top Ackerbau Teurer Stickstoff – so können Sie reagieren Die hohen Stickstoffpreise treiben die Düngekosten in die Höhe. Wie Sie reagieren können, sagt Günter Jacobs, LK Nordrhein-Westfalen. U m die Düngungskosten im Griff zu behalten, sollten Sie die Düngungsgewohnheiten einmal kritisch hinterfragen. Denn oft sind in den Betrieben noch Reserven vorhanden. Ein Abschmelzen dieser Reserven hilft, den Gewinn zu sichern. Wo liegt das Düngungsoptimum? Wie immer wieder festzustellen ist, streben viele Landwirte den für ihren Standort realistischen Höchstertrag an. Vergessen wird dabei oft, den dafür erforderlichen Aufwand gebührend zu berücksichtigen. Die in Übersicht 1 dargestellten Ver- 60 top agrar 2/2005 suche verdeutlichen die Problematik. Für die Stufe „optimal“ wurde ein Sollwert von 200 kg/ha N (Düngung + Nmin-Wert zu Vegetationsbeginn) vorgegeben. Für jeden Versuchsstandort wurde dieser Sollwert nach unten oder oben korrigiert, abhängig davon, welche Standort- oder Bewirtschaftungsverhältnisse eine schlechtere oder bessere N-Nachlieferung aus der Bodenreserve erwarten ließen. Folgende Korrekturen wurden vorgenommen: ■ Plus 20 kg/ha N auf kalten, untätigen Böden und auf humusarmen, flachgründigen Sandböden sowie nach Getreide als Vorfrucht; ■ Minus 10 kg/ha N je GV/ha langjähriger organischer Düngung. Im Mittel über alle Versuche errechnete sich als Ergebnis der Korrekturen ein Bei hohen Preisen für N-Dünger lohnt es sich, die Düngungsgewohnheiten kritisch zu hinterfragen. Foto: Heil anzustrebendes N-Angebot von 195 kg N/ha. Bei einem durchschnittlichen NminGehalt von 44 kg/ha mussten demnach 151 kg/ha Stickstoff gedüngt werden. Damit wurde ein Ertrag von 104 dt/ha erreicht. Die Steigerung der N-Gaben bis auf 241 kg/ha N in der höchsten Stufe ließ den Ertrag um 2,2 dt/ha auf 106,2 dt/ha ansteigen. Hierfür mussten allerdings 90 kg/ha Stickstoff mehr gedüngt werden. In der Versuchsauswertung wurde von einem Stickstoffpreis von 0,6 E/kg ausgegangen. Unter diesen Bedingungen kostete die Steigerung der N-Düngung 54 E/ha. Bei unterstelltem Weizenpreis von 10 E/dt müssten 5,4 dt/ha mehr geerntet werden, um die Kosten aufzufangen. Der düngungsbedingte Ertragsanstieg war jedoch kleiner, so dass letztlich der um die Düngungskosten bereinigte Ertrag mit steigender Düngung abfiel. Fazit: Es sollte nicht der Maximalertrag sondern der wirtschaftliche Höchstertrag angestrebt werden. Diese Betrachtung ist allein auf den Ertrag ausgerichtet und berücksichtigt nicht, dass sich mit der N-Steigerung auch die Proteingehalte steigern lassen. Aber auch hier gilt: Nicht immer wird der Aufwand hierfür entlohnt. So ist es z. B. in Nordrhein-Westfalen aufgrund der Witterungsbedingungen (ermöglichen hohe Erträge bei recht niedrigen Proteingehalten) und der starken Nachfrage nach Futtergetreide häufig sinnvoller, ökonomische Höchsterträge bei B-Weizen anzustreben, als A-Weizen mit hohen Qualitäten. Bodenstickstoff berücksichtigen Der Bodenstickstoff trägt erheblich zur Ernährung der Pflanzen bei, wie Übersicht 2 zeigt. Ohne jegliche N-Düngung erreichte der Winterweizen im Mittel 66 % des Ertrages der optimal mit Stickstoff versorgten Varianten, wobei die Extreme von 34 bis 101% reichen. Im Durchschnitt enthielt das Erntegut 93 kg/ha N. Dieser Stickstoff stammt aus der Bodenreserve. Auffallend ist, dass die Wintergerste sowohl beim Ertrag als auch im N-Entzug wesentlich schlechter abschneidet. Winterroggen und Triticale nehmen eine Mittelstellung ein. Das hat unterschiedliche Gründe: So steht der Weizen meist auf besseren Standorten und günstiger in der Fruchtfolge (nach Blattfrucht), außerdem reift er später ab. Die genannten Punkte haben Einfluss darauf, wie der Bodenstickstoff in Ertrag umgesetzt werden kann. Gute, speicherfähige Böden enthalten im Frühjahr schon mehr pflanzenverfügbaren Nitratstickstoff als leichte oder flachgründige Böden, weil vom Düngestickstoff der Vorfrucht oder der herbstlichen N-Mine- ralisation über Winter weniger ausgewaschen wird. Dieser Teil des Bodenstickstoffs kann durch eine Nmin-Untersuchung bestimmt werden. Aber auch während der Vegetation sind bessere Standorte im Vorteil: Sie verfügen über einen ausgeglicheneren Wasserhaushalt und es herrschen öfter günstige Bedingungen für die Freisetzung und Aufnahme von Stickstoff. Blattfrüchte wie Raps oder Kartoffeln hinterlassen eine gute Bodengare und – im Vergleich zu Getreide – relativ leicht abbaubare Erntereste. Beides fördert die NVersorgung der nachfolgenden Kultur. Je später der Pflanzenbestand abreift, desto mehr von dem freigesetzten Stickstoff kann noch genutzt werden. Hiervon profitiert vor allem der Weizen. Neben den kulturartspezifischen Unterschieden fällt in Übersicht 2 auch die enorme Spannweite zwischen den jeweils kleinsten und größten Werten auf. Ausschlaggebend hierfür sind Standort- und Jahreseffekte. Zwei Standorteffekte wurden bereits genannt: Die Bodengüte und die Vorfrucht. Daneben kommt dem NNachlieferungsvermögen des Bodens eine erhebliche Bedeutung zu. Das NNachlieferungsvermögen hängt vor allem vom Umfang der organischen Düngung mit Gülle, Stallmist, Klärschlamm oder Kompost in der Vergangenheit ab. Regelmäßig organisch gedüngte Schläge liefern wesentlich mehr Stickstoff aus der Bodenreserve nach als langjährig mineralisch gedüngte Schläge. Nmin-Richtwerte sind zu ungenau Damit wird klar, dass der Boden bzw. die Schlaggeschichte unbedingt bei den Düngeentscheidungen berücksich- Übersicht 1: So reagiert Winterweizen auf zunehmende N-Düngung 110 Angaben in dt/ha 100 6,9 90 92,4 93,9 9,1 10,1 11,2 94,9 94,4 93,8 14,4 91,8 80 70 60 71,3 ohne N N-Düngung 0 N-Angebot1) 44 1) 8,0 opt. -20 % opt. -10 % 115 133 159 177 incl. Nmin; Mittel aus 28 Versuchen 2000 – 2004 optimal 151 195 opt. +10% opt. +20% opt. +50% 169 187 241 213 231 285 Düngungskosten umgerechnet in dt/ha Bereinigter Ertrag Bei hohen Stickstoff-Gaben steigen die Düngungskosten stärker als der Ertrag des Winterweizens. Grafiken: Bendig, Orb top agrar 1/2005 61 top Ackerbau Übers. 2: So unterschiedlich nutzt Getreide den Bodenstickstoff Art Anzahl Ertrag in % von optimal N im Korn Versuche Mittelwert von … … bis (kg/ha) Weizen 56 66 34 101 93 Gerste 38 52 25 74 59 Triticale 16 55 28 80 68 Roggen 7 65 40 80 78 Ergebnisse aus den ungedüngten Kontrollparzellen in den N-Düngungsversuchen. tigt werden müssen. Denn: Stickstoff, der aus dem Boden kommt, muss nicht gedüngt werden. Der im Frühjahr pflanzenverfügbare Stickstoff wird über die Nmin-Untersuchung erfasst. Hierfür kann man zwar auch die von der Beratung herausgegebenen NminRichtwerte verwenden. Allerdings werden solche Richtwerte dem Einzelfall nicht unbedingt gerecht. Deshalb ist es empfehlenswert, zumindest einige repräsentative Flächen des Betriebes untersuchen zu lassen. Die durchschnittliche NNachlieferung des Bodens während der Vegetation (Mineralisation) ist bereits im Sollwert enthalten. Lassen die Eigenschaften des Standortes aber eine über- oder unterdurchschnittliche Mineralisation erwarten, ist der Sollwert zu korrigieren (s. oben). Wirtschaftsdünger sinnvoll einsetzen Wirtschaftsdünger sollten Sie generell so einsetzen, dass die darin enthaltenen Nährstoffe bestmöglich ausgenutzt werden. Das fordert nicht nur der Gesetzgeber aufgrund der Düngeverordnung, sondern auch die wirtschaftliche Vernunft. Aber auch hier gilt: Vor dem Hintergrund der gestiegenen Düngerpreise sollten Sie die eigenen Gewohnheiten kritisch überdenken. So fordert die Düngeverordnung, dass der Nährstoffgehalt der Wirtschaftsdünger vor der Ausbringung zu ermitteln ist. Bei dieser Vorschrift ist zwar die Verwendung von Richtwerten zulässig, ob damit eine zielgerichtete Ernährung der Pflanzen- 62 top agrar 2/2005 bestände mit Stickstoff möglich ist, darf jedoch bezweifelt werden. In Übersicht 3 ist beispielhaft die enorme Spannweite der Nährstoffgehalte in 240 analysierten Güllen dargestellt. In 20 m3 dieser Gülle sind im Mittel 84 kg unmittelbar pflanzenverfügbarer Ammonium-Stickstoff enthalten. Je nach Herkunft der Gülle könnten es aber ebenso gut auch nur 30 oder sogar 128 kg (Differenz 98 kg!!!) sein. Dass mit solchen Unsicherheiten kein Getreidebestand geführt werden kann, liegt auf der Hand. Folge: Die Gülle wird vielfach dort eingesetzt, wo sie augenscheinlich weniger Probleme bereitet. So z. B. im Herbst zur Förderung der Strohrotte oder zu Mais, der auf eine Überdüngung weniger nachteilig reagiert als Getreide. Solche Praktiken sollten spätestens beim derzeitigen Preisniveau für Mineraldünger der Vergangenheit angehören. Güllestickstoff ermitteln Die Düngewirkung der Gülle können Sie preiswert und sehr zuverlässig durch eine Ammonium-Schnellbestimmung (z. B. mit einem Quantofixgerät) vor der Ausbringung ermitteln. Wie gut die Gülle auf der Basis solcher Werte auch zu Getreide eingesetzt werden kann, belegen Ergebnisse aus einem kombinierten RindergülleMineraldüngungsversuch zu Winterweizen am Landwirtschaftszentrum Haus Düsse (Pseudogley-Parabraunerde, lU, Ackerzahl 68). Übers. 3: Nährstoffgehalte von Mastschweinegülle Nährstoffgehalt kg/m3 10 kleinster Wert Mittelwert größter Wert 8 6 4 2 0 Gesamt-N NH4-N Phosphat Kali Magnesium Ergebnisse der Untersuchung von 240 Güllen mit durchschnittlich 5 % TS Verlassen Sie sich beim Gülleeinsatz nicht auf Faustzahlen. Eigene Untersuchungen liefern exaktere Daten. In dem Versuch wurden unterschiedlich hohe Gaben an Ammonium-Stickstoff aus Rindergülle mit mineralischem Stickstoff auf das gleiche Düngungsniveau ergänzt. Ergebnis aus den letzten drei Jahren: Mit sehr unterschiedlichen Güllestickstoff-Anteilen an der gesamten N-Düngung kann nahezu das gleiche Ertragsniveau erreicht werden wie mit alleiniger Mineraldüngung. Der Ammonium-Stickstoff der Rindergülle ist also voll düngewirksam. Für Schweinegülle ist dies ebenfalls durch unzählige Versuche belegt. Kleinere Schwankungen in den Versuchsergebnissen lassen sich einfach erklären. Selbst bei verlustarmer Ausbringung (in Versuchen wurden Schleppschläuche eingesetzt) sind Ammoniakverluste nie ganz auszuschließen, werden aber normalerweise durch die N-Nachlieferung aus dem organisch gebundenen Teil des Güllestickstoffes ausgeglichen. Die N-Nachlieferung ist abhängig von der Witterung: Bei feucht-warmem Wetter wird viel, bei Kälte und Trockenheit wenig Stickstoff freigesetzt. Damit unterliegt die Freisetzung von Stickstoff aus aktuellen Güllegaben den gleichen Gesetzmäßigkeiten wie beim Stickstoff aus dem Bodenvorrat. Damit daraus kein unkalkulierbares Risiko wird, soll- ten Sie ein Düngefenster anlegen, an dem die N-Freisetzung gut beobachtet werden kann. Mit Ammonium-Schnellbestimmung und Düngefenster schaffen es gute Betriebsleiter, ihre Bestände auch bei hohem Gülleanteil gezielt zu führen. Bedingung: Verlustarme Ausbringung, gute Verteilung und Mengenbemessung sowie sorgfältige Beobachtung der Pflanzenbestände. Das bleibt festzuhalten S teigende Preise für Stickstoffdünger erhöhen die Düngungskosten und schmälern den Gewinn. Deshalb sollten Sie jetzt alte Gewohnheiten überdenken. Hierzu gehören folgende Punkte: j Nicht um jeden Preis den Höchstertrag anstreben; j Den Bodenstickstoff gezielt in die Düngebedarfsermittlung einbeziehen; j Die Wirtschaftsdünger noch stärker als bisher zur Getreidedüngung einsetzen, um eine möglichst gute N-Ausnutzung zu erreichen. Bei diesen Punkten gibt es in vielen Betrieben noch Reserven, die abgeschöpft werden sollten. top agrar 1/2005 63