1/Humanbiologie IMS info Immunsystem Das Immunsystem (IMS) Das Immunsystem besteht aus zwei großen Säulen: der angeborenen allgemeinen Abwehr und der erworbenen spezialisierten Abwehr. Beide Systeme sind in ihrer Arbeitsweise eng miteinander verzahnt und übernehmen unterschiedliche Aufgaben. Abwehrzellen in Blut und anderen Flüssigkeiten Zusätzlich benötigen sowohl das angeborene als auch das erworbene Immunsystem noch eine Reihe von löslichen Stoffen, die sich im Blut und in anderen Körperflüssigkeiten befinden. Dies sind hauptsächlich Eiweiße wie Enzyme, Antikörper und kurze Aminosäureketten. Diese Stoffe werden zur humoralen Abwehr (von „humor“, lateinisch: Flüssigkeit) gezählt. Beide Teile des IMS – angeboren und erworben – enthalten also zelluläre und humorale Abwehrstrategien. kd©2015 1/7 1/Humanbiologie IMS info 1. Das angeborene Immunsystem: schnell und breit wirksam Kann sehr schnell in Aktion treten kann Bakterienabwehr bei Wunden innerhalb weniger Stunden und direkt am Ort des Geschehens. Da die angeborene Immunantwort nicht auf bestimmte Krankheitserreger spezialisiert ist, benötigt sie auch keine lange Anlaufphase. Durch diese breite Wirksamkeit ist sie aber nur bis zu einem gewissen Maße in der Lage, das Eindringen und Ausbreiten von Keimen zu verhindern. Die angeborene Abwehr besteht aus mehreren Elementen: • • • Die Haut und alle Schleimhäute an den Körperöffnungen als äußere Barrieren Verschiedene Abwehrzellen aus der Gruppe der weißen Blutkörperchen (Leukozyten) Verschiedene Stoffe im Blut und in Körperflüssigkeiten Schutz von außen: Haut und Schleimhäute Die erste Abwehrfront des angeborenen IMS stellen alle äußeren und inneren Oberflächen des menschlichen Körpers dar. Die geschlossene Oberfläche der Haut und aller Schleimhäute verhindert schon mechanisch das Eindringen von Krankheitserregern. Zusätzlich blockieren chemische Stoffe wie Säure, Enzyme oder Schleim die Anlagerung von Bakterien oder Viren. Durch Bewegung beispielsweise von Flimmerhärchen in den Bronchien oder durch die Aktivität der Darmmuskulatur werden Keime daran gehindert, sich im Körper festzusetzen. Auch die Tränenflüssigkeit, Schweiß oder die Spülung der Harnorgane mit Urin haben eine ähnliche Wirkung. Schutz von innen: Abwehrzellen und Eiweiße Sollten Krankheitserreger trotz aller Hürden die Haut oder Schleimhaut überwinden und in den Körper gelangen, kommt die zweite Abwehrfront des angeborenen Immunsystem zum Zuge. An der Stelle der Infektion wandern Entzündungszellen ein oder schon vorhandene Abwehrzellen werden aktiviert. Auch lösliche Eiweißstoffe des sogenannten Komplementsystems (siehe unten) werden aktiviert und helfen bei der Abwehrarbeit. Die Folge ist eine Entzündungsreaktion mit vermehrter Durchblutung, Schwellung und Überwärmung der jeweiligen Körperstelle, manchmal kommt auch Fieber hinzu. Wenn es Bakterien oder Viren gelingt, in den Körper einzudringen, können sie vor Ort direkt durch Fresszellen oder Phagozyten (von „phagein“, griechisch: fressen) unschädlich gemacht werden. Ein Krankheitserreger wird von diesen Zellen eingeschlossen und im Inneren der Zelle dann verdaut. Besonders effektiv können die Fresszellen arbeiten, wenn der Krankheitserreger parallel schon durch Antikörper markiert und damit für die Fresszellen „schmackhaft“ gemacht wurde. An dieser Stelle unterstützen also die Antikörper des erworbenen IMS die angeborene Abwehr. Umgekehrt können die Fresszellen das erworbene Immunsystem unterstützen, indem sie die markierten Krankheitserreger besonders schnell aufnehmen und verdauen. kd©2015 2/7 1/Humanbiologie IMS info Komplementsystem: Eiweiße in einer Kettenreaktion Die Abwehrzellen des angeborenen IMS werden von neun verschiedenen Enzymen unterstützt. Sie aktivieren sich gegenseitig ähnlich einer Kettenreaktion: Ein Enzym der ersten Stufe alarmiert dabei mehrere Enzyme der zweiten Stufe, diese wiederum aktivieren jeweils wieder mehrere Enzyme der dritten Stufe und so weiter. Dadurch kann sich die Abwehrreaktion sehr schnell verstärken, da die Bildung dieser Eiweißstoffe übermäßig stark (exponentiell) ansteigt. Die Aufgaben dieser Enzyme: • • • • Sie markieren Krankheitserreger und machen sie für Fresszellen attraktiver. Sie locken weitere Immunzellen aus dem Blut an. Sie lösen die Zellwand von Bakterien auf, dadurch verlieren diese Flüssigkeit und Mineralien und sterben ab. Sie bekämpfen Viren direkt, indem sie die Virushülle zerstören oder indirekt, indem sie von Viren befallene Zellen vernichten. Natürliche Killerzellen: Suche nach veränderten Körperzellen Natürliche Killerzellen sind ein dritter wichtiger Bestandteil des angeborenen IMS. Sie erkennen vor allem virusinfizierte und tumorartig veränderte Körperzellen. Sie fahnden dabei nach einer veränderten Zelloberfläche. Finden natürliche Killerzellen Zellen mit einer veränderten Oberfläche, lösen sie diese mit Hilfe von Zellgiften auf. kd©2015 3/7 1/Humanbiologie IMS info 2. Das erworbenes Immunsystem: wirkt genau und mit langem Gedächtnis Wenn es der ersten Verteidigung des Körpers durch das angeborene Immunsystem nicht gelingt, die Erreger zu vernichten, kommt es nach einem Zeitraum von vier bis sieben Tagen zur spezifischen, erworbenen Immunantwort. Die erworbene Abwehr braucht also länger, besitzt dafür aber auch eine größere Treffsicherheit. Ein weiterer Vorteil: Sie merkt sich Angreifer und richtet sich gezielt gegen bestimmte Antigene. Bei einem erneuten Kontakt mit einem bereits bekannten Antigen kann die Abwehrreaktion dann rascher erfolgen. Die Abwehrreaktionen des erworbenen IMS sind damit bei bereits bekanntem Antigen effizienter und schneller als die der angeborenen Abwehr. Die Gedächtnisfunktion beruht auf der Bildung von Gedächtnis-Zellen. Dies ist auch der Grund, warum man einige Krankheiten nur einmal im Leben bekommt und danach dann „immun“ geworden ist. Während man beim ersten Kontakt mit dem Krankheitserreger zunächst einige Tage benötigt, bis das Immunsystem reagiert, verläuft die zweite Infektion sehr häufig folgenlos oder zumindest mit schwächer ausgeprägten Beschwerden. Zur erworbenen Abwehr gehören dabei: • • • • T-Lymphozyten B-Lymphozyten Antikörper als lösliche Eiweiße im Blut Zellgifte in Blut und Gewebe als hormonähnliche Botenstoffe T-Lymphozyten Sie erkennen infizierte Zellen und bewirken deren Zerstörung und Entfernung aus dem Körper. Sie gehören zur Gruppe der weißen Blutkörperchen und werden bei Erwachsenen im Knochenmark gebildet. Sie sind in der Lage körpereigene von fremden Zellen zu unterscheiden. T-Zellen besitzen an ihrer Oberfläche Erkennungsmerkmale, an die sich Krankheitserreger binden können – ähnlich eines Schlosses, in das ein bestimmter Schlüssel passt. (Schlüssel Schloss Prinzip) Passt nun ein Krankheitserreger genau auf eine T-Zelle vermehrt sie sich rasch. B-Lymphozyten B-Lymphozyten bilden Antikörper, die sich als lösliche Eiweiße (Proteine) im Blut befinden und auf genau einen Erreger spezialisiert sind. Die Wechselwirkung und Kommunikation zwischen den verschiedenen Zellen des erworbenen Immunsystems, wie den B- und den T-Zellen, erfolgt entweder direkt über Bindung an der Oberfläche der unterschiedlichen Abwehrzellen oder über lösliche Botenstoffe wie die sogenannten Zytokine. Diese Botenstoffe sind meist Eiweiße und werden von verschiedenen Zellen des Organismus gebildet. kd©2015 4/7 1/Humanbiologie IMS info Organe des IMS Zum Immunsystem des Menschen gehören Organe, Gefäßsysteme wie die Lymphbahnen, aber auch einzelne Zellen und Eiweißkörper. Zu den so genannten primären lymphatischen Organen zählen der Thymus und das Knochenmark. Sie dienen der Bildung, Entwicklung und Prägung der Immunzellen. Zu den sekundären lymphatischen Organen zählen die Lymphknoten, der Waldeyer’sche Rachenring, die Milz und die Peyer-Plaques. Hier findet die Auseinandersetzung der Immunzellen mit Antigenen statt. Primäre lymphatische Organe Aus Stammzellen entwickeln sich im Knochenmark rote und weiße Blutkörperchen sowie Blutplättchen. Sie reifen im Knochenmark heran und werden, sobald sie funktionsfähig sind, in die Blutbahn abgegeben. Von dort gelangen sie in weitere Organe und Gewebe. Die Zellen des lymphatischen Systems, die Lymphozyten, gehören zur Gruppe der weißen Blutkörperchen und haben eine zentrale Bedeutung für die Immunabwehr. Im Neugeborenenalter enthalten viele Knochen Abwehrzellen bildendes, rotes Knochenmark. Bis zum Erwachsenenalter wandelt sich immer mehr rotes Knochenmark in gelbes, fettreiches Knochenmark um. Rotes Knochenmark ist dann nur noch in den Rippen, dem Brustbein und den Beckenknochen zu finden. Im Thymus (Thymusdrüse, Bries) reifen die so genannten T-Lymphozyten oder T-Zellen heran. Sie sind u. a. für die Koordination zwischen angeborenem und erworbenem Immunsystem verantwortlich. Im Thymus „lernen“ die T-Zellen eigene Zellstrukturen von fremden zu unterscheiden. Ausgereift sind sie im gesamten Organismus anzutreffen und reagieren auf jegliche Veränderungen von Strukturen auf Zelloberflächen. Bei Kontakt mit einem Fremdkörper verwandeln sich T-Zellen in so genannte T-Effektorzellen. Zu ihnen zählen beispielsweise T-Killerzellen und T-Helferzellen, die verschiedene Abwehrreaktionen auslösen. Bei Kindern ist der Thymus am stärksten ausgebildet, während er beim Erwachsenen kaum noch vorhanden ist. Lymphgefäßsystem Das Lymphgefäßsystem ist eng mit dem Blutkreislauf verbunden und für den ständigen Austausch von Stoffen zwischen Blut und Körpergewebe wichtig. Das Blut versorgt den gesamten Körper mit Nährstoffen. Um dies zu gewährleisten, verzweigen sich die Blutgefäße in immer kleinere Strukturen, die Kleinsten nennt man Blutkapillaren. Im Kapillargebiet tritt das Blutplasma durch feine Membranen in die Zellzwischenräume (Interstitium) aus. 90% der ausgetretenen Flüssigkeit (pro Tag ca. 20 Liter) wird rückresorbiert. 10% der Flüssigkeit verbleibt als „Lymphe“ in den Zellzwischenräumen, wo sie von Lymphkapillaren aufgenommen wird. Die Lymphkapillaren vereinigen sich zu immer größeren Lymphgefäßen, die die Lymphe schließlich zu den Lymphknoten (siehe sekundäre lymphatische Organe) transportieren. kd©2015 5/7 1/Humanbiologie IMS info Sekundäre lymphatische Organe Die Milz ist das größte Organ des lymphatischen Systems. Die Milz speichert verschiedenste Abwehrzellen, die dort weiter differenzieren und gegebenenfalls in den Blutkreislauf abgegeben werden. Außerdem finden in der Milz als Teil des Zellaustauschs des Körpers der Abbau von Erythrozyten sowie der Abbau und die Speicherung von Thrombozyten statt. Zum Waldeyerschen Rachenring zählen Gaumenmandeln, Rachenmandeln, Tubenmandeln, Seitenstränge und Zungengrundmandeln. Dort finden sich hauptsächlich Lymphozyten. Er dient der Immunabwehr von Bakterien, Viren und Pilzen, indem es die Antigenstrukturen eindringender Keime erkennt. Das Immunsystem wird daraufhin aktiviert, und Krankheitserreger können so schneller abgewehrt werden. Lymphknoten sind linsen- bis nierenförmige Gebilde mit einer Größe von 5-20 mm. Der Mensch besitzt ca. 600 Lymphknoten, besonders viele davon liegen am Hals, den Achseln, in den Leisten sowie entlang des Magen-Darm-Traktes. Sie dienen als eine Art „Kläranlage“ des Körpers und werden von mehreren zuführenden Lymphbahnen mit Lymphe gespeist. Sie konzentrieren, filtern und reinigen die Lymphe. In den Lymphknoten befinden sich Abwehrzellen. Krankheitserreger, Fremdkörper und Zellbestandteile in der Lymphe werden in den Lymphknoten abgefangen und abgebaut und die Bildung von Antikörpern im Blut angeregt. Das Lymphgewebe im Darm spielt eine zentrale Rolle bei der Erregerabwehr des Körpers. In der Darmschleimhaut sitzt ein Großteil der antigenpräsentierenden und antikörperproduzierenden Zellen. Ihre Aufgabe ist es, Krankheitserreger und fremde Stoffe zu erkennen, zu markieren und zu zerstören. Die Information der „Fremdstoffe“ wird gespeichert, und das Immunsystem kann bei erneutem Kontakt schneller reagieren. Als Peyer’sche-Plaques wird eine Ansammlung von Lymphfollikeln bezeichnet, die sich in der Schleimhaut des hinteren Dünndarms und des Wurmfortsatzes befinden. Sie zählen ebenfalls zu den sekundären lymphatischen Organen bzw. zum so genannten GALT (gut associated lymphatic tissue – Darm assoziiertes lymphatisches Gewebe). An verschiedenen Stellen ragen die Follikel „domartig“ in die Darmschleimhaut. Dort befinden sich sogenannte M-Zellen, die Mikroorganismen aus dem Darm binden, ins lymphatische Gewebe einschleusen (Endozytose), dort an die Lymphfollikel weiterleiten und eine Immunantwort auslösen. Lymphatisches Gewebe findet sich im Körper in allen Schleimhäuten, an denen Krankheitserreger möglicherweise eintreten können. In seiner Gesamtheit wird es als „mucosa-assoziiertes“ Gewebe oder auch MALT bezeichnet und ist beispielsweise in der Bronchial-, Nasen-, Harnblasen- und Vaginalschleimhaut zu finden kd©2015 6/7 1/Humanbiologie IMS info kd©2015 7/7