produktwerbung durch die CMA nicht für andere Zwecke sinnvoller verwendet
werden könnten.
88
Die Angaben in den Abschnitten 4.1 bis 4.2 basieren auf Becker, T. und E. Benner: Zur Problematik der
Herkunftsangabe im regionalen Marketing. Arbeitsbericht Nr. 1, Hohenheim 2000
50
51
Ausgaben der CMA für Werbung
CMA Werbeetat 1998
Blumen, Zierpflanzen
8%
Brot, Backwaren
3%
Zucker
8%
Milch, Milchprodukte
40%
Obst, Gemüse,
Kartoffeln
8%
Werbeetat
50 Mio. DM
Budget: ca. 170 Mio DM
EU
8,2%
Erzeugerabg. 88,5%
eig. Mittel
3,2%
Fleisch, Fleischwaren
33%
Quelle: CMA 1999
Quelle: Becker, T. und E. Benner: Zur Problematik der Herkunftsangabe im regionalen Marketing.
Arbeitsbericht Nr. 1, Hohenheim 2000.
Für das zentral-regionale Marketing standen bis 1997 jährlich etwa DM 5 Mio. zur
Verfügung. Im Jahr 1998 wurde der Etat auf jährlich DM 15 Mio. angehoben. Da die
Finanzierung der Projekte zu je einem Drittel durch die CMA, die regionalen
Marketingorganisationen und die Wirtschaftspartner erfolgt, stehen somit DM 45 Mio. für das
zentral regionale Marketing zur Verfügung.89
Finanzielle Mittel, die von Seiten der Länder zur Verfügung gestellt werden, fließen aus dem
jeweiligen Landeshaushalt. Damit werden zum einem die Marketinggesellschaften und deren
Arbeit finanziert, zum anderen wird damit die regionale Vermarktung gefördert.
So stellte etwa das Land Baden-Württemberg der MBW im Jahr 1998 für Werbung,
Verkaufsförderung und Öffentlichkeitsarbeit rund DM 2,4 Mio. und für die Durchführung und
anteilige Finanzierung der Kontrollen und Untersuchungen etwa DM 1 Mio. aus dem
Landeshaushalt zur Verfügung. Insgesamt belief sich das Marketingbudget also auf etwa DM
89
Lebensmittel Zeitung Nr. 12 v. 20.03.1998 S. 22: Länder rütteln an Grundfesten der CMA.
52
3,4 Mio. Für zentral-regionale Kooperationsprojekte werden vom Land rund DM 550.000
jährlich aufgebracht.90
Zudem erstattet das Land den Vermarktern auf Antrag bis maximal 50% der für das regionale
Herkunfts- und Qualitätszeichen aufgewendeten Werbekosten. Kontrollkosten werden bis
maximal 60% vom Land erstattet. Ein zeitliche Begrenzung der Erstattung scheint bisher
nicht vorgesehen zu sein.91
Für Absatzförderung landwirtschaftlicher Produkte gab die Europäische Union 1997 etwa
EURO 54 Mio. aus.92 Eine Aufteilung auf die einzelnen Mitgliedstaaten ist nicht erhältlich.
Neben der Förderung des ökologischen Landbaus und umweltgerechter Produktionsverfahren
werden diese Mittel auf Produkte verteilt, für die es Richtlinien zur Absatzförderung gibt, z.B.
Rindfleisch und Äpfel.93 Auf Antrag können meist repräsentative Branchenverbände für
bestimmte Aktionen eine Finanzierung zwischen 40% und 70% erhalten. Ein spezielle
regionale Absatzförderung gibt es allenfalls im Rahmen der Strukturpolitik.
Nach Angaben der jeweiligen Verantwortlichen erhalten die CMA (8,2%), BW (bis zu 60% je
nach Maßnahme) Brandenburg (40%), Saarland (30%) Zuschüsse aus EU-Mitteln.94 Eine
Aufteilung nach Maßnahme findet nicht statt.
Insgesamt dürften also neben den rund DM 45. Mio. für das zentral-regionale Marketing etwa
noch mal DM 20 -25 Mio. aus den Haushalten der Bundesländer und der EU zur Verfügung
stehen.95 Über die Förderung der regionalen Vermarktung auf Grundlage der Richtlinien der
Länder liegen keine Angaben vor.
Mit 25 Millionen Mark aus der Verbraucherinitiative Bayern will Landwirtschaftsminister
Josef Miller der regionalen Vermarktung in den nächsten Jahren zusätzliche Schubkraft
verleihen. Bei einem Pressegespräch am 20. Juni 2002 in München präsentierte er dazu ein
Sieben-Punkte-Programm mit neuen Konzepten für das bayerische Qualitäts- und
90
Drucksache 12/4399 des Landtages Baden-Württembergs
91
Drucksache 12/244 des Landtages Baden-Württembergs
92
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 12. 2. 1999 S. 631.
93
vgl. Verordnung (EG) Nr. 481/1999 der Kommission von 4. März 1999 mit allgemeinen Bestimmungen für
die Verwaltung der Verkaufsförderungsprogramme für landwirtschaftliche Erzeugnisse, Abl Nr. L 57 vom
05.03.1999 S. 8-12.
94
Folgende Bundesländer machten keine Angaben: Thüringen. Nach eigenen Angaben erhalten SH, N, Bayern
und NRW keine Zuschüsse von der EU.
95
Dies ist eine vorsichtige Schätzung auf Grundlage der Budgets einzelner Marketinggesellschaften auf
Länderebene und der Anteile der EU an diesen Ausgaben.
53
Herkunftssicherungsprogramm, für Markenprogramme und Verbundprojekte, regionale
Spezialitäten, Direktvermarktung, Bauernmärkte und Bäuerinnen-Schmankerl-Services.
Intensiviert werden Beratung, Schulung und Fortbildung sowie Forschung und Controlling.96
4.2. Zulässigkeit staatlicher Beihilfen: Erste Entscheidungen des EuGH
1966 gründete die britische Regierung eine staatliche Institution (Apple and Pear
Development Council), die durch eine Erzeugerabgabe finanziert wird.97 Die Hauptaufgabe
der Institution ist die Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen der Apfel- und Birnenvermarktung,
dazu führt sie Werbekampagnen für diese Produkte im allgemeinen und für typische Sorten
aus England und Wales im besonderen durch. Darüber hinaus ist die Institution in den
Bereichen Forschung, Begutachtung, Public Relation und Informationsbeschaffung tätig.
Anfang 1978 wurde eine Institution in Irland gegründet, deren Vorstandsmitglieder vom
zuständigen Ministerium berufen wurden, die eine staatliche finanzielle Unterstützung erhielt
und deren Ziel von der Regierung vorgegeben wurde.98 Aufgabe der Institution war die
Durchführung eines Verkaufsförderungsprogramms für irische Produkte. Dieses Programm
sollte mit einer Reihe von Marketingmaßnahmen ausländische Importe durch irische Produkte
ersetzen. Kern der Maßnahme war das Etikett "Guaranteed Irish" in Verbindung mit einen
besonderen Beschwerdeverfahren für Verbraucher, falls ein so gekennzeichnetes Produkt
Anlass zu Klagen gibt. Hierdurch sollten die Verbraucher veranlasst werden, verstärkt auf
irische Produkte zu achten, sie zum Kauf veranlassen und so allgemein die irische Wirtschaft
fördern sowie Arbeitsplätze sichern bzw. schaffen.
Die Zulässigkeit dieser beiden Institutionen und ihrer Arbeit im Zusammenhang mit
staatlichen Beihilfen wurde in zwei Vorabentscheidungen von Europäischen Gerichtshof
geprüft. Durch diese zwei Urteile wurde deutlich, dass eine Verkaufsförderungsaktion, an der
sich der Staat beteiligt, nicht die gleichen Freiheiten besitzt wie eine rein privat durchgeführte
Maßnahme. Zunächst stellte der Europäische Gerichtshof fest, dass eine Institution als eine
staatliche anzusehen ist, wenn deren Budget, Personalpolitik bzw. Ziele vom Staat
vorgegeben werden. Beide Institutionen, obwohl staatlich, unterscheiden sich in ihren
Aufgaben. Im weiteren hatte der Europäische Gerichtshof also über die Zulässigkeit dieser
96
Vgl. http://www.stmlf.bayern.de/alle/layout/empty.gif vom 10.11.2002
97
Rechtssache 222/83 ("Apple Council"), Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes, S. 4083 - 4143,
1983.
98
Rechtssache 249/81 ("Buy Irish"), Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes, S. 4003 - 4033, 1982.
54
staatlichen Institutionen aufgrund ihrer Aufgabe zu urteilen. Diese Aufgaben dürfen nicht
gegen das Gemeinschaftliche Interesse verstoßen.
Ein Verstoß liegt nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs dann vor, wenn im Zuge
der staatlichen Beteiligung Ware aus anderen Mitgliedstaaten diskriminiert wird. D.h. es wird
vom Kauf der ausländischen Ware abgeraten, der Kauf von inländischer Ware nur aufgrund
deren Herkunft angeraten bzw. die ausländische Ware herabgesetzt. Diese Auffassung führte
dazu, dass die irische Institution als ein Verstoß angesehen wurde. Wird im Rahmen der
staatlichen Beteiligung, wie es bei der britischen Institution der Fall ist, lediglich die
besondere Qualität des Produkts herausgestellt, mag diese Qualität auch typisch für das Land
oder die Region sein, ohne dass ausländische Ware diskriminiert wird, so liegt hingegen kein
Verstoß vor. Die britische Institution verstößt demzufolge nicht gegen das Gemeinschaftliche
Interesse.99
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass bei staatlicher Beteiligung darauf zu achten ist, dass
sie weder ein innergemeinschaftliches Handelshemmnis100 noch eine unzulässige staatliche
Beihilfe darstellen.101 Im Rahmen der Verhandlungen gegen die beiden Programme kam der
Europäische Gerichtshof zu dem Urteil, dass insbesondere Herkunftsdeklarationen in der
Lage sind, den innergemeinschaftlichen Wettbewerb zu beeinträchtigen.102
Ein drittes Verfahren beschäftigte sich mit der Frage, ob sich ein staatliches
Qualitätsprogramm, auch ein fakultatives, auf den nationalen/regionalen Ursprung eines
Zusatzes/Produkts beziehen darf.103 Im vorliegenden Fall wollte eine deutsche Firma
französisches Destillat zu Branntwein verarbeiten und entsprechend als Qualitätsbranntwein
nach deutschem Recht kennzeichnen. Zwar wird in diesem Zusammenhang den
Mitgliedstaaten das Recht eingeräumt, Qualitätsprogramme zu etablieren, doch muss sich ein
solches Programm auf objektive innere Merkmale beziehen. Eine Qualitätsvermutung
hingegen, die lediglich davon abhängt, dass die Herstellung ganz oder teilweise im Inland
erfolgt, ist eine Maßnahme gleicher Wirkung und folglich mit dem Gemeinsamen Markt
unvereinbar.
99
Rechtssache 249/81 ("Buy Irish") und Rechtssache 222/83 ("Apple Council")
100
Artikel 28 des EG-Vertrages
101
Artikel 87 des EG-Vertrages.
102
d.h. gemäß Artikel 28 des Vertrages als Maßnahme gleicher Wirkung angesehen werden können
103
Rechtsache 13/78 ("Eggers"), Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes, S. 1935 - 1967, 1978.
55
Die Europäische Kommission ihrerseits ist angehalten, einen Verstoß gegen die
Bestimmungen
des
Vertrags
anzuzeigen,104
sowie
staatliche
Beihilfen
auf
ihre
Wettbewerbswirkung zu überprüfen.105
So nahm 1986 die Europäische Kommission insbesondere die beiden ersten Urteile zum
Anlass, Leitlinien für die Beteiligung der Mitgliedstaaten an Verkaufsförderungsmaßnahmen
für landwirtschaftliche Erzeugnisse zu erarbeiten,106 um die Mitgliedstaaten vorab darüber in
Kenntnis zu setzen, was bei der staatlichen Beteiligung an Verkaufsförderungsmaßnahmen zu
beachten ist, um einen Verstoß gegen den Vertrag zu vermeiden. Dabei weist die Kommission
darauf hin, dass sie ein Vertragsverletzungsverfahren anstrengt, falls gegen diese Leitlinien
verstoßen wird.
Mit ihren Leitlinien machte die Kommission deutlich, dass es ihr nicht darum geht,
Ursprungskennzeichnungen gänzlich zu untersagen. Solange es sich um Werbekampagnen
handelt, die lediglich den Namen, die besonderen Qualitäten oder Sorten von Erzeugnissen
herausstellen, spricht nichts gegen eine staatliche Beteiligung. Diese sind selbst dann erlaubt,
wenn es sich dabei um typisch nationale Erzeugnisse handelt und sich der Ursprung aus
diesen Hervorhebungen ergibt. Auch sind der Geschmack, Duft, Frische, Reife, Preis,
Ernährungswert,
verfügbare
Sorten
und
Nützlichkeit
(Rezepte
usw.)
zulässige
Werbeargumente. Allerdings sind positive Feststellungen nicht zulässig, wenn diese
Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten zwangsläufig als minderwertig erscheinen lassen.
Demzufolge sind Superlative und Maßnahmen zu vermeiden, die wegen des Hinweises auf
die nationale Herkunft zur Folge haben, dass das Werbeprodukt mit Erzeugnissen anderer
Mitgliedstaaten verglichen wird. Jedoch darf auch auf Qualitätskontrollen hingewiesen
werden, solange diese objektiver Natur sind.
Letztlich stellen nur solche Verkaufsförderungsaktionen ein Handelshemmnis dar, die den
Verbraucher raten, nationale Erzeugnisse zu kaufen, nur weil diese nationalen Ursprungs sind
sowie Maßnahmen, die darauf abzielen, den Verbraucher nicht zu dem Kauf von Produkten
aus anderen Mitgliedsländern zu ermutigen oder diese Erzeugnisse in den Augen der
104
Artikel 226 des EG-Vertrages.
105
Artikel 88 und 89 des EG-Vertrages
106
Leitlinien für die Beteiligung der Mitgliedstaaten an Verkaufsförderungsmaßnahmen für landwirtschaftliche
und Fischereierzeugnisse - Aspekte betreffend Artikel 30, Abl Nr. C 272 vom 28.10. 1986 S. 4 - 5.
56
Verbraucher herabsetzen. Hier soll ausdrücklich "chauvinistischen Tendenzen" vorgebeugt
werden.107
Allerdings legt die Kommission nahe, dass Verkaufsförderungsmaßnahmen, die im großen
Stil durchgeführt werden, als solche angesehen werden können, Importe zu ersetzen und
damit gegen Artikel 28 des EG-Vertrag verstoßen.108
4.3. Neue Rahmenregelung für die staatliche Beihilfen
Mit einer neuen Gesamtregelung für die Beihilfen im Landwirtschaftlichen Bereich werden
gültig ab 1. Januar 2000 die bisherigen Vorschriften kodifiziert und vereinfacht sowie mit den
Änderungen im Rahmen der Agenda 2000 in Einklang gebracht. Dieser sogenannte
"Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen im Agrarsektor" von 1999109 soll eine Vielzahl
von Rechtsvorschriften, unter anderem auch die Leitlinien von 1986, durch ein einfaches und
einheitliches Regelwerk ersetzen.
Diese Rahmenregelung ist kein europäisches Gesetz, sondern stellt lediglich einen
administrativen Vorgang im Rahmen der bereits 1958 in der Europäischen Gemeinschaft
eingeführten Beihilfekontrollen, die Wettbewerbsverzerrungen verhindern sollen, dar.
Insgesamt umfasst der Gemeinschaftsrahmen etwa zwei Dutzend Beihilfekategorien bzw.
Unterkategorien.110 In dem Zusammenhang hier sind zwei Kategorien von Interesse:
107
ebenda
108
ebenda
109
In: Agra Europe Sonderbeilage vom 13. Dezember 1999
110
Es werden folgende Beihilfen behandelt: Investitionsbeihilfen (Beihilfen für Investitionen in
landwirtschaftlichen Betrieben insbesondere zur Erhaltung der Kulturlandschaft, im öffentlichen Interesse
durchgeführte Aussiedlungen, Investitionen für den Schutz und die Verbesserung der Umwelt, für die
Verbesserung der Hygiene in der Tierhaltung und des Tierschutzes, aber auch Beihilfen für Investitionen zur
Verbesserung der Verarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse, Beihilfen zur Förderung der
Diversifizierung der Tätigkeiten im Betrieb), Beihilfen für den Umweltschutz (Beihilfen für
Umweltinvestitionen, Beihilfen für Agrarumweltmaßnahmen, Beihilfen zugunsten von Landwirten in Gebieten
mit Umweltschutzauflagen gemäß Gemeinschaftsrecht, Betriebsbeihilfen), Beihilfen zum Ausgleich von
Nachteilen in benachteiligten Gebieten, Niederlassungsbeihilfen für Junglandwirte, Beihilfen für den
Vorruhestand oder für die Beendigung landwirtschaftlicher Erwerbstätigkeiten, Beihilfen für die Stillegung von
Produktions-, Verarbeitungs- und Vermarktungskapazitäten, Beihilfen für Erzeugergemeinschaften, Beihilfen
zum Ausgleich von Schäden zum Nachteil der landwirtschaftlichen Erzeugung oder der landwirtschaftlichen
Betriebsmittel (Beihilfen zur Beseitigung der durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche
Ereignisse verursachten Schäden, Beihilfen zum Augleich witterungsbedingter Schäden in der Landwirtschaft,
Beihilfen zur Bekämpfung von Tierseuchen und Pflanzenkrankheiten, Beihilfen zur Zahlung von
Versicherungsprämien), Beihilfen für die Flurbereinigung, Beihilfen zur Förderung der Erzeugung und
Vermarktung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen hoher Qualität, Bereitstellung technischer Hilfe im
Agrarsektor, Unterstützung des Tierhaltungssektors, Staatliche Beihilfen für Gebiete in äußerster Randlage und
die Inseln des Ägäischen Meeres, Beihilfen zur Forschung und Entwicklung, Beihilfen zur Förderung des
Absatzes landwirtschaftlicher Erzeugnisse und zur Werbung hierfür, Beihilfen in der Form von subventionierten
57
-
Beihilfen zur Förderung der Erzeugung und Vermarktung von landwirtschaftlichen
Erzeugnissen hoher Qualität und
-
Beihilfen zur Förderung des Absatzes landwirtschaftlicher Erzeugnisse und zur
Werbung hierfür.
4.4. Regelung für Beihilfen zur Förderung der Erzeugung und Vermarktung
von landwirtschaftlichen Erzeugnissen hoher Qualität
Die
Kommission
genehmigt
Beihilfen
für
Beratungs-
und
ähnliche
Unterstützungsleistungen, einschließlich technischer Studien, Durchführbarkeits- und
Konzeptstudien und Marktforschungen, zu Gunsten von Tätigkeiten, die mit der
Förderung landwirtschaftlicher Erzeugnisse von hoher Qualität zu tun hat.
Hierzu werden ausdrücklich gezählt:
-
Marktforschungstätigkeiten,
Produktentwürfe
und
Produktentwicklungen
einschließlich Beihilfen, die zur Vorbereitung der Beantragung der Anerkennung
von geographischen Angaben gemäß der Verordnung 2081/92 gewährt werden,
-
die Einführung von Qualitätssicherungssystemen (ISO 9000 Serie) oder Verfahren
zur Gefahrenanalyse (HACCP) oder von Umweltverträglichkeitsprüfungen,
-
die Deckung von Kosten für die Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern im
Hinblick auf die Anwendung von Qualitätssicherungssystemen und HACCPVerfahren sowie der Kosten der Erstzertifizierung.
Der höchstzulässige Gesamtbetrag an Beihilfen, die in dieser Kategorie gewährt werden
können, darf 100 000 Euro pro Begünstigten während eines Zeitraums von drei Jahren nicht
überschreiten.
Beihilfen zur Deckung der Kosten für Qualitätskontrollen werden zukünftig nur für solche
Kontrollen gewährt, die von oder im Namen von Dritten, wie etwa durch die zuständigen
Ordnungsbehörden, durchgeführt werden. Die Kommission wird, entsprechend dem
Gemeinschaftsrahmen, Beihilfen bis zu einem höchstzulässigen Anfangssatz von 100% der
Kosten für Kontrollen genehmigen, die von den Stellen durchgeführt werden, die für die
Überwachung der Verwendung von Gütezeichen und Etikettierungen im Rahmen anerkannter
Darlehen mit kurzer Laufzeit, Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in
Schwierigkeiten, und Beschäftigungsbeihilfen.
58
Qualitätssicherungssysteme zuständig sind. Solche Beihilfen sind nach und nach zu
reduzieren, so dass sie im siebten Jahr ihres Bestehens auslaufen.
4.5. Regelung für Beihilfen zur Förderung des Absatzes landwirtschaftlicher
Erzeugnisse und zur Werbung hierfür
In dem Gemeinschaftsrahmen selbst wird diese Kategorie von Beihilfen nicht weiter
behandelt, sondern nur angesprochen. Es wird hier auf die Bestimmungen der
Rahmenregelung
für
einzelstaatliche
Beihilfen
im
Bereich
der
Werbung
für
landwirtschaftliche Erzeugnisse verwiesen.
Die Beihilfen unterliegen der Genehmigung der Kommission gemäß Artikel 87111 des EGVertrages. Hierfür sind die geplanten Aktionen bei der Kommission anzuzeigen. Damit die
Kommission sich äußern kann, sind Beihilfen für Werbeaktionen, wie jede andere Subvention
auch, der Kommission vor der Einführung bzw. Umgestaltung anzuzeigen.112 Insbesondere
sind die geplante Dauer und die geographische Abgrenzung, sowie die Anteile der
Finanzierungsarten (direkte Beihilfe, freiwillige Mittel, parafiskalische Abgabe) anzugeben.
Zudem ist zu rechtfertigen, warum die Maßnahme nicht gegen Artikel 28 verstößt und nicht
nur bestimmten Unternehmen zu gute kommt. Ebenfalls ist zu begründen warum die positiven
Kriterien erfüllt werden.
Im Jahr 1987 veröffentlichte die Kommission eine erste "Rahmenregelung für einzelstaatliche
Beihilfen im Bereich der Werbung für landwirtschaftliche Erzeugnisse (ausgenommen
111
Artikel 87 (ex Artikel 92) lautet: (1). Soweit in diesem Vertrag nicht etwas anderes bestimmt ist, sind
staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung
bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit
dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen. (2). Mit
dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind: a) Beihilfen sozialer Art an einzelne Verbraucher, wenn sie ohne
Diskriminierung nach der Herkunft der Waren gewährt werden; b) Beihilfen zur Beseitigung von Schäden, die
durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse entstanden sind; c) Beihilfen für die
Wirtschaft bestimmter, durch die Teilung Deutschlands betroffener Gebiete der Bundesrepublik Deutschland,
soweit sie zum Ausgleich der durch die Teilung verursachten wirtschaftlichen Nachteile erforderlich sind. (3).
Als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar können angesehen werden: a) Beihilfen zur Förderung der
wirtschaftlichen Entwicklung von Gebieten, in denen die Lebenshaltung außergewöhnlich niedrig ist oder eine
erhebliche Unterbeschäftigung herrscht; b) Beihilfen zur Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem
europäischem Interesse oder zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines
Mitgliedstaats; c) Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete,
soweit sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse
zuwiderläuft; d) Beihilfen zur Förderung der Kultur und der Erhaltung des kulturellen Erbes, soweit sie die
Handels- und Wettbewerbsbedingungen in der Gemeinschaft nicht in einem Maß beeinträchtigen, das dem
gemeinsamen Interesse zuwiderläuft; e) sonstige Arten von Beihilfen, die der Rat durch eine Entscheidung mit
qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission bestimmt.
112
Vgl. Artikel 88 Absatz 3 des EG-Vertrages.
59
Fischereierzeugnisse) und bestimmte nicht in Anhang I des EG-Vertrags genannte
Erzeugnisse. Diese Rahmenregelung für Werbung wurde im Jahr 2001 durch die
"Gemeinschaftsleitlinien für staatliche Beihilfen zur Werbung für in Anhang I des EGVertrags genannte Erzeugnisse und bestimmte nicht in Anhang I genannte Erzeugnisse"
ersetzt. Diese wird im folgenden als Leitlinie für Werbung bezeichnet und unterscheidet sich
in einigen Punkten von der bis dahin gültigen Rahmenregelung für Werbung.113
Die alte Rahmenregelung für Werbung verstand unter diesem Begriff jede Aktion, die mittels
des Einsatzes der Medien (Presse, Rundfunk, Fernsehen und Plakate) den Verbraucher zum
Kauf des betreffenden Erzeugnisses anregen sollte. Aktionen zur Absatzförderung in einem
weiteren Sinne, zum Beispiel die Verbreitung von wissenschaftlichen Erkenntnissen, die
Organisation von Messen und Ausstellungen, die Teilnahme hieran sowie ähnliche Aktionen
der Öffentlichkeitsarbeit einschließlich Umfragen und Marktforschung fielen nicht in den
Geltungsbereich der Regelung. In der aktuell gültigen Leitlinie für Werbung, die seit 1. Januar
2002 von der Kommission angewendet wird, gilt jegliche Aktion, die darauf ausgerichtet ist,
die Marktteilnehmer bzw. die Verbraucher zum Kauf eines bestimmten Erzeugnisses
anzuregen als "Werbung". Sie umfasst auch sämtliches Material, das mit derselben Absicht
direkt an die Verbraucher verteilt wird, einschließlich Werbemaßnahmen, die sich am
Verkaufsort an den Verbraucher richten.
Aktionen zur Absatzförderung wie die Verbreitung von wissenschaftlichen Erkenntnissen, die
Veranstaltung von Messen und Ausstellungen, die Teilnahme hieran sowie ähnliche Aktionen
der Öffentlichkeitsarbeit einschließlich Umfragen und Marktforschung gelten weiterhin nicht
als "Werbung" im Sinne der Leitlinie für Werbung, sondern sind den Kategorien
-
Beihilfen zur Förderung der Erzeugung und Vermarktung von landwirtschaftlichen
Erzeugnissen hoher Qualität oder
-
Bereitstellung technischer Hilfe im Agrarsektor
des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Beihilfen im Agrarsektor zuzuordnen.
Unter staatliche Beihilfe versteht die Kommission sowohl direkte finanzielle Zuschüsse aus
öffentlichen Haushalten als auch sonstige staatliche Quellen, einschließlich parafiskalischer
113
Neben den in Anhang I des EG-Vertrages genannten Erzeugnissen, gelten die Bestimmungen auch für
Erzeugnisse, die zu einem überwiegenden Teil die in Anhang 1 der Rahmenregelung genannte Erzeugnisse (vor
allem Milcherzeugnisse, Getreide, Zucker und Äthylalkohol) in verarbeiteter Form enthalten (z.B. Fruchtjoghurt,
Zubereitungen aus Milchpulver mit Kakao, Mischungen aus Butter und pflanzlichen Fetten, Back- und
Zuckerwaren, alkoholische Getränke).
60
Abgaben oder Zwangsbeiträge.114 Somit fallen die Beihilfen der Bundesländer für das
regionale Marketing sowie die Mittel der CMA unter die Kategorie der staatlichen Beihilfen.
Die Europäische Kommission unterscheidet bei der Zulässigkeit staatlicher Beihilfen in
negative und in positive Kriterien.
Die negativen Kriterien, beziehen sich auf einen möglichen Verstoß gegen das "gemeinsame
Interesse". Allerdings reicht es für die Zulässigkeit einer Beihilfe nicht aus, dass diese nicht
lediglich dem Gemeinsamen Interesse zuwiderläuft. Daher hat die Kommission die
sogenannten positiven Kriterien entwickelt. Gemäß dieser Kriterien ist bei der Zulässigkeit
der Beihilfen auf deren positiven Beitrag zur Entwicklung bestimmter Wirtschaftszweige oder
Wirtschaftsgebiete zu achten.
Der Beitrag zur Entwicklung kann sich auf einen Wirtschaftszweig oder auf ein
Wirtschaftsgebiet beziehen. Zulässig sind Beihilfen dann, wenn die subventionierte Werbung
einen der folgenden Fälle betrifft:
•
Landwirtschaftliche Überschusserzeugnisse
•
Neue Erzeugnisse oder Ersatzerzeugnisse, die nicht überschüssig sind
•
Qualitätserzeugnisse
•
Entwicklung bestimmter Gebiete
•
Entwicklung der kleinen und mittleren Unternehmen
•
Projekte, die von offiziell anerkannten Organisationen, wie z.B. Erzeugerorganisationen
oder Erzeugergemeinschaften durchgeführt werden.
In der Leitlinie für Werbung wird deutlich unterschieden zwischen Werbung, bei der der
Ursprung die primäre Werbebotschaft ist und solcher Werbung, bei der der Ursprung die
sekundäre Werbebotschaft ist.
Werbung mit dem Ursprung als primärer Werbebotschaft ist nur außerhalb der jeweiligen
Region bzw. dem jeweiligen Mitgliedstaat zulässig. Solche Werbeaktionen sollten aber darauf
abzielen, den Verbrauchern Erzeugnisse vorzustellen, mit denen sie nicht vertraut sind.
114
Rahmenregelungen für einzelstaatliche Beihilfen im Bereich der Werbung für landwirtschaftliche Erzeugnisse
(ausgenommen Fischereierzeugnisse) und bestimmte nicht im Anhang des EWG-Vertrages genannte
Erzeugnisse (87/C 302/06), Abl Nr. C 302 vom 12.11. 1987 S. 6 - 10.
61
Werbeaktionen in der jeweiligen Binnenregion mit dem Ursprung als primäre Werbebotschaft
hingegen verstoßen gegen Artikel 28 EG-Vertrag.
Um beurteilen zu können, ob der Ursprung tatsächlich eine untergeordnete Werbebotschaft
darstellt, wird die Kommission die Gesamtbedeutung von Text und/oder Symbolen
berücksichtigen.
Ausdrücklich erlaubt sind Beihilfen für die Werbung für Erzeugnisse, die mit einer auf
Gemeinschaftsebene eingetragenen geschützten Ursprungsbezeichnung oder geschützten
geographischen Angabe versehen sind sowie für Erzeugnisse aus ökologischem Anbau.
Damit nicht der Handelsverkehr zugunsten der Mitgliedstaaten beeinflusst wird, die
bedeutende Mittel ausgeben können, wird die direkte Beihilfe aus dem öffentlichen Haushalt
auf 50% begrenzt. Die beteiligten Unternehmen müssen das Residuum aus freiwilligen
Beiträgen oder aus parafiskalischen Abgaben finanzieren. Ausnahmen gelten lediglich für
Beihilfen an Werbeaktionen kleiner und mittlerer Unternehmen für Produkte aus bestimmten
benachteiligten Gebieten.
Das Notifizierungsverfahren sieht vor, dass einzelne Werbeaktionen zur Notifizierung im
voraus vorzulegen sind. Dies betrifft Werbeaktionen, die sich wiederholt der nationalen
Medien wie Presse, Funk und Fernsehen in dem betreffenden Mitgliedstaat bedienen und neue
Qualitätssicherungsverfahren oder -merkmale anpreisen oder sich auf den nationalen oder
regionalen Ursprung beziehen.
Mit der derzeit geltenden Leitlinie für Werbung folgt die Kommission zum einen der
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und kommt zum anderen ihrer Aufgabe der
Beihilfekontrolle nach. Sie macht deutlich, dass sie die Subventionierung von Werbeaktionen
als Maßnahmen gleicher Wirkung im Sinne von Artikel 28 ansieht, wenn diese die Herkunft
übermäßig betonen.
4.6. Konsequenzen für die Herkunfts- und Gütezeichen
Nicht nur das CMA-Gütezeichen, sondern gleichermaßen auch die Herkunfts- und
Qualitätszeichen der Bundesländer sind von der Gemeinschaftsleitlinie für Werbung
betroffen.
Mit einer Klageschrift, die am 4. September 2000 bei dem EuGH eingegangen ist, hat die
Kommission der Europäischen Gemeinschaften Klage auf Feststellung erhoben, dass die
Bundesrepublik Deutschland durch die Vergabe des Gütezeichens "Markenqualität aus
62
deutschen Landen" an in Deutschland hergestellte Fertigerzeugnisse bestimmter Qualität
gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 28 EG-Vertrag (ehemals Artikel 30) verstoßen hat.
Die EU-Kommission stützt damit ihre Klage auf die folgende Argumentation: durch die
positive
Kennzeichnung
der
deutschen
Waren
würden
Erzeugnisse
aus
anderen
Mitgliedsstaaten diskriminiert (bezugnehmend auf Artikel 28); sie fordert deshalb, die
Qualitätsbezeichnungen auch für andere Länder zu öffnen.
Es wurden von der Kommission Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, nicht nur gegen
Deutschland, sondern auch gegen Frankreich und Spanien wegen der Bevorzugung von
Erzeugnissen der Mitgliedstaaten bzw. der betreffenden Regionen durch "Gütezeichen bzw.
Qualitätsbezeichnungen".
Im
Falle
Frankreichs
bezog
sich
das
eingeleitete
Vertragsverletzungsverfahren auf regionale Gütezeichen, wie: „Normandie", „Limousin",
„Midi-Pyrenees" sowie „Qualité France". Die französischen Behörden waren bereit, die
Rechtsstellung der Gütezeichen zu ändern. In Spanien wurden Qualitätsbezeichnungen wie
„El Valles Occidental", „Alimentos de Extremadura" sowie „Calidad Cantabria" bemängelt.
Die zuständigen Regionalbehörden haben die strittigen Bezeichnungen abgeschafft.115
Am 5.November 2002 ist hierzu ein Urteil des Europäischen Gerichtshof ergangen. In diesem
Urteil wird ausführlich auf die Finanzierung und die Rechtstellung der CMA eingegangen.
Der EuGH kommt zu dem Ergebnis, dass die strittige Regelung als eine dem Staat
zuzurechnende öffentliche Maßnahme im Sinne von Artikel 28 EG-Vertrag anzusehen ist.
Nach ständiger Rechtsprechung bezweckt Artikel 28 EG-Vertrag116 das Verbot jeder
Regelung oder sonstigen Maßnahme der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den
innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu
behindern.117
Es wird folgendes für Recht erkannt und entschieden: Die Bundesrepublik Deutschland hat
durch die Vergabe des Gütezeichens Markenqualität aus deutschen Landen an in Deutschland
hergestellte Fertigerzeugnisse bestimmter Qualität gegen íhre Verpflichtungen aus Artikel 28
EG-Vertrag (ehemals Artikel 30) verstoßen.
115
Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2000, S. 102.
116
Artikel 28 (ex Artikel 30) der konsolidierten Fassung des Vertrages zur Gründung der Europäischen lautet:
"Mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung sind zwischen den
Mitgliedstaaten verboten."
117
vgl. Urteil der Gerichtshofes vom 5. November 2002 (http://curia.eu.int/jurisp/ vom 6. 11. 2002).
63
In dem Urteil wird auch auf die Argumentation der deutschen Regierung eingegangen, dass
der Schutz geographischer Angaben unter bestimmten Voraussetzungen unter den Schutz des
gewerblichen und kommerziellen Eigentums im Sinne von Artikel 30 EG-Vertrag (ehemals
Artikel 36) fallen könnte. Hierzu führt der EuGH aus: Eine Regelung wie die vorliegende, die
zur Bestimmung des Herkunftsbereichs auf das gesamte deutsche Hoheitsgebiet abstellt und
für
alle
Erzeugnisse
der
Land
und
Ernährungswirtschaft
gilt,
die
bestimmte
Qualitätsanforderungen erfüllen, ist nicht als geographische Angabe anzusehen, die nach
Artikel 30 EG-Vertrag gerechtfertigt sein kann.
Artikel 30 (ex Artikel 36) der konsolidierten Fassung des Vertrages zur Gründung der
Europäischen lautet: Die Bestimmungen der Artikel 28 und 29 stehen Einfuhr-, Ausfuhr- und
Durchfuhrverboten oder -beschränkungen nicht entgegen, die aus Gründen der öffentlichen
Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit, zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von
Menschen, Tieren oder Pflanzen, des nationalen Kulturguts von künstlerischem,
geschichtlichem oder archäologischem Wert oder des gewerblichen und kommerziellen
Eigentums gerechtfertigt sind. Diese Verbote oder Beschränkungen dürfen jedoch weder ein
Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels
zwischen den Mitgliedstaaten darstellen.
In dem Urteil wird auch das Argument zurückgewiesen, dass mit dem CMA-Gütezeichen eine
qualitätsorientierte Politik verfolgt wird. Hier sagt der EuGH: "Ob eine Beschränkung im
Sinne von Artikel 28 (ex Artikel 30) EG Vertrag vorliegt, ist nämlich anhand der
Auswirkungen der betreffenden Maßnahme auf den Handel zu beurteilen".
Mit diesem erst kürzlich ergangenen Urteil wird klar, dass nicht nur die Beihilfen für die
Werbung für das CMA-Gütezeichen "Markenqualität aus deutschen Landen" als nicht
zulässig betrachtet werden, sondern dass die staatliche Vergabe des Gütezeichens selbst schon
als unzulässige Maßnahme im Sinne von Artikel 28 der konsolidierten Fassung des EGVertrages betrachtet wird.
Damit steckt das Gütezeichen in einer schweren Krise. Es bleibt abzuwarten, welchen Weg
die Bundesregierung und die CMA beschreiten werden, um dem Urteil Rechnung zu tragen.
64
5. Die geographische Herkunftsangabe in der EU im Vergleich
Die Bedeutung und Nutzung geographischer Herkunftsangaben in den einzelnen
Mitgliedstaaten der EU ist der Ausdruck unterschiedliche Traditionen. Diese finden ihren
Ausdruck in einem unterschiedlichem rechtlichen Schutz, unterschiedlicher Definition,
unterschiedlicher Organisation des Schutzes, unterschiedlichem Grad der Förderung sowie
einer
unterschiedlichen
kulturellen
und
ökonomischen
Bedeutung
geographischer
Herkunftsangaben in den einzelnen Ländern der EU. Während in Deutschland die staatlichen
Herkunfts- und Gütezeichen, also die kombinierten Herkunftszeichen, eine Tradition haben,
sind dies die qualifizierten Herkunftsangaben (geschützter Ursprung und geschützte
geographische Angabe) in Frankreich. Während in Deutschland die CMA und die
Marketinggesellschaften der Bundesländer für die Herkunfts- und Gütezeichenpolitik
zuständig sind, ist dies in Frankreich für die Ursprungsbezeichnungen, die wie als
qualifizierten
Herkunftsangaben
bezeichnet
haben,
das
Institut
für
kontrollierte
Ursprungsbezeichnungen (INAO).
Geographische Herkunftsangaben werden in den herkömmlichen französischen, italienischen
und portugiesischen Rechtssystemen durch administrative Überwachung und Registrierung
erfasst, definiert und geschützt, und zwar sowohl gegen irreführende Verwendung als auch
gegen Rufausbeutung und dem Abgleiten auf die Ebene des Gattungsbegriffs.118 Diesen
Ansatz hat sich die Europäische Lebensmittelpolitik mit der Verordnung Nr. 2081/92 zu eigen
gemacht.
Im Vereinigten Königreich fällt der Schutz der Herkunftsangaben in den Bereich des
Wettbewerbs- und des Verbraucherschutzes. Der Schutz der Herkunftsangaben ist ein
Nebenprodukt des Schutzes des Verbrauchers vor irreführenden Angaben. Traditionell gibt es
in
dem
Vereinigten
Königreich
kein
Registrierungssystem
für
geographische
Herkunftsangaben.119
118
Vgl. Harte-Bavendamm, H.: Ende der geographischen Herkunftsbezeichnung? - "Brüsseler Spitzen" gegen
ergänzenden nationalen Rechtsschutz -, in Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Heft 10 S. 717 - 729,
1996, S. 718.
119
Vgl. Wilson, N., A. Fearne: A Link between Modernity and Tradition - The case of several regional food
products, 67th EAAE Seminar, Le Mans 1999.
65
In diesem Kapitel wird auf die Bedeutung und die Nutzung, die Förderung und Unterstützung,
sowie die Organisation des Schutzes der Herkunftsangaben in anderen Ländern der EU
eingegangen werden.
5.1. Bedeutung und Nutzung
Der Kommission wurden von den Mitgliedstaaten rund 1400 Bezeichnungen als
schützenswert mitgeteilt worden. Hiervon stammen etwa 900 aus Deutschland. Unter den
ersten 343 für die Registrierung vorgesehenen Angaben finden sich dagegen nur rund 20
deutsche Bezeichnungen, und zwar für Mineralwässer. In einer weiteren Verordnung wurden
in 1996 zwei weitere deutsche Bezeichnungen aufgeführt, nämlich "Nürnberger Lebkuchen
und "Lübecker Marzipan".120 Mittlerweile sind 62 deutsche Produkte anerkannt und
registriert.
120
Vgl. Meyer, A.H.: Anmeldung von Herkunftsangaben nach der VO (EWG) Nr. 2081/92 des Rates - Ein
Leitfaden - in: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Heft 2, S. 91 - 95, 1997, S. 91.
66
Tabelle 1: Anzahl eingetragener geographischer Angaben (g.U. und g.g.A.) nach Land
und Produkt
Käse Fleisch- Tafel-
Obst
Frisches Back- Frische Sonst. Bier Sonst.
erzeug- oliven Gemüse Fleisch waren Fische
nisse
Belgien
1
Dänemark
2
Deutschland
4
Griechenland
19
Spanien
16
9
Frankreich
42
3
Irland
1
1
Italien
30
25
Getreide
Erzeugn.
und
Fette Verschied.
1
1
4
2
10
Niederlande
4
Österreich
6
2
Portugal
12
14
4
3
14
4
1
1
1
21
7
3
16
48
1
1
12
31
1
1
23
4
1
9
1
6
2
25
3
1
4
1
2
29
2
2
1
1
1
1
3
1
1
18
19
9
5
1
Finnland
Schweden
1
Vereinigtes
Königreich
11
Insgesamt
149
Quelle:
Getränke und
2
1
Luxemburg
tier.
Öle Non-Food
Eigene
1
61
17
Berechnungen
1
5
107
85
nach
12
Angaben
der
1
1
3
3
5
14
15
38
Generaldirektion
(http://europa.eu.int/comm/agriculture/foodqual/quali1_de.htm vom 24. November 2002)
67
für
72
Landwirtschaft
10
Insgesamt sind in der EU inzwischen nach Angaben der Kommission 585 Produkte registriert
(vgl. Tabelle 2).
Aus Tabelle 1 ist zu ersehen, auf welchen Produkten der Schwerpunkt in den jeweiligen
Ländern liegt.
Frankreich hat vor allem in den Bereichen Käse (42) und Frisches Fleisch (48) relativ viele
Registrierungen. Italien zeichnet sich durch viele registrierte Produkte in den Kategorien Käse
(30), Obst, Gemüse und Getreide (29) Fleischprodukte (25) sowie Öle und Fette (25) aus.
Portugal weist eine Reihe von Produkten in den Bereichen Frischfleisch (19), Obst, Gemüse
und Getreide (18), Fleischprodukte (14) sowie Käse (12) vor. Griechenland ist führend in den
Kategorien Öle und Fette (23) sowie Tafeloliven (10), jedoch auch eine Reihe von
Käseprodukte (19) sind für Griechenland registriert. Spanien ist führend bei Obst, Gemüse
und Getreide (21), hat aber auch relativ viele Käseprodukte (16). Für Deutschland sind fast
ausschließlich Bier (12) und Sonstige Getränke, d.h. Mineralwässer (31) registriert.
Aus Tabelle 2 wird deutlich, dass Produkte aus Frankreich und Italien am häufigsten
registriert sind, gefolgt von Portugal, Griechenland, Spanien und Deutschland. Aus dem
Vereinigten Königreich und Österreich kommen deutlich weniger eingetragene Produkte. In
Belgien, Niederlande und Luxemburg gibt es kaum registrierte Produkte und noch weniger
Bedeutung hat die Eintragung einer geographischen Angabe nach Verordnung EWG Nr.
2081/92 für die skandinavischen Länder und Irland.
68
Tabelle 2: Entwicklung
der
geschützten
geographischen
Herkunftsangaben
nach Ländern
Kollektive
Qualitätszeichen3
EU-geschützte
geographische
Herkunftsangaben
EU-geschützte
geographische
Herkunftsangaben
(g.U. + g.g.A.)2
(g.U. + g.g.A.)1
Stand Ende 1997
Stand 19.11.1999
Stand 23.11.2002
Frankreich
498
103
128
Italien
531
98
118
Portugal
142
76
78
Griechenland
211
75
73
Spanien
196
40
67
Deutschland
78
58
62 (31)
Vereinigtes
Königreich
56
23
25
Österreich
19
11
12
Niederlande
42
4
5
Belgien
17
3
4
Luxemburg
10
4
4
Dänemark
16
3
3
Irland
19
0
3
Schweden
18
1
2
Finnland
8
1
1
Summe
1861
575
585
Quelle: Eigene Berechnungen nach Angaben der Generaldirektion für Landwirtschaft
1
http://europa.eu.int/comm/agriculture/foodqual/quali1_de.htm vom 24. November 2002;
2
http://europe.eu.int/comm/dg06/qual vom 19.November.1999) und 3C. Peri, D. Gaeta: Designations of origin
and industry certifications as means of valorising agricultural food products. Working Paper.
69
Während die Anzahl der EU-geschützten geographischen Angaben in Spanien um 68%, in
Frankreich um 24%, in Italien um 20% gestiegen ist, beträgt dieses Wachstum in Österreich,
dem Vereinigten Königreich und Deutschland nur 9-7%. Dies zeigt deutlich, dass die Kluft
zwischen den Staaten mit vielen Eintragungen und den Staaten mit weniger Eintragungen, wie
Deutschland, zugenommen hat. Wenn die Mineralwässer aus der Liste der eingetragenen
Produkte gestrichen werden, wie von der Kommission geplant, so nähert sich Deutschland mit
31 Produkten den Verhältnissen in dem Vereinigten Königreich an.
5.2. Förderung und Unterstützung
Wie sich die Anzahl der geschützten geographischen Herkunftsangaben in den einzelnen
Ländern weiter entwickeln wird, darüber geben die wissenschaftlichen Artikel und die
Institutionen, die sich mit den geographischen Herkunftsangaben beschäftigen, einen guten
Eindruck. Es gibt hier keine offiziellen Zahlen, sondern es muss auf Daten vertraut werden,
die von Wissenschaftlern verschiedener Nationalität gesammelt wurden.
Im Rahmen einer konzertierten Aktion im 5. Forschungs-Rahmenprogramm der
Europäischen Union werden die geographischen Herkunftsangaben untersucht. Dieses
Forschungsvorhaben hat den Titel "Development of origin labelled products: Humanity,
Innovation and Sustainability (Dolphins)" und wird von z. Teil mehreren wissenschaftlichen
Partnern (in Klammern) je Land aus neun Mitgliedstaaten der EU bearbeitet: Frankreich (3),
Italien (3), Spanien (1), Portugal (1), Vereinigtes Königreich (2), Deutschland (1), Belgien
(1), Finnland (1), Schweiz (1). Im Rahmen dieses Projektes wurden auch zwei Datenbanken
erstellt. Dabei musste auf die aktive Mitarbeit der einzelnen Partner vertraut werden, die sehr
unterschiedlich ausfiel.
Die Datenbank für die Institutionen, die sich mit geographischen Herkunftsangaben in dem
jeweiligen Land beschäftigen, listet für Frankreich 45 Institutionen, davon gehören allein 18
zu dem Institut National de la Recherche Agronomique (INRA). In Frankreich, Italien,
Spanien, Portugal, und Griechenland haben die geographischen Herkunftsangaben eine relativ
große Bedeutung, verglichen mit Deutschland und den anderen Mitgliedstaaten. Dies
Ergebnis wird auch hier wieder bestätigt. Für Griechenland lagen keine Angaben vor. Die
Angaben für Finnland zeigen an, nicht zuletzt durch die Beteiligung eines Partners aus
Finnland in dem Projekt, dass dort ebenfalls auf der Seite der staatlichen und anderer
Institutionen aktiv an dem Schutz geographischer Herkunftsangaben gearbeitet wird. Auch in
der Schweiz betreiben die Institutionen den Schutz geographischer Herkunftsangaben aktiver
70
als in anderen Ländern. Die Angaben für Deutschland sind unvollständig. Hier hat sich der
Partner in der konzertierten Aktion, die Technische Universität München, nur selber
angegeben.
In einer anderen Datenbank der bereits genannten konzertierten Aktion sind 691
Publikationen zu dem Thema geographische Herkunftsangaben zu finden. Die meisten
gesammelten Publikationen beschäftigen sich mit den italienischen geographischen
Herkunftsangaben. Diese hohe Anzahl ist sicherlich auf die aktive Mitarbeit des italienischen
Partners in dem Projekt zurückzuführen. Eine ganze Anzahl der Publikationen sind in
Italienisch. Aus Griechenland kommt keiner der Partner in der konzertierten Aktion. Mit
diesen Ausnahmen bestätigt sich das bisherige Bild mit Frankreich, Italien, Spanien, Portugal
und Griechenland an der Spitze. Die geringe Anzahl der angegebenen wissenschaftliche
Publikationen, die sich mit geschützten geographischen Herkunftsangaben in Deutschland
beschäftigen, ist zum großen Teil auf die mangelnde Datensammlung zurückzuführen. Aber
es bleibt festzuhalten, dass in Deutschland die geographische Herkunftsangabe bisher sowohl
in der agrarökonomischen Wissenschaft als auch in der Agrar- und Verbraucherpolitik wenig
Beachtung gefunden hat.
Tabelle 3: Anzahl der angegebenen Institutionen1 und Publikationen2 zu geographischen
Herkunftsangaben
Land
Frankreich
Italien
Portugal
Spanien
Vereinigtes Königreich
Deutschland
Belgien
Niederlande
Finland
Schweiz
Griechenland
Österreich
Dänem ark
Europa
Anzahl der Institutionen
45 (18)
7
17
12
3
1
1
2
16
15
Anzahl der wissenschaftl. Publikationen
120
230
75
72
62
10
13
4
20
32
3
1
5
88
1
Institutionen, die sich mit geographischen Herkunftsangaben beschäftigen.
2
Wissenschaftliche Publikationen, die sich mit geographischen Herkunftsangaben des jeweiligen Landes
beschäftigen.
Quelle: http://www.origin-food.org/index.htm vom 27.11.2002
71
5.3. Rechtlicher Schutz und Organisation
In Frankreich, Italien und Portugal besteht in dem nationalen Rechtssystemen bereits ein
Schutz der geographischen Herkunftsangaben im Sinne der Verordnung Nr. 2081/92. In
diesen drei Ländern ist auch jeweils das betreffende Landwirtschaftsministerium für die
geschützten Herkunftsangaben zuständig. Hieraus erklärt sich die große Bedeutung der
qualifizierten geographischen Herkunftsangaben in diesen Ländern.
5.3.1. Frankreich
In Frankreich geht der Schutz der qualifizierten geographischen Herkunftsangabe bis auf das
14. Jahrhundert zurück (Roquefort Käse).121
Bereits im Jahr 1905 wurde die Verantwortung für die offizielle Anerkennung von
geographischen Angaben den Behörden übertragen. Strafen wurden demjenigen auferlegt, die
den Handelspartner über die geographische Herkunft des Produktes zu täuschen versucht. Es
folgten verschiedene Dekrete, in denen das jeweilige Produktionsgebiet festgelegt und die
Namen anerkannt werden, wie z.B. Cognac, Bordeaux und Armagnac.
Es folgte im Jahr 1919 ein Gesetz über geographische Herkunftsangaben, in dem den
Gerichten die Aufgabe der Regulierung auferlegt wurde. Geographische Herkunftsangaben
wurden als Kollektiveigentum etabliert. Das Gesetz stieß schnell an seine Grenzen, da die
Gerichte es zwar verstranden, das Gebiet festzulegen, aber nicht die Qualitätsbedingungen zu
spezifizieren und zu überprüfen. Alle möglichen Gebiete wurden zu einer geographischen
Herkunftsangabe erklärt. Es gab in der Folge eine Unzahl von geographischen
Herkunftsangaben bei Wein.
Im Jahr 1935 wurde per Gesetz eine besondere Kategorie der geographischen
Herkunftsangabe eingeführt, die kontrollierte Ursprungsangabe (AOC) für Wein und
Spirituosen. Es wurde eine Institution (Nationales Komitee für Wein und Spirituosen)
eingerichtet, um die jeweiligen Produktionsbedingungen für die qualifizierte Herkunftsangabe
festzulegen. Hiermit wurde die staatlich geschützte qualifizierte Herkunftsangabe für Wein
praktisch geboren.
Im Jahr 1947 wurde hieraus das "Institut National des Appellations d'Origine (INAO)",
welches auch heute noch maßgeblich ist.
121
Vgl. hierzu und zum Folgenden OECD: Appelations of origin and geographical indications in OECD member
countries: Economic and legal implications. Working Party (2000)15/final S. 58 ff.
72
Das Schutzsystem der qualifizierten Herkunftsangabe, welches für Wein bereits existierte,
wurde dann 1955 in ähnlicher Form für Käse eingeführt. In einem weiteren Gesetz wurde
dann 1966 zum ersten Mal das Konzept der geschützten qualifizierten Herkunftsangabe
definiert.
In dem Gesetz zum geistigen Eigentum wird 1992 festgelegt, dass geographische
Herkunftsangaben nicht als Kollektivmarke registriert werden dürfen. Eine geographische
Angabe, die in Bezug auf das betreffende Produkt keine besondere Reputation hat, kann
hingegen als Handelsmarke betrachtet werden.
In dem Verbrauchergesetz wird 1993 die geographische Herkunftsangabe vor Rufausbeutung
durch Dritte und vor Anlehnung geschützt. 1994 wird die Verordnung 2081/92 in nationales
Recht umgesetzt.
Schon von Anfang an hatte das INAO die Aufgabe, die notwendigen Bestimmungen
(Produktionsvoraussetzungen, Produktionsverfahren etc.) für geographische Herkunftsangaben festzulegen und der Regierung Vorschläge für die Anerkennung geographischer
Herkunftsangaben zu unterbreiten. Die Produktspezifizierungen werden dann in einem Dekret
veröffentlicht. Weiterhin ist es Aufgabe des INAO die geschützten geographischen
Herkunftsangaben zu kontrollieren und zu schützen. Das INAO hat die gesetzliche Identität
und auch Ausstattung um an Gerichtsverfahren teilzunehmen.
Es gibt weiterhin drei nationale Ausschüsse: der Ausschuss für Wein und Spirituosen, das
nationale Komitee für Milchprodukte und das nationale Komitee für Agro-Food Produkte.
Ihre Mitglieder bestehen aus Behördenvertretern, nationale Experten, qualifizierte Mitglieder
aus dem Handel und Vertretern der Konsumentengruppen. 22 Mitglieder aus diesen drei
Ausschüssen bilden den ständigen Ausschuss, der die strategische Planung aufstellt und dafür
sorgt, dass die Politik des INAO konsistent ist.
Der Haushalt des INAO für 1993 beträgt 19,27 Mio. Euro. Damit beträgt der Haushalt des
INAO nur ein Bruchteil des Haushalts der CMA. Der Beitrag des Staates beträgt 14,1 Mio.
Euro und der Rest in der Höhe von 5,18 Mio. Euro wird von dem Berufsstand finanziert. Der
größte Anteil der berufsständischen Beteiligung bringt die Weinwirtschaft mit 4,1 Mio.
Euro.122
122
vgl. Agra Europe vom 25. November 2002.
73
Mechanismus für geschützte Ursprungsbezeichnungen (PDO) in Frankreich
Landwirtschaftsministerium
D.P.E.I.
INAO
INAO
Ständige Ausschüsse
Regionales Komitee
INAO
Lokales Zentrum
Schutzkonsortium
Hersteller von PDO/PGI-Produkten
D.P.E.I.: Direktion für Wirtschaft und internationale Politik, INAO: Nationales Institut für geographische
Herkunftsangaben
Quelle: eigene Darstellung nach "The institutional aspects of the PDO/PGI legislation in France. Working Paper
of the EU-Project: PDO-PGI products: Market, Supply chain and Institutions.
Ganz entsprechend der Verordnung 2081/92 bilden die regionalen Partner eine
Schutzgemeinschaft. In Verbindung mit dem INAO bereitet diese Schutzgemeinschaft einen
Antrag vor, in dem
-
der besondere Ruf, die Reputation, belegt wird,
-
der Zusammenhang zwischen geographischer Herkunft (natürlichen Gegebenheiten,
technischen und soziale Bedingungen) und den für das jeweilige Produkt typischen
qualitätsbestimmenden Eigenschaften nachgewiesen wird,
-
eine ökonomische und finanzielle Bewertung vorgenommen.
Dieser Antrag wird an den Nationalen Ausschuss des INAO weitergeleitet. Dieser entscheidet
über die Eintragung als geschützte qualifizierte Herkunftsangabe und legt auch die
74
Produktionsbedingungen,
die
Grenzen
des
geographischen
Gebietes
und
einen
Kontrollmechanismus fest, falls keiner bereits existiert. Der Nationale Ausschuss braucht sich
nicht an die Antragsvorschläge zu halten, sondern kann diese - auch gegen den Willen der
Antragsteller - ändern.
In dem Fall von geschützten Ursprungsbezeichnungen (PDO) wird dann eine Untersuchung in
der jeweiligen geographischen Region vorgenommen, um mögliche Einwände gegen die
Registrierung (Grenzen des Gebiets, Produktionsbedingungen) zu identifizieren. Der
regionale Ausschuss des INAO wird eingeschaltet. Diese Untersuchung kann um eine
Untersuchung der möglichen Benutzer der geographischen Angabe außerhalb der festgelegten
Grenzen des geographischen Herkunftsgebietes ergänzt werden.
Im Falle der geschützten geographischen Angabe (PGI) findet diese Untersuchung immer auf
nationalem Niveau statt, z.B. um zu klären, ob es sich nicht um eine generische
Herkunftsbezeichnung, eine Gattungsbezeichnung, handelt.
Bei den geschützten Ursprungsbezeichnungen werden als interne Kontrolle sensorische Test
(Blinde Tests mit einem Panel von Experten für das Produkt) obligatorisch durchgeführt. Bei
den geschützten geographischen Angaben (PGI) ist dies nicht der Fall, bis auf zwei
Ausnahmen: wenn eine Verbindung zwischen geographischer Herkunft und sensorischer
Qualität besteht bzw. behauptet wird oder wenn es sich um ein "Label Rouge" Produkt (ein
Qualitätszeichen insbesondere für Geflügel) handelt.
Bei den PGI können die Erzeuger eine unabhängige (anerkannte) Zertifizierungsstelle selbst
auswählen. Über die Zertifizierungsstelle stellen die Erzeuger einen Antrag auf Registrierung
als geschützte geographische Angabe an das INAO und einen Antrag auf Registrierung als
französisches Qualitätszeichen an das Nationale Komitee für Kennzeichnung und
Zertifizierung (C.N.L.C.). Das CNLC kontrolliert die Kontrollpläne. Die unabhängige
Kontrollstelle stellt einen Kontrollplan auf. Das CNLC muss diesem Plan zustimmen. Dieser
Kontrollplan entspricht dem Kontrollplan für das Qualitätszeichen, das zusammen mit der
geographischen Angabe (PGI) beantragt wird. Auch der Antrag auf das französische
Qualitätszeichen wird an das CNLC gestellt.
75
Mechanismus für geschützte geographischen Angaben (PGI) in Frankreich
Landwirtschaftsministerium
D.G.A.L.
D.P.E.I.
C.N.L.C.
C.N.L.C.
Sektion für Herstellungspraxis
Sektion für Kontrollpläne
INAO
unabhängige Kontrollstelle
Schutzkonsortium
Hersteller von PDO/PGI-Produkten
D.G.A.L.: Departement für Lebensmittelpolitik, D.P.E.I.: Direktion für Wirtschaft und internationale Politik,
C.N.L.C.: Nationales Komitee für Kennzeichnung und Zertifizierung, INAO: Nationales Institut für
geographische Herkunftsangaben
Quelle: eigene Darstellung nach "The institutional aspects of the PDO/PGI legislation in France. Working Paper
of the EU-Project: PDO-PGI products: Market, Supply chain and Institutions.
Anschließend vergibt das INAO (und das CNLC) die Anerkennung und veröffentlicht die
offizielle Version des Dekrets. Die Unterlagen werden an die Europäische Kommission
weitergeleitet.
Das gesamte Verfahren kann für geschützte Ursprungsbezeichnungen zwischen drei und zehn
Jahre und für geschützte geographische Angaben zwischen zwei und drei Jahre dauern.
Sowohl das Kontrollsystem für die geschützte Ursprungsbezeichnung (PDO) als auch
dasjenige für geschützte geographische Angaben (PGI) entspricht der Verordnung 2081/92.
Die Stärke des Kontroll- und Schutzsystems für die PDO liegt in der Professionalität des
76
Kontrollsystems, welches auf einer genauen Kenntnis des typischen Produktes beruht. Die
Stärke des Kontroll- und Schutzsystems für die PGI liegt in der Einbeziehung einer
unabhängigen Kontrollstelle.
5.3.2. Italien
Italien hat das internationale Abkommen über den Gebrauch von geographischen
Herkunftsangaben und über Käsenamen der Konferenz zu Stresa von 1951 mit unterschrieben
und umgesetzt.123 Daher entspricht die traditionelle italienische Definition der qualifizierten
Herkunftsangabe schon weitgehend der nach Verordnung 2081/92.
Das italienische Recht schützt seit 1954 geographische Herkunftsangaben mittels sogenannter
"kontrollierter Herkunftsangaben". Diese werden in Italien als "Denominazione d'origine
controllata" (DOC) bezeichnet.124 Ein Produkt kann eine kontrollierte Ursprungsbezeichnung
erhalten, wenn es in einem geographische abgegrenzten Gebiet, nach herkömmlichen
handwerklichen Methoden hergestellt (erzeugt und verarbeitet) wird und seine typischen
Wareneigenschaften von dieser Methode und dem Produktionsgebiet bestimmt sind.
Grundvoraussetzung für den Schutz einer Herkunftsangabe ist es, dass die Erzeuger des
betroffenen Gebietes ein Schutzkonsortium bilden und sich auf bestimmte Kontroll- und
Absatzförderungsmassnahmen verständigen und diese dokumentieren. Damit entspricht die
kontrollierte
Ursprungsbezeichnung
in
Italien
weitgehend
der
geschützten
Ursprungsbezeichnung nach EU-Recht.
Vor 1992 gab es 26 anerkannte Käse und zwei anerkannte Schinken (Parma und San Daniele).
Für den Handel galten bis 1992 ausschließlich bilaterale Abkommen. Seit der Verordnung
2081/92 existieren die verschiedenen geschützten Herkunftsangaben parallel.
Die herkömmliche kontrollierte Ursprungsbezeichnung DOC wird im Verkehr und
Sprachgebrauch zunehmend durch die europäische geschützte Ursprungsbezeichnung (PDO)
in italienisch DOP ("Denominazione di origine protetta")) ersetzt. Neu eingeführt wurde die
geschützte geographische Angabe PGI (in Italien "Indicazione geografica protetta (IGP)).
Daneben gibt es noch verschiedene Regionalmarken, die zum Teil den Herkunftsaspekt und
zum Teil den Qualitätsaspekt betonen.
123
Vgl. OECD Appelations of origin and geographical indications in OECD member countries: Economic and
legal implications. Working Party (2000)15/final S. 62
124
Vgl. hierzu und zum folgenden Grienberger, R.: Die Herkunftsangabe als Marketinginstrument. Mainz:
Fachverlag, 2000 S. 20ff.
77
Anträge auf den Schutz geographischer Ursprungsbezeichnungen und geographischer
Angaben wurden von der Europäischen Kommission in einer ersten Antragsrunde, die im
Januar 1994 endete, entgegen genommen. In dieser Runde hat Italien bereits 150 Produkte zur
Anerkennung bei der Kommission eingereicht. 1995 wurde die Antragsliste auf 322 Produkte
erweitert. Mittlerweile sind 118 Produkte eingetragen (vgl. Tabelle 2) und genießen den EUSchutz.
Das italienische Landwirtschaftsministerium vergibt die geschützten geographischen
Ursprungsbezeichnungen (PDO) in erster Linie für verarbeitete Produkte. So konnte das
traditionelle italienische System der geschützten Ursprungsbezeichnung in das europäische
Schutzsystem überführt werden. Damit wurde auch die Anzahl der Produkte gering gehalten
und einer Verwässerung der Bedeutung der geschützten Ursprungsangabe entgegen gewirkt.
Die geschützte geographische Angabe (PGI) wird dagegen hauptsächlich für Frischprodukte
vergeben, weil dort aus italienischer Sicht die traditionellen Verarbeitungsweisen fehlen, die
italienische Verbraucher bei DOP-Produkten (PDO) unterstellen.
Die
italienischen
Schutzkonsortien
sind
freiwillige
Zusammenschlüsse
von
landwirtschaftlichen Erzeugern, Herstellern von Verarbeitungserzeugnissen, Lager- und/oder
Handelshäuser. Sie sind produktspezifisch organisiert. Die Größe der Schutzkonsortien
schwankt zwischen unter zehn bis zu mehreren hundert Mitgliedern. Die Aufgabe der
Konsortien ist die Vertretung der einzelnen Erzeuger oder Hersteller gegenüber dem Handel.
Auch in der Organisation der Schutzkonsortien bestehen starke Ähnlichkeiten mit
Erzeugergemeinschaften. Der gesamte Prozess der Kontrolle und Zertifizierung lag bis zu der
Verordnung 2081/92 in der Hand der Konsortien. Heute müssen wegen der Bestimmungen
der Verordnung 2081/92 hiefür Dritte herangezogen werden. Einen Überblick über den
Kontrollmechanismus in Italien gibt Schaubild 3.
Durch die Verordnung 2081/92 ist es möglich geworden, dass auch Erzeugervereinigungen
und Erzeugergemeinschaften eine geschützte Herkunftsangabe eintragen lassen können, ohne
ein Schutzkonsortium im ursprünglichen Sinne zu bilden. Einige Erzeugervereinigungen, z.B.
für Olivenöl und Obst, haben diese Möglichkeit genutzt.
78
Kontrollmechanismus für geschützte geographische Ursprungsbezeichnungen (PDO)
und geographische Angaben (PGI) in Italien
Landwirtschaftsministerium
Betrugsbekämpfungsdezernat
Regionalverwaltung
unabhängige Kontrollstelle
Schutzkonsortium
Hersteller von PDO/PGI-Produkten
Quelle: Grienberger, R.: Die Herkunftsangabe als Marketinginstrument. Mainz: Fachverlag, 2000 S. 20ff.
5.3.3. Spanien
Schon vor 1992 gab es in Spanien fünf etablierte Herkunftsbezeichnungen125:
-
Denominación de origin (DO): eine geographische Herkunftsbezeichnung mit
nationaler Bedeutung, die zunächst für Wein eingeführt, dann auf vor allem Olivenöl,
Käse und Schinken ausgedehnt wurde. Sie basiert auf dem guten Ruf der traditionellen
Hersteller.
125
Vgl. hierzu Grienberger, R.: Die Herkunftsangabe als Marketinginstrument. Mainz: Fachverlag, 2000, S. 24
ff.
79
-
Denominación especifica (DE): eine geographische Herkunftsbezeichnung mit
nationaler Bedeutung, bei dem sich die besonders hohe Qualität der Produktrohstoffe
mit der Herkunft direkt verbinden lässt.
-
Denominación de calidad (DC): ein geographisches Herkunftsbezeichnung auf
regionaler Ebene, die den DE's und DO's auf nationaler Ebene entsprechen, Es wurde
eingeführt, um die Autorität und Kompetenzen der Regionalverwaltungen im Rahmen
der Absatzförderung regionaler Produkte zu betonen.
-
Denominación geográfica (DG): wird nur für Spirituosen verwendet (z.B. Anís de
Chinchón).
-
Denominación de origen califacado: einige Rioja-Weine tragen diese Kennzeichnung,
die höherpreisige Weine erhalten können.
Es gibt etwa 110 DO's (davon 25% Wein), 42 DE's und 110 DC's. 67 spanische
Herkunftsangaben haben mittlerweile die EU-Anerkennung.
Das spanische Herkunftszeichenrecht bei Nahrungsmitteln basiert im Wesentlichen auf ein
Gesetz aus dem Jahr 1970, welches die Herkunftsbezeichnungen bei Wein regelt. 1972 wurde
es auf andere Lebensmittel ausgedehnt. Es beschreibt die Anforderungen an ein Produkt, das
einen Herkunftsschutz genießen soll, die Befugnisse der Kontrollräte bei der Beantragung und
Kontrolle, und die Überwachung von DO's.
Die Kontrollräte legen typische Qualitäts- und Herstellungsmerkmale für das jeweilige
Produkt fest, entwickeln eine Kennzeichnung und ein Kontrollverfahren. In den Kontrollräten
müssen alle Stufen der Produktionskette, von den landwirtschaftlichen Erzeugern über die
Verarbeiter bis zum Handel, vertreten sein. Die Funktionen der Kontrollräte sind ähnlich
denen der italienischen Schutzkonsortien. Es findet eine Qualitätskontrolle anhand der
sensorischen, organoleptischen, chemischen und/oder mikrobiologischen Merkmale statt. Die
Kontrollräte erfüllen nach spanischer Auffassung die Anforderungen einer "unabhängigen
Kontrolle" im Sinne der Verordnung 2081/82. Allerdings erfordert die Verordnung 2081/92
die Zertifizierung der Kontrollinstanzen nach der Norm EN 45011.
Die Statuten der Räte müssen von dem Nationalen Amt für Herkunftszeichen (INDO) in
Kooperation mit den Regionalverwaltungen genehmigt werden. Das INDO wurde 1972
aufgrund
des
erwähnten
Gesetzes
von
1970
gegründet.
Es
ist
beim
Landwirtschaftsministerium angesiedelt und verfügt über einen eigenen Werbeetat für
Produkte mit Herkunftsschutz.
80
Die Befugnisse der Regionalverwaltungen sind in Bezug auf die geographischen
Herkunftsbezeichnungen seit Anfang der 80er Jahre gestärkt worden. Die Überwachung der
Kontrollräte fällt in den Zuständigkeitsbereich der Regionalverwaltungen. Auch die sonstige
Qualitätspolitik wird weitgehend von den Regionen bestimmt.
Die klassischen spanischen DO- und DE-Produkte weisen bereits eine deutliche territoriale
Bindung auf. Nur in wenigen Fällen sind Rohstoffe von außerhalb der Erzeugungsregion
gestattet.
Die Anwendung der Verordnung 2081/92 wird so gehandhabt, dass DO-Produkte als
geschützte Ursprungsbezeichnung (PDO) und DE-Produkte als geschützte geographische
Angabe (PGI) eingereicht werden. Im Sprachgebrauch und bei der Etikettierung werden
weiterhin die spanischen Bezeichnungen DO oder DE verwendet. Im Unterschied zu Italien
gibt es kaum Produkte, die nicht bereits vor 1992 eine geschützte Herkunftsbezeichnung
trugen.
5.3.4. Vereinigtes Königreich
Der Schutz geographischer Herkunftsangaben kann durch den Schutz der Mitbewerber gegen
unfaire Handelspraktiken sowie dem Schutz vor Irreführung des Verbrauchers gewährleistet
werden. Dies ist auch in fast allen Industrieländern der Fall.126
Darüber hinaus gab es auch in einigen Mitgliedstaaten der EU bereits vor der Verordnung
2081/92 ähnliche spezielle Schutzsysteme für Agrarprodukte, wie beispielsweise in
Frankreich, Italien, Spanien und Portugal. In anderen Ländern, wie in dem Vereinigten
Königreich, aber auch in Deutschland, gab es vor der Verordnung 2081/92 kein spezielles
Schutzsystem für geographische Herkunftsangaben bei Agrarprodukten und Lebensmitteln.
Damit bietet das Vereinigte Königreich die Möglichkeit für einen interessanten Vergleich mit
Deutschland.
Vor der Übernahme der Verordnung 2081/92 in britisches Recht basierte der Schutz
geographischer Herkunftsangaben wie in anderen Common Law Ländern, auf dem generellen
Schutz vor Irreführung des Verbrauchers (consumer law) und dem Schutz der Wettbewerber
vor unfairen Handelspraktiken, d.h. insbesondere der Rufausbeutung (passing-off).
126
Vgl. WTO: Review under Article 24.2 of the applications of the provisions of the section of the TRIPS
Agreement on geographical indications. (http://www.origin-food.org/pdf/omc.pdf. vom 24.08.01)
81
Eine geographische Herkunftsangabe kann als Kollektivmarke eingetragen werden. Die
Kollektivmarke soll eine Beziehung zwischen dem Produkt und dem Kollektiv, welches die
Marke besitzt, herstellen.
Mit der Übernahme der Verordnung 2081/92 in das Rechtsystem des Vereinigten Königreichs
wurden zum ersten Mal besondere Bedingungen für geographische Herkunftsangaben
geschaffen. Es gibt keine Tradition "typischer Produkte" und die meisten geographischen
Angaben sind zu generischen Angaben geworden.
Das Landwirtschaftsministerium ist beauftragt, die Anmeldungen der Gruppe der Erzeuger,
das Schutzkonsortium, für die Registrierung nach der Verordnung 2081/92 zu prüfen und an
die Kommission weiterzuleiten. Die "Trading Standards Offices", die durch die lokalen
Behörden finanziert und kontrolliert werden, übernehmen den Schutz der geographischen
Herkunftsangaben, d.h. schützen vor missbräuchlicher Benutzung der geographischen
Herkunftsangabe durch Mitbewerber und überwachen den rechtmäßigen Gebrauch der
geographischen Herkunftsangabe durch die Produzenten. Gegebenenfalls wird von den
"Trading Standard Offices" ein Verfahren wegen missbräuchlichem Gebrauch der
Herkunftsangabe eingeleitet.
Jede Gruppe von Erzeugern, die PDO- oder PGI-Produkte produzieren wollen, müssen eine
Überwachungsstelle einbeziehen. Diese kann eine öffentliche (wie das Trading Standards
Office) oder eine private, nach EN 45011 registrierte, unabhängige Zertifizierungsstelle sein.
Während in Deutschland eine Tradition der Herkunfts- und Gütezeichen besteht, gibt es im
Vereinigten
Königreich
eine
Tradition
der
Zertifizierungszeichen.
Ein
solches
Zertifizierungszeichen zeigt an, dass das Produkt bzw. dessen Erzeugung und/oder Produktion
bestimmten Standards genügt. Diese werden definiert und kontrolliert von dem Inhabern des
Zertifizierungszeichens. Diese dürfen nicht identisch sein mit denjenigen, die mit den
Produkten Handel treiben.127
5.4. Die internationalen rechtliche Rahmenbedingungen
Seit dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts sind geographische Herkunftsangaben der Inhalt
internationaler Abkommen und Konventionen.
127
Vgl. OECD: Appelations of origin and geographical indications in OECD Member Countries: Economic and
Legal Implications (http://www.origin-food.org/pdf/oecd.pdf vom 24. 9. 01)
82
In der Pariser Konvention über den Schutz industriellem Eigentums von 1883 wird bereits der
direkte oder indirekte Gebrauch von falschen Angaben über die Herkunft verboten.
Ausgehend von ursprünglich elf Mitgliedsländern hat die Konvention mittlerweile 117
Mitglieder.
In den beiden Madrider Abkommen von 1891 wird eine internationale Registrierung von
Marken geschaffen und ein internationaler Schutz vor falscher oder irreführender Angabe der
Herkunft etabliert. Seit 1958 sind nicht nur falsche Angaben, sondern auch irreführende
Angaben unter Strafe gestellt. Deutschland ist Mitglied in dem Madrider Abkommen.
In dem Abkommen über Trade-related Aspects of Intellectual Property Rights (TRIPSAbkommen), einem Teil des WTO Abkommens von 1994, werden geographische
Herkunftsangaben als Angaben für solche Produkte definiert, bei denen sich die Qualität im
wesentlichen durch den geographischen Ursprung ergibt. Damit dürften sowohl die geschützte
Ursprungsbezeichnung (PDO) als auch die geschützte geographische Angabe (PGI) unter dies
Abkommen fallen. Auch diese Rahmenbedingungen gelten für Deutschland.
Der Begriff der geographischen Angabe wird im TRIPS-Abkommen weiter gefasst, als in der
Verordnung Nr. 2081/92 und umfasst nicht nur unmittelbare Herkunftsangaben, sondern auch
mittelbare, insbesondere bildliche Herkunftsangaben.
Das TRIPS-Abkommen etabliert einen internationaler Schutz vor falscher und irreführender
Verwendung der qualifizierten geographischen Herkunftsangabe. Es besteht damit ein Schutz
der Konsumenten und der Markenbesitzer.
Darüber hinaus besteht nach Artikel 23 des Abkommens noch ein gesonderter Schutz für
Wein und Spirituosen, genauso, wie in der EU.
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaft nimmt in ihrem Vorschlag für die
Verhandlungsposition in den laufenden WTO-Verhandlungen128 auch zu geographischen
Herkunftsangaben Stellung:
"Verbesserter Marktzugang setzt außerdem als Gegenleistung faire Wettbewerbschancen für
die Erzeugnisse voraus, deren Ruf mit dem geographischen Ursprung und traditionellen
Herstellungsverfahren zusammenhängt". Damit werden indirekt die Verordnung 2081/92 zum
128
Vgl. das "Non-paper from the European Commission: Geographical Indications" vorgestellt auf dem
informellen Treffen des "Committee on Agriculture" vom 24.-26. September 2001 und den
Kommissionsvorschlag für die Verhandlungsposition in den WTO-Agrarverhandlungen. In Agra Europe 44(00
Sonderbeilage vom 30 Oktober 2000.
83
Schutz geographischer Herkunftsangaben sowie die Verordnung 2082/92 zum Schutz
traditioneller Spezialitäten angesprochen. Es wird versucht, dass Schutzsystem der EU auf das
WTO-Abkommen zu übertragen, praktisch als Gegenleistung für einen verbesserten
Marktzugang. "Die EG schlagen vor, geeignete Vorschriften einzuführen, die (a) einen echten
Schutz gegen das rechtswidrige Führen von Bezeichnungen im Nahrungsmittel- und
Getränkesektor gewährleisten, (b) das Recht auf die Verwendung von geographischen
Angaben und Ursprungsbezeichnungen schützen und (c) den Verbraucherschutz und einen
fairen Wettbewerb durch Vorschriften über die Kennzeichnung sicherstellen."
Dieser Vorschlag geht auf den französischen Landwirtschaftsminister Jean Glavany zurück.
Die französische Regierung will das international vom Wein bereits bekannte Modell
kontrollierter Ursprungsbezeichnungen auf andere Produktbereiche ausdehnen.129 Damit soll
dem in der EU bereits beschrittenem Weg auch international gefolgt werden.
Hierauf haben die USA in dem Farm Act von 2002 reagiert: mit der Einführung von
Ursprungskennzeichnungen für Fleischprodukte, Fisch, Obst und Gemüse sowie Erdnüsse.
Wenn beispielsweise bei Fleischprodukten die Tiere in den USA geboren, aufgezogen und
geschlachtet wurden, können diese z.B. bei frischem Rindfleisch die Kennzeichnung "U.S.A.
Beef" oder "Fresh American Beef" tragen. Produkte, die zumindest in den USA verarbeitet
wurden, können die Kennzeichnung "Product of the U.S.A." tragen. Diese Kennzeichnung ist
bis zum 30 September 2004 freiwillig und wird dann verpflichtend. Der Marketing Service
des US-Landwirtschaftsministeriums USDA (United States Department of Agriculture) ist für
die Festlegung der Regeln verantwortlich.130
Ende September 2002 haben sich die USA zusammen mit anderen wichtigen Handelsnationen
wie Argentinien, Australien, Kanada und Neuseeland gegen eine Ausweitung des Schutzes
von
geographischen
Ursprungsbezeichnungen
von
Wein
auf
andere
Produkte
ausgesprochen.131 Für den Weinbereich legen die USA einen eigenen Vorschlag vor.
In einer Stellungnahme an den Rat zum Abkommen über den Schutz geistiger
Eigentumsrechte (TRIPS) werden Bedenken angemeldet, dass die durch eine Umsetzung
129
Paris will "europäisches Ernährungsmodell" aufbauen. In Agra Europe 33/00 Europa-Nachrichten S. 1 vom
14. August 2000.
130
Vgl. ERS/USDA (Economic Research Service) Analysis:
(http://ers.usda.gov/Features/farmbill/analysis/cool.htm vom 15. 10 2002).
131
Country-of-origin
labelling.
Vgl. "USA gehen gegen EU-Vorstellungen zur Ursprungskennzeichnung in Stellung. In: Agra-Europe 40/02
Europa-Nachrichten S. 24-25 vom 30. September 2002.
84
neuer Vorschriften entstehenden Kosten zu hoch seien und daher die Verpflichtungen nicht
eingehalten werden könnten. Die USA weist auch darauf hin, dass die europäische Union
gegenwärtig ihre Regularien zu geographischen Ursprungsbezeichnungen überarbeite und in
ihrem jüngsten Entwurf Mineralwässer aus der Produktliste ausgeschlossen habe, da die EU
nicht einmal selber den Verwaltungsaufwand zur Registrierung und Umsetzung ihres Systems
nicht beherrsche.
Bereits im März 2002 hat die Kommission einen "Vorschlag für eine Verordnung des Rates
zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 zum Schutz von geografischen Angaben
und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel" vorgelegt.132 Diesem
Vorschlag entsprechend sollen alle WTO-Mitgleidstaaten das Recht erhalten, gegen die
Eintragung von geographischen Herkunftsangaben Einspruch zu erheben, wodurch eine
stärkere Anerkennung auf den internationalen Märkten erreicht werden soll. Außerdem
schlägt die Kommission vor, Mineralwasser aus dem Verzeichnis der Erzeugnisse, für die ein
Schutz beantragt werden kann, zu streichen.
Dies wird damit begründet, dass bei vielen Eintragungsanträgen für Mineral- und Quellwasser
Probleme
aufgetreten
sind
(gleichlautende
Namen
für
unterschiedliche
Wässer,
Fantasienamen oder ungeeignete Namen). Es wird auf andere einschlägige Rechtsvorschriften
für Mineral- und Quellwasser verwiesen.
Dieser Änderungsvorschlag betrifft Deutschland in besonderem Maße, da die Hälfte der
eingetragenen deutschen Produkte Mineral- und Quellwässer sind.
132
Kommission der Europäischen Gemeinschaften. Brüssel, den 15.03. 2002 (KOM(2002) 139 endgültig.
85
6. Ein Konzept zur Förderung der geographischen Herkunftsangaben in
Deutschland
Bisher werden in der Bundesrepublik die geographischen Herkunftsangaben der Bundesländer
gefördert. Hierfür werden beträchtliche Summen aufgewendet (siehe Kapitel 4). Sowohl das
Gütezeichen der CMA als auch die Herkunfts- und Gütezeichen der Bundesländer müssen
sich nun (spätestens) nach dem Urteilsspruch des EuGH neu orientieren.
In Deutschland werden die Möglichkeiten nicht genutzt, die sich für die Stärkung der
regionalen landwirtschaftlichen Erzeugung und für die Verbesserung der Qualität der
Lebensmittel durch die staatlichen Förderung und des rechtlichen Schutzes der nach
Verordnung 2081/92 eingetragenen Herkunftsangaben ergeben. Hier befanden sich die
Politik, auf Bundes- und auf Landesebene, sowie die Institutionen bisher nur in einem
Abwehrkampf.
Seit Mitte des Jahres 2002 jedoch werden die Einwände der Kommission ernst genommen.
Bayern benennt sein Herkunfts- und Qualitätszeichen nicht mehr "Qualität und Herkunft Bayern" sondern nur noch "Geprüfte Qualität - Bayern" und trägt damit den europäischen
Rahmenbedingungen Rechnung. Strategisch sehr klug wurde dieses Herkunfts- und
Qualitätsprogramm der EU-Kommission zuerst bei Fleisch zu Notifizierung vorgelegt, die
dann auch positiv beschieden wurde.
Auch in Baden-Württemberg wird, aufbauend auf dem traditionellen Herkunfts- und
Qualitätszeichen, dieses ebenfalls entsprechend abgeändert. "Herkunft und Qualität" wird
beim neuen Zeichen in "gesicherte Qualität" abgeändert.
Es bleibt abzuwarten, welchen Weg das CMA-Zeichen "Markenqualität aus deutschen
Landen" gehen wird. Mit dem QS-Zeichen wurde ein neues Zeichen etabliert, welches auf
dem CMA-Prüfsiegelprogramm für Fleisch aufbaut. Es besteht die Möglichkeit, dass das
CMA-Gütezeichen in dem QS-Zeichen aufgeht.
Die
Möglichkeiten,
die
die
Qualitätspolitik
der
Europäischen
Union
für
die
landwirtschaftlichen Erzeuger durch den Schutz und die staatlichen Förderung der
geographischen Herkunftsangaben bietet, werden weder von dem Deutschen Bauernverband
noch durch die anderen Institutionen des Agrarbereiches realisiert. Kaum einer der
landwirtschaftlichen Erzeuger dürfte wissen, was eine geschützte Ursprungsbezeichnung oder
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eine geschützte geographische Angabe ist. Bei den Verbrauchern dürften diese Zeichen und
Programme fast vollständig unbekannt sein.
Bei einer Durchsicht der Internetseiten aller maßgeblichen Institutionen des Agrarbereiches
fällt auf, dass auch dort die geographischen Ursprungsbezeichnungen und geographischen
Angaben keine Erwähnung finden.
Für das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft
(http://www.verbraucherministerium.de/) existieren die geographischen Herkunftsangaben
(geographische Ursprungsbezeichnung und geographische Angabe) weder als Begriff und
tauchen erst Recht nicht im Organigramm auf. Einer der Bereiche, für die das Referat 421
zuständig ist, sind neben Marktstruktur, Verbindung zur BLE, Absatzförderung und staatliche
Beihilfen auch Qualitätszeichen. Geographische Herkunftsangaben werden nicht erwähnt.
Gleiches gilt für die CMA (Centrale Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft
mbH,
http://www.cma.de/),
die
DLG
(Deutsche
Landwirtschafts-Gesellschaft
e.V.,
http://www.dlg.org/de/index.html), das Bayerische Staatsministerium für Landwirtschaft und
Forsten (http://www.stmlf.bayern.de/) und das Ministerium für Ernährung und Ländlichen
Raum
Baden-Württemberg
Marketinggesellschaft
für
(http://www.mlr.baden-wuerttemberg.de/).
Agrarprodukte
aus
Baden-Württemberg
Selbst
mbH
die
(MBW,
http://www.mbw-net.de/) schweigt zu diesem Thema gänzlich.
Es gibt eine ganze Reihe von traditionellen Produkten mit geographischen Herkunftsangaben
in Deutschland. Nur ganz wenige davon sind geschützt. Das Potential ist erheblich, jedoch
bisher nicht ausgeschöpft.
In Bayern und Baden-Württemberg bestehen jedoch erste Ansätze, um die traditionellen
Produkte mit geographischen Herkunftsangaben wenigstens erst einmal zu sichten und zu
sammeln. Der bayerische Agrarminister kündigte 20. Juni 2002 ein "Inventar regionaler
bayerischen Spezialitäten" an. Die MBW hat eine Internetseite für regionaltypische
Spezialitäten
aus
Baden-Württemberg
eingerichtet
(http://www.spezialitaeten-baden-
wuerttemberg.de/). Spezialitäten werden gesammelt und jede Spezialität wird mit Foto,
Produktbeschreibung, Herkunftsgeschichte und weiteren Informationen präsentiert.
Traditionell ist die Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission im Bundesministerium für
Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (Referat 312) für die Erfassung und
Beschreibung
von
Lebensmitteln
zuständig.
In
den
Leitsätzen
des
Deutschen
Lebensmittelbuch werden bei den Leitsätzen für Fleisch und Fleischerzeugnisse namentlich
87
an die hundert Produkte mit deutschen geographischen Angaben aufgeführt.133 Hier sind nicht
nur so allgemein bekannte Produkte wie die Münchner Weißwurst, die Thüringer Bratwurst
oder der Pfälzer Saumagen aufgeführt, sondern auch nur regional bekannte Produkte, wie die
Berliner Dampfwurst oder Stuttgarter Bierwurst. Auch die Hildesheimer, Göttinger,
Augsburger, Regensburger sind Bezeichnungen für Wurstwaren. Alleine bei Leberwurst gibt
es zwanzig Produkte mit verschiedenen geographischen Herkunftsangaben, von der
Holsteiner Leberwurst über die Hamburger, Hannoversche, Kassler, Frankfurter und
Schwäbische Leberwurst bis zur Schwarzwälder Leberwurst und von der Rheinischen
Leberwurst bis zur Pommerschen und Thüringer Leberwurst.
Das Deutsche Institut zum Schutz von geographischen Herkunftsangaben e.V. in Köln hat
ebenfalls einen ersten Anfang in der Sammlung von geographischen Herkunftsangaben
gemacht.134 Auf etwa 250 Seiten werden alle erfassten Herkunftsangaben (nicht nur
Lebensmittel) alphabetisch aufgelistet. Es fehlen jedoch eine Reihe von Lebensmitteln, die in
dem Lebensmittelbuch bzw. der Sammlung traditioneller Lebensmittel auftauchen.
Die
umfassendste
Zusammenstellung
von
Lebensmittel
mit
geographischen
Herkunftsangaben dürfte in dem Band "Deutschlands kulinarisches Erbe"135 zu finden sein.
Diese Sammlung wurde von jungen deutschen Agrarwissenschaftlern zusammengetragen. In
diesem Band werden 300 regionaltypischen Lebensmittel und Agrarprodukte mit ihrer
Geschichte und Spezifikation vorgestellt. Dies geschah im Rahmen der Erweiterung des
Inventars des kulinarischen Erbes Frankreichs um die europäische Dimension. Thiedig
schreibt hierzu in seinem Vorwort: "Was in Frankreich in einer einfachen Zusammenstellung
bereits geschützter Produkte bestand, stellte sich in Deutschland dagegen als Pionierarbeit
dar." Es gibt in Deutschland kein offizielles Inventar regionaltypischer Lebensmittel und
Agrarprodukte.
Neben einer Sammlung und Sichtung wäre das System der Verordnung 2081/92 auch in
Deutschland zu etablieren. Hierzu wäre zum einen ein institutioneller Rahmen zu schaffen,
der die landwirtschaftlichen Erzeugern und die Verarbeiter über die Möglichkeiten informiert,
die die Verordnung 2081/92 bietet und in der Antragstellung unterstützt. Hier könnte auf die
133
Vgl. Deutsches Lebensmittelbuch: Leitsätze 2000. Köln: Bundesanzeiger, 1999.
134
M. Löschleder und W. Schnepp: Deutsche geographische Herkunftsangaben. Köln u.a..: Carl Heymann,
1992.
135
Deutschlands kulinarisches Erbe. Traditionelle regionaltypische Lebensmittel und Agrarerzeugnisse.
Cadolzburg: Ars Vivendi, 1998.
88
Erfahrungen, die mit verschiedenen institutionellen Designs in Frankreich gemacht wurden,
zurückgegriffen werden. Auch aus den Erfahrungen, die in den anderen Ländern wie dem
Vereinigten königreich gemacht wurden, kann profitiert werden.
Die landwirtschaftlichen Erzeuger sollten ermutigt werden, für traditionelle Produkte mit
geographischen
Herkunftsbezeichnungen
Schutzgemeinschaften
(z.B.
als
Erzeugergemeinschaften) unter Einbeziehung der Verarbeiter zu bilden.
Um als geschützte Ursprungsbezeichnung oder als geschützte geographische Angabe
eingetragen zu werden, sind bestimmte Bedingungen zu erfüllen. Nach Artikel 2 Verordnung
2081/92 gilt:136
(1) Ursprungsbezeichnungen und geographische Angaben von Agrarerzeugnissen und
Lebensmitteln werden nach Maßgabe dieser Verordnung auf Gemeinschaftsebene geschützt.
(2) Im Sinne dieser Verordnung bedeutet
a) "Ursprungsbezeichnung" der Name einer Gegend, eines bestimmten Ortes oder in
Ausnahmefällen eines Landes, der zur Bezeichnung eines Agrarerzeugnisses oder eines
Lebensmittels dient,
- das aus dieser Gegend, diesem bestimmten Ort oder diesem Land stammt und
- das seine Güte oder Eigenschaften überwiegend oder ausschließlich den geographischen
Verhältnissen einschließlich der natürlichen und menschlichen Einflüsse verdankt und das in
dem begrenzten geographischen Gebiet erzeugt, verarbeitet und hergestellt wurde;
b) "geographische Angabe" der Name einer Gegend, eines bestimmten Ortes oder in
Ausnahmefällen eines Landes, der zur Bezeichnung eines Agrarerzeugnisses oder eines
Lebensmittels dient,
- das aus dieser Gegend, diesem bestimmten Ort oder diesem Land stammt und
- bei dem sich eine bestimmte Qualität, das Ansehen oder eine andere Eigenschaft aus diesem
geographischen Ursprung ergibt und das in dem begrenzten geographischen Gebiet erzeugt
und/oder verarbeitet und/oder hergestellt wurde.
Für die Antragstellung selbst ist Artikel 4 von Bedeutung:
136
Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 des Rates vom 14. Juli 1992 zum Schutz von geographischen Angaben und
Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel. Amtsblatt Nr. L 208 vom 24/07/1992 S. 0001
- 0008
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(1) Um eine geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.) oder eine geschützte geographische
Angabe (g.g.A.) führen zu können, müssen die Agrarerzeugnisse oder Lebensmittel einer
Spezifikation entsprechen.
(2) Die Spezifikation enthält mindestens folgende Angaben:
a) den Namen des Agrarerzeugnisses oder des Lebensmittels einschließlich der
Ursprungsbezeichnung oder der geographischen Angabe;
b) die Beschreibung des Agrarerzeugnisses oder des Lebensmittels anhand der gegebenenfalls
verarbeiteten
Grunderzeugnisse,
der
wichtigsten
physikalischen,
chemischen,
mikrobiologischen und/oder organoleptischen Eigenschaften des Erzeugnisses oder des
Lebensmittels;
c) die Abgrenzung des geographischen Gebiets und gegebenenfalls die Angaben über die
Erfüllung der Bedingungen gemäß Artikel 2 Absatz 4 (wenn die Grunderzeugnisse der
betreffenden Erzeugnisse aus einem anderen geographischen Gebiet oder aus einem Gebiet
stammen, das größer als das Verarbeitungsgebiet ist);
d) Angaben, aus denen sich ergibt, dass das Agrarerzeugnis oder das Lebensmittel aus dem
geographischen Gebiet im Sinne von Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a) oder Buchstabe b)
stammt;
e) die Beschreibung des Verfahrens zur Gewinnung des Agrarerzeugnisses oder
Lebensmittels und gegebenenfalls die redlichen und ständigen örtlichen Verfahren;
f) Angaben, aus denen sich der Zusammenhang mit den geographischen Verhältnissen oder
dem geographischen Ursprung im Sinne von Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a) oder Buchstabe
b) ergibt;
g) Angaben zu der Kontrolleinrichtung oder den Kontrolleinrichtungen nach Artikel 10;
h) besondere Angaben zur Etikettierung, die sich auf den Zusatz "g.U." oder "g.g.A." oder die
entsprechenden traditionellen einzelstaatlichen Zusätze beziehen;
i) gegebenenfalls zu erfüllende Anforderungen, die aufgrund gemeinschaftlicher und/oder
einzelstaatlicher Rechtsvorschriften bestehen.
Dementsprechend fallen folgende Aufgaben an:
1. Abgrenzung des geographischen Gebietes.
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2. Klärung, ob Mitbewerber den Namen benutzen oder ob sonstige regionalen Einwände
gegen eine Eintragung bestehen könnten.
3. Klärung, ob es sich um eine Gattungsbezeichnung handelt.
4. Beschreibung des Produktes (physikalisch, chemisch, organoleptisch, d.h. auch
sensorisch) und mit Spezifikation der Produktions- und Verarbeitungsmethoden.
5. Aufstellung eines Kontrollsystems und Kontrollplans (mit Rückverfolgbarkeit und
ständiger Qualitätskontrolle).
6. Benennung einer unabhängigen Kontrollstelle.
7. Nachweis des Links zwischen Herkunft und Qualität (geschichtliche Elemente,
Beschreibung lokaler Verfahren, etc.).
In Frankreich, Spanien und Italien, wie oben geschildert, existieren bereits Institutionen, die
die landwirtschaftlichen Erzeuger bei diesen Aufgaben unterstützen. In Deutschland gibt es
nichts dergleichen. Es bestehen jedoch bereits einige Institutionen, die in den betreffenden
Bereichen Expertise besitzen und in einem institutionellem Konzept einbezogen werden
könnten.
Die Marketingorganisationen der Bundesländer und die CMA könnten es sich zur Aufgabe
machen, ein Inventar der traditionellen Lebensmittel zu erstellen. Dann könnten solche
Produkte ausgewählt werden, die für Schutz und Förderung besonders geeignet erscheinen
(Kriterien: Spezifität, Schutzkollektiv). Weiterhin sollte ein Leitfaden für die Anmeldung von
Herkunftsangaben nach der Verordnung 2081/92 erstellt werden. Eine gute Grundlage bildet
hier der Leitfaden von A.H. Meyer.137
Wenn ein möglicherweise erfolgreiches Produkt identifiziert wurde, müssen die
Spezifikationen für das Produkt festgelegt werden. Die Produktspezifikation mit dem
Nachweis des Links zwischen Herkunft und Qualität wäre zu erstellen.
Weiterhin wäre auf regionaler Ebene abzuklären, welche Grenzen das geographische Gebiet
hat.
137
Meyer, A.H.: Anmeldung von Herkunftsangaben nach der VO (EWG) Nr. 2081/92 des Rates -Ein Leitfaden-.
In: GRUR 1997 Heft 2 S. 91-95.
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Dann müsste untersucht werden, ob es Einwände regionaler und (nationaler) Marktteilnehmer
gibt, die einer Eintragung entgegenstehen. Insbesondere ob es sich bei der geographischen
Herkunftsangabe um eine Gattungsmarke handelt oder nicht.
Bei all diesen Aufgaben könnten regionalen Marketinggesellschaften und/oder Ministerien,
Kammern etc. die Antragsteller unterstützen.
Die Aufstellung eines Kontrollsystems mit einem Kontrollplan sollte in Zusammenarbeit mit
der unabhängigen Kontrollstelle erfolgen. Diese Kontrollstelle muss die in der Norm EN
45011 festgelegten Anforderungen erfüllen.138 Auch diese sollte die Antragsteller
unterstützten können.
Den regionalen öffentlichen Vermarktungsinstitutionen wären Anreize zu geben, um ein
solches System zur Unterstützung und Förderung der Antragstellung auf Eintragung als
geographische Angabe zu etablieren und voranzutreiben. Hierfür könnten die doch nicht
unerheblichen finanziellen Mittel und Ressourcen verwendet werden, die bisher für das
CMA-Gütezeichen und die Herkunfts- und Gütezeichen der Bundesländer aufgewendet
wurden.
138
Vgl. Verordnung 2081/92 Artikel 10 (3).
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