Modul IV Kurs Kursleitung: Dipl. Psych. PP Thore Zuber VT – klinische Hypnose - Supervision www.psychpraxzuber.de Was sind psychogene Störungen? Was ist die „Seele“ bzw. „Psyche“? „Ort des Erlebens und des Geistes“ Was ist der „Körper“ bzw. „Soma“? Materie, in der wir Lebensvorgänge lokalisieren Was ist Psychosomatik? Wechselwirkung zwischen seelischen, psychosozialen und körperlichen Prozessen Modul 6: Was sind psychogene Störungen Was sind psychogene Störungen? • Was ist Psychotherapie? – Krankenbehandlung mit psychologischen Mitteln – Psychodynamik (bewusste und unbewusste Prozesse) – Verhaltenslehre (gelerntes Fehlverhalten, Krankheitsbewältigung) • Was ist Psychiatrie? – Methoden: pharmakologische Behandlung, Sozialtherapie, Psychotherapie – Überwiegend Psychosen und Abhängigkeitserkrankungen Modul 6: Was sind psychogene Störungen Symptomgruppen • Seelische Störungen (z.B. Ängste) • Verhaltensstörungen (z.B. Essstörungen) • Organfunktionsstörungen (z.B. Herzrasen) • Vegetative Störungen (z.B. Schlafstörungen) • Organerkrankungen (z.B. Entzündungen) • Charakterstörungen (z.B. Geiz) • vs. aktuelle Klassifikation nach ICD-10 Modul 6: Was sind psychogene Störungen Ursachen • Psychosozialer Stress und Belastung – > reaktive Störung • Psychisches Trauma – > posttraumatische Störung • Entwicklungsstörung oder unverarbeiteter, verdrängter Konflikt – > neurotische Störung (Neurose) • Somatische Krankheitsbereitschaft und psychische Störung – > Psychosomatose Modul 6: Was sind psychogene Störungen Häufigkeit • Häufigste Erkrankung beim Hausarzt • 30 % der Patienten in Allgemeinpraxis zeigen bei Erstkonsultation seelische Krankheitsfaktoren • 20 % aller Erwachsenen haben psychogene seelische oder körperliche Störungen • 10 % aller Erwachsenen zeigen somatoforme Störungen (psychosomatische Funktionsstörungen ohne Organpathologie) Modul 6: Was sind psychogene Störungen Überweisung zum Fachpsychotherapeuten Motivation des Patienten stärken: Auslöser für die Beschwerden erfragen Enttabuisierung von Psychotherapie Schamgefühle validieren Beachten, dass sich Patient abgeschoben fühlen kann Modul 6: Was sind psychogene Störungen Das psychodiagnostische Interview Modul 7: Spezielle psychosomatisch-psychotherapeutische Diagnostik Das psychodiagnostische Interview • Ziel: Klärung oder Ausschluss seelischer Krankheitsursachen • Methoden: – Verhaltensanalyse – Psychodynamisches Interview • Diagnosefindung – Klärung der psychosozialen Belastung in der Auslösesituation und der spezifischen Vulnerabilität Modul 7: Spezielle psychosomatisch-psychotherapeutische Diagnostik Die Verhaltensanalyse (SORCK) • Situation, Stimulus • Organismus-Variable • MULP (Medizinisch-körperliches, Umwelt, Lernerfahrung, Programme -> Dispos.) • Reaktion (kognitiv, emotional, physiologisch, Verhalten -> Problemverhalten) • C: konkrete Konsequenzen (kurz- und langfristig; z.B. Verstärkung oder Bestrafung) • Kontingenz, Muster von Konsequenzen (z.B. Regelmäßigkeit -> kontinuierlich? Interm.!) Modul 7: Spezielle psychosomatisch-psychotherapeutische Diagnostik (Operante Konditionierung) • Skinner: B.F. Skinner in Harvard circa 1950 Verhalten wird wiederholt, wenn es belohnt wird (Gesetz der Wirkung) Darbietung Entfernung Positiver Stimulus Positive Verstärkung Löschung Aversiver Stimulus Bestrafung Negative Verstärkung Einschub: Welche Consequenzen gibt es? Die Verhaltensanalyse (SORCK) • Übungsbeispiel: Lernblockade bei Schulkind • S • O • R • • • • Kognitiv Emotional Physiologisch Verhalten • C • K Modul 7: Spezielle psychosomatisch-psychotherapeutische Diagnostik Das psychodynamische Interview • Untersuchungsanlass • Auslösesituation und aktuelle Lebenssituation (psycho-bio-soziale Gegebenheiten, persönlich, familiär, beruflich, wirtschaftlich) • Selbsterleben und Persönlichkeit (Selbstbild, Idealbild, Schwächen, Problembewältigung, Liebes- und Leistungsfähigkeit, Belastbarkeit, Kränkbarkeit, Anerkennung, Geltung) • Psychische, körperliche und soziale Entwicklung (Prägende Beziehungen, Familienhintergrund, Entwicklung im körperlichen, geistigen, seelischen, sexuellen, schulischen und Beziehungsbereich, traumatische Erlebnisse, Krankheiten) Modul 7: Spezielle psychosomatisch-psychotherapeutische Diagnostik Besonderheiten, die für eine psychogene Störung sprechen • • • • Auffallender Umgang mit dem Symptom Appellatives Verhalten Auffällige Krankenkarriere, Doktor-Shopping Akzentuierte subjektive Krankheitstheorie Modul 7: Spezielle psychosomatisch-psychotherapeutische Diagnostik Psychosomatosen • Definition: Pat. mit chronischer Erkrankung, bei der • • • • • seelische Krankheitsfaktoren nachgewiesen wurden Zusammenspiel von biologischen und psychischen Krankheitsfaktoren Potentiell psychogene Erkrankungen (müssen nicht psychosomatisch sein) Psychotherapie kann den Prozess günstig beeinflussen, nicht heilen Somatische Krankheitsfaktoren sind Erb- oder Umweltfaktoren Psychische und somatische Faktoren lassen sich über psychoimmunologische Verknüpfungen gegenseitig beeinflussen Modul 12: Psychosomatosen-Psychosomatische Grundversorgung Psychosomatosen • Körperlich: chronische, oft schubartig verlaufende Erkrankung, z.B. eine Entzündung mit entsprechender Symptomatologie • Seelisch: – Ursächliche Persönlichkeitsmerkmale (Entwicklungs- oder Konfliktpathologie) – Seelische Krankheitsfolgen (Reaktion auf Belastungen im Zusammenhang mit der Erkrankung) Psychosomatisch häufig beforschte Krankheiten: Ulcus pepticum, Colitis ulcerosa, Morbus Crohn, Neurodermitis, Allergisches Asthma bronchiale, chronische seropositive Polyarthritis Modul 12: Psychosomatosen-Psychosomatische Grundversorgung Ursachen • Psychosomatische Grundstörung – Schwierigkeit sich von anderen abzugrenzen, Nähe-DistanzRegulation – Starke Angewiesenheit auf Beziehungsobjekte • Entwicklungsphasenspezifische Konflikte – Haut- und Magen-Darm-Trakt: sensorische und orale Entwicklung (1. und 2. Lebensjahr) – Bewegungsapparat: motorisch-aggressive Entwicklung (2.-4. Lebensjahr) • Auslösende Krankheitsfaktoren – Spannungen, die nicht verarbeitet werden können – Symptommanifestation durch psychoimmunologische Verknüpfungen Modul 12: Psychosomatosen-Psychosomatische Grundversorgung Verlauf und Behandlung • Verlauf meist chronisch oder in Schüben, psychische Faktoren können eine Chronifizierung bewirken, Krankheitsbewältigung beeinflussen • Diagnostik ist schwer, da psychische Faktoren oft verdrängt werden (Abgrenzung von Erfahrungen, die das Gleichgewicht gefährden könnten)->Pseudonormalität • Behandlung: – – – – – – Aufbau tragfähiger Arzt-Patient-Beziehung Langfristige Begleitung Unterstützung bei Krankheitsbewältigung Klärung von Beziehungsproblemen Entspannungsverfahren Aufarbeitung des unbewussten Erlebnishintergrundes Modul 12: Psychosomatosen-Psychosomatische Grundversorgung Psychosomatische Grundversorgung • Erkennen von psychogenen Störungen • Hinführen zum Erkennen und zur Akzeptanz von psychosomatischen Zusammenhängen • Psychotherapeutische Interventionen zur Stützung des Patienten, zur Verarbeitung von Konflikten und Belastungen • Entspannungsverfahren -> Voraussetzungen: psychosomatisches Wissen, Entspannungstechnik und Selbsterfahrung (BalintGruppe zur besseren Selbsterkenntnis und Diagnostik) Modul 12: Psychosomatosen-Psychosomatische Grundversorgung Beispiel • 25-jähriger Student mit medikamentös nicht mehr ausreichend • • • • • • beherrschbarer Colitis ulcerosa (seit 7 Jahren, seit 4 Wo exazerbiert) Wichtige Prüfung absolviert, dann wollte er zu Ostern endlich seine Mutter wieder besuchen Patient sitzt hinter der Wand einer Nasszelle, wie wenn er sich versteckt hätte und vergessen wurde Auf dem Nachttisch: Plüschtier von Mutter, Schokolade von Freundin Konflikt: mit der Freundin verreisen-Verpflichtungsgefühl Mutter zu besuchen Biographie: häufig zwischen 2 Stühle geraten: Vater und Mutter bei Scheidung, Mutter und Lebensgefährte, Mutter und Freundin Zentraler Konflikt: Abhängigkeit-Autonomie, VersorgungSelbständigkeit, tief unbewusste Verlassenheitsgefühle Modul 12: Psychosomatosen-Psychosomatische Grundversorgung Fragen? Stützende Psychotherapie und Krisenintervention • Reaktive Störungen – Entstehen ohne besondere Disposition als Reaktion auf unbewältigte psychosoziale Belastungen • Belastungsstörungen („akute Belastungsstörung ICD-10: F43.0) – Seelische, körperliche und vegetative Reaktionen auf akute, kurzfristig bestehende Belastungen – Wichtig ist der unmittelbare zeitliche Zusammenhang • Anpassungsstörungen (ICD-10: F43.2) – Unzureichende Bewältigung von langfristigen Aufgaben oder chronischen Belastungen Modul 8: Reaktive Störungen: Belastungs- und Anpassungsstörungen Vulnerabilitäts-Stress-Modell Vulnerabilität, Disposition Gedanken Gefühle Prodromalsymptome Belastungen, Stress Psychische Symptome Vegetative Symptome Verhaltensstörungen Verhalten Modul 8: Reaktive Störungen: Belastungs- und Anpassungsstörungen Das Modell der Symptombildung Behandlung • Beratung – Klärend & stützend, oft bei Hausarzt – Bewirkt emotionale Entlastung, Problemklärung – Ressourcenorientiert – Soziale Maßnahmen oder Kuraufenthalte • Psychoedukation – Krankheitsinformation für Betroffene und Angehörige – Empfehlungen für Verhaltensänderungen Modul 8: Reaktive Störungen: Belastungs- und Anpassungsstörungen Beratung Modul 8: Reaktive Störungen: Belastungs- und Anpassungsstörungen Psychoedukation Nervenstoffwechsel in der Depression: Zu wenig Botenstoffe Nerv Elektrisches Signal Anti-depressiv wirksame Medikamente verhindern die Rückführung und den Abbau von Botenstoffen (Serotonin, Noradrenalin). Botenstoff Rezeptor Elektrisches Signal Modul 8: Reaktive Störungen: Belastungs- und Anpassungsstörungen Behandlung II • Krisenintervention – Bei akuten Belastungen (auch Suizid) – Behandler sehr direktiv und aktiv (Suizidpakt) – Umstände der Auslösesituation genau erarbeiten – Wertfrei und wohlwollender Kontakt – Versuch die innere Not zu verstehen – Vermeiden von Konfrontation – Einbeziehen hilfreicher Personen und Angehöriger – Vermeidung von Reaktualisierungen – Ansprechen von Gefühlen – Akzeptieren des aktuellen Verhaltens als Bewältigungsversuch Modul 8: Reaktive Störungen: Belastungs- und Anpassungsstörungen Umgang mit Suizidalität Modul 8: Reaktive Störungen: Belastungs- und Anpassungsstörungen Behandlung III • Supportive/stützende Psychotherapie – Unterstützt Persönlichkeit und gibt Hilfeleistung bei Bewältigung von Belastungen – Anpassung und Bewältigungsfunktion an die Realität soll gestärkt werden – Sehr direktiv – Therapeut vertritt defiziente Ich-Funktionen (Denken, Fühlen, Wahrnehmen, Einfühlen, Planen, Entscheiden) des Patienten, um ein Vorbild oder Identifikationsmöglichkeit zu geben Modul 8: Reaktive Störungen: Belastungs- und Anpassungsstörungen Posttraumatische Störungen ...starke Emotion Was ist ein Trauma? Seelische Verletzung durch extreme Erlebnisse (außergewöhnlich, katastrophal), die wegen Intensität / Plötzlichkeit nicht verarbeitet werden können und völlige Hilflosigkeit / Verzweiflung hervorrufen ICE-Unglück von Eschede am 3. Juni 1998 Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) Frauen : Männer 2:1 Trauma-Arten: Typ-I-Trauma: Kurz dauernd, einmalig Typ-II-Trauma: Lang andauernd, mehrfach man-made-desaster vs. natürliche Katastrophen Prävalenz abhängig von der Art des Traumas: 50-80% nach Vergewaltigung >25% nach anderen Gewaltverbrechen 20% bei Kriegsopfern 2-18% nach Verkehrsunfällen (subsyndromal zusätzlich 28%) niedrige Prävalenzraten (<10%) nach medizinischen Ereignissen ? unklare Prävalenz für sekundäre Traumatisierung bei Helfern und Angehörigen Häufige Traumaerfahrungen Schockerlebnisse: Unfälle, Katastrophen, Massive / bedrohliche Erkrankungen Mißbrauch und Gewalt: sex. Mißbrauch, Überfall, Angriff, Gewaltverbrechen Kriegs- und Folterfolgen Auch die Beobachtung von Traumatisierung und Katastrophen kann traumatisieren Häufigkeiten 25% der Bevölkerung erlebt irgendwann eine Traumatisierung PTBS zählen zu den häufigsten psychischen Störungen: ca. 5% der Allgemeinbevölkerung Nicht jeder Traumatisierte entwickelt PTBS: 10% PTBS nach Angehörigentod oder Unfall 50% (- 80%) PTBS nach Folter oder sex. Missbrauch Traumadiagnosen Akute Belastungsreaktion während oder gleich nach der Traumatisierung: Angst, Hilflosigkeit, Dissoziation, < 1 Monat Posttraumatische Belastungsstörung Intrusionen, Hyperarousals, Dissoziationen, Vermeidung, < 2 Jahre) Chronische posttraumatische Störung langjährig bis lebenslang Anhaltende posttraumatische Persönlichkeitsstörung Misstrauen, Rückzug, selbstschädigende Tendenzen Posttraumatische Spätreaktion verzögert erst nach Jahren, bei Traumaerinnerung ICD-10 Kriterien Stressor Ereignis oder Situation, die bei fast jedem tiefe Verstörung hervorrufen würde Notwendige Symptome Wiederholte unsausweichliche Erinnerung, Tagträume/Träume Andere typische Symptome Andauerndes Gefühl von Betäubtsein, emotionale Stumpfheit, Gleichgültigkeit, Anhedonie Vermeidung der Dinge, die ans Trauma erinnern Gewöhnliche Symptome Vegetatives Hyperarousal, übermäßige Schreckhaftigkeit, Schlaflosigkeit Angst & Depression Seltene Symptome Dramatische akute Ausbrüche von Angst, Panik, Wut Zeitlicher Rahmen Symptome treten gewöhnlich innerhalb von 6 Monaten nach dem belastenden Ereignis auf (verzögerter Beginn bei ca. 11% der Fälle) Traumaspezifische Störungen Intrusionen Eindrängendes, unwillentliches Wiedererleben des Traumas in der Erinnerung, Albträume mit Überflutung durch die Traumaerinnerung (Flashback) Dissoziation Zustände, in denen der Kontakt zum Alltagsbewusstsein verloren geht Hyperarousals Erregungszustände als Wiederholung von psychophysiologischen Reaktionen, die ursprünglich durch die Traumatisierung hervorgerufen wurden Neuroseähnliche Störungen Depressionen, Schuldgefühle, Selbstvorwürfe, Ängste / Phobien, Zwänge, Grübeln, Konzentrationsstörungen, Schmerzen, Konversionssymptome Normale und pathologisch posttraumatische Reaktionen Emotionaler Ausbruch Emotionaler Ausnahmezustand Furcht, Traurigkeit, Wut Emotionale Überwältigung Verleugnung Widerstand an das Trauma zu denken Intrusion Panik, Erschöpfung Ergebnis einer übersteigerten emotionalen Reaktion Extreme Vermeidung Vorstellungen und Bilder zum Trauma Extreme Maßnahmen, z.B. Drogen um emotionalen Schmerz zu ersticken Durcharbeiten Überflutungszustände Sich mit der Realität des Traumas auseinandersetzen Persistierende Flashbacks Psychosomatische Reaktionen Abschluss der Traumaarbeit Langfristige körperliche Konsequenzen Weiterleben Persönlichkeitswandel nach Horowitz 1986 Langfristiger Verlust der Fähigkeit zu Liebe und Arbeit Verläufe bei Posttraumatischen Störungen Belastung Akute Belastungsreaktion Posttraumatische Belastungsstörung Akuter Schock (ca.2 Stunden Ereignis 4 Wochen Zeit Monate bis Jahre Typische Krankheitsphasen Traumastadium Traumabegleitende Reaktion Akute Phase: Akute Traumareaktion (Tage bis 1 Monat) Posttraumatische Belastungsstörung PTSD (Wochen, kann chronifizieren) Chronische Phase Chronisches posttraumatisches Syndrom nach Jahren Latenz, Dauer 2 bis x Jahre) Posttraumatische Spätreaktion Akute Phase Komorbidität bei PTSD (rund zwei Drittel) Angstsyndrome Depressive Syndrome Somatoformen Störungen Persönlichkeitsstörungen, insbesondere mit selbstverletzendem Verhalten Substanzmißbrauch Suizidalität Chronisches Stadium Chronisches posttraumatisches Syndrom Depressive Störungen Dissoziative Störungen Konversions- und Schmerzstörungen Selbstverletzungssyndrome Spätreaktionen Pathogenese neuropsychologische Dysregulation: chronische Erregung des Hippocampus Funktionseinschränkung der zeitlichen Gedächtnisfunktion Aktualerleben der Traumaerinnerung samt averbaler Alarmreaktion Verdrängung • Verdrängung ist Teil der Traumabewältigung • Traumata aus der Kindheit werden in der Regel verdrängt und werden in Krisensituationen oder in der Psychoanalyse wieder erinnert -> Diagnostische Probleme • Problem bei Borderline-Patienten: verringerter Realitätsbezug kann bewirken, dass Traumaphantasien und Traumaerfahrungen verwechselt werden Modul 12: Posttraumatische Störungen-Traumatherapie Potentiell traumatisierende Versorgungs-Situationen im Krankenhaus (z.B. Krauseneck et al. 2005; Flatten 2005) Schwere (Verkehrs)Unfällen mit Polytrauma und gehäuften OPs Verbrennungen (prolongierte somatische Therapie) Unzureichende Sedierung während operativer Eingriffe (z.B. schnelle narkoseeinleitung; Kaiserschnitt, Notfall-OP, kardiale Eingriffe) Herzchirurgische Ops Reanimation bei Kreislaufstillstand Myokardinfarkt Herztransplantation Behandlung auf einer Intensivstation PTBS und Krebs Krebs: 4-40% Brustkrebs 13,8 % (>15% subsyndromal) Angehörige krebskranker Kinder: 13,7% Traumatisierung durch: Diagnostik Aufklärung Therapie (OP, Bestrahlung, Chemotherapie) Veränderung des sozialen Umfeldes Angst vor der Zukunft Umkehrisolation (z.B. bei Knochenmarkstransplantationen) Umkehrisolationseinheit der Abteilung für Knochenmarktransplantation M21 Die Angst war das Schlimmste. Nicht die Angst zu sterben, die hatte ich merkwürdigerweise nie. Ich meine die Angst, selbstständig und ohne Atemmaschine atmen zu müssen. Die wurde alles beherrschend und übermächtig groß, Panikattacken schüttelten mich. Ich musste von der Maschine entwöhnt werden, jeden Tag ein paar Selbst der Blick auf den Monitor, der eine hundertprozentige Sauerstoffsättigung anzeigte, beruhigte mich oft nicht. Kann man einer Maschine vertrauen? Als das Selbstverständliche, nämlich automatisch zu atmen, nicht mehr selbstverständlich war, kam die Angst. Dann kam die Angst vor der Angst. Manchmal beherrschte sie meinen ganzen Tag. Ich war abhängig von der Atemmaschine. Ich wollte nicht mit dieser »Feuchten Nase« atmen, diesem Aufsatz, den man mir auf die Kanüle im Hals gesteckt hatte, ich wollte an die Maschine. Die gab mir Ruhe und Sicherheit. Wenn jemals in meinem Leben zehn Minuten, 20, 40 Minuten lang gedauert haben, dann da. … Ich musste wieder an die Maschine. Und mich dann wieder entwöhnen. Aber die Angst ist seither nicht mehr gekommen. Und die Angst vor der Angst hat ihren Schrecken verloren. Therapie Soforthilfe Trennung von Täter und Opfer, sicheren Ort schaffen, unaufdringlich beruhigen, beim Namen nennen, Orientierung schaffen Aufbau tragender Beziehung Wiedergewinn von Autonomie und Selbstbestimmung Stabilisierung einfühlendes Aufnehmen der Gefühlszustände, kognitive Umstrukturierung, Imaginationsübungen (z.B. Tresorübung) Traumaexposition Gut vorbereitet! Förderung der Bewältigung/Verarbeitung durch gezielte Wiedererinnerung in Gedanken, Bildern und Fantasien (z.B. EMDR) Traumabearbeitung Assoziationen und Klärung unbewusster Fantasien und Bedeutungen, die mit der Traumaerfahrung verbunden sind, Desensibilisierung, negative Verstärkung, Umlernen Eye Movement Desensitization and Reprocessing - EMDR Traumabearbeitung auf neurophysiologischer Basis Erstmals beschrieben von Francine Shapiro Anfang 1990 Metaanalyse von Bisson et al. 2007 berichtet positive Erfolge bei PTSD v.a. in Kombination mit traumafokusierter kognitiver Verhaltenstherapie Wiedererinnern während angeleiteter sakkadischer oder smooth-pursuit Augenbewegungen oder auch finger-tapping Therapeut begleitet die Erinnerungen durch gelegentliche Kommentare und Anweisungen Vermutlich werden durch die Traumatisierung unterbrochene Leitungsbahnen im Gehirn durch die bilaterale Stimulation wieder aktiviert Fragen? Somatoforme Störungen Einstimmung: „Der Ärger schlägt mir auf den Magen.“ „Da bleibt mir die Spucke weg.“ „Da kommt einem die Galle hoch.“ „Er war starr vor Schreck.“ Modul 11: Somatoforme Störungen Somatoforme Störungen • Definition: psychogene vegetative und Körperfunktionsstörungen ohne organisch strukturelle Veränderungen • Jeder Zehnte ist betroffen • Ätiologie: – Reaktiv: Akute oder chronische Stressbelastung – Neurotisch: nicht zu bewältigende Konfliktsituation Modul 11: Somatoforme Störungen Somatoforme Störungen • Krankheitsentstehung und –gruppen – Somatisierungsstörungen: Vegetativum und Organe, die vom autonomen Nervensystem versorgt werden – Konversionsstörungen: Organe, die der Kontrolle des ZNS unterliegen – Mischbilder: chronisches Schmerzsyndrom, Sexualstörungen • Abgrenzungen – Hypochondrische Störungen (keine echte körperliche Symptome) – Depressive und Angststörungen (Affekt im Vordergrund) – Coenästhesie, Leibhalluzinationen Modul 11: Somatoforme Störungen Klassifikation nach ICD-10 Somatisierungsstörung F 45.0 Undifferenzierte Somatisierungsstörung F 45.1 Hypochondrische Störung F 45.2 Somatoforme autonome Funktionsstörung F 45.3 Somatoforme Schmerzstörung F 45.4 Andere somatoforme Störungen F 45.8 Nicht näher bezeichnete somatoforme Störung F 45.9 Modul 11: Somatoforme Störungen Charakteristika Somatisierungsstörung (F 45.0) • Mind. 2 Jahre anhaltende multiple und unterschiedliche körperliche Symptome, für die keine ausreichende somatische Erklärung gefunden wurde • Hartnäckige Weigerung, den Rat oder die Versicherung mehrerer Ärzte anzunehmen • Beeinträchtigung familiärer und sozialer Funktion durch Symptome und Krankheitsverhalten • Mind. 6 von 14 Symptomen aus 2 Symptomgruppen müssen vorliegen Modul 11: Somatoforme Störungen Charakteristika undifferenzierte Somatisierungsstörung (F 45.1) Körperliche Symptome müssen mind. 6 Monate vorhanden sein Kriterien einer Somatisierungsstörung müssen nicht vollständig erfüllt sein Modul 11: Somatoforme Störungen Charakteristika Hypochondrische Störung (F 45.2) • Anhaltende Überzeugungen (mind. 6 Monate) vom Vorhandensein einer oder mehrerer ernsthafter körperlicher Erkrankungen als Ursache für vorhandene Symptome trotz wiederholter negativer Befunde • Angst krank zu werden oder krank zu sein • Aufmerksamkeit und Emotionalität auf eigene Befindlichkeit eingeschränkt (Umwelt wird vernachlässigt) Modul 11: Somatoforme Störungen Charakteristika Somatoforme autonome Funktionsstörungen (F 45.3): Symptome beruhen auf einer Erkrankung eines Organs/Organsystem, das vegetativ innerviert wird Bsp: Herzneurose, Magenneurose, Reizdarmsyndrom, Hyperventilationssyndrom und Reizblase Kein Anhalt für eindeutige körperliche Störung Kein Zeitkriterium für die Dauer der Symptomatik vorhanden mind.2 Begleitsymptome (vegetative Dysregulation) z.B. Herzklopfen, Schweißausbrüche, Zittern, ... mind. ein Symptom aus einer Liste, z.B. Brustschmerzen, Hyperventilation, Ermüdbarkeit, häufiger Stuhlgang, Dysurie, ... Modul 11: Somatoforme Störungen Charakteristika Anhaltende somatoforme Schmerzstörung (F 45.4): Schmerz muss länger als 6 Monate vorhanden sein Anhaltender, schwerer und quälender Schmerz (nicht vollständig durch körperliche Störungen zu erklären) Schmerz tritt in Verbindung mit emotionalen Konflikten oder psychosozialen Problemen auf Ausschluss anderer psychischer Störungen Modul 11: Somatoforme Störungen F45.41 Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (rel. neue Diagnose) Im Vordergrund des klinischen Bildes stehen seit mindestens 6 Monaten bestehende Schmerzen in einer oder mehreren anatomischen Regionen, die ihren Ausgangspunkt in einem physiologischen Prozess oder einer körperlichen Störung haben. Psychischen Faktoren wird eine wichtige Rolle für Schweregrad, Exazerbation oder Aufrechterhaltung der Schmerzen beigemessen, jedoch nicht die ursächliche Rolle für deren Beginn. Der Schmerz verursacht in klinisch bedeutsamer Weise Leiden und Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen. Der Schmerz wird nicht absichtlich erzeugt oder vorgetäuscht (wie bei der vorgetäuschten Störung oder Simulation). Ursache Verschiebung des Erlebens von den Affekten zu den körperlichen Begleitprozessen Gegenteil von Desomatisierung (Gefühle wahrnehmen und als solche zum Ausdruck bringen) VT: Fehlgelernte physiologische Muster Modul 11: Somatoforme Störungen Klinische Manifestationen • Gastrointestinale Syndrome: Erbechen, Bauchschmerzen, Übelkeit, Blähungen, Reizdarm etc. • Herzneurosen: Herzrasen, Herzschmerz, Angst vor dem Herztod • Neue Namen: Fibromyalgie, Chronic Fatigue Syndrom, Amalgamintoxikation etc. • Beispiel Herr F., 55, Herzschmerz, am See herumgestreunt, unzufrieden in Beziehung, finanziell abhängig von seiner Frau Modul 11: Somatoforme Störungen Konversionsstörungen • Ursache: – Symbolisierung von seelischen Inhalten mit Hilfe der Körpersprache – Abwehr (zum Verdecken) von Konflikten • Klinische Manifestation: – Willkürmotorik (Muskelschwäche und Paresen, Tremor, Dyskinesien, Schluckbeschwerden, Harnverhaltung) und Sensorium (Schmerzempfinden, Berührungssinn, Gesichtsfelddefekte, Blindheit, Taubheit) – Pseudoneurologische Störungen (nichtepileptische Anfälle) Modul 11: Somatoforme Störungen ICD-10: F44 Dissoziative Störungen/ Konversionsstörungen Bewegungsstörungen - Lähmungen, Muskelschwäche Krampfanfälle Sensibilitäts- (Parästhesien) und Empfindungsstörungen Dissoziative Störungen gemischt Psychogene Anfälle (z.B. Erbrechen) Modul 11: Somatoforme Störungen Somatoforme Schmerzstörungen • Definition: – chronische Krankheiten mit psychischem Hintergrund, bedingt durch • Konversion (innere Schuldvorwürfe, Selbstbestrafung) oder • Somatisierung (Wut, Kränkungen, Verletzungen, Enttäuschungen) • Formen: – Primär: rein psychisch bedingt – Sekundär: in Verbindung mit oder in Anschluss an körperliche Erkrankungen • Hauptproblem Chronifizierung, Massnahmen: – Zügige Diagnostik – Unterlassung von unnötigen invasiven Eingriffen – Vermeidung von chronisch anhaltenden Belastungen im privaten und beruflichen Umfeld • Beispiel: Frau J., ledig, 55 J., Arbeit in Großküche, Schulterschmerzen in Zusammenhang mit Umstrukturierung und evtl. Kündigung Modul 11: Somatoforme Störungen Behandlung von somatoformen Störungen • • • • • • • • • Diagnostik zügig und konsequent Auslöse- und aktuelle Lebenssituation erfragen Partner oder Familienangehörige mit einbeziehen Psychoedukation auch auf das Umfeld ausdehnen Motivation zur Psychotherapie Vermeidung somatologischer Fehlbehandlungen Psychopharmaka nur zur kurzfristigen Beruhigung und Überbrückung PA: kurze konfliktorientierte Behandlung VT: Problemlösestrategien und Entspannung, Bewältigung statt Heilung, kleine Schritte propagieren, Erklärungsmodell erweitern, gestufte Aktivierung/ Exposition statt Schonung/ Vermeidung, weitergehende Psychotherapie nach Aushandlung Modul 11: Somatoforme Störungen Zentrale Behandlungsthemen Fragen? Neurosenentstehung aus psychodynamischer Sicht • Einstimmung auf das Thema – Was ist eine „Freudsche Fehlleistung“? – Entstehung von Krankheit aufgrund des Unbewussten ruft viel Ablehnung hervor. Weshalb? – Kultur zeigt Konflikte auf. Z. B. Hänsel und Gretel: Bindungs-Autonomie-Konflikt, dabei gibt es oft einen Konflikt zwischen zwei Menschen und Konflikt zwischen zwei Seiten in einem Menschen Modul 9: Krankheit durch Konflikt und Entwicklungsstörung Neurosenentstehung aus psychodynamischer Sicht • Definition: – Unbewältigte Erfahrung in der Lebensgeschichte, durch aktuelle Probleme aktiviert • Arten: – Entwicklungspathologie (defiziente Ich-Funktionen) • Mangelerfahrung in den ersten beiden Lebensjahren – Konfliktpathologie (z.B. Autonomie-Abhängigkeitskonflikt) • Aufrechterhaltende Faktoren: – Folgeprobleme z.B. nach Trennung – Positive Verstärkung, sekundärer Krankheitsgewinn – Iatrogene Fixierung (Zuwendung durch den Arzt) Modul 9: Krankheit durch Konflikt und Entwicklungsstörung Neurosenentstehung aus psychodynamischer Sicht • Entwicklungspathologie: Mangelerfahrungen führen zu defizienten Ich-Funktionen – Planendes Denken, geplantes Handeln – Wahrnehmung und Differenzierung von Gefühlen – Kontrolle von Gefühlen und Impulsen – Entwicklung eines Bewusstseins von sich selbst – Unterscheidung zwischen der eigenen Person und Anderen – Einfühlung in Andere – Integration von widersprüchlichen Wahrnehmungen Modul 9: Krankheit durch Konflikt und Entwicklungsstörung Neurosenentstehung aus psychodynamischer Sicht Konfliktpathologie: Nicht bewältigte Entwicklungskonflikte zwischen dem 2. und 6. Lj. und im Jugendalter, die Basisbedürfnisse (u.a. Besitz, Fürsorge, Sicherheit, Geltung) betreffen. Aufeinandertreffen entgegengesetzter Verhaltenstendenzen (Motivation, Bedürfnisse, Wünsche) Gelungener Umgang: „Ich“ lernt zwischen den inneren und äußeren Ansprüchen zu vermitteln Modul 9: Krankheit durch Konflikt und Entwicklungsstörung Neurosenentstehung aus psychodynamischer Sicht Motive nach Lichtenberg: 1. 2. 3. 4. 5. Physiologische Bedürfnisse Bedürfnis nach Bindung Bedürfnis nach Selbstbehauptung Bedürfnis nach Rückzug Bedürfnis nach sinnlichem Vergnügen Modul 9: Krankheit durch Konflikt und Entwicklungsstörung Neurosenentstehung aus psychodynamischer Sicht • Zentrale Konflikte: Autonomie-Abhängigkeits-Konflikt zwischen Bindung und Unabhängigkeit Trennungskonflikt zwischen Verharren und Verselbstständigung Unterwerfungs-Kontroll-Konflikt Versorgungs-Autarkie-Konflikt zwischen (passiver) Versorgung (Fürsorge) und Eigenständigkeit Selbstwertkonflikt zwischen Minderwertigkeitsgefühl und Selbstüberschätzung Schuldkonflikt zwischen Schuldgefühlen und Wunsch nach Wiedergutmachung Ödipal-sexueller Konflikt zwischen sexuellem Begehren und sexuellen Verboten Identitätskonflikt zwischen Zugehörigkeitsgefühl und Unbezogenheit. Modul 9: Krankheit durch Konflikt und Entwicklungsstörung Neurosenentstehung aus psychodynamischer Sicht • Symptome sind unterschiedlich • Häufige neurotische Störungen: – Dysthymie – Phobie – Angststörung – Zwangsstörung – Hypochondrie – Depersonalisation/Derealisation Modul 9: Krankheit durch Konflikt und Entwicklungsstörung Neurosenentstehung aus psychodynamischer Sicht • Beispiel Frau M, 22-jährige Polizistin – Streng und religiös erzogen, schnell Gewissensbisse – Seit 2 Jahren neuen Freund (Trainer im Sportclub) – Seit 4 Monaten quälende Vorstellungen, sie habe jemanden auf die Straße gestoßen oder mit dem Auto überfahren (ich-dyston) – Zeitgleich: Kollegin will in Urlaub und Pat. muss ihren geplanten Urlaub mit Freund absagen • Diagnose? Wahnvorstellungen? Auslöser? Modul 9: Krankheit durch Konflikt und Entwicklungsstörung Neurosen aus Sicht der VT • Definition – Neurose ist eine erlernte Fehlanpassung – Auslöser: Stressoren • Prinzipien der VT – Klassische Konditionierung – Operante Konditionierung – Soziale Lerntheorie – Kognitives Lernen Modul 10: Krankheit als gelerntes Fehlverhalten Klassische Konditionierung • Thorndike: Lernen ist eine Bildung von Assoziationen zwischen Situationen (S) und Reaktionen (R) durch einen Organismus Wichtige Gesichtspunkte der Assoziationen sind: sie folgen dem Gesetz des Effekts zusammengehörige Verbindungen werden leichter erlernt die Bildung von Assoziationen führt zu Erwartungen über Effekte von Reaktionen Modul 10: Krankheit als gelerntes Fehlverhalten Klassische Konditionierung • Pawlow: Neutraler Reiz (Glocke) + unkonditionierter Reiz (Futter) führen zu unkonditionierter Reaktion (Speichelfluss) Nach häufiger Wiederholung wird der neutrale Reiz zum konditionierten Reiz und reicht aus um die konditionierte Reaktion hervorzurufen Experimentelle Neurose • Beispiel Katzenphobie (Katze + erschreckt werden -> Angst) Modul 10: Krankheit als gelerntes Fehlverhalten Operante Konditionierung • Skinner: B.F. Skinner in Harvard circa 1950 Verhalten wird wiederholt, wenn es belohnt wird (Gesetz der Wirkung) Darbietung Entfernung Positiver Stimulus Positive Verstärkung Löschung Aversiver Stimulus Bestrafung Negative Verstärkung Modul 10: Krankheit als gelerntes Fehlverhalten Soziale Lerntheorie • Modelllernen nach Bandura: – Drei Formen : • Aufbau neuer Verhaltensweisen • Modifikation bestehender Verhaltensweisen • Schaffung diskriminativer Hinweisreize – Voraussetzungen: 1. Aufmerksamkeitsprozesse 2. Gedächtnisprozesse 3. Motorische Reproduktionsprozesse 4. Motivations- und Verstärkungsprozesse Modul 10: Krankheit als gelerntes Fehlverhalten Soziale Lerntheorie „Bobo doll“ Experiment von Bandura und Walters (1965): • Vierjährige Kinder, Film zeigt Rocky, sehr aggressiv gegenüber Puppe "Bobo" (schlagen, treten, Schimpfworte, ...), drei verschiedenen Gruppen • • • • mit unterschiedlichem Ende (Verstärkung, Bestrafung, keine Konsequenz). Anschließend durften Kinder in einem Raum mit vielen Spielsachen (u.a. Bobo) spielen War Rocky zuvor gelobt worden, wurde sein Verhalten von vielen Kindern imitiert. War Rocky zuvor bestraft worden, wurde sein Verhalten von wenigen Kindern imitiert. War aber den Kindern eine Belohnung (Süßigkeit) versprochen worden, falls sie das Gesehene nachspielten, zeigten alle das gesehene Verhalten. Modul 10: Krankheit als gelerntes Fehlverhalten Kognitives Lernen Situation Verhalten Ergebnis Anforderungen Handlung Folge Erwartung der Selbsteffizienz Erwartung der Verhaltenseffektivität • Attributionstheorien: Zuschreibung von Gründen, Ursachen und Erklärungen zu bestimmten Ereignissen • Fehlattribuierungen: Bestimmte Ereignisse, z.B. Herzstolpern, können durch falsche Bewertungen („Ich bin bedrohlich krank..“) intensiviert werden -> angstverstärkender Zirkel verstärkt die körperliche Fehlregulation Modul 10: Krankheit als gelerntes Fehlverhalten Methoden der Verhaltenstherapie • Konfrontations- und Bewältigungsverfahren • • • • • Systematische Desensibilisierung Konfrontation mit Reaktionsverhinderung Flooding, Implosion, graduierte Konfrontation Training in Angstbewältigung Trainings in Selbstsicherheit • Operante Methoden • • • • Methoden zum Aufbau von Verhalten Strategien zum Abbau von Verhalten Strategien zur Stabilisierung von Verhalten Strategien des Kontingenzmanagements • Modelllernen • Modelle kognitiver Therapien • • • • • A. Ellis: Rational-Emotive Therapie Kognitive Therapie: Das Modell von A. T. Beck Kognitive Verhaltenstherapie nach D. Meichenbaum Problemlösen nach D´Zurilla & Goldfried Paradoxe Interventionsansätze Modul 10: Krankheit als gelerntes Fehlverhalten Angststörungen • Angst als physiologische Reaktion: steigert und fokussiert akut die Leistungsbereitschaft erhöht chronisch die Vorsicht dient dem Überleben beinhaltet physische und psychische Aspekte korreliert nicht immer mit der objektiven Gefahr beim Menschen in Wechselwirkung mit Kognition und sozialen Phänomenen trägt entscheidend zu einer sicheren zwischenmenschlichen Bindung bei erinnert an die kontinuierliche Bedrohung der Existenz Modul 10: Krankheit als gelerntes Fehlverhalten Angststörungen • Manifestation auf unterschiedlichen Ebenen: Subjektive Ebene: bestimmte Kognitionen (z.B. Gefahr, Katastrophe, Beschämung) Motorische Ebene: Verhaltensweisen (z.B. Fliehen, Vermeiden, Erstarren) Physiologischer Ebene: körperliche Reaktionen (z.B. sympathikotone Innervation: Blutdruckanstieg, Herzrasen, Schwitzen, beschleunigte Atmung usw., Stresshormonantwort) • Pathologie: Unverhältnismäßig: kein oder ein zu geringer Anlass (z.B. beim Anblick einer Spinne) Unvernünftig: Betroffener sieht Angst als widersinnig an Vermeidungsverhalten Alltagsbehinderung: Lebensqualität ist eingeschränkt Kontrollverlust Modul 10: Krankheit als gelerntes Fehlverhalten Angststörungen Verhaltenstherapie bei Angststörungen Kognitive Vorbereitung (Teufelskreis der Angst) Konfrontation in sensu (z.B. systematische Desensibilisierung) Konfrontation in vivo (z.B. Flooding, Reizüberflutung) Modelllernen Kognitive Umstrukturierung Üben Einbezug von Partnern Modul 10: Krankheit als gelerntes Fehlverhalten Angststörungen Teufelskreis der Angst Körperliche Symptome Wahrnehmung Körperliche Veränderungen Gedanken (z.B. Gefahr) ANGST Modul 10: Krankheit als gelerntes Fehlverhalten Fragen? Modul 14 Verhaltensstörungen am Beispiel von Essstörungen Lernziele (Ehrmann et al.) Einfluss sozialer Ideale aufs Körperbild Unterschied zwischen Anorexie & Bulimie Unterscheidung der Schweregrade der Essstörungen und Erläuterung der Unterschiede Erklaerung des Begriffs Familiendynamik Funktion des Symptomtraegers in der Dynamik von „AN-Familien“ Therapie nicht nur zur vordergruendigen Veraenderung des Essverhaltens Prinzip der stationaeren Therapie bei Essstoerungen Definition Verhalten Verhalten Nach außen und auf die eigene Person gerichtete Lebensäußerungen des Menschen Art und Weise wie er mit Umwelt und sich selbst in Beziehung steht Wie er handelt und eine bewusste oder unbewusste Absicht verwirklicht Verhaltensstörungen Verhaltensstörungen sind pathologische Verhaltensmuster von Krankheitswert D.h. -> Handlungsmotivation wird unmittelbar in krankhaftes Verhalten umgesetzt, aber Hintergrunderlebnisse wie Angst oder Depressionen bleiben hinter den Störungen verborgen Verhaltensstörungen Essstörungen (häufig in psychosomatischer Behandlung) Abhängigkeits- und Suchtverhalten Autoaggressives Verhalten Sexuelle Verhaltensstörungen Suizidales Verhalten Essstörungen - Historisches William Withey Gull, 1874 In… 1868, I referred to a peculiar form of disease occurring mostly in young women, and characterized by extreme emaciation.... At present our diagnosis of this affection is negative, so far as determining any positive cause from which it springs…. The subjects…are…chiefly between the ages of sixteen and twenty-three.... My experience supplies at least one instance of a fatal termination.... Death apparently followed from the starvation alone..... The lack of appetite is, I believe, due to a morbid mental state.... We might call the state hysterical...... Essstörungen - Statistik *Prävalenz 0.9% Frauen erkranken an Bulimia Nervosa (BN) 1.5% Frauen erkranken an Anorexia Nervosa (AN) 2% Frauen erkranken an Binge eating disorder *AN 1:10 (m:f) *BN 1:20 (m:f) LMU – 3 Männer mit AN in den letzten 10 Jahren (ca. 80 Frauen) Rund 1/3 der Patienten stirbt an den Folgen der AN *Hudson et al 2007: National Comorbidity Survey Essstörungen - Statistik Fotomodelle for 25 Jahren -> 8% weniger Gewicht als Durchschnittsfrau Fotomodelle heute -> 23% weniger Gewicht Schaufensterpuppen -> 10% weniger Hueftumfang als in den 20er Jahren 90% aller Frauen moechten gern abnehmen, 77% haben nicht ihre Traumfigur 50% aller Jugendlichen bis 18 Jahren bereits eine Diaet hinter sich 95% aller Diaeten funktionieren nicht ... Outcome und Prognose: AN 33-55% vollständig bzw. gut remittiert 10-38% tw. remittiert bzw. mittlerer Outcome 10-50% schlecht 1.4-16% verstorben Prädiktoren für negatives Outcome Niedriger BMI zu Behandlungsbeginn Später Beginn (>20Jahre) Längere Krankheitsdauer Komorbidität mit anderen psychischen Störungen bzw. höheres Ausmass sozialer & psychologischer Probleme (z.B. Perfektionismus) Heisshungeranfälle und Erbrechen Körperliche Folgeschäden Outcome und Prognose: BN 20-60% Restsymptomatik 50-74% vollständig remittiert 1% verstorben Prädiktoren für negatives Outcome Höhere Erbrechensfrequenz zu Behandlungsbeginn Reduktion des Erbrechens um weniger als 70% während der ersten 6 Sitzungen Impulsivität, Substanzmissbrauch Verhaltens- & körperliche Symptome bei Essstörungen (%) Body Mass Index Arten von Essstörungen (ICD-10) F50.0 Anorexia nervosa F50.1 Atypische Anorexia nervosa F50.2 Bulimia nervosa F50.3 Atypische Bulimia nervosa F50.4 Essattacken bei anderen psychischen Störungen (psychogene Essattacken) F50.5 Erbrechen bei anderen psychischen Störungen (psychogenes Erbrechen) F50.8 Sonstige Essstörungen (z.B. Esssucht) F50.9 Essstörung, nicht näher bezeichnet (z.B. Binge eating disorder) Aus: Fichter (2008) Magersucht und Bulimie Anorexia Nervosa F50.0 Gewicht von mindestens 15% unter erwartetem Gewicht oder BMI von ≤17.5 Gewichtsverlust selbst herbeigefuehrt durch Vermeidung hochkalorischer Nahrungsmittel Selbstinduziertem Erbrechen Extreme körperliche Aktivität Appetitzügler oder Diuretika Körperschemastörung in Form massiver Angst dick zu werden & sehr niedrige persönliche Gewichtsschwelle Störung im Bereich der HPA-Axe die sich durch Amenorrhoe oder Libido- und Potenzverlust (bei Männern) zeigt Pubertäre Entwicklung bei Beginn der Erkrankung vor der Pubertät verzögert oder gehemmt Risikofaktoren der AN Psychodynamische Perspektive Anorexia Nervosa Identitaetsstörungen ->Konflikthafte Selbstfindung Probleme mit Geschlechtsrollenidentität Sexualprobleme (aufs Essen verschoben) -> Askese als Abwehr Ablösungskonflikte (Autonomie-Abhängigkeit) Auslösesituation: Gewahrwerden von Veränderungen > Kontrolle behalten wollen F 50.2 Bulimia Nervosa Übermässige Beschäftigung mit Essen, Figur, Gewicht, Essattacken mit Verzehr grosser Mengen an Nahrung in kurzer Zeit (≥2x / Woche) und Gefühl des Kontrollverlusts Versuch dem dickmachenden Effekt von Nahrungsmitteln durch verschiedene ausgleichende Verhaltensweisen entgegenzusteuern: selbst herbeigeführtes Erbrechen Missbrauch von Abführmitteln zeitweilige Hungerperioden Einnahme von Appetitzüglern, Schilddrüsenpräparaten oder Diuretika (Purging-Verhalten) Krankhafte Furcht dick zu werden Psychodynamische Perspektive Bulimia Nervosa Selbstwertproblematik & Autonomiekonflikte Probleme mit Kontaktaufnahme Hingabeängste und Entscheidungskonflikte in Bezug auf Beziehungen, Beruf etc. Angst vor Kritik, Selbstverlust, Selbstaufgabe Familiendynamik Wechselseitigkeit der Beziehungen zwischen Menschen, die ein System bilden, das eigene Gesetzmässigkeiten hat (z.B. Gruppenerhalt in Familie wichtiger als Individualbedürfnisse) Häufig findet man bei Patienten mit AN eine ausgeprägte Familiendynamik Autonomiefeindlichkeit, Unabgegrenztheit Bevormundungen Verschiebung von Dominanzkonflikten Familiendynamik bei AN-Patienten Negative Gefühle (Ärger, Spannung, Überforderung etc.) sind tabu -> Fokus liegt auf dem pathologischen Verhalten des AN-Kindes Positive Gefühle werden oft nicht wahrgenommen oder geäussert Starke Kontrolle unterdrückt Autonomie der Familienmitglieder Wichtig -> Familienzusammenhalt -> Symptomträger muss diese Aufgabe erfüllen Therapie von Essstörungen Ziel: Klärung, Bearbeitung und Stabilisierung des persönlichen Hintergrundes um eine Normalisierung des Essverhaltens zu erreichen Verschiedene Schweregrade der Erkrankung Anorektische und bulimische Reaktionen im Jugendalter im Zusammenhang mit Abgrenzung, Rollenfindung Chronifizierende AN oder BN weist auf eine tiefere Persönlichkeitsproblematik hin Stationäre Therapie von Essstörungen Verhaltensprogramme Essprotokoll Behandlungsvertrag über Gewichtszunahme & Konsequenzen bei Nichteinhalten Konfliktbearbeitung /Verhaltenstherapie Begleitende Familiengespräche Behandlungselemente (VT) Normalisierung von Essverhalten und Gewicht Problemanalyse Gewichtskurve Abbau der “Schwarzen Liste” Umgang mit Heisshungerattacken & Erbrechen Stimuluskontrolle & Reaktionsverhinderung Stationäre Massnahmen zur Gewichtsstabilisierung Bearbeitung der zugrundeliegenden Problembereiche Problemanalyse Kognitive Techniken Soziales Kompetenztraining Familientherapie Verbesserung der Koerperwahrnehmung Körperübungen, Körpererfahrungen Kognitive Techniken Aus: Jacobi et al. (2004) Essstörungen Patienten in der Praxis Ausgehen von eher längerfristigen Verläufen mit wechselnden Phasen Problematik ansprechen, informieren über Krankheit und Folgen, aber nicht zuviel Druck Bei Jugendlichen Eltern einbeziehen Auf Gewicht und sonstige Gesundheitsparameter achten Regelmäßige Kontrolltermine vereinbaren Versuchen, Begleiter der PatientIn zu werden Fragen? Persönlichkeitsstörungen Dipl-Psych. PP Thore Zuber Verhaltenstherapie Klinische Hypnose Supervision http://psychpraxzuber.de Persönlichkeit: „Die Summe der Eigenschaften, die jedem Individuum die charakteristische Unverwechselbarkeit gibt“ Persönlichkeitsstörungen sind schwer von ungestörtem, tolerierten Verhalten zu unterscheiden. Persönlichkeitsstörungen: sind selten isoliert zu sehen, sondern beziehen durch gestörte zwischenmenschliche Kommunikation auch andere ein. Warum Persönlichkeits- „Störung“? Abweichung von Normen und Erwartungen „stört“ u.a. andere Verhalten ist für die Person nachteilig, es beeinträchtigt das erfolgreiche Bewältigen beruflicher und sozialer Anforderungen und führt indirekt zu Leiden. Ich-Syntonie, Verhalten wird vom Betreffenden als „zu-mir-gehörig“, nicht wesensfremd, empfunden. Es besteht kein unmittelbarer Leidensdruck, dieser kommt indirekt zustande. Das interpersonale Verhalten spielt eine grosse Rolle. Big Five I Extroversion (kontaktfreudig- zurückhaltend) Verträglichkeit (friedfertig- streitsüchtig) Gewissenhaftigkeit (gründlich- nachlässig) Big Five II Neurotizismus (entspannt- überempfindlich) Offenheit (kreativ- phantasielos) Persönlichkeitsstörungen Krankheit, wenn subjektives Befinden und soziale Anpassung eingeschränkt sind - wenn der Betroffene oder seine Umgebung unter der Störung leidet Allgemeine Merkmale Diagnostische Leitlinien: Die Zustandsbilder sind nicht direkt auf Hirnschädigungen oder -krankheiten oder auf eine andere psychiatrische Störung zurückzuführen und erfüllen die folgenden Kriterien: Allgemeine Merkmale Deutliche Unausgeglichenheit in den Einstellungen und im Verhalten in mehreren Funktionsbereichen wie Affektivität, Antrieb, Impulskontrolle, Wahrnehmen und Denken sowie in den Beziehungen zu anderen. Allgemeine Merkmale Das abnorme Verhaltensmuster ist andauernd und nicht auf Episoden psychischer Krankheiten begrenzt. Das abnorme Verhaltensmuster ist tiefgreifend und in vielen persönlichen und sozialen Situationen eindeutig unpassend. Allgemeine Merkmale Die Störungen beginnen immer in der Kindheit oder Jugend und manifestieren sich auf Dauer im Erwachsenenalter. Die Störung führt zu deutlichen subjektiven Leiden, manchmal erst im späteren Verlauf. Allgemeine Merkmale Die Störung ist meistens mit deutlichen Einschränkungen der beruflichen und sozialen Leistungsfähigkeit verbunden. Persönlichkeitsstörungen in der Klassischen Typologie und in den modernen Klassifikationssystemen E. Kraepelin, E. Kretschmer K.Schneider, ICD-9 Paranoid Schizoid Explosibel Gemütsarm Stimmungslabil Geltungsbedürftig Dissozial Emotional instabil Histrionisch Selbstunsicher Willenlos Zwanghaft Selbstunsicher Dependent Anankastisch Depressiv 143 DSM-IV Paranoid Schizoid Schizotypisch } Fanatisch Schizoid ICD-10 - Borderline Typ - impulsiver Typ Antisozial Borderline Histrionisch Narzisstisch Selbstunsicher Dependent Zwanghaft (Passiv-aggressiv)* (Depressiv)* * vorgeschlagene Forschungskriterien Cluster-Einteilung nach DSM-IV und ICD-10 Paranoide Persönlichkeitsstörung I Persönlichkeitsstörungen mit folgenden Merkmalen: Übertriebene Empfindlichkeit auf Zurückweisung und Zurücksetzung. Paranoide Persönlichkeitsst. II nachtragend bei Kränkungen oder Verletzungen mit Neigung zu ständigem Groll. Misstrauen und eine starke Neigung, Erlebtes zu verdrehen, indem neutrale oder freundliche Handlungen anderer als feindlich oder verächtlich missgedeutet werden. Paranoide Persönlichkeitsstörungen III Neigung zu pathologischer Eifersucht Tendenz zu überhöhtem Selbstwertgefühl in Verbindung mit ständiger Selbstbezogenheit. Paranoide Persönlichkeitsstörungen IV Streitsüchtiges oder beharrliches, situations- unangemessenes Bestehen auf eigenen Rechten. Inanspruchnahme durch Gedanken an Verschwörungen als Erklärung für Ereignisse in der näheren Umgebung und in aller Welt. Schizoide Persönlichkeitsstörung I Persönlichkeitsstörung mit folgenden Merkmalen: Unvermögen zum Erleben von Freude (Anhedonie). Emotionale Kühle, Absonderung oder flache Affektivität und Unvermögen, warme zärtliche Gefühle anderen gegenüber oder auch Ärger zeigen. Schwache Reaktion auf Lob oder Kritik Schizoide Persönlichkeitsstörung II Wenig Interesse an sexuellen Erfahrungen mit einer anderen Person (unter Berücksichtigung des Alters). Übermäßige Vorliebe für Phantasie, einzelgängerischen Verhalten, in sich gekehrte Zurückhaltung. Mangel an engen, vertrauensvollen Beziehungen. Schizoide Persönlichkeitsst. III Deutliche Mängel im Erkennen und Befolgen gesellschaftlicher Regeln, mit der Folge von exzentrischem Verhalten. Ausschluss: Schizophrenie schizotype Störung Asperger- Syndrom Dissoziale Persönlichkeitsstörung I Diese Persönlichkeitsstörung fällt durch eine große Diskrepanz zwischen dem Verhalten und den geltenden sozialen Normen auf und ist charakteristisch durch: Dickfelliges Unbeteiligtsein gegenüber den Gefühlen anderer und Mangel an Empathie. Deutliche und andauernde Verantwortungslosigkeit und Missachtung sozialer Normen, Regeln und Verpflichtungen. Dissoziale Persönlichkeitsst. II Unvermögen zur Beibehaltung längerfristiger Beziehungen. Sehr geringe Frustrationstoleranz und niedrige Schwelle für aggressives, auch gewalttätiges Verhalten. Unfähigkeit zum Erleben von Schuldbewusstsein und zum Lernen aus Erfahrung, besonders aus Bestrafung. Dissoziale Persönlichkeitsst. III Neigung, andere zu beschuldigen oder vordergründige Rationalisierung für das eigene Verhalten anzubieten, durch das die Person in einen Konflikt mit der Gesellschaft gerät. Andauernde Reizbarkeit Ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung I Andauernde und umfassende Gefühle von Anspannung und Besorgtheit. Ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung II Gewohnheitsmäßige Befangenheit und Gefühle von Unsicherheit und Minderwertigkeit. Andauernde Sehnsucht nach Zuneigung und Akzeptierwerden. Überempfindlichkeit gegenüber Zurückweisung und Kritik Ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung III Weigerung zur Aufnahme von Beziehungen, solange der betreffenden Person nicht unkritisches Akzeptierwerden garantiert ist; sehr eingeschränkte persönliche Bindungen. Ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung IV Gewohnheitsmäßige Neigung zur Überbetonung potentieller Gefahren der Risiken alltäglicher Situationen, bis zur Vermeidung bestimmter Aktivitäten, ohne das Ausmaß phobischer Vermeidung. Eingeschränkter Lebensstil wegen des Bedürfnisses nach Gewissheit und Sicherheit. Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung I Unentschlossenheit, Zweifel und übermäßige Vorsicht als Ausdruck einer tiefen persönlichen Unsicherheit. Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung II Perfektionismus, Bedürfnis nach ständiger Kontrolle und peinlich genaue Sorgfalt, was zur Bedeutung der Aufgabe in keinem Verhältnis steht und bis zum Verlust des Überblicks über die allgemeine Situation führt. Übermäßige Gewissenhaftigkeit, Skrupelhaftigkeit und unverhältnismäßige Leistungsbezogenheit unter Vernachlässigung von Vergnügen und zwischenmenschlicher Beziehungen. Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung III Pedanterie und Konventionalität mit eingeschränkter Fähigkeit zum Ausdruck warmer Gefühle. Rigidität und Eigensinn, wobei anderen gegenüber auf einer Unterordnung unter eigene Gewohnheiten bestanden wird. Anakastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung IV Andrängen beharrlicher und unerwünschter Gedanken oder Impulse, die nicht die Schwere einer Zwangsstörung erreichen. Bedürfnis zu frühzeitigem, detailliertem und unveränderbaren Vorausplanen aller Aktivitäten. Histrionische Persönlichkeitsstörung I Dramatisierung bezüglich der eigenen Person, theatralisches Verhalten, übertriebener Ausdruck von Gefühlen. Suggestibilität, leichte Beeinflussbarkeit durch andere. Histrionische Persönlichkeitsstörung II oberflächliche und labile Affektivität Egozentrik, Selbstbezogenheit und fehlende Bezugnahme auf andere. Dauerndes Verlangen nach Anerkennung, erhöhte Kränkbarkeit. Histrionische Persönlichkeitsstörung III Verlangen nach aufregender Spannung und nach Aktivitäten, in denen die betreffende Person im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht. andauernd manipulatives Verhalten zur Befriedigung eigener Bedürfnisse. Dazugehörige Begriffe: - infantile Persönlichkeit(sstörung) - hysterische Persönlichkeit(sstörung) Abhängige (asthenische) Persönlichkeitsstörung I Überlassung der Verantwortung für wichtige Bereiche des eigenen Lebens an andere. Unterordnung eigener Bedürfnisse unter die anderer Personen, zu denen eine Abhängigkeit besteht, und unverhältnismäßige Nachgiebigkeit gegenüber den Wünschen anderer. Abhängige (asthenische) Persönlichkeitsstörung II Mangelnde Bereitschaft zur Äußerung angemessener Ansprüche gegenüber Personen, zu denen eine Abhängigkeit besteht. Selbstwahrnehmung als hilflos, inkompetent und schwach. Abhängige (asthenische) Persönlichkeitsstörung III Häufige Ängste vor Verlassenwerden und ständiges Bedürfnis, sich des Gegenteils zu versichern; beim Alleinsein sehr unbehagliche Gefühle. Erleben von innerer Zerstörtheit und Hilflosigkeit bei der Beendigung einer engen Beziehung. Bei Missgeschick neigen diese Personen dazu, die Verantwortung anderen zuzuschieben Emotional instabile Persönlichkeitsstörung I Eine Persönlichkeitsstörung mit deutlicher Tendenz, Impulse auszuagieren ohne Berücksichtigung von Konsequenzen, und wechselnder, launenhafter Stimmung. Die Fähigkeit, vorauszuplanen, ist gering und Ausbrüche intensiven Ärgers können zu oft gewalttätigem und explosiven Verhalten führen; Emotional instabile Persönlichkeitsstörung Il dieses Verhalten wird leicht ausgelöst, wenn impulsive Handlungen von anderen kritisiert werden. Impulsiver Typ Die wesentlichen Charakterzüge sind emotionale Instabilität und mangelnde Impulskontrolle. Ausbrüche von gewalttätigem und bedrohlichem Verhalten sind häufig, vor allem bei Kritik durch andere. Impulsiver Typ II Dazugehörige Begriffe: Reizbare (explosible) Persönlichkeit(sstörung) Aggressive Persönlichkeit(sstörung) Ausschluss: Dissoziale Persönlichkeit(sstörung) Borderline Typus Einige Kennzeichen emotionaler Instabilität sind vorhanden, zusätzlich sind oft das eigene Selbstbild, Ziele und “innere Präferenzen“ (einschließlich der sexuellen) unklar und gestört. Die Neigung zu intensiven, aber unbeständigen Beziehungen kann zu wiederholten emotionalen Krisen führen mit Suiziddrohungen oder selbstbeschädigenden Handlungen (diese können auch ohne deutliche Auslöser vorkommen). Ätiologische Faktoren bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung Biologische Faktoren genetische Belastung - Temperament perinatal entstandene Läsionen - Frontalhirnschädigung neuronale Reorganisationsvorgänge in Abhängigkeit von Lern- und Beziehungserfahrungen Biographische Faktoren Bindungsstil Erziehungsstil - mangelndes „delay of gratification“ (Belohnungsaufschub) - mangelnde Vermittlung kognitiver Kontrollmechanismen familiärer Interaktionsstil - chaotisch, desorganisiert - feindselig - invalidierend fortgesetzte Traumatisierungen Situative Faktoren lebensgeschichtliche Belastungen Reaktualisierung des ungelösten Autonomie/Abhängigkeitskonfliktes Persönlichkeitsanteile bei einer „Borderline“-Struktur symbiotisch bedürftiges Baby liebes, die Eltern idealisierendes Kleinkind verletzte(s), misstrauische(s) Kind(er) wütendes Kind, oft in seinem Wutausdruck nach außen blockiert (deshalb oft selbstverletzend) Beschützeranteile (zurückgezogen, lauernd, kontaktabwehrend) funktionierende, von ihren Gefühlen abgespaltene erwachsene Anteile den seelischen Schmerz unterdrückende Überlebens-IchAnteile (Drogen konsumierend, Sexualität als Ablenkungsstrategie, Selbstverletzung) schwach ausgeprägte gesunde seelische Strukturen Menschen mit einem Bindungstrauma sind schwer erreichbar Weil sie Angst vor einer emotionalen Öffnung und der Konfrontation mit ihrem traumati- sierten Anteilen haben. Weil sie niemandem mehr vertrauen. Weil sie von anderen nur weitere Gewalt und Abwertungen befürchten. Sie existieren die meiste Zeit in einem Überlebensmodus. Transgenerationale Folgen Traumatisierte Mütter verlieren ihre Bindungsfähigkeit. Kinder traumatisierter Mütter erleiden eine Bindungstrauma. Söhne werden leicht zur nächsten Generation traumatisierender Männer („Täterstruktur“). Frauen werden leicht zur nächsten Generation traumatisierter Frauen („Opferstruktur“). Das Bindungssystem-Trauma setzt sich in der nächsten Eltern-Kind-Generation fort. Entwicklung der DialektischenBehavioralen Therapie (DBT) Entwicklung der DBT in den 80er Jahren durch Prof. Dr. Marsha Linehan in Seattle/USA Zunächst störungsspezifisches Programm zur Therapie von Pat. mit BPS BPS als Affektregulationsstörung Reduktion von suizidalem und selbstschädigendem Verhalten oberste Priorität Darüber deutliche Reduktion der Behandlungs-kosten (bis zu 9000 $/Jahr/Pat.; Linehan & Heard, 1999) 178 Kennzeichen der DBT D = Dialektisch Balance Akzeptanz / Veränderung B = Behavioral Verhaltenstherapeutische Basis T = Therapie Integratives Vorgehen 179 Kennzeichen der DBT - Techniken der Balance Akzeptanz Veränderung Validierung Veränderungsstrategien Im Moment sein Der Zielhierachie folgen Miteinander Eigene Grenzen beachten Warme, zugewandte Kommunikation Provokative, freche Kommunikation 180 Kennzeichen der DBT - Balance in der Beziehung - 181 Kennzeichen der DBT - Integratives Vorgehen • • • • • Verhaltenstherapie Kognitive Therapie Gesprächspsychotherapie Gestalttherapie Östliche Philosophie 182 Standard DBT - Therapiebausteine • • • • • Ambulante Einzel-Psychotherapie Telefonkontakte Ambulantes Skillstraining Supervision Ergänzende Behandlungen z.B. Pharmakotherapie, stationäre Behandlung 183 Standard DBT - Behandlungsziele • Behandlungsziele – Reduktion gegenwärtigen suizidalen und selbstverletzenden Verhaltens – Reduktion therapiegefährdenden Verhaltens – Reduktion von Verhaltensweisen, die die Lebensqualität einschränken – Verbesserung von Verhaltensfertigkeiten • • • • Achtsamkeit Zwischenmenschliche Fähigkeiten Bewusster Umgang mit Gefühlen Stresstoleranz 184 Narzisstische Persönlichkeitsstörung Die narzisstische Persönlichkeitsstörung wird heute nicht im Sinn von Selbstverliebtheit verstanden, sondern viel häufiger als Bedrohtheit des Selbstwertgefühls bzw. ausgeprägte Selbstwertunsicherheit: Bedürfnis nach Bewunderung, Mangel an Empathie grandioses Gefühl der eigenen Wichtigkeit Ausbeuterisch in zwischenmenschlichen Beziehungen Arroganz, Neid Brüchiges Selbstwertgefühl Depressive Verstimmungen in Zusammenhang mit Kränkungserlebnissen Narzisstische Persönlichkeitsstörung Die eigene Selbstwertunsicherheit fördert überhebliches und arrogantes Auftreten. Durch Kritik, Infragestellung und Versagungen ist die narzisstische Persönlichkeit hochgradig kränkbar. Die Selbstregulation erfolgt durch Abwehrmechanismen wie Entwertung des Anderen und/oder Aggression. Die Diskrepanz zwischen „Real – Selbst“ und „Ideal – Selbst“ kann nicht ertragen werden, weil der Betroffene den damit verbundenen Insuffizienzgefühlen (Unzulänglichkeitsgefühle, Schwächegefühle) nicht gewachsen ist. Narzisstische Persönlichkeitsstörung Nicht selten geht die narzisstische Persönlichkeitsstörung mit der BorderlinePersönlichkeitsstörung Hand in Hand. Aus diesem Grund kann es passieren, dass Ärzte die Narzisstische Persönlichkeitsstörung mit der Borderline-Störung gleichsetzen. Möglichkeiten bei der Gesprächsführung Interesse an der ganzen Person deutlich machen (Beziehungskredit aufbauen). Positive Ressourcen anerkennen und betonen. Raum für (auch überzogene) Selbstdarstellung geben. Konkurrenz- und Machtkämpfe vermeiden. Konfrontation nicht als Aufzeigen von Defiziten, sondern als Angebot, über mögliche Konsequenzen von Veränderung nachzudenken (Kosten – Nutzen – Effekt). Wunsch nach Kontrolle, Anerkennung und „sich verlassen können“ deutlich machen. Verantwortlichkeiten klären und benennen. Biographische Zusammenhänge klären (Welche Strategien zur Problembewältigung hat der Patient bereits entwickelt?). Achtsamkeit und Interesse Wach und präsent sein Ruhig und intensiv zuhören können, ohne bereits damit beschäftigt zu sein, Antworten zu formulieren Nicht zu früh mit der eigenen Meinungsbildung beginnen, sondern zunächst eine beobachtende und interessierte Haltung einnehmen. Die zunächst geübte Meinungszurückhaltung ist nicht gleichzusetzen mit einer dauerhaften Nichtbeurteilung. Die „achtsam“ gewonnene Meinung oder Beurteilung ist fundierter. Die Konfrontation mit dieser Meinung/Beurteilung wird beim Gegenüber auf größeres Interesse stoßen, wenn er zuvor das Interesse an der eigenen Person bzw. an den eigenen Äußerungen gespürt hat. Abwehrreaktionen werden verringert, wenn die Konfrontation nicht als Entlarvung oder Aufdeckung eines Fehlverhaltens, sondern als Angebot, über bestimmte (problematische) Verhaltensweisen nachzudenken, vorgebracht wird. So schafft Interesse die notwendige Nähe, ohne distanzlos zu werden, während die Achtsamkeit für eine distanzierte und aktive Betrachtung sorgt, ohne die passiven und lähmenden Eigenschaften des bloßen Misstrauens. Therapie von Persönlichkeitsstörungen Therapieziel kann zumeist nicht Heilung sein, sondern eine bestmögliche Kompensation Im Vordergrund stehen Psychotherapie, Soziotherapie Hauptproblem: Motivation Therapieziele Verbesserung der psychosozialen Kompetenz Strukturierung des Umfeldes Bearbeitung dysfunktionaler Verhaltensweisen Umsetzung des „Erlernten“ Verbesserung der Beziehungsfähigkeit durch verbesserte Selbst- und Fremdwahrnehmung Verbesserung der Selbststeuerung bzw. Selbstkontrolle Aufbau reiferer Abwehrmechanismen zur Selbstwertsteuerung Argumente für eine Behandlung der Persönlichkeitsproblematik Argumente, die eher dagegen sprechen, die Persönlichkeitsproblematik zu behandeln Der Patient erlebt sich mit seinem bisherigen Interaktionsstil als gescheitert in verschiedenen Bereichen (v.a. Partnerschaft, Beruf). Der Patient hat – zumindest aus seiner subjektiven Sicht – weder in partnerschaftlichen Beziehungen noch im Beruf Schwierigkeiten. Er hat zumindest erste Einsichten, dass diese Schwierigkeiten (auch) mit seinem eigenen Verhalten zu tun haben könnten. Wenn er Schwierigkeiten hat, attribuiert er ausschließlich auf die anderen (z.B. Mobbing). Jüngeres bis mittleres Alter. Höheres Alter. Eine längerfristige koordinierte Behandlung zwischen ambulantem und stationärem Setting ist möglich und der Patient hierfür motiviert. Eine sinnvolle Behandlung ist aus verschiedenen Gründen nicht möglich. Der Patient verfügt in verschiedenen Lebensbereichen (z.B. Finanzen, Wohnung) über eine gewisse Stabilität Instabilität in allen (oder den meisten) Lebensbereichen. 192 Die Rolle von Psychopharmaka Wenige Untersuchungen Wenig Evidenz für Wirksamkeit v.a. von psychiatrischer Komorbidität bestimmt n.b. Serotonin spielt in der Impulskontrolle eine Rolle Weiters: CBZ, Lithium, Antipsychotika Danke für Ihre Aufmerksamkeit 194