Anorganische Chemie I / HS 2012 KFT A. Mezzetti Fragenkatalog III

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Anorganische Chemie I / HS 2012
A. Mezzetti
1.
KFT
Fragenkatalog III
Ba[Ni(CN)4] (A) ist gelb und diamagnetisch. Die Reaktion von NiCl2 mit PPh2Et in EtOH
gibt grüne paramagnetische Kristalle von [NiBr2(PPh2Et)2] (B, µeff = 3.20 BM). Welche
Strukturen besitzen A und B? Zeichnen Sie passende KFT-Energieniveauschemata (mit
Elektronen) und erklären Sie Struktur, Farbe und magnetische Eigenschaften beider
Komplexe anhand des KFT-Modells! Hinweis: Zur Vereinfachung sollen Sie die höchstmögliche Symmetrie für B annehmen. Dazu ersetzen Sie Bromid und PPh2Et durch einen
einzigen imaginären Liganden mit dazwischenliegender Ligandenfeldstärke!
L. Ba[Ni(CN)4] (A) besteht aus (farblosen) Ba2+-Kationen und [Ni(CN)4]2–-Anionen. Das
Tetracyanonickelat(2–) ist ein gelber d8-Komplex. Die gelbe Farbe und der Diamagnetismus weisen darauf hin, dass Δo gross ist:
Die Tatsache, dass der Komplex gelb ist, zeig, dass er im blau-violetten Bereich des
Spektrums absorbiert, was für ein grosses Δo spricht, wie auch der Diamagnetismus, der auf
eine low-spin-d8-Elektronenkonfiguration hinweist. Somit ist A planar quadratisch (sieh
unten links). Im Gegensatz dazu ist [NiBr2(PPh2Et)2] (B) grün (d.h., absorbiert im gelborangen Bereich des Spektrums, somit Photonen mit niedriger Energie als A) und besitzt
zwei ungepaarte Elektronen (µeff = 3.20 BM). Komplex B muss dann tetraedrisch sein. Für
einen tetraedrischen Komplex mit Td-Symmetrie gilt das rechte Schema:
planarquadratisch
tetraedrisch
b1g, x2–y2
10 Dq
t2 (xy, xz, yz)
b2g, xy
a1g, z2
!t
e (z2, x2–y2)
eg, (xz, yz)
diamagnetisch
paramagnetisch
(c) Wieso ist [Ni(CN)4]2– (A) quadratisch planar und [NiBr2(PPh2Et)2] (B) tetraedrisch? Dafür
gibt es (1) elektronische und (2) sterische Gründe.
(1) Planar quadratische Komplexe sind nur in der low-spin-Konfiguration stabil, weil die
Besetzung des energetisch hoch liegenden x2–y2-Orbitals sehr ungünstig wäre (siehe auch
MO-LCAO). Deshalb existieren keine high-spin planar-quadratische Komplexe! SpinPaarung tritt erst ein, wenn die gesamte Feldstärke der Liganden genug gross ist.
Die vier stark-Feld-Cyanoligaden in [Ni(CN)4]2– begünstigen die low-spin quadratisch
planare Struktur. Im Vergleich dazu enthält B zwei schwach-Feld-Liganden (Br–) und zwei
PPh2Et-Liganden, die ein kleineres Ligandenfeld als Cyano ausüben. Somit ist das
durchschnittliche Ligandenfeld im B kleiner als im A.
(2) Die tetraedrische Struktur (109.5 °-Winkel) ist weniger gehindert als die quadratisch
planare (90 °-Winkel). Bromo und PPh2Et sind grössere Liganden als Cyano. Daher ist der
sterische Anspruch der Liganden im B grösser als in [Ni(CN)4]2–. Die sterische Hinderung
in [NiBr2(PPh2Et)2] wird durch die tetraedrische Koordinationsgeometrie minimiert.
Wichtige Bemerkung: Als Faustregel sollten Sie Folgendes beachten:
– Die meisten 4d und 5d-Ionen bilden low-spin Komplexe → Ihre d8-Komplexe sind planar
quadratisch.
– d8-Komplexe der 3d-Reihe (Co(I), Ni(II)) sind ein Grenzfall. Mit stark-feld-Liganden sind sie
planar quadratisch, wenn die sterische Hinderung nicht zu gross ist. Sperrige Liganden
begünstigen hingegen tetraedrische Strukturen.
Wenn es um Grenzfälle geht (z: B. [NiX2(PR3)2]) (X = Halogenid; R = Alkyl oder Aryl), wird
es nicht verlangt, dass Sie die richtige Struktur a priori (d. h., ohne Angabe von Eigenschaften
der Komplexe) ermitteln! Lassen Sie sich von den Eigenschaften (Farbe, Magnetismus) der
Komplexe leiten!
2.
Myoglobin ist ein Protein, das als O2-Speicher fungiert. Die Bindungsstelle für Disauerstoff
ist ein fünfach-koordinierter Eisen(II) Komplex:
Myoglobin enthält FeII im high-spin-Zustand. Dieses d6-Ion hat einen Radius von ca. 0.92
Å und daher passt nicht in die zentrale Öffnung des Porphyrinringes (siehe oben). Wenn
ein O2-Molekül an das Eisen bindet, geht letzteres in eine low-spin-Konfiguration über.
(a) Allgemein beträgt der Ionenradius von Fe(II) 0.75 Å in low-spin-Komplexen und 0.92 Å in
high-spin-Komplexen. Erklären Sie wieso anhand des KFT-Modells! Hinweis: Zeichnen
Sie das Energieniveauschema für low-spin- und high-spin-Fe(II)-Komplexe und diskutieren Sie den Effekt der unterschiedlichen Besetzung der Orbitale auf die M–L-Bindungslängen!
L. In low-spin-d6-Komplexen sind nur die t2g-Orbitale besetzt. In der high-spin-d6-Elektronenkonfiguration sind beide eg-Orbitale (x2–y2 und z2) einzeln besetzt:
Oh
(x2–y2, z2)
(xy, xz, yz)
eg
eg
t2g
t2g
Da die eg-Orbitale gegen die Liganden gerichtet sind, entsteht eine abstossende Wechselwirkung zwischen den Elektronen der Liganden und den eg-Elektronen. Diese Abstossung
führt zu einer grösseren M–L-Abstand als in low-spin-d6-Komplexen, in denen diese
Wechselwirkung nicht existiert, weil die t2g-Elektronen nicht direkt gegen die Liganden
gerichtet sind:
M
M
L
x2–y2
L
xy
Da die Bindungslänge als die Summe der Ionen- bzw. Atomradien der Bindungspartner
dargestellt wird, ist der Ionenradius kleiner für ein low-spin-Fe(II)-Ion als für high-spinFe(II)! Bemerkung: In der Diskussion der MO-LCAO-Theorie werden wir sehen, dass die
eg-Orbitale σ*-Charakter besitzen, während die t2g-Orbitale σ-nichtbindend sind. Diese
Deutung liefert eine überzeugendere Erklärung für die kürzeren M–L-Abstände in lowspin-Komplexen!
3.
Für Kn[VF6] (n muss bestimmt werden) (C) hat man µeff = 2.66 BM gemessen.
(a) Welche Oxidationszustände des Vanadiums sind im Prinzip kompatibel mit den
beobachteten magnetischen Eigenschaften?
(b) In welchem Oxidationszustand liegt Vanadium vor? Formulieren Sie Komplex C!
Begründen Sie Ihre Antwort mittels KFT-Argumente!
(c) Zeichnen Sie das Energieniveauschema (mit Elektronen)!
L. Ein µeff = 2.66 BM deutet auf zwei ungepaarte Elektronen hin.
(a) Damit sind in einer oktaedrischen Umgebung folgende Elektronenkonfigurationen
kompatibel, die auf V(III) bzw. V(I) hindeuten würden:
Oh
low-spin-d 4
d2
(x2–y2, z2) eg
eg
(xy, xz, yz) t2g
t2g
(b) Welche dieser Möglichkeiten trifft zu? Gegen low-spin-d4 spricht Folgendes:
–
–
–
Vanadium ist ein 3d-Metall
Als low-spin-d4 wäre es V(I), also im niedrigen Oxidationszustand
Fluorid ist ein schwach-Feld-Ligand
→
Δo klein.
Alles spricht für d2 und somit V(III)
→
→
→
Δo klein.
Δo klein.
K3[VF6]
(c) Das Energieniveauschema (mit Elektronen) ist oben links angegeben.
Bemerkung: Vanadium(–3) mit der d8-Elektronenkonfiguration hätte ebenfalls zwei
ungepaarte Elektronen. Die (–3)-Oxidationszahl ist allerdings nur mit starken π-Akzeptoren
als Liganden möglich. Da Fluorid ein π-Donor ist, kann diese Möglichkeit mit Sicherheit
ausgeschlossen werden.
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