Bedeutung und Nutzung geschützter Herkunftszeichen Gutachten im Auftrag des Deutschen Bundestages im Rahmen des TA-Projektes "Entwicklungstendenzen von Nahrungsmittelangebot und -nachfrage und ihre Folgen - Vertiefungsphase Vorgelegt dem Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) 15. Dezember 2002 bearbeitet durch Prof. Dr. Tilman Becker 1 Bedeutung und Nutzung geschützter Herkunftszeichen .............................................................................................. 1 Kurzfassung ............................................................................................................................... 4 1. Einleitung .......................................................................................................................... 9 2. Bedeutung der geographischen Herkunftsangabe für die Verbraucher ...................... 21 2.1. Die geographische Herkunftsangabe als Qualitätssignal ................................... 22 2.2. Die geographische Herkunftsangabe als staatlich kontrollierter Qualitätsstandard............................................................................................................... 24 2.3. 3. 4. Staatlich finanzierte Werbung mit dem Herkunftsargument............................ 25 Wettbewerbsrechtlicher Hintergrund und Stand des Konfliktes................................... 27 3.1. Rechtsrahmen in der Bundesrepublik Deutschland ........................................... 30 3.2. Schutz des Verbrauchers vor Irreführung .......................................................... 32 3.3. Wiesenhof-Urteil..................................................................................................... 33 3.4. Rechtsrahmen der Europäischen Union .............................................................. 35 3.5. Warsteiner, Feta und noch offene Fragen ........................................................... 40 Beihilfenrechtlicher Hintergrund und Stand des Konfliktes ........................................ 46 4.1. Staatliche Förderung der regionalen Vermarktung ........................................... 50 4.2. Zulässigkeit staatlicher Beihilfen: Erste Entscheidungen des EuGH ............... 54 4.3. Neue Rahmenregelung für die staatliche Beihilfen............................................. 57 4.4. Regelung für Beihilfen zur Förderung der Erzeugung und Vermarktung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen hoher Qualität......................................................... 58 4.5. Regelung für Beihilfen zur Förderung des Absatzes landwirtschaftlicher Erzeugnisse und zur Werbung hierfür............................................................................. 59 4.6. Konsequenzen für die Herkunfts- und Gütezeichen........................................... 62 2 5. Die geographische Herkunftsangabe in der EU im Vergleich...................................... 65 5.1. Bedeutung und Nutzung ........................................................................................ 66 5.2. Förderung und Unterstützung .............................................................................. 70 5.3. Rechtlicher Schutz und Organisation .................................................................. 72 5.3.1. Frankreich......................................................................................................... 72 5.3.2. Italien................................................................................................................ 77 5.3.3. Spanien ............................................................................................................. 79 5.3.4. Vereinigtes Königreich .................................................................................... 81 5.4. 6. Die internationalen rechtliche Rahmenbedingungen.......................................... 82 Ein Konzept zur Förderung der geographischen Herkunftsangaben in Deutschland 86 3 Kurzfassung Es lassen sich drei grundlegende Kategorien von geographischen Herkunftsangaben unterscheiden. Dies sind die einfache, die kombinierte und die qualifizierte Herkunftsangabe, Bei der einfachen Herkunftsangabe "Apfel aus Deutschland" steht die Herkunft im Vordergrund. Bei der kombinierten Herkunftsangabe "Markenqualität aus deutschen Landen" oder "Herkunft und Qualität aus Baden-Württemberg" wird die Herkunft mit der Qualität verbunden. Bei "Schwarzwälder Schinken" steht die Herkunft für eine besondere Qualität. Die Qualität ergibt sich praktisch aus der Herkunft. Es besteht eine enge Beziehung, ein "Link", zwischen Herkunft und Qualität. Eine geographische Herkunftsangabe ist primär eine Verständigungsnorm über den Ursprung bzw. die Herkunft eines Produktes. Darüber hinaus kann diese Angabe auch den Charakter einer Marke bekommen, wenn mit der geographischen Herkunft für die Verbraucher bestimmte qualitätsbestimmende Produkteigenschaften verbunden sind. Die qualitätsbestimmenden Eigenschaften können sich ursächlich aus dem geographischen Ursprung ergeben und können nur dort produziert werden oder können weitgehend unabhängig von der geographischen Herkunft produziert werden. Die Verordnung EWG Nr. 2081/92 zum Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel wurde in deutsches Recht mit dem neuen Markengesetz von 1995 übernommen. Während es in Frankreich und anderen Mittelmeeranrainerstaaten eine lange Tradition hat, Agrar- bzw. Strukturpolitik und Verbraucherpolitik durch die staatliche Förderung von regionalen Spezialitäten zu betreiben, ist dieser Ansatz dem deutschen System fremd. Hier werden zwar auch regionale bzw. nationale Produkte durch Werbe- und andere Maßnahmen durch den Staat gefördert - nationale Produkte durch das CMA-Gütezeichen und Produkte der einzelnen Bundesländer durch deren Herkunfts- und Qualitätszeichen - jedoch handelt es sich hier nicht um Produkte, die nach der Verordnung 2081/92 eingetragen werden könnten, da sich die Qualität nicht aus dem geographischen Ursprung ergibt. Die Ziele, die mit der Verordnung 2081/92 erreicht werden sollen, sind die folgenden: 1.Agrarmarktpolitik: Diversifizierung der Agrarproduktion, damit das Angebot besser an die Nachfrage angepasst wird. 4 2. Regional- und Strukturpolitik: Förderung der ländlichen Entwicklung, sowohl durch Steigerung des Einkommens der Landwirte, als auch durch die Verhinderung der Abwanderung der ländlichen Bevölkerung. 3. Verbraucherpolitik: Dem Interesse der Verbraucher nach Qualität sowie klarer und knapper Information gerecht zu werden. Während der Schutz von geographischen Angaben und von Ursprungsbezeichnungen nach Verordnung Nr. 2081/92 sich in einigen Mitgliedstaaten großer Beliebtheit erfreut, hat er in anderen Mitgliedstaaten so gut wie keine Bedeutung. Dies ist auf unterschiedliche Rechtssysteme in den Mitgliedsländern zurückzuführen.1 Geographische Herkunftsangaben werden in den herkömmlichen französischen, italienischen und portugiesischen Rechtssystemen durch administrative Überwachung und Registrierung erfasst, definiert und geschützt, und zwar sowohl gegen irreführende Verwendung als auch gegen Rufausbeutung und dem Abgleiten auf die Ebene des Gattungsbegriffs. Diesen Ansatz hat sich die Europäische Lebensmittelpolitik mit der Verordnung Nr. 2081/92 zu eigen gemacht. In Deutschland werden traditionell nur die kombinierten geographischen Herkunftsangaben als Herkunfts- und Gütezeichen der CMA und der Bundesländer staatlich unterstützt und gefördert. Für die Verbraucher und Verbraucherinnen sowohl in Deutschland, als auch in anderen Ländern der Europäischen Union ist die geographische Herkunftsangabe ein wichtiges Qualitätssignal, insbesondere bei solchen Produkten, die an der Thekenware gekauft werden. Diesem Bedürfnis der Verbraucher und Verbraucherinnen hat der Staat durch die Kontrolle und Überwachung von Qualitätsstandards Rechnung zu tragen. Es dürfte nicht die Aufgabe des Staates sein, für bestimmte Produkte Werbung zu betreiben. Werbung ist eine Aufgabe der Wirtschaft. Der Staat sollte die Werbeaussagen auf ihre Richtigkeit hin überwachen. Wenn der Staat aber sich selbst als Werbetreibender in der Werbung zu erkennen gibt, so besteht ein klassischer Rollenkonflikt, der zwangsläufig zu einer kognitiven Dissonanz auf Seiten den Verbraucher führen muss. Der Staat verliert hierdurch an Glaubwürdigkeit. 1 Hier lässt sich zu Recht die Frage stellen, ob die Rechtsysteme nicht ihrerseits wieder die Wirkung von tieferliegenden Ursachen sind. Diese mehr philosophische Frage soll hier nicht weiter diskutiert werden. 5 Mit dem neuen Markengesetz von 1995 fand die Verordnung EWG Nr. 2081/92 zum Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel Eingang in das deutsche Wettbewerbsrecht. Der europäische Ansatz ist dem traditionellen deutschen Markenrecht fremd. Jüngste Rechtsprechungen des EuGH im "Warsteiner-Urteil" gehen davon aus, dass in Bezug auf die geographische Herkunftsangabe als Individualmarke beide Rechtssysteme nebeneinander existieren. Damit bleiben aber andere rechtlichen Fragen offen, beispielsweise wie die Abgrenzung zum Gattungsbegriff, zur Kollektivmarke und insbesondere zur kombinierten Herkunftsangabe zu sehen ist. Ganz brisant ist die Grenzziehung im Gemeinschaftsrecht zwischen der qualifizierten und der kombinierten Herkunftsangabe angesichts der im regionalen Marketing in Deutschland verwendeten Bezeichnungen: "Herkunft und Qualität aus Baden-Württemberg", "Qualität aus Bayern - Garantierte Herkunft", "Gutes aus Hessen" bzw. "Original Thüringer Qualität". Solche Bezeichnungen könnten markenrechtlich in Konkurrenz zu den gemeinschaftsrechtliche geschützten geographischen Herkunftsangaben gesehen werden und wären daher geeignet, den Verbraucher irrezuführen. Die marken- bzw. generell wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit dieser Werbeaussagen wäre damit in Frage gestellt. Die Rechtsprechung des EuGH ist in Bezug auf das Markenrecht nicht eindeutig. Es gibt jedoch eine eindeutige Stellungnahme zu der öffentlichen Unterstützung und Förderung von nationalen Herkunfts- und Gütezeichen. Nach einem im November 2002 ergangenen Urteil hat die Bundesrepublik Deutschland durch die Vergabe des Gütezeichens "Markenqualität aus deutschen Landen" an in Deutschland hergestellte Fertigerzeugnisse bestimmter Qualität gegen íhre Verpflichtungen nach Artikel 28 EG-Vertrag verstoßen. Nach ständiger Rechtsprechung bezweckt Artikel 28 EG-Vertrag das Verbot jeder Regelung oder sonstigen Maßnahme der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern. Folgende Aufgaben dürfen von staatlich finanzierten Marketingorganisationen wahrgenommen werden: Bestimmung von Absatzgebieten gegen Beratungsgebühren, Marktforschung und Marktumfragen zur Unterstützung von Werbeaktionen, Veranstaltungen von Messen und Ausstellungen sowie die Teilnahme daran. Beschränken sich die derzeitigen Marketinggesellschaften auf diese Maßnahmen im Rahmen ihrer Absatzförderung, so spricht nichts gegen ihre weitere Existenz. 6 Die Kommission ist aufgrund des EG-Vertrags ermächtigt, die Zulässigkeit staatlicher Beihilfen zu überprüfen. Im Gemeinschaftsrecht sind Beihilfen für die Werbung für Erzeugnisse, die mit einer auf Gemeinschaftsebene eingetragenen geschützten Ursprungsbezeichnung oder geschützten geographischen Angabe versehen sind, sowie für Erzeugnisse aus ökologischem Anbau, ausdrücklich erlaubt, nicht jedoch die Werbung für Produkte mit dem CMA-Gütezeichen. Das Beihilfenrecht setzt zwangsläufig strengere Maßstäbe an die Zulässigkeit der Vergabe und Benutzung geographischer Herkunftsangaben als das Markenrecht. Hier ist das Urteil des EuGH eindeutig. Ein staatliches Herkunfts- und Gütezeichen darf keine Verbindung zwischen Herkunft und Qualität herstellen. Dies bedeutet das Ende der traditionellen staatlichen Herkunfts- und Gütezeichenpolitik. Zu der markenrechtlichen Problematik macht das Urteil des EuGH keine Aussage. Auch unter wettbewerbs- insbesondere markenrechtlichen Aspekten dürfte die Zulässigkeit der Herkunfts- und Gütezeichen sehr fragwürdig sein. Dies zeigt die Rechtsprechung in diesem Bereich. Wenn bei den Herkunfts- und Gütezeichen eine Beziehung, ein "Link", zwischen Herkunft und Qualität hergestellt wird, dürften diese derart kombinierten geographischen Herkunftsangaben in den Gegensandsbereich der Verordnung 2081/92 fallen und wären damit unzulässig, wenn keine Eintragung nach der Verordnung 2081/92 erfolgt. Dies gilt insbesondere auch dann wenn ein "privates" Kollektiv diese kombinierte geographische Herkunftsangabe nach deutschem Recht als Marke eintragen und benutzen will. Damit ist ein traditionelles Standbein der Förderung regionaler Vermarktung in Deutschland nicht mehr vereinbar mit Gemeinschaftsrecht. Mehrere Zehnmillionen Euro wurden bisher jährlich für die Werbung für Agrarprodukte und Lebensmittel aufgewendet. Ein Teil dieser Mittel darf in Zukunft wie bisher verwendet werden. Wenn auch weiterhin regionale Produkte zum Wohl der Erzeuger und Verbraucher gefördert werden, so sollten die Mittel, die bisher in die Unterstützung und Förderung der Herkunfts- und Gütezeichen der Bundesländer und der CMA geflossen sind, umgewidmet werden. Es wäre anzustreben, die Anzahl von Produkten mit geographischen Herkunftsangaben entsprechend dem gemeinschaftsrechtlichem Schutz zu erhöhen. Von den vielen Hundert Agrarprodukten und Lebensmitteln in Deutschland mit einer geographischen Angabe als Bezeichnung sind bisher nur ganz wenige nach Gemeinschaftsrecht registriert. Es sollten die institutionellen Voraussetzungen geschaffen werden, um die Erzeuger bei der Antragstellung einer Eintragung nach Verordnung 2081/92 zu unterstützten und zu beraten. 7 Diese Aufgabe sollten die bereits in den einzelnen Bundesländern sowie auf nationaler Ebene bestehenden Organisationen übernehmen und entsprechend den jeweiligen Kompetenzen und Aufgabenbereichen zugeordnet werden. Die Erfahrungen anderer Länder mit dem Schutz und der Förderung regionaler Produkte kann hilfreich für sein, um ähnliche Fehler in dem Aufbau eines solchen Systems in Deutschland zu umgehen. Da Frankreich, Italien, und Spanien bereits seit längerer Zeit ein Schutz- und Förderungssystem für qualifizierte Herkunftsangaben haben, bietet es sich an, die dort beschrittenen Wege näher zu betrachten. Das Vereinigte Königreich hingegen ist ein einer ähnlichen Ausgangssituation, wie Deutschland. Auch auf die Bedeutung und Nutzung, die öffentliche Förderung und staatliche Unterstützung sowie der rechtliche Schutz und die Organisation der geographischen Herkunftsangaben in diesen Ländern wird in diesem Gutachten ausführlich eingegangen. Abschließend wird in dem letzten Kapitel dieses Gutachtens ein Konzept entwickelt, um regionale Produkte zu fördern und zu unterstützen. 8 1. Einleitung Es können drei Kategorien von geographischen Herkunftsangaben unterschieden werden: die einfache, die kombinierte und die qualifizierte Herkunftsangabe. Die geographische Herkunftsangabe ist zunächst eine Angabe, die ein Anbieter gebraucht, um den Nachfrager über die Herkunft des Produktes zu informieren. Damit handelt es sich noch um eine einfache geographischen Herkunftsangabe. Erst wenn darüber hinaus mit der geographischen Angabe ein Qualitätsversprechen verbunden ist, handelt es sich um eine kombinierte oder qualifizierte geographische Herkunftsangabe. Eine einfache geographische Herkunftsangabe wäre etwa die Bezeichnung "Hergestellt in Deutschland". Bei der einfachen geographischen Herkunftsangabe erschöpft sich der Aussagegehalt in dem Hinweis auf die geographische Herkunft des damit gekennzeichneten Erzeugnisses. Bei der kombinierten Herkunftsangabe, wie "Markenqualität aus deutschen Landen" , "Herkunft und Qualität aus Baden-Württemberg" handelt es sich um eine Angabe, die über den Hinweis auf die geographische Herkunft hinaus in den Augen der Verbraucher eine Aussage über eine bestimmte Eigenschaft oder die Qualität des Erzeugnisses macht bzw. versucht zu etablieren. Als qualifizierte Herkunftsangaben sollen solche Herkunftsangaben verstanden werden, bei denen sich die besondere Qualität aus einer spezifisch regionalen Produktionstradition, regionalspezifischen Grunderzeugnissen etc. ergibt. Bei einer qualifizierten Herkunftsangabe besteht eine enge Verbindung, ein "Link", zwischen Herkunft und Qualität. Ein Beispiel für eine qualifizierte Herkunftsbezeichnung wäre "Schwarzwälder Schinken". Geographische Herkunftsangaben und Qualitätsaussagen Geographische Herkunftsangaben einfache kombinierte qualifizierte Herkunftsangabe Herkunftsangabe Herkunftsangabe Hergestellt in Deutschland Markenqualität aus deutschen Landen 9 Schwarzwälder Schinken Eine geographische Herkunftsangabe ist primär eine Verständigungsnorm über den Ursprung bzw. die Herkunft eines Produktes. Darüber hinaus kann diese Angabe auch den Charakter einer Marke bekommen, wenn mit der geographischen Herkunft für die Verbraucher bestimmte qualitätsbestimmende Produkteigenschaften verbunden sind. Eine Marke ist in diesem Zusammenhang nichts anderes als ein Qualitätssignal in der Kommunikation zwischen Anbieter und Nachfrager. Geographische Herkunftsangaben sind bereits bestehende Verständigungsnormen, jedoch sicherlich von unterschiedlichem Bekanntheitsgrad entsprechend der jeweiligen Region, die bezeichnet wird. Unterschiedliche Regionen haben ein unterschiedliches Image, sei es z.B. der Schwarzwald oder die Champagne. Dieses besondere Image kann sich auf einzelne Produkte oder Produktgruppen beziehen und spiegelt die natürlichen Bedingungen, aber auch die Tradition und Kultur in der jeweiligen Region wieder. Markennamen hingegen sind in der Regel Verständigungsnormen, die erst von den Anbietern etabliert werden müssen. Damit diese bekannt werden und mit einem bestimmten Image verbunden werden, betreiben Markenhersteller Werbung. Werbung informiert über das Produkt und hat (neben anderen Faktoren) einen Einfluss auf das Image des Produktes bzw. versucht dieses aufzubauen und zu erhalten. Geographische Herkunftsangaben und Marken haben sehr viele Gemeinsamkeiten. Es besteht jedoch (zumindest) ein ganz wichtiger Unterschied. Im Gegensatz zu privaten Marken können geographische Herkunftsangaben in der Regel nicht nur von einem Anbieter, sondern von allen Anbietern in der jeweiligen Region verwendet werden. Damit lohnen sich Investitionen in den Aufbau von Reputation für die jeweilige geographische Herkunftsangabe nur sehr begrenzt. Aus diesem Grund spielen in Deutschland die geographischen Herkunftsangaben als Qualitätssignal nur eine vergleichsweise untergeordnete Bedeutung. Der Aufbau einer Marke d.h. Investitionen in die Qualität des Produktes, lohnt sich für einen Anbieter nur, wenn die damit verbundenen Kosten geringer sind, als der Nutzen, der sich hieraus ergibt. Es lohnt sich nur dann, in das Image des Produktes zu investieren, wenn hierdurch höhere Erlöse erzielt werden können. Wenn diese überdurchschnittlichen Erlöse auch von anderen Anbietern, die nicht in den Aufbau der Reputation für eine geographische Herkunftsangabe oder Marke investieren, realisiert werden (können), trägt der ursprüngliche Anbieter allein die Kosten des Reputationsaufbaus, während die Vorteile in der Form eines höheren Preises allen Anbietern zu Gute kommt. Es kommt zu einem "Trittbrettfahrerverhalten". 10 Im Gegensatz zu einem Markenprodukt besteht bei einem Produkt mit einer geographischen Herkunftsangabe zusätzlich die Tendenz zu einer Qualitätsverschlechterung. Auch bei der Qualität kann es zu leicht zu Trittbrettfahrerverhalten kommen. Wenn die Produktion einer herausgehobenen Qualität mit höheren Kosten verbunden ist, so werden die Anbieter versuchen, die mindestens geforderte Qualität mit möglichst geringen Kosten zu produzieren. Dies gilt sowohl für die kombinierte als auch die qualifizierte Herkunftsangabe. Es ist daher nicht weiter erstaunlich, dass die Qualitäts- und Gütezeichen der einzelnen Bundesländer in der Regel nur unwesentlich höhere Anforderungen an die Produktion haben, als die gesetzlichen Vorschriften. Auch bei qualifizierten Herkunftsangaben wird diese Tendenz zu einer Qualitätserosion zu finden sein. Da jedoch das Kollektiv hier sehr viel kleiner ist, ist diese Tendenz nicht so ausgeprägt. Marke und Qualität, Werbung und Markenschutz sind eng miteinander verbunden. Ohne einen Markenschutz gäbe es keine Marken. Ohne Marken gäbe es (in der Regel) keine Werbung. Ohne Marken oder andere geschützten Verständigungsnormen gäbe es keine Qualität. Um den Anbietern einen Anreiz zu geben, eine Marke zu produzieren, muss sichergestellt werden, dass dieser Markennamen nur von dem betreffenden Anbieter benutzt werden darf. Markennamen sind oft die Namen der Hersteller und sind in der Regel Privateigentum. Geographische Herkunftsangaben hingegen beziehen sich immer auf ein Kollektiv und sind in der Regel Kollektiveigentum. Marken und Markenwerbung versuchen, das Produkt aus der Masse der Anbieter herauszuheben. Je deutlicher sich ein Produkt von den Konkurrenzprodukten unterscheidet und je positiver es von den Konsumenten wahrgenommen wird, desto größer ist auch der Spielraum für vergleichsweise hohe Preise. Da die geographische Herkunft von dem Verbraucher selbst in der Regel nicht überprüft werden kann, ist die Glaubwürdigkeit der Angabe keine Selbstverständlichkeit, insbesondere dann, wenn der Verbraucher eine erhöhte Zahlungsbereitschaft für die geographische Herkunft hat, weil damit eine besondere Qualität verbunden wird. Hier dürfte der Verbraucher zu Recht davon ausgehen, dass für den einzelnen Anbieter des Produktes ein Anreiz besteht, dem Verbraucher bzw. der Verkehrsauffassung nur gerade zu entsprechen, d.h. nur die Mindestqualität zu liefern, die mit der geographischen Herkunft verbunden wird. "Lübecker Marzipan" hat eben nicht die Qualität von "Niederegger Marzipan". 11 Geographische Herkunftsangaben haben es schwer, sich als Marken zu etablieren, obwohl die Anfangsvoraussetzungen in der Regel besser sind, als bei gänzlich unbekannten Markennamen. Nur wenn sich die Produkte mit einer geographischen Herkunft durch eine besondere Qualität auszeichnen, kann diese einen Markencharakter bekommen. Doch dann lohnt sich wiederum das Trittbrettfahrerverhalten für andere Anbieter aus der Region, d.h. sich nicht an den Kosten zu beteiligen, aber von dem Nutzen zu partizipieren. In der Folge sinkt die Produktqualität und die geographische Angabe verliert den Markencharakter. Barjolle und Sylvander untersuchen etwa 20 nach Verordnung EWG Nr. 2081/92 registrierte Produkte in Hinsicht auf den ökonomischen Erfolg dieser Produkte im Vergleich zu ähnlichen, nicht registrierten Produkten.2 Der Erfolg scheint insbesondere abzuhängen von der Spezifität, d.h. der Besonderheit, des Produktes, der Relevanz für den Markt und der Koordination und Kooperationsfähigkeit zwischen den Mitgliedern des Konsortiums, welches die Eintragung beantragt. Damit auch langfristig mit einer geographischen Herkunftsangabe eine besondere Qualität verbunden wird, muss die geographische Herkunftsangabe zusammen mit der dazugehörigen besonderen Qualität geschützt werden. Nur wenn die Konsumenten sich auf die besondere Qualität verlassen können, werden geographische Herkunftsangaben, genau wie auch Marken, sich erfolgreich als Qualitätssignal etablieren können. Besteht kein besonderer Schutz der mit der geographischen Herkunftsangabe verbundenen besonderen Qualität, so können sich geographische Herkunftsangaben bestenfalls als Gattungs- bzw. Verkehrsbezeichnungen etablieren, wie in Deutschland, jedoch nicht als Marken, wie in Frankreich. Die qualitätsbestimmenden Eigenschaften können sich ursächlich aus dem geographischen Ursprung ergeben und können entweder nur dort oder auch weitgehend unabhängig von der geographischen Herkunft produziert werden. Diesen Unterschied zwischen der qualifizierten geographischen Herkunftsangabe und der kombinierten geographischen Herkunftsangabe kennt das deutsche Markengesetz nicht. In diesem wird unterschieden zwischen dem Schutz von geographischer Herkunftsangaben als Kollektivmarken und dem Schutz geographischer Herkunftsangaben nach Verordnung EWG Nr. 2081/92. 2 Barjolle, D., B. Sylvander: Some Factors of Success for Origin Labelled Products in Agri-Food Supply Chains in Europe: Market, Internal Resources and Institutions, 67th EAAE Seminar, Le Mans 1999. 12 Die Verordnung EWG Nr. 2081/92 zum Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel wurde in deutsches Recht mit dem neuen Markengesetz von 1995 übernommen. Während es in Frankreich und anderen Mittelmeeranrainerstaaten eine lange Tradition hat, Agrar- bzw. Strukturpolitik und Verbraucherpolitik durch die Förderung von regionalen Spezialitäten zu betreiben, ist dieser Ansatz in dem deutschen System fremd. Hier werden zwar auch regionale bzw. nationale Produkte durch Werbe- und andere Maßnahmen durch den Staat gefördert - nationale Produkte durch das CMA-Gütezeichen und Produkte der einzelnen Bundesländer durch deren Herkunfts- und Qualitätszeichen - jedoch handelt es sich hier nicht um Produkte im Sinne der Verordnung 2081/92. In Frankreich hingegen hat die staatliche Unterstützung von Produkten, die der Verordnung EWG Nr. 2081/92 entsprechen, eine lange Tradition. Die Verordnung EWG Nr. 2081/92 entstammt vor allem der französischen Tradition, aber auch für andere Staaten, insbesondere Italien, Spanien und Portugal ist der politische und kulturelle Ansatz, auf dem die Verordnung EWG Nr. 2081/92 basiert, nicht fremd. Die Ziele, die mit der Verordnung 2081/92 erreicht werden sollen, werden in den Erwägungsgründen der Verordnung genannt. Folgende Ziele sollen mit der Verordnung erreicht werden: 1.Agrarmarktpolitik: Diversifizierung der Agrarproduktion, damit das Angebot besser an die Nachfrage angepasst wird. 2. Regional- und Strukturpolitik: Förderung der ländlichen Entwicklung, sowohl durch Steigerung des Einkommens der Landwirte, als auch durch die Verhinderung der Abwanderung der ländlichen Bevölkerung. 3. Verbraucherpolitik: Dem Interesse der Verbraucher nach Qualität sowie klarer und knapper Information gerecht zu werden. Es lassen sich drei Formen des Schutzes der geographischen Herkunftsangabe unterscheiden. Eine geographische Herkunftsmarke kann als Individual- oder als Kollektivmarke beim Patentamt oder auch als national- oder bundesstaatliches Herkunfts- und Gütezeichen bei dem RAL Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung e.V. beantragt und eingetragen werden. Formen des Schutzes der geographischen Herkunftsangabe 13 Schutz der Geographische Herkunftsangabe Individualmarke Markenrecht Kollektivmarke VO 2081/92 Staatliches Zeichen Herkunfts- u. Gütezeichen Bei der Kollektivmarke brauchen die Eigenschaften oder die Qualität nicht mit dem geographischen Ursprung zusammenzuhängen. Es brauchen im Prinzip überhaupt keine besonderen qualitätsbestimmenden Merkmale vorhanden zu sein. Bei der Eintragung nach Verordnung 2081/92 hingegen muss eine Beziehung, ein "Link", zwischen den qualitätsbestimmenden Eigenschaften und der geographischen Herkunft bestehen. Mit der Eintragung nach Verordnung 2081/92 wird das Recht auf Nutzung eines staatliches Zeichens erworben. Damit steht dieses Zeichen auch in Konkurrenz zu den Herkunfts- und Gütezeichen. Ein Beispiel für eine geographische Herkunftsangabe als Individualmarke wäre "Warsteiner", für eine Kollektivmarke nach deutschem Recht wäre "Aischgrürder Karpfen" und für ein staatliches Zeichen das CMA-Gütezeichen: "Markenqualität aus deutschen Landen". Ein Beispiel für eine Eintragung nach Verordnung 2081/92 wäre "Schwarzwälder Schinken". Die regionalen Herkunfts- und Qualitätszeichen, sowohl die Herkunfts- und Qualitätszeichen der deutschen Bundesländer als auch das Gütezeichen der CMA, können als kombinierte Herkunfts- und Qualitätszeichen verstanden werden. Hier wird versucht, die Herkunft mit einer Qualität zu verbinden. Hier ergibt sich die Qualität, das Ansehen oder eine andere Eigenschaft jedoch nicht aus dem geographischen Ursprung noch verdankt das Produkt gar seine Güte oder Eigenschaften überwiegend oder ausschließlich den geographischen 14 Verhältnissen. Damit ist ein rechtlicher Konflikt zwischen dem traditionellen Markenrecht und dem Schutz der geographischen Herkunftsangabe nach Verordnung 2081/92 angelegt. Die Vereinbarkeit von Markenrecht und dem gemeinschaftsrechtlichen Schutz der geographischen Herkunftsangabe wird anhand von richterlichen Einzelfallentscheidungen geklärt. Eine Problem wurde hier bereits weitgehend gelöst. Die Frage, ob die geographische Herkunftsangabe als Individualmarke in den Geltungsbereich der Verordnung 2081/92 fällt, ist bereits beantwortet. Dabei wurde die Individualmarke "Warsteiner" als einfache Herkunftsangabe interpretiert. Diese fallen nicht in den Regelungsbereich der Verordnung 2081/92. Ungeklärt ist jedoch immer noch die Frage, ob die kombinierten Herkunftsangaben, die Herkunfts- und Gütezeichen, mit der Verordnung 2081/92 in einem markenrechtlichen Konflikt stehen. Die Verwendung von geographischen Herkunftsbezeichnungen ist über ein breites Spektrum gestreut. Es können objektiv nachvollziehbare und vielleicht sogar messbare Zusammenhänge zwischen geographischem Ursprung und Produktbeschaffenheit vorhanden sein. Im anderen Extrem kann dieser Zusammenhang überhaupt nicht gegeben, erst recht nicht nachweisbar sein und allenfalls in der Vorstellung der Verbraucher existieren. Das Spektrum reicht von der geschützten Ursprungsbezeichnung (g.U.), z.B. "Allgäuer Bergkäse", über die geschützte geographische Angabe (g.g.A.), z.B. "Schwarzwälder Schinken", die kombinierte Herkunftsangabe, z. B. "Hergestellt und geprüft in Schleswig-Holstein", die einfache Herkunftsangabe, z.B. "Fleisch aus Baden-Württemberg", die Gattungsbezeichnung, z. B. "Pilsener", die individualisierte geographische Herkunftsangabe, z.B. "Warsteiner", bis zu der geographischen Herkunftsangabe als Phantasiebezeichnung, z.B. "Capri" als Bezeichnung für ein Fruchtsaftgetränk. Insbesondere die Abgrenzung der geographischen Herkunftsangabe von der Gattungsbezeichnung fällt sehr schwer, dies zeigt das Beispiel "Feta" oder auch "Pilsener", "Aachener Printen" oder "Lübecker Marzipan". Bei der Abgrenzung zur Gattungsmarke hat sogar der Europäische Gerichtshof (EuGH) erhebliche Probleme und kommt zu widersprüchlichen Aussagen. Bei Gattungsmarken ist die Herstellung nicht an einen Ort gebunden, entstammt herkömmlich aber einer gewissen Tradition eines engeren oder weiteren geographischen Bezirks. 15 Kategorien von geographischen Herkunftsangaben Besondere Qualität aufgrund der regionalen Herkunft Qualifizierte Herkunftsangaben: Kollektive Marken Geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U) (PDO) Geschützte geographische Angabe (g.g.A.) (PGI) Kombinierte Herkunftsangaben Gattungsbezeichnung Einfache Einfache Herkunftsangaben Herkunftsangaben Individuelle Marken Individualisierte Individualisierte geographische Angabe geographische Angabe Regionale Herkunft Phantasiebezeichnung Indirekter regionalen Bezug Quelle: Eigene Darstellung Selbst wenn in einigen Ländern aus der geographischen Herkunftsbezeichnung mittlerweile eine Gattungsbezeichnung geworden ist, so braucht dies nicht für alle Länder der EU der Fall zu sein zu sein. Die EU-Kommission hat beispielsweise die Käsebezeichnungen "Brie", "Camembert", Cheddar", "Edamer", "Emmentaler" und "Gouda" (nicht aber "Appenzeller" oder "Gruyere") als mittlerweile degenerierte, nicht mehr ortsbezogene Beschaffenheitsangaben qualifiziert.3 Auch die Abgrenzung geographischer Angaben zu reinen Phantasiebezeichnungen (Capri Fruchtsaft) ist ein Problem, dessen Lösung eine Einzelfallentscheidung erfordert. Es dürfte sehr schwierig sein, eine generelle Entscheidungsregel zu finden, die jedem Einzelfall gerecht wird. 3 Vgl. hierzu ausführlich Harte-Bavendamm, H.: Ende der geographischen Herkunftsbezeichnung? - "Brüsseler Spitzen" gegen ergänzenden nationalen Rechtsschutz -, in Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Heft 10 S. 717 - 729, 1996. 16 Die Abgrenzung von geographischen Herkunftsangaben zu privaten Marken ist nicht immer leicht. Dies zeigt das auch Beispiel „Rügenwalder Teewurst"4. Ganz brisant ist die Grenzziehung kombinierten und qualifizierten Herkunftsangaben angesichts der im regionalen Marketing in Deutschland verwendeten Bezeichnungen: "Herkunft und Qualität aus Baden-Württemberg", "Qualität aus Bayern - Garantierte Herkunft", "Gutes aus Hessen" oder "Original Thüringer Qualität". Nach Gemeinschaftsrecht sind geographische Herkunftsangaben nur dann schützenswert, wenn eine Beziehung zwischen Herkunft und qualitätsbestimmenden Eigenschaften besteht. Solche Bezeichnungen können daher nicht nach der Verordnung 2081/92 geschützt werden, könnten jedoch dem Geltungsbereich der Verordnung unterliegen und wären dann unzulässig. Mit der Übernahme der Verordnung EWG Nr. 2081/92 in das deutsche Markenrecht befinden sich im deutschen Recht seit 1995 zwei unterschiedliche Ansätze zum Schutz der geographischen Angaben. Diese unterschiedlichen rechtlichen Ansätze führen zu unterschiedlichen Auffassungen über die gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit der Herkunftsund Gütezeichen. In der staatlichen Absatzförderung, durchgeführt von der CMA und den jeweiligen Institutionen in den einzelnen Bundesländern, hat die Herausstellung des nationalen Ursprungs bzw. der Herkunft aus dem jeweiligen Bundesland unter Betonung der sich hieraus ergebenden Qualität eine lange Tradition. Die Europäische Kommission geht davon aus, dass eine staatliche Unterstützung von Werbemaßnahmen für Produkte einer bestimmte Herkunft nach Gemeinschaftsrecht nur dann zulässig ist, wenn diese Produkte den rechtlichen Schutz der Verordnung 2081/92 erhalten haben. Im Januar 1998 übersandte die Kommission der deutschen Regierung ein Mahnschreiben hinsichtlich des CMA-Gütezeichens. Gleichermaßen betroffen sind auch die Herkunfts- und Gütezeichen einzelner Bundesländern. Im Juni 1998 antwortete die Bundesrepublik Deutschland. Diese Antwort war jedoch nicht zufriedenstellend. Am 5. November 2002 ist hierzu ein Urteil des Europäischen Gerichtshof ergangen. In diesem Urteil wird folgendes für Recht erkannt und entschieden: "Die Bundesrepublik Deutschland 4 Fleischwarenbetriebe, die nicht dem Verband Rügenwalder Wurstfabriken e.V. angehörten, haben die Bezeichnung „Rügenwalder Teewurst" verwendet. Diese Bezeichnung ist seit 1976 durch den RAL anerkannt und registriert. Das Oberlandesgericht Hamburg untersagte den Betrieben die Verwendung der Bezeichnung, da „Rügenwalder Teewurst" nicht eine als Kollektivmarke eingetragene geographische Herkunftsbezeichnung sei, sondern ein markenschutzfähiges Zeichen, weil es geeignet ist, die Mitglieder des Inhabers der Kollektivmarke von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (Lebensmittel Zeitung Nr. 10 vom 12.3.1999, S. 30). 17 hat durch die Vergabe des Gütezeichens Markenqualität aus deutschen Landen an in Deutschland hergestellte Fertigerzeugnisse bestimmter Qualität gegen íhre Verpflichtungen aus Artikel 30 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 28) verstoßen. Nach ständiger Rechtsprechung bezweckt Artikel 30 EG-Vertrag das Verbot jeder Regelung oder sonstigen Maßnahme der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern.5 Es bleibt abzuwarten, welchen Weg das CMA-Gütezeichen weiterhin beschreiten wird. Mit der Öffnung des Gütezeichens für Anbieter aus anderen Ländern der EU dürfte es nicht getan sein. Der Freistaat Bayern hat bereits einen möglichen Weg vorgezeigt. Bayern startete zunächst mit „Geprüfte Qualität – Bayern“ für Rindfleisch. Die EU-Kommission hat es als erstes Zeichen nach der neuen, im September 2001 verabschiedeten, EU-Werbeleitlinie genehmigt. Bei der Bekanntgabe der Genehmigung durch die EU-Kommission am 13.02.2002 hat Kommissar Dr. Franz Fischler erklärt: „Ich unterstütze diese Initiative voll und ganz. Das Qualitätszeichen ist Teil eines umfassenden Qualitätssicherungs- und Kontrollprogramms.“6 Bayern will das neue Qualitätssicherungsprogramm Zug um Zug auch auf die übrigen landwirtschaftlichen Produkte übertragen, die bisher im Programm „Qualität aus Bayern – Geprüfte Herkunft“, vertreten waren, kündigte Staatsminister Josef Miller an.7 Die entsprechenden Programminhalte sind bereits erarbeitet. Vor ihrem Inkrafttreten müssen sie allerdings noch der EU-Kommission zur Genehmigung vorgelegt werden. Der Streit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Kommission der Europäischen Union hat dazu geführt, dass in der staatlich finanzierten Werbung nicht mehr der Zusammenhang zwischen Herkunft und Qualität in der selben Weise hergestellt wird, wie noch vor einigen Monaten geschehen. So wird nicht mehr die Herkunft herausgehoben, sondern die Kontrolle durch das jeweilige Bundesland. Nicht nur die Marketingorganisationen für Agrarprodukte, sondern auch das Umweltbundesamt richten sich seit einigen Monaten bereits nach der Rechtsauffassung der 5 vgl. Urteil der Gerichtshofes vom 5. November 2002 (http://curia.eu.int/jurisp/ vom 6. 11. 2002). 6 Manuskriptfassung: Bekanntmachung des neuen Qualitäts- und Herkunftszeichens „Geprüfte Qualität – Bayern“ in München durch Staatsminister Josef Miller anlässlich der Pressekonferenz zur Bekanntmachung des neuen Qualitäts- und Herkunftszeichens „Geprüfte Qualität – Bayern“ am 21. Oktober 2002 in München (http://www.stmelf.bayern.de/ vom 21. 11. 2002). 7 ebenda. 18 Kommission über die gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit staatlicher Produktempfehlungen bei regionalen Produkten. Die positiven Effekte des Einkaufs von Getränken aus der Region auf die regionale Wirtschaft und die Regionalinitiativen, die regionale Produkte erzeugen und vertreiben, wurden aus den "Tipps für den Getränkekauf" des Umweltbundesamtes gestrichen. Mit der Verordnung EWG Nr. 2081/92 treffen nicht nur zwei unterschiedliche Auffassungen über das Markenrecht und das Beihilferecht aufeinander, sondern ganz generell zwei unterschiedliche politische und kulturelle Systeme. Der Konflikt in dem Markenrecht, der dem Konflikt über die Zulässigkeit staatlicher Werbung für Produkt regionaler Herkunft zu Grunde liegt, kann nur durch die staatliche Gesetzgebung oder Gerichtsentscheidungen gelöst werden und wird in den nächsten Jahren voraussichtlich anhand von Einzelfallentscheidungen entschieden. Der Konflikt in den politischen Systemen über die Zulässigkeit staatlicher Produktinformation mit Herausstellung der Regionalität des Produktes und der sich hieraus ergebenden Vorzüge ist durch Einlenken der deutschen staatlichen Institutionen gelöst worden. Hier hat das Urteil des Europäischen Gerichtshofes keine Überraschungen gebracht. Leider haben die Bundesregierung und die Bundesländer, vielleicht mit Ausnahme Bayerns, bisher nur in der Defensive verharrt. Die Chancen, die das gemeinschaftsrechtliche Schutzsystem aufgrund der Verordnung 2081/92 für die Vermarktung regionaler Produkte bietet, werden nur sehr zögerlich, wenn überhaupt, realisiert. In Frankreich haben die qualifizierten Herkunftsangaben eine lange Tradition, insbesondere auch der rechtliche Schutz und die finanzielle Unterstützung durch den Staat. Auch in Italien und den anderen Mittelmeeranrainerstaaten der EU trifft der rechtliche, politische, kulturelle und wirtschaftliche Hintergrund der Verordnung 2081/92 auf ähnliche Traditionen. Ganz anders in Deutschland. Während andere Länder qualifizierte geographische Herkunftsangaben durch den Ausbau bereits vorhandener Institutionen und durch finanzielle Unterstützung vorantreiben, ist in Deutschland bisher nur die kombinierte Herkunftsangabe unterstützt worden. In diesem Gutachten wird zuerst die Bedeutung der geographischen Herkunftsangabe für die Verbraucher vorgestellt. Es folgt eine Darstellung des markenrechtlichen Schutzes sowie der beihilfenrechtlichen Herkunftsangaben. Zulässigkeit Die der Bedeutung und staatlichen Förderung von geographischen Nutzung von geschützten geographischen 19 Herkunftsangaben in Deutschland und in anderen Ländern der EU werden untersucht. Das Gutachten schließt mit einem Vorschlag, wie regionale Produkte in Deutschland gefördert werden könnten. 20 2. Bedeutung der geographischen Herkunftsangabe für die Verbraucher8 Zunehmend wird die Herkunft eines Nahrungsmittels von den Verbrauchern als ein bestimmender Faktor der Kaufentscheidung angesehen. Eine Reihe von Verbraucherbefragungen kommen zu dem Ergebnis, dass das Ursprungsland bzw. die Ursprungsregion einer der wichtigsten Faktoren für die Kaufentscheidung der Verbraucher ist. Dies gilt nicht nur für die Verbraucher in Deutschland9, sondern auch für die Verbraucher in den anderen Mitgliedstaaten der Europäisches Union10. Die zunehmende Bedeutung der regionalen bzw. nationalen Herkunft eines Nahrungsmittels für den Verbraucher ist jedoch nicht nur darauf zurückzuführen, dass die Grundbedürfnisse der Verbraucher nach Menge, Sicherheit und Auswahlmöglichkeiten der Nahrungsmittel weitestgehend gedeckt sind, sondern auch auf (zumindest) drei weitere Faktoren. Bei der Herkunft handelt es sich um einen Begriff, der zum Allgemeinwissen der Verbraucher gehört. Es ist kein Expertenwissen notwendig, um zu verstehen, was mit "Fleisch deutscher 8 Hier wird immer von dem Verbraucher bzw. den Verbrauchern als Gattungsbegriff die Rede sein. Ich werde in der Regel nicht zwischen Verbraucher und Verbraucherinnen unterscheiden. Auch den Begriff VerbraucherIn werde ich nicht benutzen, da ich davon ausgehe, dass der Begriff Verbraucher als Gattungsbezeichnung anzusehen ist, und damit keine spezifisch weibliche oder männliche Qualität verbunden wird. 9 Frohn, H.: Qualitäts- und Herkunftszeichen für Nahrungsmittel in Deutschland, Bonn 1996; Hamm, U., M. Müller, E.-M. Flick: Einkaufsverhalten in Nordost-Deutschland, Reihe A: Band 1, Neubrandenburg, 1996; Hauser, A.: Verbraucherpräferenzen für Nahrungsmittel aus der näheren Umgebung: Analyse einer Repräsentativbefragung bei nordrhein-westfälischen Verbrauchern, Agrimedia: Pinneberg-Waldau, 1993; Hensche, H-U., A. Hauser, M. Reiniger, C. Wildraut: Verbraucherpräferenzen für Nahrungsmittel aus der näheren Umgebung - eine Chance für marktorientierte Landwirte, Empirische Ergebnisse aus NordrheinWestfalen, Vauk: Kiel 1993; v. Alvensleben, R., S.-K. Schrader: Consumer Attitudes towards Regional Products - A Case-Study for Northern Germany -, in: AIR-CAT Food for the Consumer, Measurements of Consumer Attitudes Vol. 5, No. 1 1999; Weltzel, F.: Consumer Preferences for Food of Specific Regions/Countries: The Case of Germany, in: AIR-CAT Food for the Consumer Measurements of Consumer Attitudes Vol. 4 No. 3, 1998; Wirtghen, B., H. Kuhnert, M. Altmann, J. Osterloh, A. Wirtghen: Die regionale Herkunft von Lebensmitteln und ihre Bedeutung für die Einkaufsentscheidung der Verbraucher - auf der Basis von Verbraucherbefragungen in drei benachbarten Regionen Deutschlands-, in: Berichte über Landwirtschaft, Bd. 77 (2), 1999; Wolffram, R.: Konzepte zum Aufbau regionaler Vermarktungsstrukturen in Nordrhein-Westfalen, in: Agrar-Europe 12/97 Sonderbeilage 1997. 10 Becker, T.: 'Country of Origin' as a Cue for Quality and Safety of Fresh Meat. In: Sylvander, B., D. Barjolle and F. Artini (Hrsg.): "The socio-economics of origin labelled products in agrifood supply chains: spatial, institutional and co-ordination aspects". Economie et sociologie rurales "Actes et Communications No. 17-1. Le Mans: INRA-UREQUA. November 2000, S. 187-208, Glitsch, K.: Verhalten europäischer Konsumenten und Konsumentinnen gegenüber Fleisch: eine theoretische und empirische Analyse, Frankfurt/M: Lang, 1999; Trognon, L., J-P. Bousset, J. Brannigan, L. Lagrange: Consumers' Attitudes towards Regional Food Products. A Comperison between five different European Countries, 67th EAAE Seminar, Le Mans 1999. 21 Herkunft", "Gemüse aus Holland", "Französischer Käse", oder "Spanisches Olivenöl" gemeint ist.11 Die Verbindung von nationaler Herkunft und Qualität ist den Verbrauchern geläufig. Weiterhin wird mit einer geographischen Herkunftsangaben das Image der jeweiligen Region zu dem Verbraucher transportiert. Dieses Image, welches Markenprodukte erst mühsam aufbauen müssen, kann positiv auf die Wahrnehmung des jeweiligen Produktes ausstrahlen. Auch die Skandale im Lebensmittelbereich tragen Weiteres dazu bei, um diese Verbindung in der Wahrnehmung der Verbraucher zu verstärken. Mit jedem Lebensmittelskandal, der vor allem Produkte einer Region bzw. eines Landes betrifft (Österreichischer Wein, Spanisches Olivenöl, Britisches Rindfleisch, Belgische Hühnereier etc.), wird die Bedeutung der Herkunft herausgestellt und damit die Bedeutung dieses Qualitätssignals in der Wahrnehmung der Verbraucher aufgewertet. 2.1. Die geographische Herkunftsangabe als Qualitätssignal Die herausragende Bedeutung der Herkunft als Qualitätssignal wird dem Verbraucher durch die Herausstellung der Herkunft als Verkaufsargument beim Einkauf, in der Werbung und durch die Presse vermittelt. Bei Agrarprodukten und Lebensmitteln stehen den Verbrauchern nur wenige andere Qualitätssignale außer der geographischen Herkunft zur Verfügung. Damit wird die Bedeutung der Herkunft als Qualitätssignal bei Agrarprodukten und Lebensmitteln von den Verbrauchern besonders gewürdigt. Insbesondere bei frischem Fleisch sowie Obst und Gemüse stehen den Verbrauchern nur wenig (andere) Qualitätssignale zur Produktbewertung zur Verfügung stehen. Gerade für Thekenprodukte kommt der geographischen Herkunftsangabe eine besondere Bedeutung zu. Bei verpackten Lebensmitteln hingegen lassen sich mit der Verpackung auch andere Qualitätssignale transportieren, die das Informationsbedürfnis der Verbraucher befriedigen können. Wenn nur wenige Qualitätssignale vorhanden sind und auf der anderen Seite ein großes Bedürfnis der Verbraucher an einer Bewertung der Produkte besteht, kann es zu einer 11 Exakt zu definieren, was z. B. mit "Fleisch deutscher Herkunft" genau gemeint ist, ist hingegen sehr viel schwieriger, da Tiere in einem Land geboren und aufgezogen, in einem anderen Land gemästet und in einem dritten Land geschlachtet werden können. 22 subjektiven Überinterpretation von Qualitätssignalen kommen. Dies gilt insbesondere für die Vertrauenseigenschaften eines Produktes, wie der geographischen Herkunft.12 Es können drei Kategorien von Eigenschaften unterschieden werden: Such-, Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften. Eine Sucheigenschaft ist eine solche Eigenschaft des Produktes, die dem Verbraucher bereits beim Kauf hinreichend bekannt, wie z.B. die Farbe oder generell das Aussehen. Eine Erfahrungseigenschaft hingegen wird erst im Konsum (Verzehr) erfahren, wie die Zartheit des Fleisches oder generell der Geschmack des Produktes. Bei einer Vertrauenseigenschaft hingegen kann die jeweilige Konsumentin oder der Konsument diese nicht mit seinen eigenen Sinnen erfahren, sondern ist hier auf andere Informationsquellen angewiesen, wie z.B. der Produktkennzeichnung. Je weniger Qualitätssignale dem Verbraucher zur Verfügung stehen, um die Vertrauenseigenschaften in dem jeweiligen Produkt zu beurteilen, um so mehr Bedeutung wird den einzelnen, wenigen Qualitätssignalen für Vertrauenseigenschaften zugeschrieben.13 Auch ein Ausweichen auf andere Informationsquellen wird erfolgen. Je weniger Qualitätssignale der Verbraucher mit dem jeweiligen Produkt selbst erhält, um so eher wird er bzw. sie zur Produktinformation auf andere, produkt-unspezifischere Informationsquellen, wie die Medien zurückgreifen. Beispiele für Vertrauenseigenschaften sind die Herkunft, die Form der Tierhaltung, die Umweltgerechtigkeit der Produktion, der Verzicht auf den Einsatz gentechnisch veränderter Agrarprodukte, oder ganz generell die gesamte Politik desjenigen Unternehmens, welches das jeweilige Lebensmittel herstellt bzw. in den Verkehr bringt. Auch die Belastung mit Schadstoffen, Mikroorganismen und sonstige Kontaminationen sind in der Regel vom Verbraucher weder beobachtbar noch werden diese im Konsum erfahren und gehören daher zu der Kategorie der Vertrauenseigenschaften. 12 Diese Bezeichnung steht für Produkteigenschaften, die weder vor noch nach dem Kauf vom Verbraucher verifiziert werden können, vgl. z.B. Becker, T.: Quality Policy and Consumer Behavior. In: Schiefer, G. und R. Helbig (Hrsg.): Quality Management and Process Improvement for Competitive Advantage in Agriculture and Food. Volume I. Proceedings of the 49th Seminar of the European Association of Agricultural Economists (EAAE), February 19-21, 1997, Bonn, Germany. Bonn 1997, S. 7 - 28; oder auch Becker T.: Consumer Perception of Fresh Meat Quality: A Framework for Analysis. In: British Food Journal, Vol. 102, No. 3, 2000. S. 158-176. 13 Dies ist empirisch belegt. Für einen Überblick vgl. Liefeld: Experiments on Country-of-Origin Effects: Review and Meta-Analysis of Effect Size. In: Papadopoulos, N. und L.A. Heslop (Hrsg.): Product Country Images - Impact and Role in International Marketing, New York: International Business Press, 1993. 23 Im günstigsten Fall, d.h. bei einer vertrauenswürdigen Kennzeichnung, vertraut der Verbraucher einer Herkunftsangabe genauso, wie den (anderen) Angaben auf dem Etikett eines Lebensmittels. Im ungünstigsten Fall, z. B. bei einer nicht vertrauenswürdigen Auskunft des Verkaufspersonals, geht der Verbraucher bzw. die Verbraucherin davon aus, dass das, was der/die Verkäufer/in ihm bzw. ihr erzählt, billiges Geschwätz ist. Damit einer geographische Herkunftsangabe vertraut werden kann, ist diese zu definieren und zu kontrollieren. Die Kontrolle sollte in der Regel direkt durch Dritte vorgenommen bzw. durch diese kontrolliert werden. Nur wenn der geographischen Herkunftsangabe als einem geschützten Herkunftszeichen vertraut werden kann, kann die Herkunftsangabe sich auch mittel- und langfristig als Qualitätssignal etablieren. 2.2. Die geographische Herkunftsangabe als staatlich kontrollierter Qualitätsstandard Qualitätsstandards für Sucheigenschaften sind überflüssig und verringern in der Regel die soziale Wohlfahrt, da das mögliche Qualitätsspektrum auf dem Markt hierdurch nur eingeschränkt wird. Daher lassen sich freiwillige oder verpflichtende Standards bei einem ansonsten funktionsfähigen Wettbewerbsmarkt ökonomisch nicht rechtfertigen.14 Qualitätsstandards für Erfahrungseigenschaften sind ebenfalls weitestgehend überflüssig, wenn sich Reputationsmechanismen aufbauen können. Bei Erfahrungseigenschaften besteht das Problem der Qualitätserosion, jedoch können Marken, Kennzeichnungen und andere Reputationsmechanismen dafür sorgen, dass sich auch Erfahrungseigenschaften in einem, wenn nicht perfektem, so jedoch zumindest ausreichendem Umfang auf dem Markt etablieren können. Als Vertrauenseigenschaften werden solche qualitätsbestimmenden Produkteigenschaften bezeichnet, die von dem Verbraucher weder beim Kauf noch in dem Konsum des Produktes erfahren werden können. Es gibt Vertrauenseigenschaften, die die Lebensmittelsicherheit betreffen. Hier finden vor allem verpflichtende und für alle verbindliche Mindeststandards für die qualitätsbestimmenden Produkteigenschaften in der Form von z.B. Höchstmengenbegrenzungen für Schwermetalle etc. ihre Anwendung. Aber auch Prozess- 14 Vgl. Becker, T.: The Economics of Food Quality Standards. In: Proceedings of the Second Interdisciplinary Workshop on Standardization Research, University of the Federal Armed Forces Hamburg, 24. – 27. May 1999. 24 Standards wie das HACCP-Konzept werden zunehmend von gesetzgeberischer Seite zur Kontrolle der Lebensmittelsicherheit eingesetzt. Für die Verbraucher sind nicht nur solche Vertrauenseigenschaften von Bedeutung, die die Lebensmittelsicherheit und Hygiene betreffen, sondern auch solche Vertrauenseigenschaften, die sich aus Eigenschaften des Produktionsprozesses ergeben. Beispiele sind die Haltungsform für Legehennen (Batterie-, Boden- oder Freilandhaltung) oder die umweltgerechte Produktionsweise und insbesondere auch die geographische Herkunft. Mit der Gesetzgebung in diesem Bereich wird versucht, Verständigungsnormen in der Form von freiwilligen Prozessstandards zu schaffen. Die Festlegung von Qualitätsstandards durch die Gesetzgebung ist eine Möglichkeit. Die zweite Möglichkeit ist die Festlegung des Standards durch die betroffenen Anbieter. Dies ist bei einem Kollektivmarkenschutz der Fall. Eine dritte Möglichkeit besteht darin, die Meinung der betroffenen Verkehrskreise den Qualitätsstandards zugrunde zu legen, wie bei dem deutschen Lebensmittelbuch. Etwas ähnliches fehlt auf Gemeinschaftsebene. Die Verordnung (EWG) 2081/92 kann als ein Versuch betrachtet werden, ein Register für die mit geographischen Verständigungsnormen verbundenen Qualitätsspezifikationen zu erstellen. Ein solches Register ist sehr hilfreich, um Irreführung und Täuschung justitiabel zu machen und daher zu verhindern. 2.3. Staatlich finanzierte Werbung mit dem Herkunftsargument Angesichts der Bedeutung des Herkunftsarguments für die Verbraucher ist es nicht weiter erstaunlich, dass das private Marketing und die staatliche Verkaufsförderung an einer Herausstellung der Herkunft interessiert sind, weil dieses dem Bedürfnis der Verbraucher entgegenkommt. Auf der anderen Seite besteht insbesondere bei geographischen Herkunftsangaben die Gefahr der Irreführung des Verbrauchers, insbesondere wenn im Marketing oder in der staatlichen Absatzförderung ein Zusammenhang zwischen Herkunft und Qualität herausgestellt wird, ohne das ein solcher Zusammenhang tatsächlich nachweisbar ist. In der staatlich unterstützten Verkaufsförderung liegt eine Herausstellung der Herkunft wie selbstverständlich im Interesse der finanzierenden Institution. Staatliche Verkaufsförderung seitens eines Bundeslandes ist daran interessiert, dass die Verkaufsförderung den Produkten zu Gute kommt, die in dem jeweiligen Bundesland hergestellt oder verarbeitet werden. 25 Verkaufsförderung auf nationaler Ebene ist daran interessiert, dass vor allem in der jeweiligen Nation hergestellte und verarbeitete Produkte von der Verkaufsförderung profitieren. Wenn für die Verbraucher erkennbar wird, dass der Staat auf der einen Seite Werbung betreibt und damit, genauso wie der private Werbetreibende, versucht, die Verbraucher zu dem Kauf der beworbenen Produkte zu überreden, auf der anderen Seite jedoch gleichzeitig die unabhängige dritte Instanz darstellt, kommt es zu einer kognitiven Dissonanz. Diese beiden Rollen des Staates widersprechen sich. Verbraucher gehen zu Recht davon aus, dass in der Werbung vor allem die positiven Produkteigenschaften herausgestellt. Auf der anderen Seite erwarten Verbraucher zu Recht, dass der Staat nicht nur die Interessen einer einzelnen Gruppe sich zu eigen macht, sondern im Gegenteil für einen politischen Interessensausgleich sorgt. Diese beiden Funktionen des Staates geraten bei der staatlich unterstützten Absatzwerbung in Konflikt. Der Staat bzw. die Politik verliert hierdurch an Glaubwürdigkeit. Dabei vollzieht sich die staatliche Absatzförderung nicht nur im Kontext der Bundesländer bzw. der Bundesrepublik, sondern insbesondere auch im Kontext des Europäischen Binnenmarktes. Damit sind aber die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen der Europäischen Union, die ihren Niederschlag im EU-Rechtssystem finden, maßgeblich für die Gestaltung der staatlichen Absatzförderung regionaler Produkte. Hierdurch wird der einzelne Staat in seinen Möglichkeiten eingeschränkt. 26 3. Wettbewerbsrechtlicher Hintergrund und Stand des Konfliktes Inwieweit herkunftsbezogene Angaben und Werbeaussagen in Deutschland generell geregelt sind, wird im folgenden dargestellt. Im privaten Wirtschaftsleben spricht nichts gegen sachlich gestaltete herkunftsbezogene Informationen, die an den Verbraucher gerichtet sind. Werbung darf auch an die Gefühle der Umworbenen appellieren. 15 Leistungswettbewerbes. Es gilt in Deutschland der Grundgedanke des Dem Grundsatz des Leistungswettbewerbs steht dabei nicht entgegen, dass der Werbende die positiven Seiten eines beworbenen Produkts oder dessen Herstellung betont.16 Geographische Herkunftsangaben als Bezeichnung bzw. Zeichen können im deutschen Recht geschützt werden, sobald die so bezeichneten Erzeugnisse aus dem Ort, der Gegend, dem Gebiet oder dem Land stammen, das durch diese Angabe bezeichnet wird.17 Das Gemeinschaftsrecht kennt hier nur die geschützte Ursprungsbezeichnung und die geschützte geographische Angabe. Es besteht kein gemeinschaftsrechtlicher Schutz der einfachen Herkunftsangabe. Wenn allerdings bei der Benutzung von Angaben oder Zeichen eine Gefahr der Irreführung über die geographische Herkunft besteht, ist ein Schutz nach deutschem Markenrecht ausgeschlossen.18 Der gleiche Grundsatz gilt für Werbeaussagen, insbesondere bei solchen für Lebensmitteln, auch diese dürfen den Verbraucher nicht über die Herkunft täuschen.19 Zudem kann entsprechend dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, derjenige, welcher im Wettbewerb über den Ursprung irreführende Angaben macht, auf Unterlassung der Angaben 15 Landesgericht Oldenburg 1995 Urteil - 5.0. 1327/95 vom 28.07. 1995. 16 Bundesgerichtshof: BGH - Urteil - I ZR 213/93 - 14.12.95. (http://www.vrp.de/archiv/rupdig/apr96/aktuell/ar297.htm 19.11.1999) 17 Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen (Markengesetz): § 126 - §128. In: Wettbewerbsrecht und Kartellrecht. Nördlingen: DTV, 1997 18 ebenda § 127 19 nach Artikel 17 Absatz 1 Punkt 5 Lebensmittel und Bedarfsgegenstände Gesetz. In: Meyer, A. H.: Lebensmittelrecht: Leitfaden für Studium und Praxis. Stuttgart: Wiss. Verl. Ges., 1998. 27 in Anspruch genommen werden.20 Selbst wer dabei "nur" gegen die guten Sitten verstößt, kann haftbar gemacht werden.21 Bereiche des Schutzes der geographischen Herkunftsangaben Schutz der Herkunftsangaben Schutz der Mitbewerber vor unfairen Handelspraktiken Schutz und Förderung der regionalen Anbieter Schutz der Verbraucher vor Irreführung Unabhängige Kontrolle Freihaltebedürfnis Schutz vor Rufausbeutung, -anlehnung und Abgleiten zu einem Gattungsbegriff Staatliche Förderung Definition und Kontrolle der geographischen Herkunftsangabe Es gibt drei Bereiche, die von einem Schutz der geographischen Herkunftsangaben betroffen sind oder sein können. Die Mitbewerber sind vor unlauterem Wettbewerb zu schützen. Insbesondere sind (potentielle) Mitbewerber vor einer Schädigung durch die "Aneignung" der geographischen Herkunftsangabe durch einen bestimmten Anbieter in der Region zu schützen. Es besteht ein Freihaltebedürfnis für geographische Herkunftsangaben. 20 nach Artikel 3 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. In: Wettbewerbsrecht und Kartellrecht. Nördlingen: DTV, 1997. 21 nach Artikel 1 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. In: Wettbewerbsrecht und Kartellrecht. Nördlingen: DTV, 1997. 28 Die regionalen Anbieter, die die geographische Herkunftsangabe als "Kollektivmarke" benutzen wollen, sind davor zu schützen, dass der Ruf dieser "Marke" ausgebeutet wird, eine Anlehnung erfolgt oder gar zu einem Gattungsbegriff abgleitet. Der gemeinschaftsrechtliche Schutz der geographischen Herkunftszeichen ist maßgeblich strukturpolitisch bestimmt. Damit wird eine staatliche Förderung begründet. Als dritten Bereich betrifft der Schutz der geographischen Herkunftsangaben die Verbraucher. Diese sind vor Irreführung und Täuschung zu schützen. Maßgebend kann die Verkehrsauffassung sein, ob es sich um eine einfache, eine kombinierte oder um eine qualifizierte Herkunftsangabe handelt. Die Verbraucher sind vor Täuschung zu schützen. Auf Gemeinschaftsebene werden die Lebensmittelkennzeichnung und Werbebehauptungen geregelt. Der Schutz der geographischen Herkunftsbezeichnungen wird im Rechtssystem der EU ebenfalls dem Lebensmittelrecht zugerechnet.22 Dieser Bereich gehört zu den weitgehend harmonisierten Gesetzesbereichen. Hingegen ist der Schutz geographischer Herkunftsangaben im deutschen Recht Teil des Markenrechts und damit des Wettbewerbsrecht. Bei dem Wettbewerbsrecht handelt es sich um einen auf Gemeinschaftsebene bisher weitgehend nicht harmonisierten Bereich. Insbesondere das Verhältnis des deutschen Markenrechts zu dem gemeinschaftlichen Recht, wie es sich aus dem EG-Vertrag ergibt, ist offen.23 Im folgenden wird zunächst auf das Markenrecht eingegangen werden, da eine Konkurrenz zwischen Gemeinschaftsschutz und dem nationalem Markenschutz besteht.24 Danach wird genauer dargestellt, was der Schutz des Verbrauchers vor Irreführung und Täuschung für die geographischen Herkunftsangaben bedeutet. Auch auf den Rechtsrahmen der EU wird eingegangen. Abschließend werden in diesem Kapitel die kritischen Probleme dargestellt, die sich durch das gleichzeitige Nebeneinander von zwei nicht kompatiblen Rechtstraditionen ergeben. Weitgehend geklärt ist das Verhältnis von Gemeinschaftsrecht und deutschem Markenrecht in Bezug auf die einfache Herkunftsangabe. Ungeklärt ist jedoch das Verhältnis von Gemeinschaftsrecht zu deutschem Markenrecht in Bezug auf die kombinierte 22 Vgl. Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL): Das gemeinschaftliche Lebensmittelrecht Eine Zwischenbilanz zum 31.12. 1998. Reinheim: 3er Druck, 1999. 23 Vgl. Meyer, A. H.: Lebensmittelrecht: Leitfaden für Studium und Praxis. Stuttgart: Wiss.Verl.-Ges, 1998. S. 150. 29 Herkunftsangabe. Wenn diese in den rechtlichen Gegenstandsbereich der Verordnung 2081/92 fällt, so muss ein Link zwischen Herkunft und Qualität nachgewiesen werden, ansonsten handelt es sich um eine unzulässige Kennzeichnung und damit um unlauteren Wettbewerb und Verbrauchertäuschung. Falls diese nicht in den Regelungsbereich der Verordnung 2081/92 fallen würde, würden die Ziele, die mit der Verordnung verfolgt werden, konterkariert werden. Doch die markenrechtliche Frage ist noch immer nicht geklärt. Auch in Bezug auf den Grad des Schutzes besteht noch eine Uneinigkeit, die ihren Ausdruck in Gerichtsentscheidungen findet. In Bezug auf die Abgrenzung der qualifizierten Herkunftsangabe zum Gattungsbegriff widerspricht sogar der Europäische Gerichtshof seinen eigenen früheren Entscheidungen, so geschehen im Fall "Feta". 3.1. Rechtsrahmen in der Bundesrepublik Deutschland25 Der Schutz der geographischen Herkunftsbezeichnungen wird im deutschen Markengesetz geregelt. Vor der Gültigkeit des neuen Markengesetzes aus 1995 gab es in deutschem Recht kein subjektives Recht an geographischen Herkunftsangaben. Es wurde kein absolutes Recht zur ausschließlichen Benutzung der Herkunftsangaben, wie es bei Warenzeichen der Fall ist, gewährt. Ein Schutz geographischer Herkunftsangaben erfolgte nur indirekt durch den Schutz vor unlauterem Wettbewerb und gegen Irreführung des Verkehrs. Maßgeblich dafür, ob eine Irreführung des Verkehrs vorliegt, ist die gängige Verkehrsauffassung. Aus dem Verbot, im geschäftlichen Verkehr falsche Herkunftsangaben zu benutzen, folgte lediglich mittelbar und nur als Rechtsreflex der Schutz der Herkunftsangabe selbst.26 Das neue Markengesetz von 1995 hingegen beruht auf der Konzeption eines umfassenden Kennzeichenschutzes. Der Schutz aller geschäftlichen Kennzeichen, auch geographische Herkunftsangaben werden als solche genannt, ist das Ziel dieses Gesetzes. Das neue Markengesetz ordnet die geographische Herkunftsangabe in einer Reihe mit den Marken und den geschäftlichen Bezeichnungen ein und erkennt damit ausdrücklich ihren Kennzeichencharakter an. 24 Vgl. hierzu z.B. Meyer, A. H.: Lebensmittelrecht: Leitfaden für Studium und Praxis. Stuttgart: Wiss.Verl.Ges, 1998, S. 150 oder Tilmann, W.: EG-Schutz für geographische Angaben, in: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Heft 2 1992, S. 831. 25 Die Abschnitte 3.1 bis 3.4 basieren weitgehend auf Becker, T. und E. Benner: Zur Problematik der Herkunftsangabe im regionalen Marketing. Arbeitsbericht Nr. 1, Hohenheim 2000. 26 Vgl. Knaak, R.: Der Schutz geographischer Herkunftsangaben im neuen Markengesetz, in: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Heft 2, 1995, S. 104. 30 Das neue Markengesetz27 sieht ein dreistufiges Schutzsystem vor. Es besteht auf der ersten Stufe der klassische Irreführungsschutz für geographische Herkunftsangaben. Solche Angaben dürfen nicht für Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft verwendet werden, wenn dadurch eine Irreführungsgefahr über die geographische Herkunft hervorgerufen wird. Entscheidend dafür ob eine Irreführung vorliegt, ist, wie generell im deutschen Recht, die Verkehrsauffassung. Die entsprechende Verkehrsauffassung ist schutzwürdig. Auf der zweiten Stufe stehen die qualitätsabhängigen geographischen Herkunftsangaben. Diese genießen insbesondere auch Schutz vor einer missbräuchlichen Benutzung für Waren gleicher Herkunft, also durch Ortsansässige, wenn die Beschaffenheitsmerkmale der Ware nicht den ortsüblichen Herstellungsgrundsätzen bzw. Qualitätsanforderungen entsprechen. Auf der dritten Stufe stehen die Herkunftsangaben mit besonderem Ruf. Die Gesetzesbegründung bezeichnet diese Herkunftsangaben als bekannte oder berühmte geographische Herkunftsangaben. Diese Bezeichnungen genießen auch einen Schutz vor Verwässerung oder Rufausbeute. Dieser Schutz entspricht dem Anlehnungsschutz. Das neue Markengesetz sieht erstmalig auch einen Schutz geographischer Kollektivmarken vor. Mit der Anmeldung muss eine Markensatzung vorgelegt werden. Qualitätsbedingungen, die der Verkehr erwartet und die den ergänzenden Kollektivschutz begründen, müssen als Benutzungsbedingungen in die Satzung aufgenommen werden. Weiterhin besteht bei geographischen Kollektivmarken ein Beitrittsrecht aller ortsansässigen Hersteller, deren Waren den in der Satzung enthaltenen Benutzungsbedingungen entsprechen. Auch bei den auf Gemeinschaftsebene geschützten geographischen Herkunftsangaben besteht eine solche Form des Kollektivschutzes. Nach deutschem Recht kann es zu einem Individualschutz geographischer Herkunftsangaben in folgenden Fällen kommen: bei fehlendem Freihaltebedürfnis, bei einer Überwindung dieses Freihaltebedüfnisses durch Verkehrsdurchsetzung als Marke und bei geographischen Herkunftsangaben, die als Bestandteil von Kombinationszeichen für ortsansässige Unternehmen eingetragen sind. Dieser Schutz hat keine Entsprechung im gemeinschaftlichen Recht. 27 Vgl. zu den folgenden Abschnitten ebenda 31 3.2. Schutz des Verbrauchers vor Irreführung Für die Entscheidung, ob eine Irreführung des Verbrauchers vorliegt, ist von einem Verbraucherleitbild auszugehen. Das deutsche Recht, ähnlich wie das Gemeinschaftsrecht, verbietet die Irreführung des Verbrauchers. Sowohl im deutschen als auch im gemeinschaftlichen Lebensmittelrecht wird von dem Leitbild des verständigen Verbrauchers ausgegangen. Im Lebensmittelrecht, als einem weitgehend harmonisierten Bereich, stimmt das Verbraucherleitbild des deutschen Rechts mit dem Verbraucherleitbild des Gemeinschaftsrechts überein. Im deutschen Lebensmittelrecht gehört der Bereich der Kennzeichnung und damit der irreführenden Angaben zu den harmonisierten Bereichen. Innerhalb des deutschen Verbraucherleitbildern. Das Rechts gibt es jedoch Wettbewerbsrecht, als Unterschiede weitgehend zwischen nicht mit den dem Gemeinschaftsrecht harmonisierter Bereich, geht von dem flüchtigen Verbraucher aus. Der flüchtige Verbraucher des deutschen Wettbewerbsrechts widerspricht dem Leitbild des verständigen Verbrauchers des deutschen und des gemeinschaftlichen Lebensmittelrechts.28 Der Europäische Gerichtshof gibt im Lebensmittelrecht den nationalen Gerichten einen Rahmen zur Bestimmung der Irreführungsgefahr vor. Einer normativen Stabilisierung überkommener Verbrauchervorstellungen über geringe Irreführungsquoten, wie sie das deutsche Recht in der Vergangenheit kennzeichnete, erteilt er dabei eine deutliche Absage. Für den Europäischen Gerichtshof ist das Leitbild ein Verbraucher, der nicht nur ein Recht auf Information hat, sondern dem auch eine Informationsbeschaffungslast aufgebürdet wird.29 Das Leitbild des verständigen Verbrauchers hat sich auf Gemeinschaftsebene durchgesetzt und wird mittlerweile auch von der deutschen Rechtsprechung in nicht harmonisierten Bereichen angewendet. Obwohl in dem deutschen Wettbewerbsrecht regelmäßig bei der Prüfung des Aussagegehaltes einer Werbung von der Auffassung eines flüchtigen Verbrauchers ausgegangen wurde, lassen jedoch jüngste Entscheidungen des Bundesgerichtshofs ein Abrücken vom flüchtigen hin zum verständigen Verbraucher erkennen.30 In der deutschen Rechtsprechung scheint ein Paradigmenwechsel von den 28 Vgl. Meyer, A. H.: Lebensmittelrecht: Leitfaden für Studium und Praxis, Stuttgart: Wiss.Verl.-Ges. 1998, S. 92 ff. 29 ebenda S. 92ff. 30 Vgl. hierzu "EuGH Urteil wird vorsichtig bewertet" in Lebensmittel Zeitung vom 30. Juli 1998. 32 empirisch ermittelten Verbrauchervorstellungen als Grundlage der Entscheidung, ob es sich um eine Irreführung des Verbrauchers handelt hin zur normativen Bestimmung der Verbrauchervorstellungen stattzufinden. Im sogenannten Wiesenhof-Urteil31 wird deutlich, dass sich die Rechtsprechung deutscher Gerichte von der Auffassung der Kommission nicht allzu sehr unterscheidet. Dieses Urteil zeigt insbesondere, inwiefern Herkunftsbezeichnungen in der Werbung in der Lage sind, den Verkehr irrezuführen. 3.3. Wiesenhof-Urteil In 1995 wurde ein Gerichtsverfahren über mehrere Instanzen zwischen Wiesenhof GeflügelKontor GmbH und dem französischen Geflügelverband C.I.D.E.F. geführt.32 Aus dem Urteil der zweiten Instanz geht hervor, dass im Hinblick auf Herkunftsangaben deren Sachlichkeit und das Prinzip des Leistungswettbewerbs zu beachten sind. So darf eine Herkunftsbezeichnung weder derart unsachlich aufgemacht sein, dass sie den Verbraucher über die wahre Herkunft täuscht. Noch darf die Herkunftsbezeichnung in überzogener und ständiger Weise auf die deutsche/regionale Herkunft eines Produktes hinweisen und an die "chauvinistischen Gefühle" der Verbraucher appellieren, so dass durch Ausnutzung der Gefühle der Leistungswettbewerb außer Kraft gesetzt wird. Denn eine mehrfache Betonung der Herkunft z.B. Deutsch enthält einen mittelbaren Appell an den Verbraucher, keinen Preisbzw. Leistungsvergleich zwischen inländischen und ausländischen Produkten vorzunehmen, sondern das beworbene Produkt allein aufgrund seiner Herkunft zu kaufen.33 In erster und zweiter Instanz wurde Wiesenhof die Werbung mit insgesamt 22 Werbeaussagen verboten, da sie gegen die europäische und nationale Gesetzgebung verstießen. In dritter Instanz wurde der Antrag abgewiesen, jedoch nicht mit der Begründung, die Werbebotschaften seien erlaubt, sondern auf Grundlage der Nicht-Dringlichkeit, da zwischen Start der betreffenden Werbeaktion und der Klage gegen Wiesenhof zu viel Zeit verstrichen 31 Landesgericht Oldenburg 1995 Urteil - 5.0. 1327/95 vom 28.07. 1995. 32 Landesgericht Oldenburg 1995 Urteil - 5.0. 1327/95 vom 28.07. 1995. und Oberlandesgericht Oldenburg 1995 Urteil - 1 U 125/95 - vom 21.12. 1995. 33 Landesgericht Oldenburg 1995 Urteil - 5.0. 1327/95 vom 28.07. 1995. 33 sei.34 Nach der Aufhebung des Urteils einigten sich die zwei Parteien außergerichtlich, die Werbung von Wiesenhof hat sich seitdem geändert. Das Wiesenhof-Urteil ist auch für die Werbung mit Qualitätsaussagen von Bedeutung.35 Wird mit einer besonderen Qualität geworben, ist maßgeblich, welches Verständnis der Verbraucher von Qualität hat. Der Begriff der Qualität wird in hohem Maße durch den Geschmack, die Bekömmlichkeit, die Zusammensetzung des Lebensmittels und vergleichbare Kriterien bestimmt, die Sicherheit ist ebenfalls ein Teilaspekt. Eine Reduzierung des Qualitätsbegriffs, auch wenn dies aus professioneller Sicht zulässig erscheint, ist nicht gestattet. Wird also mit "beste Qualität" geworben so muss glaubhaft gemacht werden können, dass sich diese Aussage auf den Qualitätsaspekt bezieht, wie ihn der Verbraucher versteht. Ist damit lediglich die Sicherheit des Lebensmittels gemeint, ist die Werbebotschaft irreführend.36 Unter Bezug auf das Wiesenhof-Urteil bezogen können "regionale Begriffe" in der Lage sein, über die wahren Bedingungen der Produktion von Agrarerzeugnissen und Lebensmittel zu täuschen. Durch die Werbung mit "regionalen Begriffen" wie ländlich, bäuerlich, vom Lande, etc. kann aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit gesetzlich erlaubten Angaben37 ein irreführender Eindruck erweckt werden. So wird durch die Werbung mit z.B. "denn auf einem Hof wachsen die Hähnchen tiergerecht auf" der Eindruck vermittelt, als läge eine Haltungsform vor, die einer "Bäuerlichen Auslaufhaltung" oder "Bäuerlichen Freilandhaltung" entspricht, obwohl die Tiere tatsächlich in Bodenhaltung gehalten werden. Dabei kommt es nicht darauf an, dass bei isolierter Betrachtung die Werbebotschaft inhaltlich zutreffend ist, entscheidend und ausreichend ist vielmehr allein, dass die Begriffe irreführend im Sinne des Gesetzes38 sind. Auch die kürzlich erfolgte Entscheidung des Oberlandesgericht Frankfurt in der Klage der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) gegen die Rewe geht in dieselbe Richtung. In dem Verfahren musste Rewe einräumen, dass die Darstellung einer Bauernhofidylle auf den 34 Das Gesetz über unlauteren Wettbewerb geht von der Idee der Dringlichkeit aus. Die Dringlichkeit einer Klage kann durch den Beklagten widerlegt werden (Oberlandesgericht Oldenburg (1995)). 35 Landesgericht Oldenburg 1995 Urteil - 5.0. 1327/95 vom 28.07. 1995. 36 Landesgericht Oldenburg 1995 Urteil - 5.0. 1327/95 vom 28.07. 1995. 37 z.B. niedergelegt in der Verordnung (EWG) Nr. 1538/91 der Kommission. 38 Landesgericht Oldenburg 1995 Urteil - 5.0. 1327/95 vom 28.07. 1995 und § 3 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. In: Wettbewerbsrecht und Kartellrecht, Nördlingen: DTV, 1997. 34 Eierverpackungen die Verbraucher unzulässig täuscht, wenn es sich um Eier aus der Käfighaltung handelt.39 3.4. Rechtsrahmen der Europäischen Union Das gemeinschaftlichen Lebensmittelrecht umfasst eine Vielzahl von Bereichen.40 Relevant sind im Zusammenhang mit regionalen Herkunftsangaben: • Lebensmitteletikettierung, • Regelungen von Werbebehauptungen sowie • der Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen. Aus der Bezeichnung der Richtlinie zur Lebensmitteletikettierung41 folgt, dass unter den Begriff "Etikettierung" eines Lebensmittels auch die auf das Lebensmittel bezogene Werbung fällt. Dabei bezieht sich der Begriff auf alle Angaben, Kennzeichnungen, Hersteller- und Handelsmarken, Abbildungen oder Zeichen, die sich auf das Lebensmittel beziehen und auf jegliche Art von Verpackung, Schriftstück, Tafel, Etikett, Ring oder Verschluss angebracht sind und die dieses Lebensmittel begleiten oder sich auf dieses Lebensmittel beziehen.42 Das bedeutet letztlich, dass EU-Etikettierungsvorschriften auch die Möglichkeit der Informationsweitergabe an den Kunden regeln bzw. beschränken. Demzufolge darf Werbung für Lebensmittel die Käufer nicht über die Eigenschaften wie:43 • • • • • • • • Art, Identität Beschaffenheit Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprung oder Herkunft Herstellungs- oder Gewinnungsart. 39 Vgl. Pressemitteilung vzbv vom 29. November 2002: "Verbraucherzentrale gewinnt gegen Rewe" OLG Frankfurt, Verhandlung vom 28.11.2002; 6 U 85/02. 40 Einen Überblick ist in Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL): Das gemeinschaftliche Lebensmittelrecht, Reinheim: 3er Druck, verschiedene Jhrg. zu finden. 41 Richtlinie des Rates vom 18. Dezember 1978 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von für den Endverbraucher bestimmten Lebensmitteln sowie der Werbung hierfür (79/112/EWG), Abl Nr. L 33 vom 08.02. 1978, S. 1 - 13. 42 Landesgericht Oldenburg 1995 Urteil - 5.0. 1327/95 vom 28.07. 1995. 43 Richtlinie 79/112/EWG zur Lebensmitteletikettierung (siehe oben). 35 eines Lebensmittel täuschen. Ebensowenig darf der Verbraucher über die Zuschreibung von Wirkungen und Eigenschaften, die das Lebensmittel nicht hat, getäuscht werden. Eigenschaften, die vergleichbare Lebensmittel auch haben, dürfen nicht als besonders herausgestellt werden. Darüber hinaus ist die krankheitsbezogene Werbung verboten. Die Richtlinien über irreführende44 und vergleichende45 Werbung legen objektive Kriterien nieder, nach denen beurteilt werden kann, wann eine Werbebehauptung eine nicht gestattete irreführende Behauptung bzw. eine gestattete vergleichende Behauptung ist. Hierbei wird davon ausgegangen, dass irreführende Werbung den Verbraucher und alle betroffenen natürlichen und juristischen Personen täuschen kann und infolge dessen zu nachteiligen Kaufentscheidungen führt. Vergleichende Werbung wird hingegen nicht per se als irreführend angesehen, sondern vielmehr als ein Mittel, mit dessen Hilfe Verbraucher informiert werden können. Gemäß der Richtlinie ist irreführende Werbung "jede Werbung, die in irgendeiner Weise einschließlich ihrer Aufmachung - die Personen, an die sie sich richtet oder die von ihr erreicht werden, täuscht oder zu täuschen geeignet ist und infolge der ihr innewohnenden Täuschung ihr wirtschaftliches Verhalten beeinflussen kann oder aus diesen Gründen einen Mitbewerber schädigt oder zu schädigen geeignet ist".46 Vergleichende Werbung ist "jede Werbung, die unmittelbar oder mittelbar einen Mitbewerber oder die Erzeugnisse oder die Dienstleistungen, die von einem Mitbewerber angeboten werden, erkennbar macht."47 Sie ist dann zulässig, wenn sie Waren oder Dienstleistungen des gleichen Bedarfs oder derselben Zweckbestimmung, objektiv anhand wesentlicher, relevanter, nachprüfbarer und typischer Eigenschaften dieser Waren und Dienstleistungen vergleicht.48 Zu den Etikettierungsvorschriften, die die Informationsweitergabe an den Kunden regeln gehört die Rindfleischetikettierungsrichtlinie.49 Die Rindfleischetikettierungsrichtlinie soll 44 Richtlinie des Rates über irreführende Werbung (84/450/EWG). Abl Nr. L 250 vom 19.09.1984, 45 Richtlinie 97/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Oktober 1997 zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG über irreführende Werbung zwecks Einbeziehung der vergleichenden Werbung, Abl. Nr. L 290 vom 23.10. 1997, S. 18 - 22.. 46 Richtlinie 84/450/EWG, Artikel 2, Absatz 2, Abl Nr. L 250 vom 19.09.1984, S. 18 47 Richtlinie 97/55/EG, Artikel 1, Absatz 3, Abl Nr. L 290 vom 23.10.1997, S. 20. 48 ebenda Artikel 1, Absatz 4. 49 Verordnung (EG) Nr. 820/97 des Rates zur Einführung eines Systems zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern und über die Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen, Abl Nr. 117 vom 07.05.1997, S. 1-8.. 36 letztlich dem Verbraucher die Garantie über eine nachvollziehbare und kontrollierte Erzeugung geben. Beabsichtigt ein Marktbeteiligter die Etikettierung von Rindfleisch an der Verkaufsstätte, so sind nur die von der Richtlinie erlaubten Angaben zugelassen. Dies sind:50 • Mitgliedstaat, Drittland oder Betrieb in dem das Tier geboren wurde, • Mitgliedstaaten, Drittländer oder Betriebe, in denen die gesamte Mast oder ein Teil davon stattgefunden hat; zur teilweisen Mast sind nähere Angaben zu machen, • Mitgliedstaat, Drittland oder Schlachtbetrieb in dem das Tier geschlachtet wurde, • Kennummer und Geschlecht des Tieres, • Mastverfahren oder andere Angaben über die Fütterung • Angaben über die Schlachtung, wie z.B. Schlachtalter und Schlachtdatum oder Zeitraum der Reifung des Fleisches, • jede weitere Information, die der betreffende Marktbeteiligte mitteilen möchte und die von der betreffenden zuständigen Behörde genehmigt wurde. Jede herkunftsbezogene Angabe in der Verkaufsstätte, die auf das betreffende Produkt bezogen ist und die über die Nennung des Herkunftslandes hinausgeht, ist demzufolge von der zuständigen Behörde des Mitgliedslandes zu genehmigen. Im Rahmen des Schutzes von herkunftsbezogenen Angaben bei Lebensmitteln und Agrarprodukten im Rahmen der Verordnung Nr. 2081/92 definiert die Europäische Gemeinschaft den zulässigen Zusammenhang zwischen Herkunft und Qualität eines Produktes,51 die sogenannte qualitative Herkunftskennzeichnung52. Sie unterscheidet dabei zwischen zwei Konzepten, zum einen gibt es geschützte Ursprungsbezeichnungen (g.U.) und zum anderen geschützte geographische Angaben (g.g.A.). Eine herkunftsbezogene Bezeichnung eines Produktes geht dabei aus dem Namen einer Gegend, eines bestimmten Ortes oder eines Landes hervor, der Bestandteil des Namens des betreffenden Produktes ist. Geschütze Ursprungsbezeichnungen (g.U.) Die herkunftsbezogene Bezeichnung eines Agrarerzeugnisses oder eines Lebensmittels genießt den Schutz der Gemeinschaft, 50 ebenda Artikel 16. 51 Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 des Rates zum Schutz von geographischen Abgaben und Ursprungskennzeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel. Abl Nr. L 208 vom 24.07.1992, S. 1 - 8. 52 Im Gegensatz zur einfachen Herkunftsangabe (vgl. Loewenheim, U. 1999: Verwendung einer einfachen geographischen Herkunftsangabe mit entlokalisierendem Zusatz (Warsteiner II), in: Lebensmittelrecht 1/99 http://www.beck.de/rsw/zeitschr/lm/Archiv/lm199/lm199_126MarkenG_Nr1.htm 15.11.1999). 37 wenn • seine Güte oder Eigenschaften überwiegend oder ausschließlich den geographischen Verhältnissen einschließlich seiner natürlichen und menschlichen Einflüssen verdankt und wenn • es in dem begrenzten geographischen Gebiet erzeugt, verarbeitet und hergestellt wird. Erfüllt ein Erzeugnis diese Bedingung, können darüber hinaus • auch bestimmte traditionelle geographische oder nichtgeographische Bezeichnungen, den Namen eines Agrarerzeugnisses oder ein Lebensmittels bezeichnen, das aus einer bestimmten Gegend oder einem bestimmten Ort stammt. Geschützte Geographische Angabe (g.g.A.) Auch kann der Name einer Gegend, eines bestimmten Ortes oder in Ausnahmefällen eines Landes, zur Bezeichnung eines Agrarerzeugnisses oder eines Lebensmittels dienen, das aus dieser Gegend, diesem Ort oder diesem Land stammt, wenn • sich eine bestimmte Qualität, das Ansehen oder eine andere Eigenschaft aus diesem geographischen Ursprung ergibt und wenn • es in dem begrenzten geographischen Gebiet erzeugt und/oder verarbeitet und/oder hergestellt wird. Wird dieser Zusammenhang für ein Produkt anerkannt, kann der Name des Produktes gegen Missbrauch geschützt werden. Es können auch große regionale Gebiete im Produktnamen gemäß der Verordnung Nr. 2081/92 geschützt werden. Dies zeigt das Beispiel Specially Selected Scotch Beef. Specially Selected Scotch Beef ist eine geschützte geographischen Angabe (g.g.A.), die aufgrund der traditionellen Haltungsmethode der Rinder in der charakteristischen Landschaft Schottlands, die auf der Weidehaltung beruht, eine herausgehobene Qualität und Ansehen erlangt hat.53 53 vgl. http://www.maff.gov.uk/food/foodname/meatoff/uk/scotbeef.htm 15.11. 1999. 38 Allerdings fallen unter die Bestimmungen dieser Verordnung keine herkunftsbezogene Angaben, deren Charakter über die nationalen Grenzen hinausgeht und bei denen der Verbraucher an Eigenschaften denkt, die abstrakt mit der Herkunft der Erzeugnisse zusammenhängen, wie z.B. "montagne" also "Berg". Eine nationale Regelung kann diese herkunftsbezogenen Angaben für bestimmte Produkte vorsehen, ohne dass sie gegen die Verordnung Nr. 2081/92 verstößt. Diese Regelung ist zu weit vom sachlichen Gegenstand der Verordnung Nr. 2081/92 entfernt, als dass sie ihr entgegenstünde. Allerdings kann die nationale Regelung den Bestimmungen des Vertrages und hier insbesondere Artikel 28 entgegenstehen, wenn sie die Bezeichnung nur inländischen Produkten vorbehält.54 Ziel der Verordnung Nr. 2081/92 ist ein gemeinschaftsrechtlicher Schutz von g.g.A und g.U. vor allem gegen anlehnende Benutzung sowie gegen herkunftsbezogene, irreführende Angaben und Praktiken.55 Hintergrund dieser Verordnung ist die Förderung von Erzeugnissen mit bestimmten Merkmalen, die vor allem in den benachteiligten oder abgelegenen Gebieten von großem Vorteil für die ländliche Entwicklung sein kann. Darüber hinaus soll hiermit dem Interesse der Verbraucher nach Erzeugnissen mit besonderem Merkmalen, insbesondere nach Lebensmitteln mit bestimmbarer geographischer Herkunft, Rechnung getragen werden. Damit eine geographische Herkunftsangabe den Schutz des Gemeinschaftsrechts genießen kann, wird diese in das Verzeichnis der geschützten Ursprungsbezeichnungen und der geschützten geographischen Angaben eingetragen. Alle anderen geographischen Angaben oder Ursprungsbezeichnungen, wenn diese den Eindruck vermitteln, dass sich aus der geographischen Angabe oder der Ursprungsbezeichnung eine besondere Qualität herleitet, sind als Irreführung der Verbraucher anzusehen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass bei Aussagen über die Produktherkunft das Prinzip des Verbots der Irreführung der Verbraucher im Mittelpunkt steht. Dies bezieht sich nicht nur auf Werbebehauptungen sondern auch auf die Angaben im Rahmen der Etikettierung. In diesen Zusammenhang ist es von großer Bedeutung, dass im Europäischen Recht der Zusammenhang von Qualität und Herkunft definiert ist. Nach deutschem Recht ist es für den Schutz von geographischen Herkunftsangaben grundsätzlich nicht entscheidungserheblich, ob es sich um eine einfache Herkunftsangabe 54 vgl. Rechtssache C-321/94-324/94 ("montagne"), Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes, S.2343 2379, 1997. 55 Artikel 13 der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92. 39 oder eine kombinierte oder qualifizierte Herkunftsangabe handelt.56 Der Schutz der geographischen Herkunftsangabe auf Gemeinschaftsebene hingegen geht davon aus, dass ein Zusammenhang zwischen Herkunft und Qualität gegeben sein muss, um die geographische Herkunftsangabe zu schützen. 3.5. Warsteiner, Feta und noch offene Fragen In dem deutschen Markengesetz bildet der Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen gemäß der Verordnung (EWG) 2081/92 zwar einen eigenen Abschnitt und ist damit, wenn auch nicht inhaltlich abgestimmt mit anderen Teilen des Markengesetz und des Wettbewerbsrechts, so jedoch zumindest in den Text des Markengesetzes integriert. Eine Integration in das deutsche Markenrecht ist bisher jedoch noch nicht erfolgt, wie die folgenden Auseinandersetzungen zwischen deutscher und gemeinschaftlicher Rechtssprechung zeigen. Verhältnis zwischen Gemeinschaftsrecht und deutschem Markenrecht in Bezug auf die einfache Herkunftsangabe Aus Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Verwendung der Marke „Warsteiner" geht hervor, dass bei geographische Herkunftsbezeichnungen in der Verwendung als Marken, eine Herstellung in dem Gebiet, welches die geographische Herkunft bezeichnet, nicht unbedingt Voraussetzung ist57. Damit könnte das deutsche Recht mit dem territorialen Ausschließlichkeitsprinzip der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 in Konflikt stehen. Nach Ansicht des BGH ist offen, ob der Schutz von einfachen geographischen Herkunftsangaben unter europäisches Recht oder nationales Recht fällt. Sollte der Schutz von geographischen Herkunftsbezeichnungen allein nach der EU-Verordnung bestimmt werden, müsste laut BGH, der im Streitfall vorgebrachte, weiterreichende nationale Schutz der einfachen Herkunftsangabe nach dem neuen deutschen Markenrecht an höherrangigem Gemeinschaftsrecht scheitern. Diese Auffassung hatte laut Bundesgerichtshof die Europäische Kommission 1995 in einem Schreiben an 56 die Bundesregierung vertreten. Der Vgl. hierzu Kapitel 2.1 und Meyer, A. H.: Lebensmittelrecht: Leitfaden für Studium und Praxis, Wiss.Verl.Ges.: Stuttgart, 1998, S. 92. 57 Lebensmittel Zeitung Nr. 28 vom 10. Juli 1998, S. 22 40 Bundesgerichtshof hat den Fall an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) weitergeleitet, der die Frage der Zuständigkeit klären soll (Deutscher Juristischer Nachrichtendienst 2000). Vor einiger Zeit hat der EU-Generalanwalt Jacobs hierzu Stellung genommen (Handelsblatt Nr. 137 vom 19.7.2000). Nach seiner Ansicht ist die in § 127 Markengesetz liegende Beschränkung des freien Warenverkehrs nach Artikel 28 (ehemals Artikel 30) EG-Vertrag nur dann gerechtfertigt, wenn dieses Verbot der Verwendung der geographischen Herkunftsangabe aus Verbraucherschutzgründen gerechtfertigt ist. Damit wird klar, dass „Warsteiner" nach deutschem Recht als eine Marke einzustufen ist und damit hat das territoriale Ausschließlichkeitsprinzip keine Geltung mehr. Die etwas später erfolgte Entscheidung des EuGH ist hier sehr deutlich. Der EuGH stellt fest, ohne die Vereinbarkeit der deutschen Rechtsvorschriften mit der Verordnung EWG Nr. 2081/92 im Bereich der Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln zu prüfen, dass der Gemeinschaftsschutz nur für geographische Angaben gilt, bei denen ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen einer bestimmten Qualität, dem Ansehen oder einer anderen Eigenschaft des Erzeugnisses und seinem speziellen geographischen Ursprung besteht. Die Geltungsbereiche des deutschen Markenrechts und der Verordnung 2081/92 sind nach Auffassung des EuGH nicht identisch.58 Das EuGH Urteil vom 7. November 2000 macht eines sehr deutlich. Einfache Herkunftsangaben, bei denen kein Zusammenhang zwischen den Eigenschaften des Produktes und der geographischen Herkunft besteht, fallen nicht unter die Verordnung 2081/92 und verbleiben damit im Schutzsystem der nationalen Gesetzgebung und Rechtsprechung.59 Verhältnis zwischen Gemeinschaftsrecht und deutschem Markenrecht in Bezug auf die kombinierte Herkunftsangabe Es bleibt jedoch die Frage offen, um der Umkehrschluss zulässig ist (Loschleder 2001, S. 117). Fallen alle qualifizierten Herkunftsangaben, die mit der geographischen Bezeichnung zugleich eine Angabe über die -mit der Herkunft zusammenhängende- Beschaffenheit der Ware geben, in jedem Fall unter die Verordnung 2081/92 fallen und nur nach deren Maßgabe geschützt werden können? 58 Handelsblatt und Lebensmittelzeitung vom 8.11.2000. 59 Vgl. zu dem EuGH Urteil Obergfell, E.I.: „Qualitätsneutrale“ geographische Herkunftsangaben als Schutzdomäne des nationalen Rechts – Zur Entscheidung des EuGH vom 7.11.2000 – Rs. C-31298 (Warsteiner) 2001, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht 2001 Heft 1 41 Zu klären wäre insbesondere auch, was gelten soll, wenn eine geographische Angabe nach der Verordnung 2081/92 gar nicht eintragungsfähig ist,60 z.B. weil es sich um eine kombinierte Herkunfts- und Qualitätsangabe handelt. Dies betrifft insbesondere die regionalen und nationalen Herkunfts- und Qualitätszeichen. Der EuGH nimmt in seiner Entscheidung ausdrücklich Bezug auf die Pistre-Entscheidung. Gegenstand dieser Entscheidung war ein französisches Gesetz, das vorsah, dass die Bezeichnung "Montagne" bestimmten Produkten aus Bergregionen vorbehalten war, um die besonderen Schwierigkeiten der Produzenten zu kompensieren. Allerdings wurden unter Bergregion alle Gebiete verstanden, die mehr als 100 Meter über dem Meeresspiegel liegen. Im konkreten Fall ging es um die Verwendung der Bezeichnung "Monts de Lacaune". Zwar bezeichne die Angabe "Monts de Lacaune" eine bestimmte Gebirgsregion und könne dementsprechend Gegenstand einer Registrierung nach der Verordnung 2081/82 sein, wenn der erforderliche Zusammenhang zwischen Produkteigenschaften und -herkunft vorliege. Ein solcher Zusammenhang sei aber nach den fraglichen nationalen Regelungen nicht notwendig. Diese nationalen Regelungen würden nämlich offensichtlich derartige geographische Bezugsrahmen nur insoweit schützen, als diese den Eindruck eines Ursprungs in irgendeiner Gebirgsregion erweckten und nicht, soweit sie sich auf eine bestimmte Gebirgsregion bezögen.61 Damit ist jedoch immer noch offen, ob der Schutz von regionalen Herkunfts- und Gütezeichen weiterhin durch die nationale Gesetzgebung und Rechtsprechung möglich ist, wenn bei diesen kombinierten geographischen Angaben eine Verbindung zwischen Herkunft und Qualität behauptet wird. Wenn der Regelungsbereich der Verordnung 2081/92 nur auf die Behauptungen begrenzt wäre, die den Bestimmungen der Verordnung genügen, so würde die Verordnung sich selbst ad absurdum führen. Hier sind die beiden rechtlichen Systeme nicht kompatibel. Grad des Schutzes 60 Loschleder, M.: Rechtsprechung Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft – „Warsteiner“. Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht 2001 Nr. 1, S. 117 61 Aus einer Anfrage eines italienischen Abgeordneten an die Kommission wird deutlich, dass die Bezeichnung "Erzeugnisse aus den italienischen Bergen" nicht nur den nach Verordnung 2081/92 geschützten Herkunftsbezeichnungen offen stehen darf (Vgl. Schriftliche Anfrage E-0036/02 von Luciano Caveri an die Kommission. In: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften C172 E/132 DE vom 18.7.2002). 42 Ein weitere offene Fragen ist der Grad des Schutzes. Dies tritt besonders deutlich in dem Fall „Cambozola" zu Tage. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat in einem Urteil von 5. Juni 1997 entschieden hat, dass die Bezeichnung „Cambozola" keine unzulässige Anspielung auf „Gorgonzola" darstellt. „Gorgonzola" ist seit 1996 eine auf Gemeinschaftsebene geschützte Ursprungsbezeichnung. Der EuGH hingegen betont in seinem Urteil Ende 1999 zu diesem Fall, dass eine Anspielung auf eine geschützte Bezeichnung auch dann vorliegen kann, wenn keinerlei Gefahr der Verwechslung zwischen den betroffenen Erzeugnissen besteht. Nach Ansicht des EuGH stellt „Cambozola" wegen der phonetischen Ähnlichkeit eine Anspielung auf eine geschützte Bezeichnung vor.62 Eine Angabe des wahren Ursprungs des Erzeugnisses auf der Verpackung oder auf andere Art und Weise wird demgegenüber als unerheblich angesehen. Der Schutz richtet sich damit nicht nur gegen jede Form der Verwendung des Begriffs einer geschützten geographischen Herkunftsangabe, auch wenn die tatsächliche geographische Herkunft angegeben wird, sondern auch alle nur entfernt ähnlich klingenden Namen dürfen nicht verwendet werden. Dies macht deutlich, dass der Schutz der geographischen Herkunftsangaben nach Verordnung 2081/92 ein Schutzniveau vorsieht, welches höher ist, als das Schutzniveau bei Marken. Der überzogene rechtliche Schutzumfang wird mit regional- und strukturpolitischen Zielen gerechtfertigt. Abgrenzung zum Gattungsbegriff Insbesondere die Abgrenzung der geographischen Herkunftsangabe Gattungsbezeichnung fällt sehr schwer und ist oft recht willkürlich. 63 von der Dies zeigen die Beispiele „Feta"64, „Pilsener"65, „Aachener Printen"66, „Lübecker Marzipan"67, „Dresdner 62 Verbraucherdienst 1999, S. 323. 63 Das Problem der Abgrenzung wird ausführlich bei Harte-Bavendamm, H.: Ende der geographischen Herkunftsbezeichnung? - "Brüsseler Spitzen" gegen ergänzenden nationalen Rechtsschutz -, in Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Heft 10 S. 717 - 729, 1996 diskutiert. 64 Feta bezeichnet keine Region Griechenlands, sondern hat sich in Griechenland als Bezeichnung für den Käse einer bestimmten Region durchgesetzt. In einem bilateralen Abkommen zwischen Griechenland und Österreich ist der Schutz von „Feta" auf Österreich ausgedehnt worden. Die EG-Kommission hatte auf Antrag Griechenlands die Bezeichnung „Feta" als geschützte Herkunftsangabe eingetragen. In Dänemark, den Niederlanden und Deutschland ist „Feta" ausdrücklich als Gattungsbezeichnung zugelassen. Der Europäische Gerichtshof hat die Entscheidung der Kommission als rechtsfehlerhaft bezeichnet, weil sie der rechtmäßigen Vermarktung von Erzeugnissen unter der Bezeichnung „Feta" in einigen Mitgliedstaaten keine Bedeutung beigemessen habe (Verbraucherdienst 12/99 S. 322 und Knack 2000). Im Urteil des EuGH vom 16. März 1999 wurde die Eintragung der Bezeichnung "Feta" als geschützte Ursprungsbezeichnung für nichtig erklärt. Mitte 43 Stollen"68 oder „Nürnberger Rostbratwürste"69. Hier ist die Herstellung nicht an einen Ort gebunden, entstammt herkömmlich aber einer gewissen Tradition eines engeren oder weiteren geographischen Bezirks. Die EU-Kommission hat die Käsebezeichnungen „Brie", „Camembert", „Cheddar", „Edamer", „Emmentaler", „Gouda" (nicht aber „Appenzeller" oder „Gruyere") als mittlerweile degenerierte, nicht mehr ortsbezogene Beschaffenheitsangaben qualifiziert.70 In der deutschen Rechtsauffassung ist die Abgrenzung des Gattungsbegriffs von der geographischen Herkunftsangabe von der Verkehrsauffassung abhängig. Von der Rechtsprechung in Deutschland ist die Umwandlung einer Herkunftsbezeichnung in eine Gattungsbezeichnung bzw. eine Beschaffenheitsangabe nur dann vorgenommen worden, wenn nur ein ganz unbeachtlicher Teil der beteiligten Verkehrskreise in der Angabe einen Herkunftshinweis sah. Die Rückentwicklung von der Beschaffenheits- bzw. Gattungsbezeichnung in die geographische Herkunftsbezeichnung wurde ebenfalls nur dann Oktober 2002 wurde dann zum zweiten Mal nach 1996 Feta in die Liste der geschützten Ursprungsbezeichnungen aufgenommen. Es darf abgewartet werden, ob und wie lang die Kommissionsentscheidung Bestand hat (Agra Europe 43/02 vom 21. Oktober 2002: "Feta" darf künftig nur noch für Käse aus griechischer Produktion verwendet werden. Kurzmeldungen S. 30f.) 65 Tschechien wird bei der nächsten Verhandlungsrunde der WTO in Seattle fordern, Bier-Regionen denselben Herkunftsschutz wie Wein-Anbaugebieten zukommen zu lassen. Dies würde die tschechischen geographischen Herkunftsbezeichnungen „Pilsener" und „Budweiser" betreffen (LZ Nr. 47 vom 26.11.1999, S. 32). 66 „Aachener Printen" ist als geschützte geographische Angabe eingetragen. 67 „Lübecker Marzipan" wurde seit Jahrhunderten für Marzipan verwandt, das in Lübeck hergestellt wurde. In den zwanziger Jahren traten Nachahmer auf, die die Bezeichnung auch dann verwandten, wenn das Marzipan außerhalb Lübecks hergestellt war. Die Lübecker Marzipanhersteller unternahmen nichts, um diesen Wandel zur Gattungsmarke zu unterbinden. Zu Beginn der siebziger Jahre wurden fast 90% des unter der Bezeichnung „Lübecker Marzipan" verkauften Marzipans nicht in Lübeck hergestellt. In den siebziger und achtziger Jahren wurden dann um die Bezeichnung zahlreiche Prozesse geführt (vgl. hierzu Lochelder, M. und W. Schnepp: Deutsche geographische Herkunftsangaben. Köln:Carl Heymanns, 1992, S. 2. und Harte-Bavendamm, H.: Ende der geographischen Herkunftsbezeichnung? - "Brüsseler Spitzen" gegen ergänzenden nationalen Rechtsschutz -, in Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Heft 10 S. 717 - 729, 1996., S. 717). Mittlerweile ist „Lübecker Marzipan" als geschützte geographische Angabe eingetragen. 68 Auch „Dresdner Stollen" ist mittlerweile als geschützte geographische Angabe eingetragen. 69 Der „Schutzverband Nürnberger Bratwürste e.V." hat beim Deutschen Patent- und Markenamt beantragt, die Bezeichnung „Nürnberger Rostbratwürste" als geographische Angabe (entsprechend der Verordnung 2081/22) zu schützen (Lebensmittel Zeitung Nr. 21 vom 26.5.2000, S. 28). Seit 1893 steht das Nürnberger Bratwurst Glöckl in München und jeder Wies'n Besucher kennt die „Nürnberger Bratwürste" des Münchner Wirts Michael Beck. Der „Schutzverband Nürnberger Bratwurst" will mittlerweile wegen des Schutzes der geographischen Herkunftsbezeichnung gegen Beck vorgehen (Allgemeine Fleischerzeitung Nr. 33 vom 16.8.2000, S. 1). 70 Harte-Bavendamm, H.: Ende der geographischen Herkunftsbezeichnung? - "Brüsseler Spitzen" gegen ergänzenden nationalen Rechtsschutz -, in Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Heft 10 S. 717 - 729, 1996. 44 vorgenommen, wenn über 50% der einschlägigen Verkehrskreise wieder auf einen geographischen Herkunftshinweis schlossen.71 Bezeichnungen wie "Dresdner Stollen" oder "Lübecker Marzipan" können auf eine Gratwanderung dieser Art zurückblicken. Eine enge Auslegung der Verordnung Nr. 2081/92 hätte den Schutz für geographischen Herkunftsangaben wie "Aachener Printen", oder "Lübecker Marzipan" verhindert. Diese hätten auch als Gattungsbezeichnungen eingestuft werden können. Mittlerweile sind sie jedoch auf Gemeinschaftsebene anerkannt und registriert. Besonders problematisch ist auch die Abgrenzung der geschützten Ursprungsbezeichnung von der geschützten geographischen Angabe. Beispielsweise ist „North Hollandse Gouda" und anderer Käse als geschützte Ursprungsbezeichnung eingetragen, unterscheidet sich jedoch in den qualitätsbestimmenden Produkteigenschaften nicht von dem Gouda anderer Herkunft.72 Auf der anderen Seite sind die Fleischwaren in der Regel als geschützte geographische Angabe eingetragen. Da beide Formen der geographischen Herkunftsangabe denselben rechtlichen Schutz genießen, ist die Unterscheidung weniger von juristischem, denn von wissenschaftlichem Interesse. Mittelbare geographische Angaben Bisher sind auf Gemeinschaftsebene nur die qualifizierte geographische Angaben nach Verordnung Nr. 2081/92 geschützt. Eine rechtliche Grauzone ist der Bereich der mittelbaren Herkunftsangaben, z.B. die drei Löwen als Zeichen für das Herkunfts- und Qualitätszeichen Baden-Württemberg oder die Landkarte mit Heraushebung der Region im Falle des Gütezeichen Schleswig-Holstein. Mittelbare, insbesondere bildliche geographische Angaben können zwar unter das Beihilferecht fallen, gehören jedoch nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 2081/92. 71 Vgl. ebenda S. 718. 72 Vgl. Barjolle, D., B. Sylvander: Some Factors of Success for Origin Labelled Products in Agri-Food Supply Chains in Europe: Market, Internal Resources and Institutions, 67th EAAE Seminar, Le Mans 1999. 45 4. Beihilfenrechtlicher Hintergrund und Stand des Konfliktes In Deutschland sind die Basis der Förderung der Vermarktung regionaler Produkte die Gesetze auf Ebene der Bundesländer im landwirtschaftlichen Bereich.73 Darin wird allgemein festgeschrieben, dass die Förderung der Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte zu den Zielen der Agrarpolitik zählt. Ausgehend von dieser Gesetzesgrundlage steht auf Länderebene die Förderung der regionalen Produkte auf zwei Säulen. Zum einen werden private Wirtschaftsakteure im Bereich regionaler Vermarktung gefördert. Zum anderen etablieren die Länder die sogenannten Herkunfts- und Qualitätszeichen. Im Rahmen dieser Unterteilung erfolgt in den einzelnen Bundesländern eine unterschiedliche Schwerpunktsetzung. Formen der Förderung regionaler Produkte Förderung regionaler Produkte Förderung Förderung von regionaler Herkunfts- und Vermarktung Qualitätszeichen Zu dieser Förderung von Seiten der Bundesländer kommt das Konzept des zentral-regionalen Marketings der Centrale Marketinggesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft (CMA) hinzu. Dieses Kapitel beginnt mit einem Überblick über die staatliche Förderung der Werbung für Agrarprodukte und Lebensmittel durch die CMA und die Bundesländer. Anschließend wird auf die beihilfenrechtlichen Grenzen der staatlichen Unterstützung von geographischen Herkunftsangaben eingegangen. Diese sind noch enger als die markenrechtlichen Grenzen. Die Zulässigkeit von Beihilfen zur Förderung der Erzeugung und Vermarktung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen hoher Qualität und von Beihilfen zur Förderung des 46 Absatzes landwirtschaftlicher Erzeugnisse und zur Werbung hierfür sind detailliert geregelt. Diese Regelungen werden vorgestellt. Ausführlich wird auf die neuen Gemeinschaftsleitlinie für Werbung von 2001 eingegangen. Die Konsequenzen für das CMA-Gütezeichen werden abschließend diskutiert. Die Förderung der regionalen Vermarktung bezieht sich auf die Erarbeitung und Einführung von Vermarktungskonzeptionen für regional erzeugte landwirtschaftliche Erzeugnisse. Hierzu zählen Marktanalysen, Entwicklungsstudien, Beratungs- Planungsmaßnahmen, und Informationsveranstaltungen. Voraussetzung ist oft, dass mit der Maßnahme eine Verbesserung der Marktposition oder der Marktchancen regionaler Agrarprodukte verbunden ist und im Ergebnis positive Effekte für den landwirtschaftlichen Erzeuger erreicht werden. Gefördert werden landwirtschaftliche Erzeugerzusammenschlüsse, Unternehmen des Handels oder der Be- und Verarbeitung als Marktpartner von Erzeugerzusammenschlüsse, sowie Absatzförderungsorganisationen und Vereine/Verbände. Die Fördersumme beträgt bis zu 35 % bzw. 50 % der förderfähigen Ausgaben bis zu maximalen Förderbeträgen von 50.000 DM bzw. 100.000 DM je Maßnahme. 74 Durchführungsorganisationen des staatlichen regionalen Marketings in Deutschland sind die Marketingorganisationen der einzelnen Bundesländer. Das regionale Marketing kann durch einen Verein (Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Brandenburg und Sachsen), durch die Landwirtschaftskammer (Schleswig-Holstein, Saarland und Rheinland-Pfalz), durch eine Marketinggesellschaft (Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, SachsenAnhalt) oder durch das Landwirtschaftsministerium direkt (Bayern, Thüringen) wahrgenommen werden. Diese Träger vergeben das jeweilige regionale Herkunfts- und Qualitätszeichen und versuchen, durch Werbung und Verkaufsförderung den Bekanntheitsgrad, die Akzeptanz und den Absatzerfolg zu erhöhen. Ziel der Herkunfts- und Qualitätszeichen ist die Herausstellung der Herkunft im Zusammenhang mit Qualität: "Herkunft und Qualität aus Baden-Württemberg", "Qualität aus Bayern", "Gutes aus Hessen" oder auch "Original Thüringer Qualität", um nur einige Beispiele für die Herkunfts- und Qualitätszeichen der Bundesländer zu nennen. 73 wie z.B. das Landwirtschafts- und Landeskulturgesetz von 1972 in Baden-Württemberg, das Landwirtschaftsförderungsgesetz von 1970 in Bayern 74 z.B. die Richtlinie des MURL NW über die Gewährung von Zuwendungen zur regionalen Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse, ebenso in Thüringen, Rheinland-Pfalz: VV über Förderungen im Marktbereich, Hessen: Richtlinien zur Förderung von Marketingprojekten in der Landwirtschaft. 47 Herkunfts- und Qualitätszeichen stehen unter der Schirmherrschaft des jeweiligen Landesministeriums für Landwirtschaft.75 Neben den zuständigen Referaten in den Ministerien sind oft nachgelagerte Institutionen im Zuständigkeitsbereich der Ministerien in die Aufgabe eingebunden.76 Auch Marketinggesellschaften können mit der Vergabe der Zeichen und der Kontrolle der Einhaltung der Richtlinien betraut werden.77 Diesen Marketinggesellschaften werden oft ihr Budget, ihre personelle Ausstattung bzw. ihre Ziele von der entsprechenden Landesregierung vorgegeben.78 Bei der Kontrolle der Vergabekriterien stehen sie in Konkurrenz zu rein privaten Kontrollinstituten, welche darüber hinaus meist für zusätzliche Kontrolle akkreditiert sind.79 Die Durchführung von weiteren Marketingmaßnahmen wird ferner z.B. über Rahmenverträge mit einer rein privaten Marketingagentur, die als Durchführungsgesellschaft fungiert, sichergestellt.80 Einen Zusammenhang zwischen Herkunft und Qualität wird auch im nationalen Marketing betont. Das Herkunfts- und Qualitätszeichen der Centralen Marketinggesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft (CMA) lautet "Markenqualität aus deutschen Landen". Die CMA ist Eigentümerin des Gütezeichens, legt das Qualitätsniveau fest und macht Werbung und Verkaufsförderung für das nationalen Herkunfts- und Qualitätszeichens. Die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) erarbeitet die Qualitätsnormen und die Prüfungsmethoden, darüber hinaus bildet sie die Prüfer aus und fort. Zu den jährlichen DLGQualitätsprüfungen müssen alle Produkte vorgestellt werden, die das Herkunfts- und Qualitätszeichen der CMA erwerben oder weiterhin tragen wollen. Das CMA-Zeichen ist beim RAL (Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung e.V.) als Gütezeichen eingetragen. Die regionalen Herkunfts- und Qualitätszeichen von Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg sind bei dem RAL als RAL- Herkunftsbezeichnungen mit genauer Qualitätsfestlegung eingetragen.81 75 Baden-Württemberg, Bayern, Schleswig-Holstein etc. 76 Landwirtschaftskammern, etc. 77 z.B. der Agrar-Marketing Sachsen e.V. oder die MBW Marketinggesellschaft für Agrar- und Forstprodukte aus Baden-Württemberg. 78 z.B. die MBW Marketinggesellschaft für Agrar- und Forstprodukte aus Baden-Württemberg. 79 z.B. LACON GmbH (Privatinstitut für Qualitätssicherung und Zertifizierung ökologisch erzeugter Lebensmittel GmbH), Offenburg. 80 z.B. in Sachsen die MS-Marketing GmbH. 81 .Vgl. hierzu die Liste der RAL Gütezeichen (http://www.ral.de/RALg63.htm, 17.08.00). Eine vollständig Liste aller RAL-Herkunftsbezeichnungen mit genauer Qualitätsfestlegung war nicht erhältlich, jedoch werden die 48 Herkunfts- und Qualitätszeichen stehen unter der Schirmherrschaft des jeweiligen Landesministeriums für Landwirtschaft.82 Neben den zuständigen Referaten in den Ministerien sind oft nachgelagerte Institutionen im Zuständigkeitsbereich der Ministerien in die Aufgabe eingebunden.83 Auch Marketinggesellschaften können mit der Vergabe der Zeichen und der Kontrolle der Einhaltung der Richtlinien betraut werden.84 Diesen Marketinggesellschaften werden oft ihr Budget, ihre personelle Ausstattung bzw. ihre Ziele von der entsprechenden Landesregierung vorgegeben.85 Bei der Kontrolle der Vergabekriterien stehen sie in Konkurrenz zu rein privaten Kontrollinstituten, welche darüber hinaus meist für zusätzliche Kontrolle akkreditiert sind.86 Die Durchführung von weiteren Marketingmaßnahmen wird ferner z.B. über Rahmenverträge mit einer rein privaten Marketingagentur, die als Durchführungsgesellschaft fungiert, sichergestellt.87 Die Festlegung der Qualitätskriterien für die Herkunfts- und Gütezeichen erfolgt in der Regel in Zusammenarbeit mit allen Beteiligten. Es wird versucht, Qualitätskriterien zu finden, die von möglichst allen Beteiligten akzeptiert werden können. Damit wird der "kleinste gemeinsame Nenner" gesucht, der oft über die allgemein geltenden gesetzlichen Vorschriften nicht hinaus geht. Bei den nach Gemeinschaftsrecht eingetragenen geographischen Herkunftsangaben hingegen werden die Qualitätskriterien von dem Schutzkonsortium festgelegt, zu dem sich Produzenten des jeweiligen Produktes in der jeweiligen Region zusammengeschlossen haben. Die Qualitätskriterien müssen deutlich über den gesetzlichen Mindeststandard hinausgehen und es muss eine Verbindung zwischen der Herkunft und der besonderen Qualität bestehen und nachgewiesen werden. Damit wird ein verbindlicher Qualitätsstandard für die mit der geographische Herkunftsangabe verbundenen qualitätsbestimmenden Produkteigenschaften eingeführt. Das Potential für ein Marke ist für die geographischen Herkunftsangaben, die nach beiden genannten Herkunfts- und Qualitätsbezeichnungen als Beispiele für diese Zeichen aufgeführt (http://www.ral.de/RALg3a.htm, 17.08.00). 82 Baden-Württemberg, Bayern, Schleswig-Holstein etc. 83 Landwirtschaftskammern, etc. 84 z.B. der Agrar-Marketing Sachsen e.V. oder die MBW Marketinggesellschaft für Agrar- und Forstprodukte aus Baden-Württemberg. 85 z.B. die MBW Marketinggesellschaft für Agrar- und Forstprodukte aus Baden-Württemberg. 86 LACON GmbH (Privatinstitut für Qualitätssicherung und Zertifizierung ökologisch erzeugter Lebensmittel GmbH), Offenburg. 87 z.B. in Sachsen die MS-Marketing GmbH. 49 der Verordnung 2081/92 eingetragen sind, erheblich größer, als das der Herkunfts- und Gütezeichen. Herkunftsbezogene Absatzförderungsmaßnahmen werden von einer ganzen Reihe von Institutionen finanziell unterstützt. Diese Institutionen können privat oder öffentlicher Natur sein. Staatliche Institutionen, die das regionale Marketing finanziell unterstützen, sind Landes- und Bundesregierungen sowie die Europäische Gemeinschaft. Außerdem trägt die CMA zum regionalen Marketing bei. 4.1. Staatliche Förderung der regionalen Vermarktung88 Die CMA bestreitet ihr Budget über den Deutschen Absatzfond aus parafiskalischen Abgaben. Aus dem jährlichen Budget von über DM 160 Mio. wurden in 1998 etwa 50 Mio. für Werbung ausgegeben. Diese wurde zu 88,2% aus den parafiskalischen Erzeugerabgaben, zu 8,2% aus Zuschüssen der EU und zu 3,2% aus eigenen Mittel aufgebracht. Der Schwerpunkt der Werbung lag bei den Produktgruppen Fleisch und Fleischwaren sowie Milch und Milchprodukte. Bei der CMA-Werbung handelt es sich in der Regel um generische Produktwerbung. Es wird nicht für ein einzelnes Produkt geworben, sondern für eine Produktkategorie wie Fleisch oder Milch. Der Informationsgehalt der Werbung ist gering. Es werden z.B. keine gesundheitliche Aspekte angesprochen. Weiterhin zeichnet sich die traditionelle CMA-Werbung auch durch eine mangelnde Zielgruppenorientierung aus. Wenn diese ausnahmsweise mal vorhanden ist, ist sie fragwürdig. So hat eine Werbekampagne bei den Landfrauen zu deutlich artikuliertem Widerstand geführt, bis die Werbekampagne eingestellt wurde. Hier sollte auf das junge Publikum abgestellt werden. Eine gewisse Zielgruppenorientierung war vorhanden. Es erscheint zumindest fragwürdig, wenn der Staat in die Rolle des Werbetreibenden tritt. Es kommt zwangsläufig zu Rollenkonflikten. Hinzu kommt, dass der ökonomische Erfolg der generischen Werbung zumindest zweifelhaft ist. Auch hat die CMA-Werbung bisher nur ausnahmsweise zur Imagewerbung für die Landwirtschaft beigetragen. Informative Werbung hat kaum eine Rolle gespielt. Es erscheint sehr angebracht, zu überprüfen, ob die Ausgaben für generische Produktwerbung durch die CMA nicht für andere Zwecke sinnvoller verwendet werden könnten. 88 Die Angaben in den Abschnitten 4.1 bis 4.2 basieren auf Becker, T. und E. Benner: Zur Problematik der Herkunftsangabe im regionalen Marketing. Arbeitsbericht Nr. 1, Hohenheim 2000 50 51 Ausgaben der CMA für Werbung CMA Werbeetat 1998 Blumen, Zierpflanzen 8% Brot, Backwaren 3% Zucker 8% Milch, Milchprodukte 40% Obst, Gemüse, Kartoffeln 8% Werbeetat 50 Mio. DM Budget: ca. 170 Mio DM EU 8,2% Erzeugerabg. 88,5% eig. Mittel 3,2% Fleisch, Fleischwaren 33% Quelle: CMA 1999 Quelle: Becker, T. und E. Benner: Zur Problematik der Herkunftsangabe im regionalen Marketing. Arbeitsbericht Nr. 1, Hohenheim 2000. Für das zentral-regionale Marketing standen bis 1997 jährlich etwa DM 5 Mio. zur Verfügung. Im Jahr 1998 wurde der Etat auf jährlich DM 15 Mio. angehoben. Da die Finanzierung der Projekte zu je einem Drittel durch die CMA, die regionalen Marketingorganisationen und die Wirtschaftspartner erfolgt, stehen somit DM 45 Mio. für das zentral regionale Marketing zur Verfügung.89 Finanzielle Mittel, die von Seiten der Länder zur Verfügung gestellt werden, fließen aus dem jeweiligen Landeshaushalt. Damit werden zum einem die Marketinggesellschaften und deren Arbeit finanziert, zum anderen wird damit die regionale Vermarktung gefördert. So stellte etwa das Land Baden-Württemberg der MBW im Jahr 1998 für Werbung, Verkaufsförderung und Öffentlichkeitsarbeit rund DM 2,4 Mio. und für die Durchführung und anteilige Finanzierung der Kontrollen und Untersuchungen etwa DM 1 Mio. aus dem Landeshaushalt zur Verfügung. Insgesamt belief sich das Marketingbudget also auf etwa DM 89 Lebensmittel Zeitung Nr. 12 v. 20.03.1998 S. 22: Länder rütteln an Grundfesten der CMA. 52 3,4 Mio. Für zentral-regionale Kooperationsprojekte werden vom Land rund DM 550.000 jährlich aufgebracht.90 Zudem erstattet das Land den Vermarktern auf Antrag bis maximal 50% der für das regionale Herkunfts- und Qualitätszeichen aufgewendeten Werbekosten. Kontrollkosten werden bis maximal 60% vom Land erstattet. Ein zeitliche Begrenzung der Erstattung scheint bisher nicht vorgesehen zu sein.91 Für Absatzförderung landwirtschaftlicher Produkte gab die Europäische Union 1997 etwa EURO 54 Mio. aus.92 Eine Aufteilung auf die einzelnen Mitgliedstaaten ist nicht erhältlich. Neben der Förderung des ökologischen Landbaus und umweltgerechter Produktionsverfahren werden diese Mittel auf Produkte verteilt, für die es Richtlinien zur Absatzförderung gibt, z.B. Rindfleisch und Äpfel.93 Auf Antrag können meist repräsentative Branchenverbände für bestimmte Aktionen eine Finanzierung zwischen 40% und 70% erhalten. Ein spezielle regionale Absatzförderung gibt es allenfalls im Rahmen der Strukturpolitik. Nach Angaben der jeweiligen Verantwortlichen erhalten die CMA (8,2%), BW (bis zu 60% je nach Maßnahme) Brandenburg (40%), Saarland (30%) Zuschüsse aus EU-Mitteln.94 Eine Aufteilung nach Maßnahme findet nicht statt. Insgesamt dürften also neben den rund DM 45. Mio. für das zentral-regionale Marketing etwa noch mal DM 20 -25 Mio. aus den Haushalten der Bundesländer und der EU zur Verfügung stehen.95 Über die Förderung der regionalen Vermarktung auf Grundlage der Richtlinien der Länder liegen keine Angaben vor. Mit 25 Millionen Mark aus der Verbraucherinitiative Bayern will Landwirtschaftsminister Josef Miller der regionalen Vermarktung in den nächsten Jahren zusätzliche Schubkraft verleihen. Bei einem Pressegespräch am 20. Juni 2002 in München präsentierte er dazu ein Sieben-Punkte-Programm mit neuen Konzepten für das bayerische Qualitäts- und 90 Drucksache 12/4399 des Landtages Baden-Württembergs 91 Drucksache 12/244 des Landtages Baden-Württembergs 92 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 12. 2. 1999 S. 631. 93 vgl. Verordnung (EG) Nr. 481/1999 der Kommission von 4. März 1999 mit allgemeinen Bestimmungen für die Verwaltung der Verkaufsförderungsprogramme für landwirtschaftliche Erzeugnisse, Abl Nr. L 57 vom 05.03.1999 S. 8-12. 94 Folgende Bundesländer machten keine Angaben: Thüringen. Nach eigenen Angaben erhalten SH, N, Bayern und NRW keine Zuschüsse von der EU. 95 Dies ist eine vorsichtige Schätzung auf Grundlage der Budgets einzelner Marketinggesellschaften auf Länderebene und der Anteile der EU an diesen Ausgaben. 53 Herkunftssicherungsprogramm, für Markenprogramme und Verbundprojekte, regionale Spezialitäten, Direktvermarktung, Bauernmärkte und Bäuerinnen-Schmankerl-Services. Intensiviert werden Beratung, Schulung und Fortbildung sowie Forschung und Controlling.96 4.2. Zulässigkeit staatlicher Beihilfen: Erste Entscheidungen des EuGH 1966 gründete die britische Regierung eine staatliche Institution (Apple and Pear Development Council), die durch eine Erzeugerabgabe finanziert wird.97 Die Hauptaufgabe der Institution ist die Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen der Apfel- und Birnenvermarktung, dazu führt sie Werbekampagnen für diese Produkte im allgemeinen und für typische Sorten aus England und Wales im besonderen durch. Darüber hinaus ist die Institution in den Bereichen Forschung, Begutachtung, Public Relation und Informationsbeschaffung tätig. Anfang 1978 wurde eine Institution in Irland gegründet, deren Vorstandsmitglieder vom zuständigen Ministerium berufen wurden, die eine staatliche finanzielle Unterstützung erhielt und deren Ziel von der Regierung vorgegeben wurde.98 Aufgabe der Institution war die Durchführung eines Verkaufsförderungsprogramms für irische Produkte. Dieses Programm sollte mit einer Reihe von Marketingmaßnahmen ausländische Importe durch irische Produkte ersetzen. Kern der Maßnahme war das Etikett "Guaranteed Irish" in Verbindung mit einen besonderen Beschwerdeverfahren für Verbraucher, falls ein so gekennzeichnetes Produkt Anlass zu Klagen gibt. Hierdurch sollten die Verbraucher veranlasst werden, verstärkt auf irische Produkte zu achten, sie zum Kauf veranlassen und so allgemein die irische Wirtschaft fördern sowie Arbeitsplätze sichern bzw. schaffen. Die Zulässigkeit dieser beiden Institutionen und ihrer Arbeit im Zusammenhang mit staatlichen Beihilfen wurde in zwei Vorabentscheidungen von Europäischen Gerichtshof geprüft. Durch diese zwei Urteile wurde deutlich, dass eine Verkaufsförderungsaktion, an der sich der Staat beteiligt, nicht die gleichen Freiheiten besitzt wie eine rein privat durchgeführte Maßnahme. Zunächst stellte der Europäische Gerichtshof fest, dass eine Institution als eine staatliche anzusehen ist, wenn deren Budget, Personalpolitik bzw. Ziele vom Staat vorgegeben werden. Beide Institutionen, obwohl staatlich, unterscheiden sich in ihren Aufgaben. Im weiteren hatte der Europäische Gerichtshof also über die Zulässigkeit dieser 96 Vgl. http://www.stmlf.bayern.de/alle/layout/empty.gif vom 10.11.2002 97 Rechtssache 222/83 ("Apple Council"), Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes, S. 4083 - 4143, 1983. 98 Rechtssache 249/81 ("Buy Irish"), Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes, S. 4003 - 4033, 1982. 54 staatlichen Institutionen aufgrund ihrer Aufgabe zu urteilen. Diese Aufgaben dürfen nicht gegen das Gemeinschaftliche Interesse verstoßen. Ein Verstoß liegt nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs dann vor, wenn im Zuge der staatlichen Beteiligung Ware aus anderen Mitgliedstaaten diskriminiert wird. D.h. es wird vom Kauf der ausländischen Ware abgeraten, der Kauf von inländischer Ware nur aufgrund deren Herkunft angeraten bzw. die ausländische Ware herabgesetzt. Diese Auffassung führte dazu, dass die irische Institution als ein Verstoß angesehen wurde. Wird im Rahmen der staatlichen Beteiligung, wie es bei der britischen Institution der Fall ist, lediglich die besondere Qualität des Produkts herausgestellt, mag diese Qualität auch typisch für das Land oder die Region sein, ohne dass ausländische Ware diskriminiert wird, so liegt hingegen kein Verstoß vor. Die britische Institution verstößt demzufolge nicht gegen das Gemeinschaftliche Interesse.99 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass bei staatlicher Beteiligung darauf zu achten ist, dass sie weder ein innergemeinschaftliches Handelshemmnis100 noch eine unzulässige staatliche Beihilfe darstellen.101 Im Rahmen der Verhandlungen gegen die beiden Programme kam der Europäische Gerichtshof zu dem Urteil, dass insbesondere Herkunftsdeklarationen in der Lage sind, den innergemeinschaftlichen Wettbewerb zu beeinträchtigen.102 Ein drittes Verfahren beschäftigte sich mit der Frage, ob sich ein staatliches Qualitätsprogramm, auch ein fakultatives, auf den nationalen/regionalen Ursprung eines Zusatzes/Produkts beziehen darf.103 Im vorliegenden Fall wollte eine deutsche Firma französisches Destillat zu Branntwein verarbeiten und entsprechend als Qualitätsbranntwein nach deutschem Recht kennzeichnen. Zwar wird in diesem Zusammenhang den Mitgliedstaaten das Recht eingeräumt, Qualitätsprogramme zu etablieren, doch muss sich ein solches Programm auf objektive innere Merkmale beziehen. Eine Qualitätsvermutung hingegen, die lediglich davon abhängt, dass die Herstellung ganz oder teilweise im Inland erfolgt, ist eine Maßnahme gleicher Wirkung und folglich mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar. 99 Rechtssache 249/81 ("Buy Irish") und Rechtssache 222/83 ("Apple Council") 100 Artikel 28 des EG-Vertrages 101 Artikel 87 des EG-Vertrages. 102 d.h. gemäß Artikel 28 des Vertrages als Maßnahme gleicher Wirkung angesehen werden können 103 Rechtsache 13/78 ("Eggers"), Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes, S. 1935 - 1967, 1978. 55 Die Europäische Kommission ihrerseits ist angehalten, einen Verstoß gegen die Bestimmungen des Vertrags anzuzeigen,104 sowie staatliche Beihilfen auf ihre Wettbewerbswirkung zu überprüfen.105 So nahm 1986 die Europäische Kommission insbesondere die beiden ersten Urteile zum Anlass, Leitlinien für die Beteiligung der Mitgliedstaaten an Verkaufsförderungsmaßnahmen für landwirtschaftliche Erzeugnisse zu erarbeiten,106 um die Mitgliedstaaten vorab darüber in Kenntnis zu setzen, was bei der staatlichen Beteiligung an Verkaufsförderungsmaßnahmen zu beachten ist, um einen Verstoß gegen den Vertrag zu vermeiden. Dabei weist die Kommission darauf hin, dass sie ein Vertragsverletzungsverfahren anstrengt, falls gegen diese Leitlinien verstoßen wird. Mit ihren Leitlinien machte die Kommission deutlich, dass es ihr nicht darum geht, Ursprungskennzeichnungen gänzlich zu untersagen. Solange es sich um Werbekampagnen handelt, die lediglich den Namen, die besonderen Qualitäten oder Sorten von Erzeugnissen herausstellen, spricht nichts gegen eine staatliche Beteiligung. Diese sind selbst dann erlaubt, wenn es sich dabei um typisch nationale Erzeugnisse handelt und sich der Ursprung aus diesen Hervorhebungen ergibt. Auch sind der Geschmack, Duft, Frische, Reife, Preis, Ernährungswert, verfügbare Sorten und Nützlichkeit (Rezepte usw.) zulässige Werbeargumente. Allerdings sind positive Feststellungen nicht zulässig, wenn diese Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten zwangsläufig als minderwertig erscheinen lassen. Demzufolge sind Superlative und Maßnahmen zu vermeiden, die wegen des Hinweises auf die nationale Herkunft zur Folge haben, dass das Werbeprodukt mit Erzeugnissen anderer Mitgliedstaaten verglichen wird. Jedoch darf auch auf Qualitätskontrollen hingewiesen werden, solange diese objektiver Natur sind. Letztlich stellen nur solche Verkaufsförderungsaktionen ein Handelshemmnis dar, die den Verbraucher raten, nationale Erzeugnisse zu kaufen, nur weil diese nationalen Ursprungs sind sowie Maßnahmen, die darauf abzielen, den Verbraucher nicht zu dem Kauf von Produkten aus anderen Mitgliedsländern zu ermutigen oder diese Erzeugnisse in den Augen der 104 Artikel 226 des EG-Vertrages. 105 Artikel 88 und 89 des EG-Vertrages 106 Leitlinien für die Beteiligung der Mitgliedstaaten an Verkaufsförderungsmaßnahmen für landwirtschaftliche und Fischereierzeugnisse - Aspekte betreffend Artikel 30, Abl Nr. C 272 vom 28.10. 1986 S. 4 - 5. 56 Verbraucher herabsetzen. Hier soll ausdrücklich "chauvinistischen Tendenzen" vorgebeugt werden.107 Allerdings legt die Kommission nahe, dass Verkaufsförderungsmaßnahmen, die im großen Stil durchgeführt werden, als solche angesehen werden können, Importe zu ersetzen und damit gegen Artikel 28 des EG-Vertrag verstoßen.108 4.3. Neue Rahmenregelung für die staatliche Beihilfen Mit einer neuen Gesamtregelung für die Beihilfen im Landwirtschaftlichen Bereich werden gültig ab 1. Januar 2000 die bisherigen Vorschriften kodifiziert und vereinfacht sowie mit den Änderungen im Rahmen der Agenda 2000 in Einklang gebracht. Dieser sogenannte "Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen im Agrarsektor" von 1999109 soll eine Vielzahl von Rechtsvorschriften, unter anderem auch die Leitlinien von 1986, durch ein einfaches und einheitliches Regelwerk ersetzen. Diese Rahmenregelung ist kein europäisches Gesetz, sondern stellt lediglich einen administrativen Vorgang im Rahmen der bereits 1958 in der Europäischen Gemeinschaft eingeführten Beihilfekontrollen, die Wettbewerbsverzerrungen verhindern sollen, dar. Insgesamt umfasst der Gemeinschaftsrahmen etwa zwei Dutzend Beihilfekategorien bzw. Unterkategorien.110 In dem Zusammenhang hier sind zwei Kategorien von Interesse: 107 ebenda 108 ebenda 109 In: Agra Europe Sonderbeilage vom 13. Dezember 1999 110 Es werden folgende Beihilfen behandelt: Investitionsbeihilfen (Beihilfen für Investitionen in landwirtschaftlichen Betrieben insbesondere zur Erhaltung der Kulturlandschaft, im öffentlichen Interesse durchgeführte Aussiedlungen, Investitionen für den Schutz und die Verbesserung der Umwelt, für die Verbesserung der Hygiene in der Tierhaltung und des Tierschutzes, aber auch Beihilfen für Investitionen zur Verbesserung der Verarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse, Beihilfen zur Förderung der Diversifizierung der Tätigkeiten im Betrieb), Beihilfen für den Umweltschutz (Beihilfen für Umweltinvestitionen, Beihilfen für Agrarumweltmaßnahmen, Beihilfen zugunsten von Landwirten in Gebieten mit Umweltschutzauflagen gemäß Gemeinschaftsrecht, Betriebsbeihilfen), Beihilfen zum Ausgleich von Nachteilen in benachteiligten Gebieten, Niederlassungsbeihilfen für Junglandwirte, Beihilfen für den Vorruhestand oder für die Beendigung landwirtschaftlicher Erwerbstätigkeiten, Beihilfen für die Stillegung von Produktions-, Verarbeitungs- und Vermarktungskapazitäten, Beihilfen für Erzeugergemeinschaften, Beihilfen zum Ausgleich von Schäden zum Nachteil der landwirtschaftlichen Erzeugung oder der landwirtschaftlichen Betriebsmittel (Beihilfen zur Beseitigung der durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse verursachten Schäden, Beihilfen zum Augleich witterungsbedingter Schäden in der Landwirtschaft, Beihilfen zur Bekämpfung von Tierseuchen und Pflanzenkrankheiten, Beihilfen zur Zahlung von Versicherungsprämien), Beihilfen für die Flurbereinigung, Beihilfen zur Förderung der Erzeugung und Vermarktung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen hoher Qualität, Bereitstellung technischer Hilfe im Agrarsektor, Unterstützung des Tierhaltungssektors, Staatliche Beihilfen für Gebiete in äußerster Randlage und die Inseln des Ägäischen Meeres, Beihilfen zur Forschung und Entwicklung, Beihilfen zur Förderung des Absatzes landwirtschaftlicher Erzeugnisse und zur Werbung hierfür, Beihilfen in der Form von subventionierten 57 - Beihilfen zur Förderung der Erzeugung und Vermarktung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen hoher Qualität und - Beihilfen zur Förderung des Absatzes landwirtschaftlicher Erzeugnisse und zur Werbung hierfür. 4.4. Regelung für Beihilfen zur Förderung der Erzeugung und Vermarktung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen hoher Qualität Die Kommission genehmigt Beihilfen für Beratungs- und ähnliche Unterstützungsleistungen, einschließlich technischer Studien, Durchführbarkeits- und Konzeptstudien und Marktforschungen, zu Gunsten von Tätigkeiten, die mit der Förderung landwirtschaftlicher Erzeugnisse von hoher Qualität zu tun hat. Hierzu werden ausdrücklich gezählt: - Marktforschungstätigkeiten, Produktentwürfe und Produktentwicklungen einschließlich Beihilfen, die zur Vorbereitung der Beantragung der Anerkennung von geographischen Angaben gemäß der Verordnung 2081/92 gewährt werden, - die Einführung von Qualitätssicherungssystemen (ISO 9000 Serie) oder Verfahren zur Gefahrenanalyse (HACCP) oder von Umweltverträglichkeitsprüfungen, - die Deckung von Kosten für die Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern im Hinblick auf die Anwendung von Qualitätssicherungssystemen und HACCPVerfahren sowie der Kosten der Erstzertifizierung. Der höchstzulässige Gesamtbetrag an Beihilfen, die in dieser Kategorie gewährt werden können, darf 100 000 Euro pro Begünstigten während eines Zeitraums von drei Jahren nicht überschreiten. Beihilfen zur Deckung der Kosten für Qualitätskontrollen werden zukünftig nur für solche Kontrollen gewährt, die von oder im Namen von Dritten, wie etwa durch die zuständigen Ordnungsbehörden, durchgeführt werden. Die Kommission wird, entsprechend dem Gemeinschaftsrahmen, Beihilfen bis zu einem höchstzulässigen Anfangssatz von 100% der Kosten für Kontrollen genehmigen, die von den Stellen durchgeführt werden, die für die Überwachung der Verwendung von Gütezeichen und Etikettierungen im Rahmen anerkannter Darlehen mit kurzer Laufzeit, Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten, und Beschäftigungsbeihilfen. 58 Qualitätssicherungssysteme zuständig sind. Solche Beihilfen sind nach und nach zu reduzieren, so dass sie im siebten Jahr ihres Bestehens auslaufen. 4.5. Regelung für Beihilfen zur Förderung des Absatzes landwirtschaftlicher Erzeugnisse und zur Werbung hierfür In dem Gemeinschaftsrahmen selbst wird diese Kategorie von Beihilfen nicht weiter behandelt, sondern nur angesprochen. Es wird hier auf die Bestimmungen der Rahmenregelung für einzelstaatliche Beihilfen im Bereich der Werbung für landwirtschaftliche Erzeugnisse verwiesen. Die Beihilfen unterliegen der Genehmigung der Kommission gemäß Artikel 87111 des EGVertrages. Hierfür sind die geplanten Aktionen bei der Kommission anzuzeigen. Damit die Kommission sich äußern kann, sind Beihilfen für Werbeaktionen, wie jede andere Subvention auch, der Kommission vor der Einführung bzw. Umgestaltung anzuzeigen.112 Insbesondere sind die geplante Dauer und die geographische Abgrenzung, sowie die Anteile der Finanzierungsarten (direkte Beihilfe, freiwillige Mittel, parafiskalische Abgabe) anzugeben. Zudem ist zu rechtfertigen, warum die Maßnahme nicht gegen Artikel 28 verstößt und nicht nur bestimmten Unternehmen zu gute kommt. Ebenfalls ist zu begründen warum die positiven Kriterien erfüllt werden. Im Jahr 1987 veröffentlichte die Kommission eine erste "Rahmenregelung für einzelstaatliche Beihilfen im Bereich der Werbung für landwirtschaftliche Erzeugnisse (ausgenommen 111 Artikel 87 (ex Artikel 92) lautet: (1). Soweit in diesem Vertrag nicht etwas anderes bestimmt ist, sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen. (2). Mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind: a) Beihilfen sozialer Art an einzelne Verbraucher, wenn sie ohne Diskriminierung nach der Herkunft der Waren gewährt werden; b) Beihilfen zur Beseitigung von Schäden, die durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse entstanden sind; c) Beihilfen für die Wirtschaft bestimmter, durch die Teilung Deutschlands betroffener Gebiete der Bundesrepublik Deutschland, soweit sie zum Ausgleich der durch die Teilung verursachten wirtschaftlichen Nachteile erforderlich sind. (3). Als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar können angesehen werden: a) Beihilfen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung von Gebieten, in denen die Lebenshaltung außergewöhnlich niedrig ist oder eine erhebliche Unterbeschäftigung herrscht; b) Beihilfen zur Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse oder zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats; c) Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete, soweit sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft; d) Beihilfen zur Förderung der Kultur und der Erhaltung des kulturellen Erbes, soweit sie die Handels- und Wettbewerbsbedingungen in der Gemeinschaft nicht in einem Maß beeinträchtigen, das dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft; e) sonstige Arten von Beihilfen, die der Rat durch eine Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission bestimmt. 112 Vgl. Artikel 88 Absatz 3 des EG-Vertrages. 59 Fischereierzeugnisse) und bestimmte nicht in Anhang I des EG-Vertrags genannte Erzeugnisse. Diese Rahmenregelung für Werbung wurde im Jahr 2001 durch die "Gemeinschaftsleitlinien für staatliche Beihilfen zur Werbung für in Anhang I des EGVertrags genannte Erzeugnisse und bestimmte nicht in Anhang I genannte Erzeugnisse" ersetzt. Diese wird im folgenden als Leitlinie für Werbung bezeichnet und unterscheidet sich in einigen Punkten von der bis dahin gültigen Rahmenregelung für Werbung.113 Die alte Rahmenregelung für Werbung verstand unter diesem Begriff jede Aktion, die mittels des Einsatzes der Medien (Presse, Rundfunk, Fernsehen und Plakate) den Verbraucher zum Kauf des betreffenden Erzeugnisses anregen sollte. Aktionen zur Absatzförderung in einem weiteren Sinne, zum Beispiel die Verbreitung von wissenschaftlichen Erkenntnissen, die Organisation von Messen und Ausstellungen, die Teilnahme hieran sowie ähnliche Aktionen der Öffentlichkeitsarbeit einschließlich Umfragen und Marktforschung fielen nicht in den Geltungsbereich der Regelung. In der aktuell gültigen Leitlinie für Werbung, die seit 1. Januar 2002 von der Kommission angewendet wird, gilt jegliche Aktion, die darauf ausgerichtet ist, die Marktteilnehmer bzw. die Verbraucher zum Kauf eines bestimmten Erzeugnisses anzuregen als "Werbung". Sie umfasst auch sämtliches Material, das mit derselben Absicht direkt an die Verbraucher verteilt wird, einschließlich Werbemaßnahmen, die sich am Verkaufsort an den Verbraucher richten. Aktionen zur Absatzförderung wie die Verbreitung von wissenschaftlichen Erkenntnissen, die Veranstaltung von Messen und Ausstellungen, die Teilnahme hieran sowie ähnliche Aktionen der Öffentlichkeitsarbeit einschließlich Umfragen und Marktforschung gelten weiterhin nicht als "Werbung" im Sinne der Leitlinie für Werbung, sondern sind den Kategorien - Beihilfen zur Förderung der Erzeugung und Vermarktung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen hoher Qualität oder - Bereitstellung technischer Hilfe im Agrarsektor des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Beihilfen im Agrarsektor zuzuordnen. Unter staatliche Beihilfe versteht die Kommission sowohl direkte finanzielle Zuschüsse aus öffentlichen Haushalten als auch sonstige staatliche Quellen, einschließlich parafiskalischer 113 Neben den in Anhang I des EG-Vertrages genannten Erzeugnissen, gelten die Bestimmungen auch für Erzeugnisse, die zu einem überwiegenden Teil die in Anhang 1 der Rahmenregelung genannte Erzeugnisse (vor allem Milcherzeugnisse, Getreide, Zucker und Äthylalkohol) in verarbeiteter Form enthalten (z.B. Fruchtjoghurt, Zubereitungen aus Milchpulver mit Kakao, Mischungen aus Butter und pflanzlichen Fetten, Back- und Zuckerwaren, alkoholische Getränke). 60 Abgaben oder Zwangsbeiträge.114 Somit fallen die Beihilfen der Bundesländer für das regionale Marketing sowie die Mittel der CMA unter die Kategorie der staatlichen Beihilfen. Die Europäische Kommission unterscheidet bei der Zulässigkeit staatlicher Beihilfen in negative und in positive Kriterien. Die negativen Kriterien, beziehen sich auf einen möglichen Verstoß gegen das "gemeinsame Interesse". Allerdings reicht es für die Zulässigkeit einer Beihilfe nicht aus, dass diese nicht lediglich dem Gemeinsamen Interesse zuwiderläuft. Daher hat die Kommission die sogenannten positiven Kriterien entwickelt. Gemäß dieser Kriterien ist bei der Zulässigkeit der Beihilfen auf deren positiven Beitrag zur Entwicklung bestimmter Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete zu achten. Der Beitrag zur Entwicklung kann sich auf einen Wirtschaftszweig oder auf ein Wirtschaftsgebiet beziehen. Zulässig sind Beihilfen dann, wenn die subventionierte Werbung einen der folgenden Fälle betrifft: • Landwirtschaftliche Überschusserzeugnisse • Neue Erzeugnisse oder Ersatzerzeugnisse, die nicht überschüssig sind • Qualitätserzeugnisse • Entwicklung bestimmter Gebiete • Entwicklung der kleinen und mittleren Unternehmen • Projekte, die von offiziell anerkannten Organisationen, wie z.B. Erzeugerorganisationen oder Erzeugergemeinschaften durchgeführt werden. In der Leitlinie für Werbung wird deutlich unterschieden zwischen Werbung, bei der der Ursprung die primäre Werbebotschaft ist und solcher Werbung, bei der der Ursprung die sekundäre Werbebotschaft ist. Werbung mit dem Ursprung als primärer Werbebotschaft ist nur außerhalb der jeweiligen Region bzw. dem jeweiligen Mitgliedstaat zulässig. Solche Werbeaktionen sollten aber darauf abzielen, den Verbrauchern Erzeugnisse vorzustellen, mit denen sie nicht vertraut sind. 114 Rahmenregelungen für einzelstaatliche Beihilfen im Bereich der Werbung für landwirtschaftliche Erzeugnisse (ausgenommen Fischereierzeugnisse) und bestimmte nicht im Anhang des EWG-Vertrages genannte Erzeugnisse (87/C 302/06), Abl Nr. C 302 vom 12.11. 1987 S. 6 - 10. 61 Werbeaktionen in der jeweiligen Binnenregion mit dem Ursprung als primäre Werbebotschaft hingegen verstoßen gegen Artikel 28 EG-Vertrag. Um beurteilen zu können, ob der Ursprung tatsächlich eine untergeordnete Werbebotschaft darstellt, wird die Kommission die Gesamtbedeutung von Text und/oder Symbolen berücksichtigen. Ausdrücklich erlaubt sind Beihilfen für die Werbung für Erzeugnisse, die mit einer auf Gemeinschaftsebene eingetragenen geschützten Ursprungsbezeichnung oder geschützten geographischen Angabe versehen sind sowie für Erzeugnisse aus ökologischem Anbau. Damit nicht der Handelsverkehr zugunsten der Mitgliedstaaten beeinflusst wird, die bedeutende Mittel ausgeben können, wird die direkte Beihilfe aus dem öffentlichen Haushalt auf 50% begrenzt. Die beteiligten Unternehmen müssen das Residuum aus freiwilligen Beiträgen oder aus parafiskalischen Abgaben finanzieren. Ausnahmen gelten lediglich für Beihilfen an Werbeaktionen kleiner und mittlerer Unternehmen für Produkte aus bestimmten benachteiligten Gebieten. Das Notifizierungsverfahren sieht vor, dass einzelne Werbeaktionen zur Notifizierung im voraus vorzulegen sind. Dies betrifft Werbeaktionen, die sich wiederholt der nationalen Medien wie Presse, Funk und Fernsehen in dem betreffenden Mitgliedstaat bedienen und neue Qualitätssicherungsverfahren oder -merkmale anpreisen oder sich auf den nationalen oder regionalen Ursprung beziehen. Mit der derzeit geltenden Leitlinie für Werbung folgt die Kommission zum einen der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und kommt zum anderen ihrer Aufgabe der Beihilfekontrolle nach. Sie macht deutlich, dass sie die Subventionierung von Werbeaktionen als Maßnahmen gleicher Wirkung im Sinne von Artikel 28 ansieht, wenn diese die Herkunft übermäßig betonen. 4.6. Konsequenzen für die Herkunfts- und Gütezeichen Nicht nur das CMA-Gütezeichen, sondern gleichermaßen auch die Herkunfts- und Qualitätszeichen der Bundesländer sind von der Gemeinschaftsleitlinie für Werbung betroffen. Mit einer Klageschrift, die am 4. September 2000 bei dem EuGH eingegangen ist, hat die Kommission der Europäischen Gemeinschaften Klage auf Feststellung erhoben, dass die Bundesrepublik Deutschland durch die Vergabe des Gütezeichens "Markenqualität aus 62 deutschen Landen" an in Deutschland hergestellte Fertigerzeugnisse bestimmter Qualität gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 28 EG-Vertrag (ehemals Artikel 30) verstoßen hat. Die EU-Kommission stützt damit ihre Klage auf die folgende Argumentation: durch die positive Kennzeichnung der deutschen Waren würden Erzeugnisse aus anderen Mitgliedsstaaten diskriminiert (bezugnehmend auf Artikel 28); sie fordert deshalb, die Qualitätsbezeichnungen auch für andere Länder zu öffnen. Es wurden von der Kommission Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, nicht nur gegen Deutschland, sondern auch gegen Frankreich und Spanien wegen der Bevorzugung von Erzeugnissen der Mitgliedstaaten bzw. der betreffenden Regionen durch "Gütezeichen bzw. Qualitätsbezeichnungen". Im Falle Frankreichs bezog sich das eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren auf regionale Gütezeichen, wie: „Normandie", „Limousin", „Midi-Pyrenees" sowie „Qualité France". Die französischen Behörden waren bereit, die Rechtsstellung der Gütezeichen zu ändern. In Spanien wurden Qualitätsbezeichnungen wie „El Valles Occidental", „Alimentos de Extremadura" sowie „Calidad Cantabria" bemängelt. Die zuständigen Regionalbehörden haben die strittigen Bezeichnungen abgeschafft.115 Am 5.November 2002 ist hierzu ein Urteil des Europäischen Gerichtshof ergangen. In diesem Urteil wird ausführlich auf die Finanzierung und die Rechtstellung der CMA eingegangen. Der EuGH kommt zu dem Ergebnis, dass die strittige Regelung als eine dem Staat zuzurechnende öffentliche Maßnahme im Sinne von Artikel 28 EG-Vertrag anzusehen ist. Nach ständiger Rechtsprechung bezweckt Artikel 28 EG-Vertrag116 das Verbot jeder Regelung oder sonstigen Maßnahme der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern.117 Es wird folgendes für Recht erkannt und entschieden: Die Bundesrepublik Deutschland hat durch die Vergabe des Gütezeichens Markenqualität aus deutschen Landen an in Deutschland hergestellte Fertigerzeugnisse bestimmter Qualität gegen íhre Verpflichtungen aus Artikel 28 EG-Vertrag (ehemals Artikel 30) verstoßen. 115 Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2000, S. 102. 116 Artikel 28 (ex Artikel 30) der konsolidierten Fassung des Vertrages zur Gründung der Europäischen lautet: "Mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung sind zwischen den Mitgliedstaaten verboten." 117 vgl. Urteil der Gerichtshofes vom 5. November 2002 (http://curia.eu.int/jurisp/ vom 6. 11. 2002). 63 In dem Urteil wird auch auf die Argumentation der deutschen Regierung eingegangen, dass der Schutz geographischer Angaben unter bestimmten Voraussetzungen unter den Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums im Sinne von Artikel 30 EG-Vertrag (ehemals Artikel 36) fallen könnte. Hierzu führt der EuGH aus: Eine Regelung wie die vorliegende, die zur Bestimmung des Herkunftsbereichs auf das gesamte deutsche Hoheitsgebiet abstellt und für alle Erzeugnisse der Land und Ernährungswirtschaft gilt, die bestimmte Qualitätsanforderungen erfüllen, ist nicht als geographische Angabe anzusehen, die nach Artikel 30 EG-Vertrag gerechtfertigt sein kann. Artikel 30 (ex Artikel 36) der konsolidierten Fassung des Vertrages zur Gründung der Europäischen lautet: Die Bestimmungen der Artikel 28 und 29 stehen Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrverboten oder -beschränkungen nicht entgegen, die aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit, zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen, des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert oder des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind. Diese Verbote oder Beschränkungen dürfen jedoch weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen. In dem Urteil wird auch das Argument zurückgewiesen, dass mit dem CMA-Gütezeichen eine qualitätsorientierte Politik verfolgt wird. Hier sagt der EuGH: "Ob eine Beschränkung im Sinne von Artikel 28 (ex Artikel 30) EG Vertrag vorliegt, ist nämlich anhand der Auswirkungen der betreffenden Maßnahme auf den Handel zu beurteilen". Mit diesem erst kürzlich ergangenen Urteil wird klar, dass nicht nur die Beihilfen für die Werbung für das CMA-Gütezeichen "Markenqualität aus deutschen Landen" als nicht zulässig betrachtet werden, sondern dass die staatliche Vergabe des Gütezeichens selbst schon als unzulässige Maßnahme im Sinne von Artikel 28 der konsolidierten Fassung des EGVertrages betrachtet wird. Damit steckt das Gütezeichen in einer schweren Krise. Es bleibt abzuwarten, welchen Weg die Bundesregierung und die CMA beschreiten werden, um dem Urteil Rechnung zu tragen. 64 5. Die geographische Herkunftsangabe in der EU im Vergleich Die Bedeutung und Nutzung geographischer Herkunftsangaben in den einzelnen Mitgliedstaaten der EU ist der Ausdruck unterschiedliche Traditionen. Diese finden ihren Ausdruck in einem unterschiedlichem rechtlichen Schutz, unterschiedlicher Definition, unterschiedlicher Organisation des Schutzes, unterschiedlichem Grad der Förderung sowie einer unterschiedlichen kulturellen und ökonomischen Bedeutung geographischer Herkunftsangaben in den einzelnen Ländern der EU. Während in Deutschland die staatlichen Herkunfts- und Gütezeichen, also die kombinierten Herkunftszeichen, eine Tradition haben, sind dies die qualifizierten Herkunftsangaben (geschützter Ursprung und geschützte geographische Angabe) in Frankreich. Während in Deutschland die CMA und die Marketinggesellschaften der Bundesländer für die Herkunfts- und Gütezeichenpolitik zuständig sind, ist dies in Frankreich für die Ursprungsbezeichnungen, die wie als qualifizierten Herkunftsangaben bezeichnet haben, das Institut für kontrollierte Ursprungsbezeichnungen (INAO). Geographische Herkunftsangaben werden in den herkömmlichen französischen, italienischen und portugiesischen Rechtssystemen durch administrative Überwachung und Registrierung erfasst, definiert und geschützt, und zwar sowohl gegen irreführende Verwendung als auch gegen Rufausbeutung und dem Abgleiten auf die Ebene des Gattungsbegriffs.118 Diesen Ansatz hat sich die Europäische Lebensmittelpolitik mit der Verordnung Nr. 2081/92 zu eigen gemacht. Im Vereinigten Königreich fällt der Schutz der Herkunftsangaben in den Bereich des Wettbewerbs- und des Verbraucherschutzes. Der Schutz der Herkunftsangaben ist ein Nebenprodukt des Schutzes des Verbrauchers vor irreführenden Angaben. Traditionell gibt es in dem Vereinigten Königreich kein Registrierungssystem für geographische Herkunftsangaben.119 118 Vgl. Harte-Bavendamm, H.: Ende der geographischen Herkunftsbezeichnung? - "Brüsseler Spitzen" gegen ergänzenden nationalen Rechtsschutz -, in Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Heft 10 S. 717 - 729, 1996, S. 718. 119 Vgl. Wilson, N., A. Fearne: A Link between Modernity and Tradition - The case of several regional food products, 67th EAAE Seminar, Le Mans 1999. 65 In diesem Kapitel wird auf die Bedeutung und die Nutzung, die Förderung und Unterstützung, sowie die Organisation des Schutzes der Herkunftsangaben in anderen Ländern der EU eingegangen werden. 5.1. Bedeutung und Nutzung Der Kommission wurden von den Mitgliedstaaten rund 1400 Bezeichnungen als schützenswert mitgeteilt worden. Hiervon stammen etwa 900 aus Deutschland. Unter den ersten 343 für die Registrierung vorgesehenen Angaben finden sich dagegen nur rund 20 deutsche Bezeichnungen, und zwar für Mineralwässer. In einer weiteren Verordnung wurden in 1996 zwei weitere deutsche Bezeichnungen aufgeführt, nämlich "Nürnberger Lebkuchen und "Lübecker Marzipan".120 Mittlerweile sind 62 deutsche Produkte anerkannt und registriert. 120 Vgl. Meyer, A.H.: Anmeldung von Herkunftsangaben nach der VO (EWG) Nr. 2081/92 des Rates - Ein Leitfaden - in: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Heft 2, S. 91 - 95, 1997, S. 91. 66 Tabelle 1: Anzahl eingetragener geographischer Angaben (g.U. und g.g.A.) nach Land und Produkt Käse Fleisch- Tafel- Obst Frisches Back- Frische Sonst. Bier Sonst. erzeug- oliven Gemüse Fleisch waren Fische nisse Belgien 1 Dänemark 2 Deutschland 4 Griechenland 19 Spanien 16 9 Frankreich 42 3 Irland 1 1 Italien 30 25 Getreide Erzeugn. und Fette Verschied. 1 1 4 2 10 Niederlande 4 Österreich 6 2 Portugal 12 14 4 3 14 4 1 1 1 21 7 3 16 48 1 1 12 31 1 1 23 4 1 9 1 6 2 25 3 1 4 1 2 29 2 2 1 1 1 1 3 1 1 18 19 9 5 1 Finnland Schweden 1 Vereinigtes Königreich 11 Insgesamt 149 Quelle: Getränke und 2 1 Luxemburg tier. Öle Non-Food Eigene 1 61 17 Berechnungen 1 5 107 85 nach 12 Angaben der 1 1 3 3 5 14 15 38 Generaldirektion (http://europa.eu.int/comm/agriculture/foodqual/quali1_de.htm vom 24. November 2002) 67 für 72 Landwirtschaft 10 Insgesamt sind in der EU inzwischen nach Angaben der Kommission 585 Produkte registriert (vgl. Tabelle 2). Aus Tabelle 1 ist zu ersehen, auf welchen Produkten der Schwerpunkt in den jeweiligen Ländern liegt. Frankreich hat vor allem in den Bereichen Käse (42) und Frisches Fleisch (48) relativ viele Registrierungen. Italien zeichnet sich durch viele registrierte Produkte in den Kategorien Käse (30), Obst, Gemüse und Getreide (29) Fleischprodukte (25) sowie Öle und Fette (25) aus. Portugal weist eine Reihe von Produkten in den Bereichen Frischfleisch (19), Obst, Gemüse und Getreide (18), Fleischprodukte (14) sowie Käse (12) vor. Griechenland ist führend in den Kategorien Öle und Fette (23) sowie Tafeloliven (10), jedoch auch eine Reihe von Käseprodukte (19) sind für Griechenland registriert. Spanien ist führend bei Obst, Gemüse und Getreide (21), hat aber auch relativ viele Käseprodukte (16). Für Deutschland sind fast ausschließlich Bier (12) und Sonstige Getränke, d.h. Mineralwässer (31) registriert. Aus Tabelle 2 wird deutlich, dass Produkte aus Frankreich und Italien am häufigsten registriert sind, gefolgt von Portugal, Griechenland, Spanien und Deutschland. Aus dem Vereinigten Königreich und Österreich kommen deutlich weniger eingetragene Produkte. In Belgien, Niederlande und Luxemburg gibt es kaum registrierte Produkte und noch weniger Bedeutung hat die Eintragung einer geographischen Angabe nach Verordnung EWG Nr. 2081/92 für die skandinavischen Länder und Irland. 68 Tabelle 2: Entwicklung der geschützten geographischen Herkunftsangaben nach Ländern Kollektive Qualitätszeichen3 EU-geschützte geographische Herkunftsangaben EU-geschützte geographische Herkunftsangaben (g.U. + g.g.A.)2 (g.U. + g.g.A.)1 Stand Ende 1997 Stand 19.11.1999 Stand 23.11.2002 Frankreich 498 103 128 Italien 531 98 118 Portugal 142 76 78 Griechenland 211 75 73 Spanien 196 40 67 Deutschland 78 58 62 (31) Vereinigtes Königreich 56 23 25 Österreich 19 11 12 Niederlande 42 4 5 Belgien 17 3 4 Luxemburg 10 4 4 Dänemark 16 3 3 Irland 19 0 3 Schweden 18 1 2 Finnland 8 1 1 Summe 1861 575 585 Quelle: Eigene Berechnungen nach Angaben der Generaldirektion für Landwirtschaft 1 http://europa.eu.int/comm/agriculture/foodqual/quali1_de.htm vom 24. November 2002; 2 http://europe.eu.int/comm/dg06/qual vom 19.November.1999) und 3C. Peri, D. Gaeta: Designations of origin and industry certifications as means of valorising agricultural food products. Working Paper. 69 Während die Anzahl der EU-geschützten geographischen Angaben in Spanien um 68%, in Frankreich um 24%, in Italien um 20% gestiegen ist, beträgt dieses Wachstum in Österreich, dem Vereinigten Königreich und Deutschland nur 9-7%. Dies zeigt deutlich, dass die Kluft zwischen den Staaten mit vielen Eintragungen und den Staaten mit weniger Eintragungen, wie Deutschland, zugenommen hat. Wenn die Mineralwässer aus der Liste der eingetragenen Produkte gestrichen werden, wie von der Kommission geplant, so nähert sich Deutschland mit 31 Produkten den Verhältnissen in dem Vereinigten Königreich an. 5.2. Förderung und Unterstützung Wie sich die Anzahl der geschützten geographischen Herkunftsangaben in den einzelnen Ländern weiter entwickeln wird, darüber geben die wissenschaftlichen Artikel und die Institutionen, die sich mit den geographischen Herkunftsangaben beschäftigen, einen guten Eindruck. Es gibt hier keine offiziellen Zahlen, sondern es muss auf Daten vertraut werden, die von Wissenschaftlern verschiedener Nationalität gesammelt wurden. Im Rahmen einer konzertierten Aktion im 5. Forschungs-Rahmenprogramm der Europäischen Union werden die geographischen Herkunftsangaben untersucht. Dieses Forschungsvorhaben hat den Titel "Development of origin labelled products: Humanity, Innovation and Sustainability (Dolphins)" und wird von z. Teil mehreren wissenschaftlichen Partnern (in Klammern) je Land aus neun Mitgliedstaaten der EU bearbeitet: Frankreich (3), Italien (3), Spanien (1), Portugal (1), Vereinigtes Königreich (2), Deutschland (1), Belgien (1), Finnland (1), Schweiz (1). Im Rahmen dieses Projektes wurden auch zwei Datenbanken erstellt. Dabei musste auf die aktive Mitarbeit der einzelnen Partner vertraut werden, die sehr unterschiedlich ausfiel. Die Datenbank für die Institutionen, die sich mit geographischen Herkunftsangaben in dem jeweiligen Land beschäftigen, listet für Frankreich 45 Institutionen, davon gehören allein 18 zu dem Institut National de la Recherche Agronomique (INRA). In Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, und Griechenland haben die geographischen Herkunftsangaben eine relativ große Bedeutung, verglichen mit Deutschland und den anderen Mitgliedstaaten. Dies Ergebnis wird auch hier wieder bestätigt. Für Griechenland lagen keine Angaben vor. Die Angaben für Finnland zeigen an, nicht zuletzt durch die Beteiligung eines Partners aus Finnland in dem Projekt, dass dort ebenfalls auf der Seite der staatlichen und anderer Institutionen aktiv an dem Schutz geographischer Herkunftsangaben gearbeitet wird. Auch in der Schweiz betreiben die Institutionen den Schutz geographischer Herkunftsangaben aktiver 70 als in anderen Ländern. Die Angaben für Deutschland sind unvollständig. Hier hat sich der Partner in der konzertierten Aktion, die Technische Universität München, nur selber angegeben. In einer anderen Datenbank der bereits genannten konzertierten Aktion sind 691 Publikationen zu dem Thema geographische Herkunftsangaben zu finden. Die meisten gesammelten Publikationen beschäftigen sich mit den italienischen geographischen Herkunftsangaben. Diese hohe Anzahl ist sicherlich auf die aktive Mitarbeit des italienischen Partners in dem Projekt zurückzuführen. Eine ganze Anzahl der Publikationen sind in Italienisch. Aus Griechenland kommt keiner der Partner in der konzertierten Aktion. Mit diesen Ausnahmen bestätigt sich das bisherige Bild mit Frankreich, Italien, Spanien, Portugal und Griechenland an der Spitze. Die geringe Anzahl der angegebenen wissenschaftliche Publikationen, die sich mit geschützten geographischen Herkunftsangaben in Deutschland beschäftigen, ist zum großen Teil auf die mangelnde Datensammlung zurückzuführen. Aber es bleibt festzuhalten, dass in Deutschland die geographische Herkunftsangabe bisher sowohl in der agrarökonomischen Wissenschaft als auch in der Agrar- und Verbraucherpolitik wenig Beachtung gefunden hat. Tabelle 3: Anzahl der angegebenen Institutionen1 und Publikationen2 zu geographischen Herkunftsangaben Land Frankreich Italien Portugal Spanien Vereinigtes Königreich Deutschland Belgien Niederlande Finland Schweiz Griechenland Österreich Dänem ark Europa Anzahl der Institutionen 45 (18) 7 17 12 3 1 1 2 16 15 Anzahl der wissenschaftl. Publikationen 120 230 75 72 62 10 13 4 20 32 3 1 5 88 1 Institutionen, die sich mit geographischen Herkunftsangaben beschäftigen. 2 Wissenschaftliche Publikationen, die sich mit geographischen Herkunftsangaben des jeweiligen Landes beschäftigen. Quelle: http://www.origin-food.org/index.htm vom 27.11.2002 71 5.3. Rechtlicher Schutz und Organisation In Frankreich, Italien und Portugal besteht in dem nationalen Rechtssystemen bereits ein Schutz der geographischen Herkunftsangaben im Sinne der Verordnung Nr. 2081/92. In diesen drei Ländern ist auch jeweils das betreffende Landwirtschaftsministerium für die geschützten Herkunftsangaben zuständig. Hieraus erklärt sich die große Bedeutung der qualifizierten geographischen Herkunftsangaben in diesen Ländern. 5.3.1. Frankreich In Frankreich geht der Schutz der qualifizierten geographischen Herkunftsangabe bis auf das 14. Jahrhundert zurück (Roquefort Käse).121 Bereits im Jahr 1905 wurde die Verantwortung für die offizielle Anerkennung von geographischen Angaben den Behörden übertragen. Strafen wurden demjenigen auferlegt, die den Handelspartner über die geographische Herkunft des Produktes zu täuschen versucht. Es folgten verschiedene Dekrete, in denen das jeweilige Produktionsgebiet festgelegt und die Namen anerkannt werden, wie z.B. Cognac, Bordeaux und Armagnac. Es folgte im Jahr 1919 ein Gesetz über geographische Herkunftsangaben, in dem den Gerichten die Aufgabe der Regulierung auferlegt wurde. Geographische Herkunftsangaben wurden als Kollektiveigentum etabliert. Das Gesetz stieß schnell an seine Grenzen, da die Gerichte es zwar verstranden, das Gebiet festzulegen, aber nicht die Qualitätsbedingungen zu spezifizieren und zu überprüfen. Alle möglichen Gebiete wurden zu einer geographischen Herkunftsangabe erklärt. Es gab in der Folge eine Unzahl von geographischen Herkunftsangaben bei Wein. Im Jahr 1935 wurde per Gesetz eine besondere Kategorie der geographischen Herkunftsangabe eingeführt, die kontrollierte Ursprungsangabe (AOC) für Wein und Spirituosen. Es wurde eine Institution (Nationales Komitee für Wein und Spirituosen) eingerichtet, um die jeweiligen Produktionsbedingungen für die qualifizierte Herkunftsangabe festzulegen. Hiermit wurde die staatlich geschützte qualifizierte Herkunftsangabe für Wein praktisch geboren. Im Jahr 1947 wurde hieraus das "Institut National des Appellations d'Origine (INAO)", welches auch heute noch maßgeblich ist. 121 Vgl. hierzu und zum Folgenden OECD: Appelations of origin and geographical indications in OECD member countries: Economic and legal implications. Working Party (2000)15/final S. 58 ff. 72 Das Schutzsystem der qualifizierten Herkunftsangabe, welches für Wein bereits existierte, wurde dann 1955 in ähnlicher Form für Käse eingeführt. In einem weiteren Gesetz wurde dann 1966 zum ersten Mal das Konzept der geschützten qualifizierten Herkunftsangabe definiert. In dem Gesetz zum geistigen Eigentum wird 1992 festgelegt, dass geographische Herkunftsangaben nicht als Kollektivmarke registriert werden dürfen. Eine geographische Angabe, die in Bezug auf das betreffende Produkt keine besondere Reputation hat, kann hingegen als Handelsmarke betrachtet werden. In dem Verbrauchergesetz wird 1993 die geographische Herkunftsangabe vor Rufausbeutung durch Dritte und vor Anlehnung geschützt. 1994 wird die Verordnung 2081/92 in nationales Recht umgesetzt. Schon von Anfang an hatte das INAO die Aufgabe, die notwendigen Bestimmungen (Produktionsvoraussetzungen, Produktionsverfahren etc.) für geographische Herkunftsangaben festzulegen und der Regierung Vorschläge für die Anerkennung geographischer Herkunftsangaben zu unterbreiten. Die Produktspezifizierungen werden dann in einem Dekret veröffentlicht. Weiterhin ist es Aufgabe des INAO die geschützten geographischen Herkunftsangaben zu kontrollieren und zu schützen. Das INAO hat die gesetzliche Identität und auch Ausstattung um an Gerichtsverfahren teilzunehmen. Es gibt weiterhin drei nationale Ausschüsse: der Ausschuss für Wein und Spirituosen, das nationale Komitee für Milchprodukte und das nationale Komitee für Agro-Food Produkte. Ihre Mitglieder bestehen aus Behördenvertretern, nationale Experten, qualifizierte Mitglieder aus dem Handel und Vertretern der Konsumentengruppen. 22 Mitglieder aus diesen drei Ausschüssen bilden den ständigen Ausschuss, der die strategische Planung aufstellt und dafür sorgt, dass die Politik des INAO konsistent ist. Der Haushalt des INAO für 1993 beträgt 19,27 Mio. Euro. Damit beträgt der Haushalt des INAO nur ein Bruchteil des Haushalts der CMA. Der Beitrag des Staates beträgt 14,1 Mio. Euro und der Rest in der Höhe von 5,18 Mio. Euro wird von dem Berufsstand finanziert. Der größte Anteil der berufsständischen Beteiligung bringt die Weinwirtschaft mit 4,1 Mio. Euro.122 122 vgl. Agra Europe vom 25. November 2002. 73 Mechanismus für geschützte Ursprungsbezeichnungen (PDO) in Frankreich Landwirtschaftsministerium D.P.E.I. INAO INAO Ständige Ausschüsse Regionales Komitee INAO Lokales Zentrum Schutzkonsortium Hersteller von PDO/PGI-Produkten D.P.E.I.: Direktion für Wirtschaft und internationale Politik, INAO: Nationales Institut für geographische Herkunftsangaben Quelle: eigene Darstellung nach "The institutional aspects of the PDO/PGI legislation in France. Working Paper of the EU-Project: PDO-PGI products: Market, Supply chain and Institutions. Ganz entsprechend der Verordnung 2081/92 bilden die regionalen Partner eine Schutzgemeinschaft. In Verbindung mit dem INAO bereitet diese Schutzgemeinschaft einen Antrag vor, in dem - der besondere Ruf, die Reputation, belegt wird, - der Zusammenhang zwischen geographischer Herkunft (natürlichen Gegebenheiten, technischen und soziale Bedingungen) und den für das jeweilige Produkt typischen qualitätsbestimmenden Eigenschaften nachgewiesen wird, - eine ökonomische und finanzielle Bewertung vorgenommen. Dieser Antrag wird an den Nationalen Ausschuss des INAO weitergeleitet. Dieser entscheidet über die Eintragung als geschützte qualifizierte Herkunftsangabe und legt auch die 74 Produktionsbedingungen, die Grenzen des geographischen Gebietes und einen Kontrollmechanismus fest, falls keiner bereits existiert. Der Nationale Ausschuss braucht sich nicht an die Antragsvorschläge zu halten, sondern kann diese - auch gegen den Willen der Antragsteller - ändern. In dem Fall von geschützten Ursprungsbezeichnungen (PDO) wird dann eine Untersuchung in der jeweiligen geographischen Region vorgenommen, um mögliche Einwände gegen die Registrierung (Grenzen des Gebiets, Produktionsbedingungen) zu identifizieren. Der regionale Ausschuss des INAO wird eingeschaltet. Diese Untersuchung kann um eine Untersuchung der möglichen Benutzer der geographischen Angabe außerhalb der festgelegten Grenzen des geographischen Herkunftsgebietes ergänzt werden. Im Falle der geschützten geographischen Angabe (PGI) findet diese Untersuchung immer auf nationalem Niveau statt, z.B. um zu klären, ob es sich nicht um eine generische Herkunftsbezeichnung, eine Gattungsbezeichnung, handelt. Bei den geschützten Ursprungsbezeichnungen werden als interne Kontrolle sensorische Test (Blinde Tests mit einem Panel von Experten für das Produkt) obligatorisch durchgeführt. Bei den geschützten geographischen Angaben (PGI) ist dies nicht der Fall, bis auf zwei Ausnahmen: wenn eine Verbindung zwischen geographischer Herkunft und sensorischer Qualität besteht bzw. behauptet wird oder wenn es sich um ein "Label Rouge" Produkt (ein Qualitätszeichen insbesondere für Geflügel) handelt. Bei den PGI können die Erzeuger eine unabhängige (anerkannte) Zertifizierungsstelle selbst auswählen. Über die Zertifizierungsstelle stellen die Erzeuger einen Antrag auf Registrierung als geschützte geographische Angabe an das INAO und einen Antrag auf Registrierung als französisches Qualitätszeichen an das Nationale Komitee für Kennzeichnung und Zertifizierung (C.N.L.C.). Das CNLC kontrolliert die Kontrollpläne. Die unabhängige Kontrollstelle stellt einen Kontrollplan auf. Das CNLC muss diesem Plan zustimmen. Dieser Kontrollplan entspricht dem Kontrollplan für das Qualitätszeichen, das zusammen mit der geographischen Angabe (PGI) beantragt wird. Auch der Antrag auf das französische Qualitätszeichen wird an das CNLC gestellt. 75 Mechanismus für geschützte geographischen Angaben (PGI) in Frankreich Landwirtschaftsministerium D.G.A.L. D.P.E.I. C.N.L.C. C.N.L.C. Sektion für Herstellungspraxis Sektion für Kontrollpläne INAO unabhängige Kontrollstelle Schutzkonsortium Hersteller von PDO/PGI-Produkten D.G.A.L.: Departement für Lebensmittelpolitik, D.P.E.I.: Direktion für Wirtschaft und internationale Politik, C.N.L.C.: Nationales Komitee für Kennzeichnung und Zertifizierung, INAO: Nationales Institut für geographische Herkunftsangaben Quelle: eigene Darstellung nach "The institutional aspects of the PDO/PGI legislation in France. Working Paper of the EU-Project: PDO-PGI products: Market, Supply chain and Institutions. Anschließend vergibt das INAO (und das CNLC) die Anerkennung und veröffentlicht die offizielle Version des Dekrets. Die Unterlagen werden an die Europäische Kommission weitergeleitet. Das gesamte Verfahren kann für geschützte Ursprungsbezeichnungen zwischen drei und zehn Jahre und für geschützte geographische Angaben zwischen zwei und drei Jahre dauern. Sowohl das Kontrollsystem für die geschützte Ursprungsbezeichnung (PDO) als auch dasjenige für geschützte geographische Angaben (PGI) entspricht der Verordnung 2081/92. Die Stärke des Kontroll- und Schutzsystems für die PDO liegt in der Professionalität des 76 Kontrollsystems, welches auf einer genauen Kenntnis des typischen Produktes beruht. Die Stärke des Kontroll- und Schutzsystems für die PGI liegt in der Einbeziehung einer unabhängigen Kontrollstelle. 5.3.2. Italien Italien hat das internationale Abkommen über den Gebrauch von geographischen Herkunftsangaben und über Käsenamen der Konferenz zu Stresa von 1951 mit unterschrieben und umgesetzt.123 Daher entspricht die traditionelle italienische Definition der qualifizierten Herkunftsangabe schon weitgehend der nach Verordnung 2081/92. Das italienische Recht schützt seit 1954 geographische Herkunftsangaben mittels sogenannter "kontrollierter Herkunftsangaben". Diese werden in Italien als "Denominazione d'origine controllata" (DOC) bezeichnet.124 Ein Produkt kann eine kontrollierte Ursprungsbezeichnung erhalten, wenn es in einem geographische abgegrenzten Gebiet, nach herkömmlichen handwerklichen Methoden hergestellt (erzeugt und verarbeitet) wird und seine typischen Wareneigenschaften von dieser Methode und dem Produktionsgebiet bestimmt sind. Grundvoraussetzung für den Schutz einer Herkunftsangabe ist es, dass die Erzeuger des betroffenen Gebietes ein Schutzkonsortium bilden und sich auf bestimmte Kontroll- und Absatzförderungsmassnahmen verständigen und diese dokumentieren. Damit entspricht die kontrollierte Ursprungsbezeichnung in Italien weitgehend der geschützten Ursprungsbezeichnung nach EU-Recht. Vor 1992 gab es 26 anerkannte Käse und zwei anerkannte Schinken (Parma und San Daniele). Für den Handel galten bis 1992 ausschließlich bilaterale Abkommen. Seit der Verordnung 2081/92 existieren die verschiedenen geschützten Herkunftsangaben parallel. Die herkömmliche kontrollierte Ursprungsbezeichnung DOC wird im Verkehr und Sprachgebrauch zunehmend durch die europäische geschützte Ursprungsbezeichnung (PDO) in italienisch DOP ("Denominazione di origine protetta")) ersetzt. Neu eingeführt wurde die geschützte geographische Angabe PGI (in Italien "Indicazione geografica protetta (IGP)). Daneben gibt es noch verschiedene Regionalmarken, die zum Teil den Herkunftsaspekt und zum Teil den Qualitätsaspekt betonen. 123 Vgl. OECD Appelations of origin and geographical indications in OECD member countries: Economic and legal implications. Working Party (2000)15/final S. 62 124 Vgl. hierzu und zum folgenden Grienberger, R.: Die Herkunftsangabe als Marketinginstrument. Mainz: Fachverlag, 2000 S. 20ff. 77 Anträge auf den Schutz geographischer Ursprungsbezeichnungen und geographischer Angaben wurden von der Europäischen Kommission in einer ersten Antragsrunde, die im Januar 1994 endete, entgegen genommen. In dieser Runde hat Italien bereits 150 Produkte zur Anerkennung bei der Kommission eingereicht. 1995 wurde die Antragsliste auf 322 Produkte erweitert. Mittlerweile sind 118 Produkte eingetragen (vgl. Tabelle 2) und genießen den EUSchutz. Das italienische Landwirtschaftsministerium vergibt die geschützten geographischen Ursprungsbezeichnungen (PDO) in erster Linie für verarbeitete Produkte. So konnte das traditionelle italienische System der geschützten Ursprungsbezeichnung in das europäische Schutzsystem überführt werden. Damit wurde auch die Anzahl der Produkte gering gehalten und einer Verwässerung der Bedeutung der geschützten Ursprungsangabe entgegen gewirkt. Die geschützte geographische Angabe (PGI) wird dagegen hauptsächlich für Frischprodukte vergeben, weil dort aus italienischer Sicht die traditionellen Verarbeitungsweisen fehlen, die italienische Verbraucher bei DOP-Produkten (PDO) unterstellen. Die italienischen Schutzkonsortien sind freiwillige Zusammenschlüsse von landwirtschaftlichen Erzeugern, Herstellern von Verarbeitungserzeugnissen, Lager- und/oder Handelshäuser. Sie sind produktspezifisch organisiert. Die Größe der Schutzkonsortien schwankt zwischen unter zehn bis zu mehreren hundert Mitgliedern. Die Aufgabe der Konsortien ist die Vertretung der einzelnen Erzeuger oder Hersteller gegenüber dem Handel. Auch in der Organisation der Schutzkonsortien bestehen starke Ähnlichkeiten mit Erzeugergemeinschaften. Der gesamte Prozess der Kontrolle und Zertifizierung lag bis zu der Verordnung 2081/92 in der Hand der Konsortien. Heute müssen wegen der Bestimmungen der Verordnung 2081/92 hiefür Dritte herangezogen werden. Einen Überblick über den Kontrollmechanismus in Italien gibt Schaubild 3. Durch die Verordnung 2081/92 ist es möglich geworden, dass auch Erzeugervereinigungen und Erzeugergemeinschaften eine geschützte Herkunftsangabe eintragen lassen können, ohne ein Schutzkonsortium im ursprünglichen Sinne zu bilden. Einige Erzeugervereinigungen, z.B. für Olivenöl und Obst, haben diese Möglichkeit genutzt. 78 Kontrollmechanismus für geschützte geographische Ursprungsbezeichnungen (PDO) und geographische Angaben (PGI) in Italien Landwirtschaftsministerium Betrugsbekämpfungsdezernat Regionalverwaltung unabhängige Kontrollstelle Schutzkonsortium Hersteller von PDO/PGI-Produkten Quelle: Grienberger, R.: Die Herkunftsangabe als Marketinginstrument. Mainz: Fachverlag, 2000 S. 20ff. 5.3.3. Spanien Schon vor 1992 gab es in Spanien fünf etablierte Herkunftsbezeichnungen125: - Denominación de origin (DO): eine geographische Herkunftsbezeichnung mit nationaler Bedeutung, die zunächst für Wein eingeführt, dann auf vor allem Olivenöl, Käse und Schinken ausgedehnt wurde. Sie basiert auf dem guten Ruf der traditionellen Hersteller. 125 Vgl. hierzu Grienberger, R.: Die Herkunftsangabe als Marketinginstrument. Mainz: Fachverlag, 2000, S. 24 ff. 79 - Denominación especifica (DE): eine geographische Herkunftsbezeichnung mit nationaler Bedeutung, bei dem sich die besonders hohe Qualität der Produktrohstoffe mit der Herkunft direkt verbinden lässt. - Denominación de calidad (DC): ein geographisches Herkunftsbezeichnung auf regionaler Ebene, die den DE's und DO's auf nationaler Ebene entsprechen, Es wurde eingeführt, um die Autorität und Kompetenzen der Regionalverwaltungen im Rahmen der Absatzförderung regionaler Produkte zu betonen. - Denominación geográfica (DG): wird nur für Spirituosen verwendet (z.B. Anís de Chinchón). - Denominación de origen califacado: einige Rioja-Weine tragen diese Kennzeichnung, die höherpreisige Weine erhalten können. Es gibt etwa 110 DO's (davon 25% Wein), 42 DE's und 110 DC's. 67 spanische Herkunftsangaben haben mittlerweile die EU-Anerkennung. Das spanische Herkunftszeichenrecht bei Nahrungsmitteln basiert im Wesentlichen auf ein Gesetz aus dem Jahr 1970, welches die Herkunftsbezeichnungen bei Wein regelt. 1972 wurde es auf andere Lebensmittel ausgedehnt. Es beschreibt die Anforderungen an ein Produkt, das einen Herkunftsschutz genießen soll, die Befugnisse der Kontrollräte bei der Beantragung und Kontrolle, und die Überwachung von DO's. Die Kontrollräte legen typische Qualitäts- und Herstellungsmerkmale für das jeweilige Produkt fest, entwickeln eine Kennzeichnung und ein Kontrollverfahren. In den Kontrollräten müssen alle Stufen der Produktionskette, von den landwirtschaftlichen Erzeugern über die Verarbeiter bis zum Handel, vertreten sein. Die Funktionen der Kontrollräte sind ähnlich denen der italienischen Schutzkonsortien. Es findet eine Qualitätskontrolle anhand der sensorischen, organoleptischen, chemischen und/oder mikrobiologischen Merkmale statt. Die Kontrollräte erfüllen nach spanischer Auffassung die Anforderungen einer "unabhängigen Kontrolle" im Sinne der Verordnung 2081/82. Allerdings erfordert die Verordnung 2081/92 die Zertifizierung der Kontrollinstanzen nach der Norm EN 45011. Die Statuten der Räte müssen von dem Nationalen Amt für Herkunftszeichen (INDO) in Kooperation mit den Regionalverwaltungen genehmigt werden. Das INDO wurde 1972 aufgrund des erwähnten Gesetzes von 1970 gegründet. Es ist beim Landwirtschaftsministerium angesiedelt und verfügt über einen eigenen Werbeetat für Produkte mit Herkunftsschutz. 80 Die Befugnisse der Regionalverwaltungen sind in Bezug auf die geographischen Herkunftsbezeichnungen seit Anfang der 80er Jahre gestärkt worden. Die Überwachung der Kontrollräte fällt in den Zuständigkeitsbereich der Regionalverwaltungen. Auch die sonstige Qualitätspolitik wird weitgehend von den Regionen bestimmt. Die klassischen spanischen DO- und DE-Produkte weisen bereits eine deutliche territoriale Bindung auf. Nur in wenigen Fällen sind Rohstoffe von außerhalb der Erzeugungsregion gestattet. Die Anwendung der Verordnung 2081/92 wird so gehandhabt, dass DO-Produkte als geschützte Ursprungsbezeichnung (PDO) und DE-Produkte als geschützte geographische Angabe (PGI) eingereicht werden. Im Sprachgebrauch und bei der Etikettierung werden weiterhin die spanischen Bezeichnungen DO oder DE verwendet. Im Unterschied zu Italien gibt es kaum Produkte, die nicht bereits vor 1992 eine geschützte Herkunftsbezeichnung trugen. 5.3.4. Vereinigtes Königreich Der Schutz geographischer Herkunftsangaben kann durch den Schutz der Mitbewerber gegen unfaire Handelspraktiken sowie dem Schutz vor Irreführung des Verbrauchers gewährleistet werden. Dies ist auch in fast allen Industrieländern der Fall.126 Darüber hinaus gab es auch in einigen Mitgliedstaaten der EU bereits vor der Verordnung 2081/92 ähnliche spezielle Schutzsysteme für Agrarprodukte, wie beispielsweise in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal. In anderen Ländern, wie in dem Vereinigten Königreich, aber auch in Deutschland, gab es vor der Verordnung 2081/92 kein spezielles Schutzsystem für geographische Herkunftsangaben bei Agrarprodukten und Lebensmitteln. Damit bietet das Vereinigte Königreich die Möglichkeit für einen interessanten Vergleich mit Deutschland. Vor der Übernahme der Verordnung 2081/92 in britisches Recht basierte der Schutz geographischer Herkunftsangaben wie in anderen Common Law Ländern, auf dem generellen Schutz vor Irreführung des Verbrauchers (consumer law) und dem Schutz der Wettbewerber vor unfairen Handelspraktiken, d.h. insbesondere der Rufausbeutung (passing-off). 126 Vgl. WTO: Review under Article 24.2 of the applications of the provisions of the section of the TRIPS Agreement on geographical indications. (http://www.origin-food.org/pdf/omc.pdf. vom 24.08.01) 81 Eine geographische Herkunftsangabe kann als Kollektivmarke eingetragen werden. Die Kollektivmarke soll eine Beziehung zwischen dem Produkt und dem Kollektiv, welches die Marke besitzt, herstellen. Mit der Übernahme der Verordnung 2081/92 in das Rechtsystem des Vereinigten Königreichs wurden zum ersten Mal besondere Bedingungen für geographische Herkunftsangaben geschaffen. Es gibt keine Tradition "typischer Produkte" und die meisten geographischen Angaben sind zu generischen Angaben geworden. Das Landwirtschaftsministerium ist beauftragt, die Anmeldungen der Gruppe der Erzeuger, das Schutzkonsortium, für die Registrierung nach der Verordnung 2081/92 zu prüfen und an die Kommission weiterzuleiten. Die "Trading Standards Offices", die durch die lokalen Behörden finanziert und kontrolliert werden, übernehmen den Schutz der geographischen Herkunftsangaben, d.h. schützen vor missbräuchlicher Benutzung der geographischen Herkunftsangabe durch Mitbewerber und überwachen den rechtmäßigen Gebrauch der geographischen Herkunftsangabe durch die Produzenten. Gegebenenfalls wird von den "Trading Standard Offices" ein Verfahren wegen missbräuchlichem Gebrauch der Herkunftsangabe eingeleitet. Jede Gruppe von Erzeugern, die PDO- oder PGI-Produkte produzieren wollen, müssen eine Überwachungsstelle einbeziehen. Diese kann eine öffentliche (wie das Trading Standards Office) oder eine private, nach EN 45011 registrierte, unabhängige Zertifizierungsstelle sein. Während in Deutschland eine Tradition der Herkunfts- und Gütezeichen besteht, gibt es im Vereinigten Königreich eine Tradition der Zertifizierungszeichen. Ein solches Zertifizierungszeichen zeigt an, dass das Produkt bzw. dessen Erzeugung und/oder Produktion bestimmten Standards genügt. Diese werden definiert und kontrolliert von dem Inhabern des Zertifizierungszeichens. Diese dürfen nicht identisch sein mit denjenigen, die mit den Produkten Handel treiben.127 5.4. Die internationalen rechtliche Rahmenbedingungen Seit dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts sind geographische Herkunftsangaben der Inhalt internationaler Abkommen und Konventionen. 127 Vgl. OECD: Appelations of origin and geographical indications in OECD Member Countries: Economic and Legal Implications (http://www.origin-food.org/pdf/oecd.pdf vom 24. 9. 01) 82 In der Pariser Konvention über den Schutz industriellem Eigentums von 1883 wird bereits der direkte oder indirekte Gebrauch von falschen Angaben über die Herkunft verboten. Ausgehend von ursprünglich elf Mitgliedsländern hat die Konvention mittlerweile 117 Mitglieder. In den beiden Madrider Abkommen von 1891 wird eine internationale Registrierung von Marken geschaffen und ein internationaler Schutz vor falscher oder irreführender Angabe der Herkunft etabliert. Seit 1958 sind nicht nur falsche Angaben, sondern auch irreführende Angaben unter Strafe gestellt. Deutschland ist Mitglied in dem Madrider Abkommen. In dem Abkommen über Trade-related Aspects of Intellectual Property Rights (TRIPSAbkommen), einem Teil des WTO Abkommens von 1994, werden geographische Herkunftsangaben als Angaben für solche Produkte definiert, bei denen sich die Qualität im wesentlichen durch den geographischen Ursprung ergibt. Damit dürften sowohl die geschützte Ursprungsbezeichnung (PDO) als auch die geschützte geographische Angabe (PGI) unter dies Abkommen fallen. Auch diese Rahmenbedingungen gelten für Deutschland. Der Begriff der geographischen Angabe wird im TRIPS-Abkommen weiter gefasst, als in der Verordnung Nr. 2081/92 und umfasst nicht nur unmittelbare Herkunftsangaben, sondern auch mittelbare, insbesondere bildliche Herkunftsangaben. Das TRIPS-Abkommen etabliert einen internationaler Schutz vor falscher und irreführender Verwendung der qualifizierten geographischen Herkunftsangabe. Es besteht damit ein Schutz der Konsumenten und der Markenbesitzer. Darüber hinaus besteht nach Artikel 23 des Abkommens noch ein gesonderter Schutz für Wein und Spirituosen, genauso, wie in der EU. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaft nimmt in ihrem Vorschlag für die Verhandlungsposition in den laufenden WTO-Verhandlungen128 auch zu geographischen Herkunftsangaben Stellung: "Verbesserter Marktzugang setzt außerdem als Gegenleistung faire Wettbewerbschancen für die Erzeugnisse voraus, deren Ruf mit dem geographischen Ursprung und traditionellen Herstellungsverfahren zusammenhängt". Damit werden indirekt die Verordnung 2081/92 zum 128 Vgl. das "Non-paper from the European Commission: Geographical Indications" vorgestellt auf dem informellen Treffen des "Committee on Agriculture" vom 24.-26. September 2001 und den Kommissionsvorschlag für die Verhandlungsposition in den WTO-Agrarverhandlungen. In Agra Europe 44(00 Sonderbeilage vom 30 Oktober 2000. 83 Schutz geographischer Herkunftsangaben sowie die Verordnung 2082/92 zum Schutz traditioneller Spezialitäten angesprochen. Es wird versucht, dass Schutzsystem der EU auf das WTO-Abkommen zu übertragen, praktisch als Gegenleistung für einen verbesserten Marktzugang. "Die EG schlagen vor, geeignete Vorschriften einzuführen, die (a) einen echten Schutz gegen das rechtswidrige Führen von Bezeichnungen im Nahrungsmittel- und Getränkesektor gewährleisten, (b) das Recht auf die Verwendung von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen schützen und (c) den Verbraucherschutz und einen fairen Wettbewerb durch Vorschriften über die Kennzeichnung sicherstellen." Dieser Vorschlag geht auf den französischen Landwirtschaftsminister Jean Glavany zurück. Die französische Regierung will das international vom Wein bereits bekannte Modell kontrollierter Ursprungsbezeichnungen auf andere Produktbereiche ausdehnen.129 Damit soll dem in der EU bereits beschrittenem Weg auch international gefolgt werden. Hierauf haben die USA in dem Farm Act von 2002 reagiert: mit der Einführung von Ursprungskennzeichnungen für Fleischprodukte, Fisch, Obst und Gemüse sowie Erdnüsse. Wenn beispielsweise bei Fleischprodukten die Tiere in den USA geboren, aufgezogen und geschlachtet wurden, können diese z.B. bei frischem Rindfleisch die Kennzeichnung "U.S.A. Beef" oder "Fresh American Beef" tragen. Produkte, die zumindest in den USA verarbeitet wurden, können die Kennzeichnung "Product of the U.S.A." tragen. Diese Kennzeichnung ist bis zum 30 September 2004 freiwillig und wird dann verpflichtend. Der Marketing Service des US-Landwirtschaftsministeriums USDA (United States Department of Agriculture) ist für die Festlegung der Regeln verantwortlich.130 Ende September 2002 haben sich die USA zusammen mit anderen wichtigen Handelsnationen wie Argentinien, Australien, Kanada und Neuseeland gegen eine Ausweitung des Schutzes von geographischen Ursprungsbezeichnungen von Wein auf andere Produkte ausgesprochen.131 Für den Weinbereich legen die USA einen eigenen Vorschlag vor. In einer Stellungnahme an den Rat zum Abkommen über den Schutz geistiger Eigentumsrechte (TRIPS) werden Bedenken angemeldet, dass die durch eine Umsetzung 129 Paris will "europäisches Ernährungsmodell" aufbauen. In Agra Europe 33/00 Europa-Nachrichten S. 1 vom 14. August 2000. 130 Vgl. ERS/USDA (Economic Research Service) Analysis: (http://ers.usda.gov/Features/farmbill/analysis/cool.htm vom 15. 10 2002). 131 Country-of-origin labelling. Vgl. "USA gehen gegen EU-Vorstellungen zur Ursprungskennzeichnung in Stellung. In: Agra-Europe 40/02 Europa-Nachrichten S. 24-25 vom 30. September 2002. 84 neuer Vorschriften entstehenden Kosten zu hoch seien und daher die Verpflichtungen nicht eingehalten werden könnten. Die USA weist auch darauf hin, dass die europäische Union gegenwärtig ihre Regularien zu geographischen Ursprungsbezeichnungen überarbeite und in ihrem jüngsten Entwurf Mineralwässer aus der Produktliste ausgeschlossen habe, da die EU nicht einmal selber den Verwaltungsaufwand zur Registrierung und Umsetzung ihres Systems nicht beherrsche. Bereits im März 2002 hat die Kommission einen "Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel" vorgelegt.132 Diesem Vorschlag entsprechend sollen alle WTO-Mitgleidstaaten das Recht erhalten, gegen die Eintragung von geographischen Herkunftsangaben Einspruch zu erheben, wodurch eine stärkere Anerkennung auf den internationalen Märkten erreicht werden soll. Außerdem schlägt die Kommission vor, Mineralwasser aus dem Verzeichnis der Erzeugnisse, für die ein Schutz beantragt werden kann, zu streichen. Dies wird damit begründet, dass bei vielen Eintragungsanträgen für Mineral- und Quellwasser Probleme aufgetreten sind (gleichlautende Namen für unterschiedliche Wässer, Fantasienamen oder ungeeignete Namen). Es wird auf andere einschlägige Rechtsvorschriften für Mineral- und Quellwasser verwiesen. Dieser Änderungsvorschlag betrifft Deutschland in besonderem Maße, da die Hälfte der eingetragenen deutschen Produkte Mineral- und Quellwässer sind. 132 Kommission der Europäischen Gemeinschaften. Brüssel, den 15.03. 2002 (KOM(2002) 139 endgültig. 85 6. Ein Konzept zur Förderung der geographischen Herkunftsangaben in Deutschland Bisher werden in der Bundesrepublik die geographischen Herkunftsangaben der Bundesländer gefördert. Hierfür werden beträchtliche Summen aufgewendet (siehe Kapitel 4). Sowohl das Gütezeichen der CMA als auch die Herkunfts- und Gütezeichen der Bundesländer müssen sich nun (spätestens) nach dem Urteilsspruch des EuGH neu orientieren. In Deutschland werden die Möglichkeiten nicht genutzt, die sich für die Stärkung der regionalen landwirtschaftlichen Erzeugung und für die Verbesserung der Qualität der Lebensmittel durch die staatlichen Förderung und des rechtlichen Schutzes der nach Verordnung 2081/92 eingetragenen Herkunftsangaben ergeben. Hier befanden sich die Politik, auf Bundes- und auf Landesebene, sowie die Institutionen bisher nur in einem Abwehrkampf. Seit Mitte des Jahres 2002 jedoch werden die Einwände der Kommission ernst genommen. Bayern benennt sein Herkunfts- und Qualitätszeichen nicht mehr "Qualität und Herkunft Bayern" sondern nur noch "Geprüfte Qualität - Bayern" und trägt damit den europäischen Rahmenbedingungen Rechnung. Strategisch sehr klug wurde dieses Herkunfts- und Qualitätsprogramm der EU-Kommission zuerst bei Fleisch zu Notifizierung vorgelegt, die dann auch positiv beschieden wurde. Auch in Baden-Württemberg wird, aufbauend auf dem traditionellen Herkunfts- und Qualitätszeichen, dieses ebenfalls entsprechend abgeändert. "Herkunft und Qualität" wird beim neuen Zeichen in "gesicherte Qualität" abgeändert. Es bleibt abzuwarten, welchen Weg das CMA-Zeichen "Markenqualität aus deutschen Landen" gehen wird. Mit dem QS-Zeichen wurde ein neues Zeichen etabliert, welches auf dem CMA-Prüfsiegelprogramm für Fleisch aufbaut. Es besteht die Möglichkeit, dass das CMA-Gütezeichen in dem QS-Zeichen aufgeht. Die Möglichkeiten, die die Qualitätspolitik der Europäischen Union für die landwirtschaftlichen Erzeuger durch den Schutz und die staatlichen Förderung der geographischen Herkunftsangaben bietet, werden weder von dem Deutschen Bauernverband noch durch die anderen Institutionen des Agrarbereiches realisiert. Kaum einer der landwirtschaftlichen Erzeuger dürfte wissen, was eine geschützte Ursprungsbezeichnung oder 86 eine geschützte geographische Angabe ist. Bei den Verbrauchern dürften diese Zeichen und Programme fast vollständig unbekannt sein. Bei einer Durchsicht der Internetseiten aller maßgeblichen Institutionen des Agrarbereiches fällt auf, dass auch dort die geographischen Ursprungsbezeichnungen und geographischen Angaben keine Erwähnung finden. Für das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (http://www.verbraucherministerium.de/) existieren die geographischen Herkunftsangaben (geographische Ursprungsbezeichnung und geographische Angabe) weder als Begriff und tauchen erst Recht nicht im Organigramm auf. Einer der Bereiche, für die das Referat 421 zuständig ist, sind neben Marktstruktur, Verbindung zur BLE, Absatzförderung und staatliche Beihilfen auch Qualitätszeichen. Geographische Herkunftsangaben werden nicht erwähnt. Gleiches gilt für die CMA (Centrale Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft mbH, http://www.cma.de/), die DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft e.V., http://www.dlg.org/de/index.html), das Bayerische Staatsministerium für Landwirtschaft und Forsten (http://www.stmlf.bayern.de/) und das Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum Baden-Württemberg Marketinggesellschaft für (http://www.mlr.baden-wuerttemberg.de/). Agrarprodukte aus Baden-Württemberg Selbst mbH die (MBW, http://www.mbw-net.de/) schweigt zu diesem Thema gänzlich. Es gibt eine ganze Reihe von traditionellen Produkten mit geographischen Herkunftsangaben in Deutschland. Nur ganz wenige davon sind geschützt. Das Potential ist erheblich, jedoch bisher nicht ausgeschöpft. In Bayern und Baden-Württemberg bestehen jedoch erste Ansätze, um die traditionellen Produkte mit geographischen Herkunftsangaben wenigstens erst einmal zu sichten und zu sammeln. Der bayerische Agrarminister kündigte 20. Juni 2002 ein "Inventar regionaler bayerischen Spezialitäten" an. Die MBW hat eine Internetseite für regionaltypische Spezialitäten aus Baden-Württemberg eingerichtet (http://www.spezialitaeten-baden- wuerttemberg.de/). Spezialitäten werden gesammelt und jede Spezialität wird mit Foto, Produktbeschreibung, Herkunftsgeschichte und weiteren Informationen präsentiert. Traditionell ist die Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission im Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (Referat 312) für die Erfassung und Beschreibung von Lebensmitteln zuständig. In den Leitsätzen des Deutschen Lebensmittelbuch werden bei den Leitsätzen für Fleisch und Fleischerzeugnisse namentlich 87 an die hundert Produkte mit deutschen geographischen Angaben aufgeführt.133 Hier sind nicht nur so allgemein bekannte Produkte wie die Münchner Weißwurst, die Thüringer Bratwurst oder der Pfälzer Saumagen aufgeführt, sondern auch nur regional bekannte Produkte, wie die Berliner Dampfwurst oder Stuttgarter Bierwurst. Auch die Hildesheimer, Göttinger, Augsburger, Regensburger sind Bezeichnungen für Wurstwaren. Alleine bei Leberwurst gibt es zwanzig Produkte mit verschiedenen geographischen Herkunftsangaben, von der Holsteiner Leberwurst über die Hamburger, Hannoversche, Kassler, Frankfurter und Schwäbische Leberwurst bis zur Schwarzwälder Leberwurst und von der Rheinischen Leberwurst bis zur Pommerschen und Thüringer Leberwurst. Das Deutsche Institut zum Schutz von geographischen Herkunftsangaben e.V. in Köln hat ebenfalls einen ersten Anfang in der Sammlung von geographischen Herkunftsangaben gemacht.134 Auf etwa 250 Seiten werden alle erfassten Herkunftsangaben (nicht nur Lebensmittel) alphabetisch aufgelistet. Es fehlen jedoch eine Reihe von Lebensmitteln, die in dem Lebensmittelbuch bzw. der Sammlung traditioneller Lebensmittel auftauchen. Die umfassendste Zusammenstellung von Lebensmittel mit geographischen Herkunftsangaben dürfte in dem Band "Deutschlands kulinarisches Erbe"135 zu finden sein. Diese Sammlung wurde von jungen deutschen Agrarwissenschaftlern zusammengetragen. In diesem Band werden 300 regionaltypischen Lebensmittel und Agrarprodukte mit ihrer Geschichte und Spezifikation vorgestellt. Dies geschah im Rahmen der Erweiterung des Inventars des kulinarischen Erbes Frankreichs um die europäische Dimension. Thiedig schreibt hierzu in seinem Vorwort: "Was in Frankreich in einer einfachen Zusammenstellung bereits geschützter Produkte bestand, stellte sich in Deutschland dagegen als Pionierarbeit dar." Es gibt in Deutschland kein offizielles Inventar regionaltypischer Lebensmittel und Agrarprodukte. Neben einer Sammlung und Sichtung wäre das System der Verordnung 2081/92 auch in Deutschland zu etablieren. Hierzu wäre zum einen ein institutioneller Rahmen zu schaffen, der die landwirtschaftlichen Erzeugern und die Verarbeiter über die Möglichkeiten informiert, die die Verordnung 2081/92 bietet und in der Antragstellung unterstützt. Hier könnte auf die 133 Vgl. Deutsches Lebensmittelbuch: Leitsätze 2000. Köln: Bundesanzeiger, 1999. 134 M. Löschleder und W. Schnepp: Deutsche geographische Herkunftsangaben. Köln u.a..: Carl Heymann, 1992. 135 Deutschlands kulinarisches Erbe. Traditionelle regionaltypische Lebensmittel und Agrarerzeugnisse. Cadolzburg: Ars Vivendi, 1998. 88 Erfahrungen, die mit verschiedenen institutionellen Designs in Frankreich gemacht wurden, zurückgegriffen werden. Auch aus den Erfahrungen, die in den anderen Ländern wie dem Vereinigten königreich gemacht wurden, kann profitiert werden. Die landwirtschaftlichen Erzeuger sollten ermutigt werden, für traditionelle Produkte mit geographischen Herkunftsbezeichnungen Schutzgemeinschaften (z.B. als Erzeugergemeinschaften) unter Einbeziehung der Verarbeiter zu bilden. Um als geschützte Ursprungsbezeichnung oder als geschützte geographische Angabe eingetragen zu werden, sind bestimmte Bedingungen zu erfüllen. Nach Artikel 2 Verordnung 2081/92 gilt:136 (1) Ursprungsbezeichnungen und geographische Angaben von Agrarerzeugnissen und Lebensmitteln werden nach Maßgabe dieser Verordnung auf Gemeinschaftsebene geschützt. (2) Im Sinne dieser Verordnung bedeutet a) "Ursprungsbezeichnung" der Name einer Gegend, eines bestimmten Ortes oder in Ausnahmefällen eines Landes, der zur Bezeichnung eines Agrarerzeugnisses oder eines Lebensmittels dient, - das aus dieser Gegend, diesem bestimmten Ort oder diesem Land stammt und - das seine Güte oder Eigenschaften überwiegend oder ausschließlich den geographischen Verhältnissen einschließlich der natürlichen und menschlichen Einflüsse verdankt und das in dem begrenzten geographischen Gebiet erzeugt, verarbeitet und hergestellt wurde; b) "geographische Angabe" der Name einer Gegend, eines bestimmten Ortes oder in Ausnahmefällen eines Landes, der zur Bezeichnung eines Agrarerzeugnisses oder eines Lebensmittels dient, - das aus dieser Gegend, diesem bestimmten Ort oder diesem Land stammt und - bei dem sich eine bestimmte Qualität, das Ansehen oder eine andere Eigenschaft aus diesem geographischen Ursprung ergibt und das in dem begrenzten geographischen Gebiet erzeugt und/oder verarbeitet und/oder hergestellt wurde. Für die Antragstellung selbst ist Artikel 4 von Bedeutung: 136 Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 des Rates vom 14. Juli 1992 zum Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel. Amtsblatt Nr. L 208 vom 24/07/1992 S. 0001 - 0008 89 (1) Um eine geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.) oder eine geschützte geographische Angabe (g.g.A.) führen zu können, müssen die Agrarerzeugnisse oder Lebensmittel einer Spezifikation entsprechen. (2) Die Spezifikation enthält mindestens folgende Angaben: a) den Namen des Agrarerzeugnisses oder des Lebensmittels einschließlich der Ursprungsbezeichnung oder der geographischen Angabe; b) die Beschreibung des Agrarerzeugnisses oder des Lebensmittels anhand der gegebenenfalls verarbeiteten Grunderzeugnisse, der wichtigsten physikalischen, chemischen, mikrobiologischen und/oder organoleptischen Eigenschaften des Erzeugnisses oder des Lebensmittels; c) die Abgrenzung des geographischen Gebiets und gegebenenfalls die Angaben über die Erfüllung der Bedingungen gemäß Artikel 2 Absatz 4 (wenn die Grunderzeugnisse der betreffenden Erzeugnisse aus einem anderen geographischen Gebiet oder aus einem Gebiet stammen, das größer als das Verarbeitungsgebiet ist); d) Angaben, aus denen sich ergibt, dass das Agrarerzeugnis oder das Lebensmittel aus dem geographischen Gebiet im Sinne von Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a) oder Buchstabe b) stammt; e) die Beschreibung des Verfahrens zur Gewinnung des Agrarerzeugnisses oder Lebensmittels und gegebenenfalls die redlichen und ständigen örtlichen Verfahren; f) Angaben, aus denen sich der Zusammenhang mit den geographischen Verhältnissen oder dem geographischen Ursprung im Sinne von Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a) oder Buchstabe b) ergibt; g) Angaben zu der Kontrolleinrichtung oder den Kontrolleinrichtungen nach Artikel 10; h) besondere Angaben zur Etikettierung, die sich auf den Zusatz "g.U." oder "g.g.A." oder die entsprechenden traditionellen einzelstaatlichen Zusätze beziehen; i) gegebenenfalls zu erfüllende Anforderungen, die aufgrund gemeinschaftlicher und/oder einzelstaatlicher Rechtsvorschriften bestehen. Dementsprechend fallen folgende Aufgaben an: 1. Abgrenzung des geographischen Gebietes. 90 2. Klärung, ob Mitbewerber den Namen benutzen oder ob sonstige regionalen Einwände gegen eine Eintragung bestehen könnten. 3. Klärung, ob es sich um eine Gattungsbezeichnung handelt. 4. Beschreibung des Produktes (physikalisch, chemisch, organoleptisch, d.h. auch sensorisch) und mit Spezifikation der Produktions- und Verarbeitungsmethoden. 5. Aufstellung eines Kontrollsystems und Kontrollplans (mit Rückverfolgbarkeit und ständiger Qualitätskontrolle). 6. Benennung einer unabhängigen Kontrollstelle. 7. Nachweis des Links zwischen Herkunft und Qualität (geschichtliche Elemente, Beschreibung lokaler Verfahren, etc.). In Frankreich, Spanien und Italien, wie oben geschildert, existieren bereits Institutionen, die die landwirtschaftlichen Erzeuger bei diesen Aufgaben unterstützen. In Deutschland gibt es nichts dergleichen. Es bestehen jedoch bereits einige Institutionen, die in den betreffenden Bereichen Expertise besitzen und in einem institutionellem Konzept einbezogen werden könnten. Die Marketingorganisationen der Bundesländer und die CMA könnten es sich zur Aufgabe machen, ein Inventar der traditionellen Lebensmittel zu erstellen. Dann könnten solche Produkte ausgewählt werden, die für Schutz und Förderung besonders geeignet erscheinen (Kriterien: Spezifität, Schutzkollektiv). Weiterhin sollte ein Leitfaden für die Anmeldung von Herkunftsangaben nach der Verordnung 2081/92 erstellt werden. Eine gute Grundlage bildet hier der Leitfaden von A.H. Meyer.137 Wenn ein möglicherweise erfolgreiches Produkt identifiziert wurde, müssen die Spezifikationen für das Produkt festgelegt werden. Die Produktspezifikation mit dem Nachweis des Links zwischen Herkunft und Qualität wäre zu erstellen. Weiterhin wäre auf regionaler Ebene abzuklären, welche Grenzen das geographische Gebiet hat. 137 Meyer, A.H.: Anmeldung von Herkunftsangaben nach der VO (EWG) Nr. 2081/92 des Rates -Ein Leitfaden-. In: GRUR 1997 Heft 2 S. 91-95. 91 Dann müsste untersucht werden, ob es Einwände regionaler und (nationaler) Marktteilnehmer gibt, die einer Eintragung entgegenstehen. Insbesondere ob es sich bei der geographischen Herkunftsangabe um eine Gattungsmarke handelt oder nicht. Bei all diesen Aufgaben könnten regionalen Marketinggesellschaften und/oder Ministerien, Kammern etc. die Antragsteller unterstützen. Die Aufstellung eines Kontrollsystems mit einem Kontrollplan sollte in Zusammenarbeit mit der unabhängigen Kontrollstelle erfolgen. Diese Kontrollstelle muss die in der Norm EN 45011 festgelegten Anforderungen erfüllen.138 Auch diese sollte die Antragsteller unterstützten können. Den regionalen öffentlichen Vermarktungsinstitutionen wären Anreize zu geben, um ein solches System zur Unterstützung und Förderung der Antragstellung auf Eintragung als geographische Angabe zu etablieren und voranzutreiben. Hierfür könnten die doch nicht unerheblichen finanziellen Mittel und Ressourcen verwendet werden, die bisher für das CMA-Gütezeichen und die Herkunfts- und Gütezeichen der Bundesländer aufgewendet wurden. 138 Vgl. Verordnung 2081/92 Artikel 10 (3). 92