Morphologie und synaptische Interaktion von Neuronen einer

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September 2004
X. Jahrgang
D 13882 F
ISSN 0947-0875
3.04
Morphologie und synaptische Interaktion von Neuronen einer kortikalen Kolumne
Funktionelle Magnetresonanz-Tomografie des menschlichen Gehirns
Thrombin-verwandte Proteasen als Signalmoleküle im Gehirn
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Neuroforum 3/04
217
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INHALT
INHALT
179
HAUPTARTIKEL
Zum Titelbild: Eine reife und eine unreife
Körnerzelle (grün) im hippocampalen
Hirnschnitt der Ratte sind in ein Netzwerk
von GFAP-positiven Gliazellen (rot) eingebettet (Siehe Artikel des Quartals S. 244).
n
.......
Joachim Lübke und Dirk Feldmeyer
Morphologie und synaptische Interaktion von Neuronen
einer kortikalen Kolumne
220
Peter Dechent und Jens Frahm
Funktionelle Magnetresonanz-Tomografie des menschlichen Gehirns
229
Tanuja Rohatgi und Georg Reiser
Thrombin-verwandte Proteasen als Signalmoleküle im Gehirn:
Protease-aktivierte Rezeptoren bei neuronaler Schädigung und Neuroprotektion
237
Neurowissenschaftliche
Gesellschaft
Vorstand der
Amtsperiode 2003/2005
Präsident:
Prof. Dr. Herbert Zimmermann,
Frankfurt/M.
Vizepräsident:
Prof. Dr. Klaus-Peter Hoffmann, Bochum
Schatzmeister:
Prof. Dr. Andreas Draguhn, Heidelberg
ARTIKEL DES QUARTALS
Christoph Schmidt-Hieber, Peter Jonas, Josef Bischofberger
Enhanced synaptic plasticity in newly generated granule cells of
the adult hippocampus
244
INSTITUTSVORSTELLUNG
Ralf Gold und Mathias Bähr
Interdisziplinäres Institut für MS-Forschung in Göttingen
Bereich Humanmedizin der Universität Göttingen und
Gemeinnützige Hertie-Stiftung
247
Generalsekretär:
Prof. Dr. Helmut Kettenmann, Berlin
Sektionssprecher
Computational Neuroscience:
Prof. Dr. Klaus Pawelzik, Bremen
Entwicklungsneurobiologie/Neurogenetik:
Prof. Dr. Sigrun Korsching, Köln
INTERNETVORSTELLUNG
Jürgen Konrad Mai und ThomasVoß
„ATLAS of the HUMAN BRAIN“
249
Klinische Neurowissenschaften:
Prof. Dr. Mathias Bähr, Göttingen
NACHRICHTEN AUS DER NEUROWISSENSCHAFTLICHEN GESELLSCHAFT
Kognitive Neurowissenschaften
und Verhalten:
Prof. Dr. Niels Birbaumer, Tübingen
NWG Preis für den Bundeswettbewerbes Jugend forscht 2004
Protokoll der Mitgliederversammlung am 12. Juli 2004
während des FENS Forum 2004 in Lissabon
246
251
Molekulare Neurobiologie:
Prof. Dr. Hans Werner Müller, Düsseldorf
STELLENMARKT
252
Neuropharmakologie und -toxikologie:
Prof. Dr. Werner J. Schmidt, Tübingen
HEIMKEHRERBÖRSE
253
Systemneurobiologie:
Prof. Dr. Hermann Wagner, Aachen
BÜCHER
Zelluläre Neurobiologie:
Prof. Dr. Tobias Bonhoeffer, Martinsried
Neuroforum 3/04
Gehirn und Verhalten
253
AUSBLICK/IMPRESSUM
254
219
MORPHOLOGIE UND SYNAPTISCHE INTERAKTION VON NEURONEN EINER KORTIKALEN KOLUMNE
Morphologie und synaptische
Interaktion von Neuronen einer
kortikalen Kolumne
Joachim Lübke und Dirk Feldmeyer
Zusammenfassung
Ein grundlegendes Prinzip des Neokortex ist seine Organisation in funktionelle Kolumnen und ein weitreichendes horizontales System neuronaler Verbindungen. Diese
Kolumnen mit ihren Netzwerken von Neuronen, die für alle sensorischen Hirnregionen nachgewiesen wurden, sind maßgeblich an der Generierung unterschiedlichster
Wahrnehmungsprozesse unseres Gehirns beteiligt. Bisher ist jedoch relativ wenig darüber bekannt, wie komplexe Sinnesleistungen auf zellulärer Ebene verarbeitet werden.
In den letzten zehn Jahren wurden zahlreiche neuronale Verbindungen innerhalb und
zwischen kortikalen Schichten funktionell und strukturell untersucht. Eine der wichtigsten Techniken ist dabei die simultane Patch-clamp Ableitung synaptisch gekoppelter Neurone bei gleichzeitiger intrazellulärer Biocytin-Füllung, die eine korrelierte
Struktur-Funktionsanalyse erlaubt. Neben Gemeinsamkeiten zeigten sich jedoch große Unterschiede hinsichtlich der funktionellen und morphologischen Eigenschaften
der synaptischen Transmission. Daraus folgt die Notwendigkeit, jede einzelne neuronale Verbindung separat zu beschreiben. Ziel dieser Untersuchungen ist letztlich, die
Interaktion der einzelnen Verbindungen innerhalb des neuronalen Netzwerkes einer
kortikalen Kolumne zu verstehen.
Abstract
Morphology and synaptic interaction between neurons in a cortical column
A basic feature of the neocortex is its organisation into functional columns and a longrange horizontal system of neuronal connections. These columns together with their
network of neurones, present in all sensory cortices, are the cellular substrate for sensory perception in the brain. Currently, relatively little is known how these complex
functions are realised at the level of individual neurones or networks.
In the last decade numerous neuronal connections within or between cortical layers
have been studied both at a functional and structural level. Paired patch-clamp recordings from synaptically coupled neurones combined with simultaneous biocytinfillings is one of the most important techniques allowing a correlated structure-function analysis. Besides similarities, clear differences with respect to both physiology and
morphology of synaptic transmission were found. Therefore it is essential to investigate each neuronal connection individually. The aim of these studies is to understand
the interaction of individual neuronal connections within the framework of a cortical
column.
Key words: cortical column, synaptic transmission, cortical signal flow, neuronal connectivity, synaptic efficacy
Einleitung
Ein generelles Organisationsprinzip sensorischer Areale des Neokortex ist ihre Gliederung in funktionelle vertikal orientierte
Kolumnen. Das Konzept der kolumnären Organisation der Hirnrinde geht in erster Linie
auf grundlegende Untersuchungen zur Repräsentation der Mechanorezeption im so
220
genannten „Fässchen“- oder „Barrel“-Feld
des somatosensorischen Kortex zurück
(Mountcastle 1957; Mountcastle und Powell
1959). Ein zentraler Befund dieser Arbeiten
war, dass alle Neurone einer vertikalen,
durch alle kortikalen Schichten verlaufenden Kolumne nur durch eine der im somatosensorischen Kortex repräsentierten Sinnesmodalitäten (in diesem Fall: Schnurrhaarbe-
wegung, Druckwahrnehmung der Haut und
Tiefensensibilität) erregt werden. Diese klare
Trennung einzelner sensorischer Modalitäten in alternierenden Kolumnen, in denen
Neurone ähnliche Eigenschaften besitzen,
führte zum Konzept der funktionellen kolumnären Organisation sensorischer Kortizes.
Mit der Entdeckung von Orientierungs-,
Richtungs- und okulären Dominanzkolumnen im visuellen Kortex durch Hubel und
Wiesel (1962, 1963) wurde dieses Organisationsprinzip bestätigt und erweitert.
Neben den funktionellen vertikalen Kolumnen existiert ein diskontinuierliches,
weitreichendes System von intra- bzw. translaminären neuronalen Verbindungen, welche
zum einen verschiedene kortikale Areale,
zum anderen die kortikalen Schichten miteinander verbinden. Dieses weitreichende
System ist jedoch im Wesentlichen auf
exzitatorische Neurone beschränkt. Diese
Verbindungen scheinen bei der Synchronisation von räumlich nicht benachbarten, weit
auseinander liegenden Ensembles von Pyramidenneuronen kortikaler Kolumnen mit
ähnlicher Funktion, z.B. okulärer Dominanz
und/oder ähnlicher Richtungs- bzw. Orientierungsspezifität, eine wichtige Rolle zu
spielen.
Ein besonders attraktives System zum Studium neuronaler Netzwerke innerhalb einer
kortikalen Kolumne ist der so genannte „Barrel“-Kortex von Nagetieren. Diese „Barrels“
stellen die topographisch exakte Repräsentation des Schnurrhaarsystems von Nagern
im Neokortex dar. Dabei ist jedem Schnurrhaar ein definiertes „Barrel“ zugeordnet
(Woolsey und van der Loos 1970). Im Vergleich zu anderen sensorischen Kortizes ist
hier die Definition einer kortikalen Kolumne anhand struktureller Merkmale viel klarer, da die „Barrels“ schon im ungefärbten
Präparat sichtbar sind (Abbildung 1C). Zudem ist die Zuordnung zum peripheren Rezeptor und zur sensorischen Modalität eindeutig, so dass eine klare Struktur-Funktionsbeziehung möglich ist.
Ein Weg, derartige Struktur-Funktionsbeziehungen zu untersuchen ist das akute Gehirnschnittpräparat. Ein grundlegender Vorteil gegenüber in vivo Experimenten im
Ganztier ist hierbei der relativ einfache Zugang zu den neuronalen Strukturen, so dass
gezielte Messungen von identifizierten Neuronen unter optischer Kontrolle möglich sind
(Abbildung 1A, B). Erste simultane Ableitungen von synaptisch gekoppelten Neuronen des Neokortex wurden von Thomson
und Mitarbeitern (1994) publiziert. In dieser Arbeit wurden synaptische Verbindungen
zwischen Pyramidenzellen der kortikalen
Neuroforum 3/04
Abb. 1: Synaptisch gekoppelte, exzitatorische Neurone in Schicht 4
und Schicht 2/3 des „Barrel“-Kortex. Infrarot-Differenzialinterferenzkontrast (IR-DIC)-Aufnahmen einer postsynaptischen Pyramidenzelle
in Schicht 2/3 (A) und einer präsynaptischen Sternzelle in Schicht 4
(B) bei hoher Mikroskopvergrößerung. Die beiden Elektroden in (C)
zeigen die relative Lage des prä- und postsynaptischen Neurons
zueinander. Im ungefärbten Gehirnschnittpräparat sind drei benachbarte „Barrels“ gut zu erkennen, die durch Septa eindeutig
voneinander getrennt sind. Die beiden synaptisch gekoppelten
Neurone liegen direkt in bzw. oberhalb eines kortikalen „Barrels“,
d.h. beide Neurone sind in derselben kortikalen Kolumne lokalisiert.
Schichten 5 und 6 abgeleitet und anschließend morphologisch dargestellt. Dadurch konnte eine Beziehung zwischen der Amplitude
des exzitatorischen postsynaptischen Potentials und der Anzahl der
synaptischen Kontakte hergestellt werden; d.h. hier wurden erstmals
funktionelle Eigenschaften synaptischer Transmission mit morphologischen Parametern korreliert. Leider waren von über 1000 gemessenen Neuronenpaaren nur 35 tatsächlich miteinander verbunden, und nur bei drei Verbindungen war ein qualitativ ausreichender
Strukturerhalt gegeben, so dass viele wichtige Aspekte synaptischer
Transmission weiterhin ungeklärt blieben.
Ein Durchbruch waren gezielte simultane Patch-clamp Ableitungen von identifizierten Pyramidenzellen der Schicht 5 (Markram et
al. 1997). Dieser experimentelle Ansatz ermöglicht, gezielte Fragen
zu funktionellen und strukturellen Parametern synaptischer Transmission zu stellen: Welche Rolle spielen funktionelle Faktoren wie
die Größe und der Zeitverlauf der postsynaptischen Leitfähigkeitsänderung bei der Effizienz der synaptischen Übertragung und wie
beeinflussen morphologische Faktoren wie die dendritische Konfiguration, axonale Projektion sowie die Anzahl und Verteilung synaptischer Kontakte zusammen mit den aktiven und passiven elektrophysiologischen Eigenschaften des prä- und postsynaptischen
Neurons die Effizienz synaptischer Übertragung?
Individuelle synaptische Verbindungen wurden dann systematisch
durch Verwendung des „Barrel“-Kortex-Gehirnschnittpräparats in
Bezug auf das neuronale Netzwerk einer kortikalen Kolumne untersucht (Feldmeyer et al. 1999). Hier wurde der Versuch unternommen, die Konnektivität oder Verbindungsrate am Beispiel von exzitatorischen Neuronen der Schicht 4 abzuschätzen und einen Bezug
zur kolumnären Struktur herzustellen (Lübke et al. 2000; s.a. Abbildung 1, 3). Dadurch wurde erstmals ein Brückenschlag zwischen
der zellulären Beschreibung neuronaler Verbindungen und der Systemebene erreicht.
In den folgenden Kapiteln wird der heutige Kenntnisstand zur
Morphologie und Physiologie synaptischer Transmission im Neokortex anhand der wichtigsten Parameter zusammengefasst und basierend auf diesen Erkenntnissen versucht, den Signalfluss in einer
kortikalen Kolumne darzustellen.
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Neuroforum 3/04
221
MORPHOLOGIE UND SYNAPTISCHE INTERAKTION VON NEURONEN EINER KORTIKALEN KOLUMNE
Abb. 2: Uni- und bidirektionale (reziproke) synaptische Verbindung. (A) Ein Aktionspotential in Zelle 1 löst kein exzitatorisches postsynaptisches Potential (EPSP) in Zelle 2 aus;
umgekehrt löst ein Aktionspotential in Zelle 2 ein EPSP in Zelle 1 aus; die Verbindung ist
demnach uni-direktional. (B) Aktionspotentiale in Zelle 1 als auch in Zelle 2 lösen EPSPs
in Zelle 2 bzw. Zelle 1 aus; d.h. die Verbindung ist bidirektional; in derartigen Verbindungen kommt es zu rekurrenter Erregung.
re Grundprinzipien der kortikalen Organisation und neuronalen Verschaltung gibt. Qualitativ kann zwischen lokalen, intralaminären
Verbindungen (innerhalb einer kortikalen
Schicht) und translaminären (zwischen einzelnen kortikalen Schichten) bzw. transkolumnären (zwischen kortikalen Kolumnen)
unterschieden werden. Darüber hinaus ist die
synaptische Verschaltung entweder uni-direktional oder reziprok (bidirektional; Abbildung
2). Während die uni-direktionale Verschaltung
einen einseitig gerichteten Signalfluss bedingt, ermöglicht die bidirektionale Kopplung
eine rekurrente Erregung bzw. eine Rückkopplungsinhibition (Feed-back inhibition).
Die überwiegende Zahl der bisher untersuchten synaptischen Verbindungen des Neokortex ist lokal (d.h. innerhalb einer Distanz
von <150 µm) und intralaminar. Dies gilt für
exzitatorische, aber mehr noch für inhibitorische synaptische Verbindungen. Ein hoher
Prozentsatz der intralaminären Verbindungen
ist reziproker Natur. Nach heutigem Kenntnisstand sind translaminäre Verbindungen dagegen uni-direktional (Thomson 1997; Reyes und Sakmann 1999; Tarczy-Hornoch et al.
1999; Feldmeyer et al. 2002). Die synaptische Signaltransduktion ist ebenfalls gerichtet und zwar im Wesentlichen von den sensorischen Relay-Kernen des Thalamus nach
Schicht 4 des Neokortex, der ersten Station
kortikaler Signalverarbeitung (Abbildung 3,
4). Von dort wird die synaptische Erregung
über exzitatorische Neurone der kortikalen
Schicht 4 zunächst auf Pyramidenzellen der
Schicht 2/3 und dann auf solche der Schicht
5 übertragen, d.h. der Informationsfluss ist
strikt uni-direktional. In Übereinstimmung
hiermit finden sich synaptische Verbindungen
222
zwischen Schicht 4 und Schicht 2/3 (Feldmeyer et al. 2002) bzw. Schicht 2/3 und Schicht 5
häufig (Thomson 1997; Reyes und Sakmann
1999). Synaptische Verbindungen von Schicht
5 nach Schicht 2/3 sind dagegen bis heute
nicht nachgewiesen worden.
Auf zellulärer Ebene spielt die Zielspezifität der Axone zur Beschreibung der Konnektivität individueller neokortikaler Verbindungen eine wesentliche Rolle. Dabei kommt
sowohl zelluläre (d.h. neuronenklassenspezifische) wie auch subzelluläre Zielspezifität
vor, d.h. synaptische Kontakte terminieren an
einem bestimmten neuronalen Kompartiment,
entweder am Soma, den Dendriten oder am
Axonhügel. Für die verschiedenen Klassen
GABAerger Interneurone ist eine derartige
Zielspezifität seit langem bekannt; Untersuchungen an exzitatorischen synaptischen Verbindungen haben jedoch gezeigt, dass auch
hier eine gerichtete Termination axonaler
Boutons (Verdickungen des Axons im Bereich
eines synaptischen Kontakts) vorliegt.
Kartierungen zur räumlichen Verteilung
synaptischer Verbindungen von Pyramidenneuronen der kortikalen Schicht 5 mittels
Kombination von Patch-clamp Ableitungen
und durch Photolyse freigesetztes Glutamat
aus einer licht-sensitiven inaktiven Vorstufe
(engl. caged-compounds) haben gezeigt, dass
offensichtlich Subpopulationen von Pyramidenneuronen in der Schicht 5 existieren. Diese
weisen in Bezug auf ihre synaptischen Eingänge schichtenspezifische Unterschiede auf
(Schubert et al. 2001). Leider kann mit diesem Versuchsansatz der Ursprung dieser Inputs (d.h. die Projektionsneurone), welche zur
synaptischen Antwort beitragen, nur unzureichend zurückverfolgt werden.
Quantitativ wird die Konnektivität eines gegebenen Netzwerks durch die Häufigkeit der
synaptischen Kopplung zwischen verschiedenen Neuronentypen bestimmt. Dabei sind allerdings folgende Punkte kritisch zu betrachten und bei der Berechnung von Konnektivitätsraten zu berücksichtigen: (1) Die experimentelle Wahrscheinlichkeit bzw. der Bias
(Erfahrung, Selektion häufig vorkommender
Neuronentypen usw.), im akuten Gehirnschnitt eine Verbindung zu finden; (2) Die
Wahrscheinlichkeit synaptisch gekoppelter
Neurone in akuten Gehirnschnitten stimmt
nicht mit dem tatsächlichen Grad der Konnektivität in vivo überein; (3) Synaptisch gekoppelte Neurone zeigen ein weites Spektrum
unterschiedlicher Morphologien bezüglich
ihres axonalen Projektionsmusters, der Dichte
und Verteilung axonaler Boutons und ihrer
Anordnung (z.B. in Form neuronaler Cluster)
innerhalb einer Hirnregion oder in einer kortikalen Kolumne.
Der Grad der Konnektivität einer Verbindung wurde zuerst an Hand der experimentellen Erfolgsrate, eine synaptische Verbindung zu finden, bestimmt. Dies ist jedoch kein
allzu verlässlicher Parameter, da je nach experimentellen Bedingungen die Konnektivitätsrate starken Schwankungen unterliegt, wie
das Beispiel exzitatorischer Schicht 5-Verbindungen verdeutlicht (1.4%, Thomson et al.
1993; 15%, Markram et al. 1997; 10%,
Sjöström et al. 2001). Die experimentelle Erfolgsrate kann daher nur als ein grobes Maß
zur Beschreibung der Konnektivität einer
Verbindung herangezogen werden. Um zu
realistischen Angaben zu kommen, müssen
also Parameter wie die räumliche Verteilung
und Dichte synaptischer Boutons, die mittlere Anzahl synaptischer Kontakte pro Verbindung und die Anzahl von Neuronen, die innerhalb des rezeptiven Feldes des präsynaptischen Axons liegen, für die Berechnung der
Konnektivität mit einbezogen werden. Bis
heute liegen solche Analysen nur für intralaminäre Verbindungen zwischen Schicht 5-Pyramidenzellen (15-25%, Markram 1997) und
exzitatorischen Neuronen der Schicht 4 vor
(20%, Feldmeyer et al. 1999). Aber auch hier
bleibt unberücksichtigt, dass die Konnektivitätsrate mit steigender Distanz der prä- und
postsynaptischen Neurone (intra- vs. transkolumnäre Verbindungen) deutlich abnimmt und
stark von der unterschiedlichen Dichte und
Verteilung synaptisch gekoppelter Neurone in
den einzelnen kortikalen Schichten (Feldmeyer et al. 1999, 2000) und von der Zielspezifität einzelner Neurone einer gegebenen Verbindung beeinflusst wird (Lübke et al. 2000,
2003). Diese Abhängigkeit wird besonders
deutlich, weil z.B. der Anteil reziproker
Neuroforum 3/04
Verbindungen (~30% für intralaminäre Verbindungen) die berechnete Konnektivitätsrate deutlich übersteigt. Reziproke kortikale Verbindungen werden als Feed-back -Verstärker synaptischer Signale
angesehen, obwohl der Nettoeffekt der Verstärkung kritisch von der
synaptischen Effizienz, der Feed-forward-Hemmmung und dem Vorkommen bzw. der Dichte solcher Verbindungen abhängt (Douglas
et al. 1995; Chance et al. 1999).
Ein weiterer wichtiger Parameter zur Beschreibung der Konnektivität ist die Anzahl und Verteilung synaptischer Kontakte am postsynaptischen Neuron. Die Zielspezifität synaptischer Kontakte GABAerger
Interneurone auf Prinzipalneurone oder andere GABAerge Interneurone ist im Gegensatz zu rein exzitatorischen Verbindungen relativ
gut untersucht (Kawaguchi und Kubota 1997, 1998; Tamás et al.
1997, 1998; Finnerty et al. 1999; Galarreta und Hestrin 1999, 2001;
Gupta et al. 2000; Krimer und Goldmann-Rakic 2001; Kaiser et al.
2004). Dabei etablieren die Axone GABAerger Interneurone en passant Boutons an spezifischen Kompartimenten des Zielneurons, d.h.
entweder am Soma, an den Dendriten oder direkt am Axoninitialsegment, welches den unterschiedlichen Einfluss der Hemmung auf
die postsynaptische Partnerzelle (selektive Unterdrückung synaptischer Inputs an unterschiedlichen Kompartimenten des Zielneurons,
Blockade der Initiierung von Na+ und Ca2+ Spikes usw.) und damit
auch innerhalb eines Netzwerks erklärt.
Neuere Studien zu synaptischen Verbindungen zwischen exzitatorischen Neuronen des Neokortex zeigen eindeutig, dass sich solche Verbindungen auch durch eine hohe Zielspezifität auszeichnen.
In allen bisher untersuchten Verbindungen sind synaptische Kontakte exklusiv nur am Dendritenschaft bzw. an dendritischen Dornenfortsätzen (engl. spines) zu finden, und dort hauptsächlich an
sekundären und tertiären basalen Dendriten (63-85%) lokalisiert (Makram et al. 1997a; Feldmeyer et al. 1999, 2002; Lübke et al. 2000,
2003; Silver et al. 2003). Die große Mehrzahl synaptischer Kontakte befindet sich zudem relativ nah am Soma (~100 µm) und trägt so
auf Grund der geringen elektrotonischen Distanz zur synaptischen
Effizienz bei, da die elektrische Filterung des postsynaptischen Potentials nicht sehr stark ist.
Interessanterweise scheint es Ausnahmen zur Verteilung synaptischer Kontakte einer exzitatorischen Verbindung zu geben. Die bisher beschriebenen Verbindungen sind alle durch eine synaptische
Innervationsdomäne gekennzeichnet, die sich hauptsächlich im Bereich der basalen Dendriten des postsynaptischen Neurons befindet.
Für die Verbindungen zwischen Pyramidenzellen der Schicht 2/3
und der Schicht 5 sind synaptische Kontakte nicht nur an basalen
Dendriten lokalisiert, sondern auch in der Nähe der Endverzweigung des apikalen Dendriten. Dies ist die Region, an der dendritische Kalzium-Aktionspotentiale ausgelöst werden, so dass hier
EPSPs zu deren Auslösung beitragen können.
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Signalfluss in einer kortikalen
Kolumne (Kanonischer Signalfluss)
Der Signalfluss bzw. die Signalverarbeitung in einer kortikalen Kolumne ist für die exzitatorische Transmission mittlerweile recht gut
untersucht. Neben funktionellen Eigenschaften wie Konnektivität, Effizienz und Verlässlichkeit synaptischer Verbindungen bestimmen
strukturelle Charakteristika wie die dendritische Konfiguration, axonale Projektion sowie die Anzahl und Verteilung morphologisch identifizierter synaptischer Kontakte den Signalfluss bzw. Signalverarbeitung einer kortikalen Kolumne.
Sensorische Signale aus der Peripherie erreichen über die spezifischen Relay-Kerne des Thalamus die Eingangsstation des Neokortex,
Neuroforum 3/04
223
MORPHOLOGIE UND SYNAPTISCHE INTERAKTION VON NEURONEN EINER KORTIKALEN KOLUMNE
Abb. 3: Synaptische Verbindungen im Signalfluss einer kortikalen Kolumne. NEUROLUCIDA
Rekonstruktionen synaptisch verbundener Paare exzitatorischer Neurone in der Signalkette
einer kortikalen Kolumne. Die Dendriten der präsynaptischen Neurone sind rot dargestellt
und ihre Axone in blau. Die postsynaptischen Neurone sind in weiß wiedergegeben und ihre
Axone in grün. Der Signalfluss ist so dargestellt wie in Abbildung 4 detailliert beschrieben.
die Schicht 4 (Abbildung 3, 4). Die thalamokortikalen Afferenzen terminieren zum
großen Teil an exzitatorischen Sternzellen,
d.h. diese Zellen repräsentieren die erste Station kortikaler Signalverarbeitung. Für den
visuellen und den somatosensorischen Kortex konnte gezeigt werden, dass synaptische
Verbindungen dieser Neurone durch eine
hohe Effizienz gekennzeichnet sind, welche
unter anderem durch die Höhe der mittleren
EPSP-Amplitude (1.0-1.6 mV) und der geringen Fehlerrate (<5%) bzw. dem niedrigen
Koeffizienten der Variation (CV < 0.4; Quotient aus der Standardabweichung und dem
Mittelwert der EPSP-Amplitude; er gibt die
relative Varianz des mittleren Messwertes
an) ausgedrückt wird (Stratford et al. 1996;
Tarczy-Hornoch et al. 1999; Feldmeyer et
al. 2002). Einige dieser Schicht 4-Verbindungen sind so stark, dass es zur Auslösung postsynaptischer Aktionspotentiale kommt, die
wahrscheinlich auf die vergleichsweise
hohe Beteiligung von NMDA-Rezeptoren
(~ 40%) an der Gesamtamplitude zurückzuführen sind (Feldmeyer et al. 1999). Auf
Grund der hohen Konnektivität zwischen exzitatorischen Sternzellen dieser Schicht
(Feldmeyer et al. 1999; Lübke et al. 2003)
kommt diesen Neuronen nicht nur eine
Schlüsselstellung bei der Signalübertragung,
sondern auch eine „Feed-back-Verstärker“Funktion selbst schwacher sensorischer Signale aus der Peripherie zu (Douglas et al.
1995).
Morphologisch sind exzitatorische Sternzellen durch die vertikale, auf die Kolumne
beschränkte, Projektion ihres Axons charakterisiert (Abbildung 3, 4). Diese Axonkollateralen ziehen dabei durch alle kortikalen
Schichten mit einer präferentiellen Projektion in Schicht 2/3, wo die en passant Bou224
tons zielspezifisch an Pyramidenneuronen zu
finden sind. Der Signalfluss von Schicht 4
nach Schicht 2/3 (translaminar) ist uni-direktional, d.h. nur in Richtung der Schicht
2/3 und nicht umgekehrt und bleibt auf die
Kolumne beschränkt (Feldmeyer et al. 2002;
Lübke et al. 2003; s. a. Abbildung 3, 4).
Obwohl die Distanz zwischen prä- und
postsynaptischem Neuron nicht unerheblich
ist, ist diese synaptische Verbindung trotz
ihrer relativ niedrigen Effizienz (mittlere
EPSP-Amplitude 0.7 mV) sehr zuverlässig.
Für die Signalübertragung von Schicht 4
nach Schicht 2/3 scheint daher eine wesentlich höhere Schwelle der Aktivierung bzw.
die gleichzeitige Rekrutierung vieler Sternzellen notwendig zu sein. Pyramidenneuronen der Schicht 2/3 kommt folglich eher eine
Filterfunktion für die laterale Ausbreitung
der Erregung innerhalb dieser Schicht zu.
Im Gegensatz zur kolumnären Organisation der Axone der exzitatorischen Schicht
4-Neurone verfügen Schicht 2/3-Pyramidenneurone über zwei axonale Domänen: eine
vertikale, hauptsächlich kolumnär organisierte Domäne und ein weitreichendes diskontinuierliches System horizontaler Verbindungen präferentiell in den Schichten 2/3
und 5, mit einer Projektion individueller
Axonkollateralen von 2-4 mm über die Kortexoberfläche (Abbildung 3).
An dieser Stelle des Neokortex kann der
Signalfluss zwei Richtungen nehmen, entweder innerhalb der Kolumne (intrakolumnär) oder über Kolumnen hinweg (transkolumnär). Die Zielstruktur von Schicht 2/3Pyramidenzellaxonen sind hauptsächlich
andere Schicht 2/3- oder Schicht 5-Pyramidenneurone. Für synaptische Verbindungen
(Paarableitungen) zwischen Pyramidenneuronen der Schicht 2/3 liegen bis heute haupt-
sächlich Befunde zur lokalen (Distanz
zwischen prä- und postsynaptischen Neuron
~ 50 µm), intrakolumnären (Reyes und
Sakmann 1999; Atzori et al. 2001; Feldmeyer et al. 2003; Thomson und Bannister 1998,
2003) und nur eine Arbeit zur transkolumnären Konnektivität (Yoshimura et al. 2000)
vor. Der Signalfluss innerhalb von Schicht
2/3 ist sowohl uni- (Atzori et al. 2001) als
auch bidirektional und wird über die vertikale und horizontale axonale Domäne vermittelt.
Obwohl die Konnektivität von Pyramidenneuronen der Schicht 2/3 lokal (Radius von
~ 100 µm) sehr hoch ist, ist die Effizienz
dieser Verbindung vergleichsweise niedrig
(mittlere EPSP Amplitude 0.3-1.0 mV).
Auch die Wahrscheinlichkeit der Neurotransmitter-Freisetzung (probability of release,
kurz Pr) und die synaptischen Antworten
nach repetitiver Stimulation sind bei diesen
Verbindungen in verschiedenen sensorischen
Kortizes sehr unterschiedlich. Während im
auditorischen Kortex zwei Subpopulationen
synaptischer Schicht 2/3-Pyramidenzell-Verbindungen, eine mit niedrigem Pr (0.13) und
eine zweite mit hohem Pr (0.68) vorkommen,
existieren im Barrel-Kortex nur solche mit
hohem Pr (0.93). Synaptische Verbindungen
zwischen Neuronen gleichen Typs aber unterschiedlichen physiologischen Eigenschaften sind auch für den motorischen, somatosensorischen und visuellen Kortex nachgewiesen (Thomson 1997).
Diese Befunde implizieren, dass sowohl
innerhalb eines sensorischen Areals als auch
zwischen sensorischen Kortizes sehr heterogene Verbindungstypen zwischen Pyramidenzellen der kortikalen Schicht 2/3 existieren. Die Signaltransduktion über diese Verbindungen ist daher in verschiedenen sensorischen Arealen sehr unterschiedlich und
wahrscheinlich dem jeweiligen sensorischen
Input angepasst. Zudem repräsentieren
Schicht 2/3-Pyramidenzellen eine sehr heterogene Population innerhalb der Klasse der
Pyramidenneurone hinsichtlich ihrer dendritischen Geometrie und axonalen Projektion,
die möglicherweise das morphologische
Substrat für die Unterschiede in funktionellen Eigenschaften darstellen. Intralaminäre
Schicht 2/3-Pyramidenzellverbindungen
sind integrative Elemente der Signalverarbeitung innerhalb einer kortikalen Kolumne. Über ihr diskontinuierliches System weitreichender horizontaler Axone findet die
transkolumnäre Signaltransduktion statt.
Eine mögliche Funktion könnte daher in der
Synchronisation elektrischer Aktivität neuronaler Ensembles mit ähnlichen funktionellen Eigenschaften über einen großen Bereich
Neuroforum 3/04
JOACHIM LÜBKE UND DIRK FELDMEYER
der Kortexoberfläche, d.h. über mehrere kortikale Kolumnen hinweg, liegen.
Die andere Zielstruktur von Schicht 2/3Pyramidenzellaxonen sind Pyramidenzellen
der Schicht 5, die in der Regel eine große
terminale dendritische Endaufzweigung in
Schicht 1 ausbilden. Die Pyramidenzellen der
Schicht 5 stellen neben denen der Schicht 6
das „Output“-System des Neokortex dar, z.B.
in verschiedene subkortikale Gehirnregionen
(z.B. Thalamus, Pons) bis hin zur sensorischen Peripherie (Abbildung 3, 4).
Translaminäre Verbindungen zwischen Pyramidenneuronen der Schicht 2/3 und Schicht
5 sind wahrscheinlich uni-direktional, wie die
zwischen Schicht 4 nach Schicht 2/3 (Thomson 1997; Thomson und Bannister 2003;
Reyes und Sakmann 1999). Die mittlere
EPSP Amplitude variiert stark (0.1-0.8 mV),
zudem scheint diese Verbindung eine gemessen an anderen Verbindungen relativ niedrige synaptische Effizienz zu haben. Ihre funktionelle Bedeutung ist relativ unklar, es ist
jedoch vorstellbar, dass sie eine intrakolumnäre Relay-Station zur Integration kortikaler
Signale von intra- und transkolumnären neuronalen Ensembles darstellt.
Neben Pyramidenzellen der Schicht 6 repräsentieren die der Schicht 5 den kortikalen Output zu subkortikalen Gehirnregionen
bzw. zur sensorischen Peripherie und
sind daher strukturell und funktionell am
besten charakterisiert (Thomson et al. 1993;
Deuchars et al. 1994; Markram und Tsodyks
1996; Markram et al. 1997a, b; Tsodyks und
Neuroforum 3/04
Abb. 4: Signalfluss in einer kortikalen
Kolumne. Die Abbildung zeigt schematisch den „kanonischen“ Signalfluss in
einer kortikalen Kolumne eines
sensorischen Areals des Großhirns. Als
Beispiel wurde der somatosensorische
„Fässchen“- oder „Barrel“-Kortex der
Nager gewählt, weil hier in der kortikalen Schicht 4 die morphologischen
Korrelate der kortikalen Kolumne, die
„Barrels“ zu sehen sind (s. Text). Über
thalamische Relay-Kerne erhält der
Kortex sensorische Eingänge aus der
Peripherie, die hauptsächlich in Schicht
4 terminieren. Exzitatorische Neurone
der Schicht 4 verstärken das Signal und
leiten es präferentiell an Pyramidenzellen der Schicht 2/3 weiter. Von dort
wird es auf andere Pyramidenzellen in
Schicht 2/3 oder auch auf solche in
Schicht 5 übertragen. Pyramidenzellen
in Schicht 5 sind ebenfalls stark
reziprok untereinander verbunden und
sind die Ausgangsstation des sensorischen Kortex; von hier gelangt das
sensorische Signal in andere Kortexareale und subkortikale Bereiche.
Markram 1997). Die Verbindung von Pyramidenzellen der kortikalen Schicht 5 zeichnet sich durch eine relativ hohe Effizienz der
synaptischen Transmisson aus, was sich in
einer hohen mittleren EPSP Amplitude (1.3
mV), einem niedrigen CV von 0.52 und einer geringen Fehlerrate (14%) ausdrückt.
Ensembles von synaptisch gekoppelten
Schicht 5-Pyramidenneuronen scheinen sowohl intra- als auch transkolumnär bei der
Generierung, Synchronisation und Aufrechterhaltung elektrischer Aktivität ein wichtiges Element der Signaltransduktion bzw. Signalverarbeitung darzustellen.
Im visuellen Kortex kommt eine zusätzliche Verbindung zwischen exzitatorischen
Schicht 4-Neuronen und Schicht 6-Pyramidenneuronen vor (Tarczy-Hornoch et al.
1999). Interessanterweise weicht diese Verbindung in vielerlei Hinsicht von den oben
225
MORPHOLOGIE UND SYNAPTISCHE INTERAKTION VON NEURONEN EINER KORTIKALEN KOLUMNE
beschriebenen exzitatorischen Verbindungen
ab. Sie zeichnet sich durch eine vergleichsweise sehr niedrige synaptische Effizienz
aus, hat einen niedrigen Pr (0.13) und zeigt
eine im Gegensatz zu anderen exzitatorischen Verbindungen frequenzabhängige Faszilitierung der EPSP Amplitude.
Obwohl bis heute die Vielzahl möglicher
synaptischer Verbindungen des kolumnären
Netzwerks des Neokortex noch nicht ausreichend bzw. gar nicht beschrieben ist, kann
zusammenfassend festgestellt werden, dass
intralaminäre Verbindungen in der Regel
durch eine hohe synaptische Effizienz, eine
geringe Fehlerrate und einen hohen Anteil
reziproker Verbindungen charakterisiert
sind. Im Gegensatz dazu sind translaminäre
Verbindungen ein weitgehend kolumnäres,
uni-direktionales System, welches den gerichteten Informationsfluss über die einzelnen kortikalen Schichten gewährleistet (Abbildung 3, 4). Ein zentrales Element kortikaler Signalverarbeitung stellen die exzitatorischen Neurone der Schicht 4 dar, über
deren axonale Projektion die Information
selektiv in obere Kortexschichten und innerhalb der kortikalen Kolumne verteilt wird.
Über das weitreichende System horizontaler Axonkollateralen der Pyramidenneurone
der Schichten 2/3 und 5 wird die Ausbreitung der sensorischen Information über kortikale Kolumnen hinweg und über ihre callosale Projektion zur Gegenseite ein Abgleich beider kortikaler Hemisphären sichergestellt.
Inhibitorische Interneurone
In dem oben beschriebenen Modell zum Signalfluss in einer kortikalen Kolumne sind
GABAerge Interneurone bewusst ausgeklammert worden und werden hier gesondert betrachtet. Obwohl diese Neurone nur
ca. 10-15% der gesamten Neuronenpopulation des Neokortex repräsentieren und verschiedene Typen (Klassen) dieser Neurone
schon sehr lange bekannt sind, ist ihre Funktion und damit ihre Rolle innerhalb des kolumnären Netzwerks im Gegensatz zum Hippokampus bis heute relativ unklar. Die hohe
Zielspezifität ihrer Axone an verschiedenen
Kompartimenten des Zielneurons führt zu
einer deutlich unterschiedlichen selektiven
Art der Inhibition innerhalb des kortikalen
Netzwerks, die weit über den Mechanismus
der Feed-forward- und Feed-back-Inhibition hinausgeht (Kawaguchi und Kubota
1997, 1998; Buhl et al. 1997; Tamás et al.
1997, 1998; Galarreta und Hestrin 1999,
2001; Markram et al. 1998; Reyes et al. 1998;
Gibson et al. 1999; Zilberter et al. 1999;
226
Gupta et al. 2000; Krimer und GoldmanRakic 2001; Kaiser et al. 2004; Karube et
al. 2004). Es gilt heute als gesichert, dass
GABAerge Interneurone via chemischer und
elektrischer Synapsen untereinander neuronale Ensembles bilden, die für die Synchronisation und Aufrechterhaltung oszillatorischer Aktivität verantwortlich sind (Galarreta und Hestrin 1999, 2001; Gibson et al.
1999; Támas et al. 2000). Synaptische Verbindungen zwischen exzitatorischen und inhibitorischen Neuronen sind rekurrent und
scheinen eine wichtige Rolle bei der Stabilisierung des kortikalen Netzwerks zu spielen, indem sie das Auftreten von „run away“
Exzitation und paroxysmaler neuronaler Aktivität unterdrücken, wie sie in unkontrollierten exzitatorischen Netzwerken vorkommen
kann. Darüber hinaus unterliegen exzitatorische Synapsen einer viel stärkeren Depression als inhibitorische Synapsen, selbst während Perioden anhaltender neuronaler Aktivität. Sie besitzen daher auch einen intrinsischen Inhibitionsmechanismus, der zur Stabilität neuronaler Netzwerke beiträgt (Galarreta und Hestrin 1998). Im Gegensatz dazu
wird durch die verschiedenen Typen GABAerger Interneurone ein hoher Grad der Flexibilität bei der Regulation neuronaler Aktivität erreicht.
Synaptische Effizienz und
Verlässlichkeit synaptischer
Übertragung
Für ein genaues Verständnis neuronaler Verrechnungsprozesse in einer kortikalen Kolumne ist aber nicht nur die Konnektivität
zwischen Neuronen sondern auch die Stärke oder Effizienz der verschiedenen synaptischen Verbindungen von entscheidender
Bedeutung. Sie wird durch drei voneinander unabhängige Parameter bestimmt: (1) der
Anzahl der Freisetzungsstellen des Neurotransmitters n, (2) der Wahrscheinlichkeit der
Transmitterfreisetzung aus synaptischen Vesikeln Pr pro Verbindung, und (3) der quantalen Amplitude q, d.h. der Signalamplitude
pro synaptischen Kontakt. Synaptische Effizienz ist somit das Produkt dieser drei Parameter E = n · q · Pr und wird durch die Amplitude postsynaptischer Potentiale (EPSP
oder IPSP, je nachdem, ob die Verbindung
exzitatorisch oder inhibitorisch ist) oder
Ströme (EPSC oder IPSC) ausgedrückt.
Individuelle synaptische Verbindungen des
Neokortex zeigen große Unterschiede bezüglich ihrer synaptischen Effizienz (Feldmeyer und Sakmann 2000; zusammengefasst
durch Thomson und Bannister 2003). Synaptische Verbindungen zwischen exzitato-
rischen Sternzellen der kortikalen Schicht 4
zeichnen sich durch eine hohe EPSP Amplitude (1.6 mV) bei niederfrequenter Stimulation aus (Feldmeyer et al. 1999), während
andere kortikale Verbindungen, z.B. solche
zwischen Pyramidenneuronen der Schicht 6
und Sternzellen der Schicht 4, eine 16-fach
niedrigere EPSP Amplitude (0.1 mV) aufweisen (Stratford et al. 1996).
Die große Mehrzahl exzitatorischer
Verbindungen des Neokortex ist jedoch
durch eine relativ hohe Wahrscheinlichkeit
der Transmitterfreisetzung charakterisiert.
Translaminäre synaptische Verbindungen
zwischen Sternzellen und Schicht 2/3-Pyramidenneuronen im Barrel-Kortex haben
hohe Pr Werte (0.8). Ähnlich verhält es sich
bei intralaminären Verbindungen zwischen
Pyramidenneuronen der Schicht 2/3 und
zwischen Sternzellen der Schicht 4 (Feldmeyer et al. 1999). Demzufolge besitzen eine
Reihe von intrakortikalen synaptischen Verbindungen eine Pr, die fast so hoch ist wie
diejenige der sehr verlässlichen thalamokortikalen Verbindungen (Gil et al. 1999). Daneben existieren jedoch auch Verbindungen
mit eher niedrigen Pr, z.B. Verbindungen
zwischen Schicht 6-Pyramidenneuronen und
Schicht 4-Neuronen des visuellen Kortex
(0.37-0.53; Stratford et al. 1996) und einer
Subpopulation synaptisch gekoppelter
Schicht 2/3-Pyramidenneuronen im auditorischen Kortex (0.13, Atzori et al. 2001). Diese Befunde sprechen für eine hohe Effizienz
und Verlässlichkeit der exzitatorischen synaptischen Transmission neokortikaler (intrinsischer) Verbindungen und wurden bis dato
für intrinsische kortikale Verbindungen kontrovers diskutiert (Stevens 1994).
Die Wahrscheinlichkeit der Transmitterfreisetzung und damit die Amplitude der
EPSPs bzw. EPSCs hängt entscheidend von
der Dynamik, d.h. dem „Funktionszustand“
des präsynaptischen Neurons ab. Die repetitive Stimulation des präsynaptischen Neurons einer exzitatorischen Verbindung des
Neokortex führt im nachgeschalteten postsynaptischen Neuron in der Regel zu synaptischer Depression (engl. Paired Pulse Depression), während inhibitorische Verbindungen oft eine synaptische Faszilitierung
(engl. Paired Pulse Fascilition) zeigen. Das
frequenzabhängige Verhalten einer Synapse, ihre Kurzzeit-Plastizität, ist oft zielneuronspezifisch (Stratford et al. 1996; Reyes
und Sakmann 1999; Reyes et al. 1998; Galaretta und Hestrin 1998; Makram et al. 1998;
Thomson und Bannister 1998; Varela et al.
1999; Gupta et al. 2000; Krimer und Goldman-Rakic 2001; Feldmeyer et al. 2002;
Kaiser et al. 2004); regionenspezifisch (AtzNeuroforum 3/04
JOACHIM LÜBKE UND DIRK FELDMEYER
ori et al. 2001), wird über die postnatale Entwicklung reguliert (Reyes
und Sakmann 1999) und zeigt einen hohen Grad der Variabilität bezüglich der Spezifität der Verbindung (Tsodyks und Markram 1997).
Sensorische Deprivation, z.B. das Trimmen der Schnurrhaare,
scheint nach neueren Untersuchungen nicht nur einen strukturellen
Effekt auf die axonale und dendritische Morphologie intra- bzw.
transkolumnärer Verbindungen zu besitzen, sondern auch einen signifikanten funktionellen Einfluss auszuüben, z.B. auf die Kurzzeitdynamik der synaptischen Transmission (Finnerty et al. 1999; Keller und Carlson 1999; Bender et al. 2003; Maravall et al. 2004, Petersen et al. 2004).
Die Effizienz der Signalübertragung sensorischer Information ist
maximal für eine bestimmte Frequenz der Aktivierung an einer Synapse. Neokortikale Synapsen, die neuronale Aktivität herunterfahren, tragen wesentlich zur räumlichen Verarbeitung von Signalen
während niederfrequenter Stimulation bei, z.B. während spontaner
Entladung. Synapsen mit faszilitierenden Eigenschaften scheinen dagegen erst bei hochfrequenter Stimulation (9-70 Hz) optimal zu operieren und könnten daher eher bei evozierter Aktivität kortikaler Neurone rekrutiert werden (Fuhrmann et al. 2002). Es ist jedoch weiterhin unklar, ob spontane Aktivität in vivo (im wachen Tier) und evozierte Aktivität durch sensorische Stimulation als gleichwertig angesehen werden können (Moore und Nelson 1998, Zhu und Connors 1999; Brecht und Sakmann 2003).
stellen nahezu übereinstimmt (Korn et al. 1981; Redman 1990; Gulyas et al. 1993; Korn et al. 1994). Auf der anderen Seite liegen
immer mehr ultrastrukturelle Daten vor, die belegen, dass die Zahl
sogenannter „docked vesicles“ an zentralen Synapsen unterschiedlich hoch ist, aber definitiv mehr als nur ein Vesikel an die präsynaptische Membran gedockt ist, welches für eine multivesikuläre Freisetzung spricht (Harris und Sultan 1995; Schikorski und Stevens
1997; Xu-Friedmann et al. 2001; Millar et al. 2002). Diese morphologischen Befunde werden durch physiologische Studien unterstützt,
die ebenfalls eine multivesikuläre Transmitterfreisetzung an zentralen Synapsen postulieren (Wadiche und Jahr 2001; Oertner et al.
2002). Der Vergleich beider Hypothesen lässt den Schluss zu, dass a
priori wahrscheinlich beide Mechanismen an zentralen Synapsen
vorkommen. Für die Verbindung zwischen exzitatorischen Sternzellen und Schicht 2/3-Pyramidenzellen haben wir zeigen können,
dass pro Aktivierung eines synaptischen Kontakts dieser Verbindung
nur ein Transmitter-Vesikel freigesetzt wird (Silver et al. 2003).
Demnach folgt ein synaptischer Kontakt dem Alles-oder-Nichts-Prinzip: Entweder wird Transmitter freigesetzt, daraus resultiert ein postsynaptisches Signal, oder es kommt zu keiner Antwort. Die Fluktuation der Signalamplitude (EPSP) ist also allein auf die unterschiedliche Zahl aktiver Kontakte pro Verbindung zurückzuführen. Ob dies
jedoch ein allgemein gültiges Prinzip für andere zentrale oder kortikale Synapsen ist, muss in Folgearbeiten noch eindeutiger geklärt
werden.
Quantale Eigenschaften der synaptischen Übertragung
Ein synaptischer Kontakt besteht aus morphologischer Sicht aus einer präsynaptischen Neurotransmitter-Freisetzungsstelle, an der ein
„Pool“ synaptischer Vesikel lokalisiert ist, einer postsynaptischen
Dichte, an der je nach Synapsentyp verschiedene NeurotransmitterRezeptoren zu finden sind und einem synaptischen Spalt zwischen
prä- und postsynaptischer Membran. Es ist bis heute jedoch unklar,
wie synaptische Übertragung in einer definierten Verbindung abläuft. Ein bestimmender Faktor ist hier die Anzahl an Neurotransmitter-Freisetzungsstellen. Es ist aber nicht eindeutig geklärt, ob alle
morphologisch identifizierten synaptischen Kontakte einer Verbindung auch funktionell sind (Phänomen der silent synapses), und ob
es pro Kontakt mehr als nur eine Neurotransmitter-Freisetzungsstelle
gibt. So gesehen bestimmt die Anzahl an Freisetzungsstellen die Eigenschaften synaptischer Übertragung, z.B. ob uni- bzw. multivesikulärer und/oder uni- bzw. multiquantale Freisetzung des Neurotransmitters aus synaptischen Vesikeln vorliegt. Diese Problematik
wurde bisher nur in wenigen Studien thematisiert (Korn et al. 1981;
Gulyas et al. 1993; Silver et al. 2003). Trotz großer Unterschiede in
Bezug auf die Anzahl identifizierter synaptischer Kontakte der bisher untersuchten synaptischen Verbindungen (zwischen InterneuronMauthnerzelle im Goldfisch, hippokampaler CA3 PyramidenzelleInterneuron und der kortikalen Sternzelle-Schicht 2/3-Pyramidenzelle der Ratte) zeigte sich, dass die Anzahl funktionell bestimmter
Transmitter-Freisetzungsstellen der Anzahl elektronenmikroskopisch
identifizierter synaptischer Kontakte entsprach. Diese Ergebnisse
sprechen eindeutig für funktionelle Kontakte mit nur einer Freisetzungsstelle.
Bis heute wird kontrovers diskutiert, ob an zentralen Synapsen
uni- oder multivesikuläre Freisetzung an aktiven Zonen stattfindet,
d.h. ob nur ein oder mehrere Vesikel an der Freisetzung des Neurotransmitters pro Aktivierung beteiligt sind. Die Hypothese one site one vesicle resultiert aus klassischen Studien, in denen die quantale
Freisetzung, bestimmt durch statistische Analyse synaptischer Potentiale, mit der Anzahl morphologisch identifizierter FreisetzungsNeuroforum 3/04
227
MORPHOLOGIE UND SYNAPTISCHE INTERAKTION VON NEURONEN EINER KORTIKALEN KOLUMNE
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Wadiche, J.I. und Jahr, C.E. (2001): Multivesicular
release at climbing fiber-Purkinje cell synapses.
Neuron 32: 301-313.
Eine ausführliche Literaturliste kann bei den
Autoren angefordert werden.
Studium der Biologie in Göttingen. 19871991: Diplom- und Doktorarbeit am MaxPlanck-Institut für biophysikalische Chemie,
Abt. Neurobiologie (Prof. Dr. O.- D. Creutzfeldt). 1991-1993: Postdoctoral Fellow (Stipendiat der Royal Society of Science) am Department of Human Anatomy (Prof. Dr. Ray
Guillery) der University of Oxford. 19931995: „Von Helmholtz“-Stipendiat des BMBF
am Institut für Anatomie der Universität Freiburg (Prof. Dr. Michael Frotscher). 1997:
Wolfgang-Bargmann-Preis der Anatomischen
Gesellschaft. 1999: Habilitation im Fach Anatomie an der Universität Freiburg. 2000: Ernennung zum Hochschuldozenten C2. 2003:
Berufung auf die Abteilungsleiterstelle Zelluläre Neurobiologie am Institut für Medizin,
Forschungszentrum Jülich GmbH.
Dirk Feldmeyer: geboren 1960; 1979-1983:
Studium der Biologie, Germanistik und Pädagogik an der Ruhr-Universität Bochum. 19841987: Doktorarbeit am Institut für Zellphysiologie (Prof. Dr. H. C. Lüttgau). 1990-1995:
Postdoctoral Fellow (DFG, Welcome Trust) am
Department of Pharmacology, UCL London
(Prof. S.G. Cull-Candy).1994: Forschungsaufenthalt (Stipendiat des British Council und des
Japanese Ministry of Education) am Brain Research Institute in Tokyo (Prof. T. Takahashi).
1995: Berufung auf eine Arbeitsgruppenleiterstelle an das Max-Planck-Institut für medizinische Forschung, Abt. Zellphysiologie in Heidelberg (Direktor: Prof. Dr. med. B. Sakmann).
2000: Habilitation und Ernennung zum Hochschuldozenten für das Fach Physiologie an der
Universität Heidelberg. 2001: Berufung zum
Editor des Journals of Physiology (London).
Ab August 2004 Berufung als Abteilungsleiter Zelluläre Neurobiologie am Institut für Medizin, Forschungszentrum Jülich GmbH.
Korrespondenzadressen
Danksagung
Wir möchten an dieser Stelle der Deutschen
Forschungsgemeinschaft für die kontinuierliche finanzielle Unterstützung in Form von Einzel bzw. SFB-Anträgen danken, die wesentlich zum Erfolg unserer Forschungsarbeiten
beigetragen haben. Unser besonderer Dank gilt
Prof. Dr. Bert Sakmann und Prof. Dr. Michael Frotscher für die stetige wissenschaftliche
Unterstützung unserer Forschungsvorhaben.
Kurzbiographien
Joachim Lübke: geboren 1956; 1974-1977:
Ausbildung zum biologisch-technischen Assistenten. 1981-1982: Begabten-Abitur am
Abendgymnasium in Göttingen. 1982-1987:
Joachim Lübke
Institut für Medizin
Abteilung Zelluläre Neurobiologie
Forschungszentrum Jülich GmbH
D-52425 Jülich
Tel.: ++ 49 (0) 24 61 61 22 88
Fax: ++ 49 (0) 24 61 61 28 20
e-mail: [email protected]
Dirk Feldmeyer
Institut für Medizin
Abteilung Zelluläre Neurobiologie
Forschungszentrum Jülich GmbH
D-52425 Jülich
Tel.: ++49 (0) 24 61 61 59 14
Fax: ++49 (0) 24 61 61 28 20
e-mail: [email protected]
Neuroforum 3/04
PETER DECHENT UND JENS FRAHM
Funktionelle MagnetresonanzTomografie des menschlichen Gehirns
Peter Dechent und Jens Frahm
Technik liegt dagegen in ihrer hohen Sensitivität und der Möglichkeit, mit Hilfe radioaktiv markierter Substanzen eine molekular
oder zellulär spezifische Bildgebung zu erreichen.
Parallel zur PET-Technik hat sich in den
vergangenen 20 Jahren die MagnetresonanzTomografie (MRT) zum wichtigsten Verfah-
Zusammenfassung
Die bildgebenden Verfahren der Magnetresonanz-Tomografie (MRT) sind nicht nur
unverzichtbar für die medizinische Diagnostik, sie haben sich zudem zu wichtigen nichtinvasiven Werkzeugen in der biomedizinischen Forschung entwickelt. Dies gilt insbesondere für die grundlegenden und klinischen Neurowissenschaften. So ermöglicht die
funktionelle MRT des menschlichen Gehirns eine detaillierte Charakterisierung kortikaler Systeme und Netzwerke von der primären Sensorik bis zur kognitiven Informationsverarbeitung. Aufgrund der wachsenden Verfügbarkeit geeigneter MRT-Geräte
werden entsprechende Ansätze der Hirnbildgebung für Wissenschaftler unterschiedlicher Fachrichtungen zugänglich. Ziel dieses Beitrages ist es daher, die wesentlichen
Elemente eines funktionellen MRT-Experimentes zu erläutern – von der Übersetzung
der eigentlichen Fragestellung in ein geeignetes Stimulationsparadigma über die Aufnahme hämodynamisch vermittelter MRT-Signale als Korrelate neuronaler Aktivitätsänderungen bis hin zu Aspekten der Datenauswertung und Visualisierung. Letztendlich verspricht das Verfahren die reduktionistische Vorgehensweise in der Neurobiologie durch ein integratives Konzept zu ergänzen und genetische ebenso wie erfahrungsabhängige Einflüsse mit der Funktion des Gehirns zu verbinden.
Abstract
Functional magnetic resonance imaging of the human brain
Apart from its leading role in diagnostic imaging of the central nervous system, magnetic resonance imaging (MRI) has evolved into an important research tool in both
basic and clinical neuroscience. Functional MRI of the human brain offers a detailed
characterization of cortical networks ranging from primary sensory processing to cognition. In view of the increasing availability of suitable MRI systems for neuroscientists
across multiple disciplines, the purpose of this contribution is to discuss the key elements of a typical functional MRI experiment – the design of a paradigm that properly
translates the actual question into an MRI-compatible stimulus protocol, the recording of hemodynamically mediated MRI signals that correlate with changes in neural
activity, and specific challenges of data acquisition and analysis. The approach promises to complement molecular and cellular neurobiology by an integrative concept
that links genetic and experience-dependent information to function of the intact brain.
Key words: MRI; human brain; brain function; functional mapping
Bildgebende Verfahren
in der Hirnforschung
Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts wurden
Einblicke in die Funktionsweise des menschlichen Gehirns fast ausschließlich aus Läsionsstudien sowie mit Hilfe intrakortikaler
Ableitungen elektrischer Signale und ebensolcher Stimulationen gewonnen. Systematische wissenschaftliche Studien waren daher durch die Verfügbarkeit geeigneter Patienten einerseits und die Invasivität der verwendeten Methoden andererseits erheblich
eingeschränkt. Erst mit der Entwicklung
nicht-invasiver und insbesondere bildgebender Verfahren konnte die Erforschung des
Neuroforum 3/04
intakten menschlichen Gehirns in den vergangenen zwei Jahrzehnten entscheidend
vorangetrieben werden.
Erste eindrucksvolle Ergebnisse wurden
seit Beginn der 80er Jahre mit der Positronen-Emissions-Tomografie (PET) erzielt,
obwohl das Verfahren nur über eine begrenzte räumliche (lineare Bildelemente von etwa
5-8 mm) und zeitliche Auflösung (etwa eine
Minute) verfügt. Zudem führt die Notwendigkeit, ein kurzlebiges radioaktives Präparat zu verabreichen, zu einem erheblichen
radiochemischen Aufwand und einer Strahlenbelastung, die einen uneingeschränkten
Einsatz bei gesunden Versuchspersonen verhindert. Die besondere Chance der PET-
Abb. 1: Schema eines fMRT-Experimentes.
ren der diagnostischen Bildgebung entwikkelt. Komplementär zu Röntgentechniken
stellt die MRT nicht die Knochen, sondern
die Verteilung des Wassers in den Körpergeweben dar und bietet einen exzellenten
Weichgewebekontrast. Zu Beginn der 90er
Jahre hat man zudem entdeckt, dass sich
bestimmte Messvarianten nutzen lassen, um
Hirnfunktionen bildlich darzustellen: genauer gesagt, die mit ihnen verbundenen regionalen Änderungen des Blutflusses und der
Sauerstoffversorgung im Gewebe. Die folgenden Abschnitte beschreiben zunächst die
wesentlichen Grundlagen des Standardver229
FUNKTIONELLE MAGNETRESONANZ-TOMOGRAFIE DES MENSCHLICHEN GEHIRNS
A
B
C
D
E
F
Abb. 2: Die Elemente eines fMRT-Experimentes (hier: visuelle Stimulation mit
einem Schachbrettmuster im Vergleich zu
einem grauen Bild) betreffen: (A) die Wahl
eines Volumens (hier: eine Schicht durch
den okzipitalen Kortex), (B) die MRTDarstellung der Anatomie, (C) die Aufnahme einer dynamischen Zeitserie von MRTBildern während der Kontrollbedingung und
(D) während der Stimulationsbedingung
(Pfeile: Bereiche mit erhöhter Signalintensität im okzipitalen Kortex), (E) eine
Grauwert-Karte der berechneten Korrelationskoeffizienten (hell: hoch korreliert,
grau: nicht korreliert, dunkel: entgegengesetzt korreliert) und (F) die Überlagerung
einer farbkodierten Karte der statistisch
signifikanten Aktivierungen mit einem
geeigneten Referenzbild.
Komplex aus Sauerstoff und Hämoglobin ist
Desoxyhämoglobin ein paramagnetisches
Molekül, das die MRT-Eigenschaften der benachbarten Wassermoleküle beeinflusst und
wie ein endogenes Kontrastmittel wirkt. Beispielsweise führen erhöhte Desoxyhämoglobin-Konzentrationen – etwa nach einer kurzen Anoxie oder einem Anhalten des Atems
– zu einer MRT-Signalreduktion in venösen
Gefäßen und unmittelbar benachbartem
Hirngewebe. Ein durch eine veränderte Hirnfunktion erzeugter positiver BOLD-Kontrast, insbesondere ein MRT-Signalanstieg
bei visueller Stimulation, wurde erstmals
1992 von mehreren Arbeitsgruppen beschrieben (Bandettini et al. 1992; Blamire
et al. 1992; Frahm et al. 1992; Kwong et al.
1992). Seitdem hat sich dieser Ansatz aufgrund seiner einfachen Anwendung und hohen Sensitivität zusammen mit der EchoPlanar-Tomografie als schneller Bildgebungssequenz für die Mehrzahl der fMRTAnwendungen durchgesetzt.
Ebenso wie die elektromagnetischen Signaländerungen einer Elektroenzephalogramm (EEG)-Aufzeichnung vermitteln die
hämodynamischen Antworten der fMRT nur
ein indirektes Korrelat veränderter Hirnaktivität. Das Schema in der Abbildung 1 verdeutlicht, dass zunächst die wissenschaftliche Fragestellung in ein geeignetes Stimulationsparadigma übersetzt werden muss,
welches auf neuronaler Ebene zu einer re-
gionalen Änderung der synaptischen Aktivität führen sollte. Dieser Wechsel zwischen
zwei Hirnfunktionszuständen erzeugt mittels
neurovaskulärer Kopplungsmechanismen einen Stimulus-bedingten BOLD-Kontrast,
der sich bezüglich der zugrundeliegenden
Desoxyhämoglobin-Konzentration als das
Ergebnis metabolischer (erhöhter Sauerstoffverbrauch = mehr Desoxyhämoglobin) und
physiologischer Prozesse (stark erhöhter
Blutfluss = viel weniger Desoxyhämoglobin)
ergibt. In der Tat führt eine erhöhte Hirnaktivität in der Regel zu einer Netto-Reduktion der Desoxyhämoglobin-Konzentration
und damit zu einem fMRT-Signalanstieg
entsprechend einer positiven BOLD-Antwort. Schließlich erfordert die dynamische
Aufzeichnung von Signaländerungen in einer fMRT-Bildserie, die fortlaufend während
mehrfacher Stimulus-Wechsel gemessen
wird, eine Nachverarbeitung der eigentlichen
Bilddaten. Sie beinhaltet in der Regel eine
zeitliche Korrelation des Paradigmas mit den
dynamischen BOLD-Signalen sowie eine
statistische Bewertung und Visualisierung
der Ergebnisse als zwei- oder dreidimensionale Karte der Hirnaktivitätsänderungen.
Die Abbildung 2 veranschaulicht den
praktischen Ablauf eines einfachen fMRTExperimentes. Zunächst wird das interessierende Hirnvolumen, in diesem Beispiel eine
einzelne Schicht durch den okzipital gelegenen visuellen Kortex ausgewählt (2A) und
fahrens der funktionellen MRT (fMRT), das
auf dem sogenannten BOLD-Kontrast beruht
(BOLD = blood oxygenation level dependent). Anschließend werden einige Bedingungen und Probleme diskutiert, die bei der
praktischen Durchführung einer fMRT-Untersuchung unbedingt Beachtung verdienen.
Die physikalischen Grundlagen der Magnetresonanz-Verfahren werden in einem Exkurs
dargestellt.
Funktionelle MagnetresonanzTomografie
Der erstmalig von Ogawa et al. (1990) am
Gehirn der Ratte beschriebene BOLD-Kontrast bezieht sich auf MRT-Bilder, die mit
einem Gradientenechosignal aufgenommen
werden, und spiegelt Veränderungen in der
intravaskulären Konzentration des Desoxyhämoglobins wider. Im Gegensatz zum
230
Abb. 3: Das Ergebnis eines fMRT-Experimentes zur funktionellen Charakterisierung des
visuellen Systems (20/22 Schichten, räumliche Auflösung 2x2x2 mm3, Messzeit 4.5
Minuten) zeigt Aktivierungen (rot) und Deaktivierungen (blau).
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mit konventionellen anatomischen MRTAufnahmen dokumentiert (2B). Dieses Volumen wird dann mit einer Repetitionszeit
von etwa 2-3 s für üblicherweise einige Minuten aufgenommen, wodurch man einen
dynamischen Rohdatensatz von MRT-Bildern erhält. Zeitgleich werden der Testperson visuelle Stimuli für jeweils einige Sekunden (entsprechend einiger sequentieller
MRT-Bilder) präsentiert. Da die BOLDfMRT lediglich Änderungen der Hirnaktivität identifiziert, müssen mindestens zwei verschiedene Stimuli miteinander verglichen
werden: hier sind es ein schwarz-weiß-invertierendes Schachbrettmuster (Stimulationsbedingung) und ein grauer Bildschirm
(Kontrolle). Eine absolute Quantifizierung
von Hirnaktivität ist mit der fMRT nicht
möglich.
Bei einem Vergleich eines gemittelten Bildes aus der Kontroll- (2C) und Stimulationsphase (2D) sind bereits Signalerhöhungen in den mit Pfeilen markierten Bereichen
des visuellen Kortex zu erkennen. Für die
genaue Kartierung entsprechender Areale
bietet sich aufgrund der zeitlichen Charakteristik der MRT-Signaländerungen eine
(Kreuz-) Korrelationsanalyse an, die das Stimulationsparadigma als Rechteckfunktion
mit dem MRT-Intensitätsverlauf in jedem
Bildpunkt vergleicht und eine GrauwertKarte der Korrelationskoeffizienten erzeugt
(2E). Nach einer statistischen Bewertung
(Baudewig et al. 2003) werden die Bildpunkte mit signifikanten Signaländerungen farbkodiert und vorzugsweise dem Originalschnittbild überlagert (2F). Um der hämodynamisch verzögerten BOLD-Antwort
Rechnung zu tragen (siehe unten), wird die
Referenzfunktion bei der Berechnung der
Korrelationskarte in der Regel um 2-4 s verschoben. Als Erweiterung dieses einfachen
Ansatzes kann die Rechteckfunktion darüber
hinaus mit einer geeigneten hämodynamischen Antwortfunktion gefaltet werden. Dies
führt insbesondere bei ereigniskorrelierten
Paradigmen, die aus einer Folge sehr kurzer
und schnell aufeinanderfolgender Stimuli bestehen, zu einer verbesserten Sensitivität.
Mit dem beschriebenen Grundkonzept ist
es möglich, nicht nur eine einzelne Schicht,
sondern gleichzeitig weite Teile des Gehirns
funktionell zu untersuchen. Beispielsweise
zeigen die Abbildungen 3 und 4 eine umfassende Beteiligung des okzipitalen und parietalen Kortex an der visuellen Informationsverarbeitung. Obwohl die Darstellung der
Ergebnisse als zweidimensionale Aktivierungskarte die häufigste Form der Visualisierung ist, erschwert sie in vielen Fällen,
beispielsweise bei gekippter SchichtfühNeuroforum 3/04
schließender Extrahierung der Kortexoberfläche (6B) einen weiteren Verarbeitungsschritt dar. Um allerdings die Projektion der
funktionellen Daten auf die komplexe Faltung der Hirnoberfläche zu vermeiden, kann
die Kortexoberfläche mathematisch „entfaltet“ und in eine flache Karte der Hirnwindungen und -furchen mit überlagerten Aktivierungen überführt werden (6C).
Als weitere Option zur Auswertung der
funktionellen Ergebnisse bietet sich eine
Gruppenanalyse an. Dabei sind jedoch interindividuelle Unterschiede sowohl in der
Hirnanatomie als auch bei der Ausführung
des Paradigmas – vorzugsweise bei höheren
kognitiven Aufgaben – zu berücksichtigen.
Auch die Transformation der individuellen
Hirnanatomie in ein standardisiertes Koordinatensystem bedingt bereits einen Informationsverlust durch räumliche Ungenauigkeiten und Filterungen.
Mechanismen
Abb. 4: Ausgewählte Schichten aus Abb. 3
zeigen außer striatären und extrastriatären
visuellen Arealen die lateralen Kniekörper,
in denen die visuelle Information von den
optischen Trakten auf die Sehstrahlungen
übertragen wird, die frontalen Augenfelder,
die die motorische Steuerung von Augenbewegungen vermitteln und den Intraparietalkortex, der an Prozessen wie der räumlichen Wahrnehmung, Navigation und
mentalen Rotation beteiligt ist.
rung, die genaue anatomische Zuordnung
eines aktivierten Areals. In solchen Fällen
können die funktionellen Daten, wie in Abbildung 5 illustriert, mit einem dreidimensionalen anatomischen Datensatz koregistriert und aus allen drei Raumrichtungen
betrachtet werden. Die Abbildung 6 stellt
mit der Segmentierung des Gehirns und an-
Trotz vielfältiger Anwendungen der fMRT
sind die exakten Mechanismen der Übertragung neuronaler Aktivitätsänderungen in
eine hämodynamische Reaktion noch nicht
vollkommen verstanden. Dies trifft auch auf
die zentrale Frage nach dem Ursprung der
von der fMRT beobachteten BOLD-Antwort
zu: Ist eine Membrandepolarisation am Axon
oder eine synaptische Übertragung der eigentliche Auslöser?
Erste wichtige Hinweise lieferten Messungen des Blutflusses in Kombination mit
der Aufzeichnung von single-unit Aktivitäten (Aktionspotentiale) und lokalen Feldpotentialen (synaptische Aktivität) am zerebellären Kortex der Ratte (Mathiesen et al.
1998). Darauf aufbauend untersuchten Logothetis et al. (2001) gleichzeitig multi-unit
Aktivitäten, lokale Feldpotentiale und
Abb. 5: Koregistrierung der zweidimensional gemessenen Aktivierungen (hier: das
extrastriatäre bewegungssensitive visuelle Areal V5) mit einer dreidimensionalen MRTAufnahme der Anatomie.
231
FUNKTIONELLE MAGNETRESONANZ-TOMOGRAFIE DES MENSCHLICHEN GEHIRNS
Abb. 6: Erweiterte Darstellungen der (A) koregistrierten funktionellen und anatomischen
Daten (hier: der Intraparietalkortex) durch eine (B) Segmentierung und (C) anschließende
Entfaltung des Gehirns, die nur noch der Oberfläche der grauen Hirnsubstanz entspricht
(hellblau: Hirnwindungen, dunkelblau: Hirnfurchen).
BOLD fMRT-Signale an anästhesierten Affen während visueller Stimulation. Sie konnten zeigen, dass die zeitliche Entwicklung
der hämodynamischen Reaktion besser mit
derjenigen der lokalen Feldpotentiale und
damit synaptischer Übertragung korreliert,
als mit der Charakteristik von multi-unit Aktivitäten. Somit korrespondiert die in der
fMRT üblicherweise dargestellte Hirnaktivität eher mit der Verarbeitung eingehender
Informationen als der Übermittlung ausgehender Signale – unabhängig davon, dass in
den meisten Fällen beide Aspekte eng miteinander gekoppelt sind.
Dieses Konzept wird durch Untersuchungen am Menschen mit der transkraniellen
Magnetstimulation (TMS) und gleichzeitiger fMRT unterstützt (Baudewig et al. 2001a;
Bestmann et al. 2003). Die TMS moduliert
in Abhängigkeit von der Intensität die elektrische Hirnaktivität im Kortex – beispielsweise im primär motorischen Areal (M1) –
durch die externe Applikation sehr kurzer
(etwa 200 µs), aber intensiver Magnetfeldpulse (etwa 2 Tesla). In Abbildung 7 werden
Aktivierungskarten bei überschwelliger repetitiver TMS (rTMS) von M1 mit Auslösung einer Fingerbewegung mit den Ergebnissen bei unterschwelliger rTMS ohne periphere Muskelaktivität verglichen. Während
überschwellige rTMS die primären motorischen und somatosensorischen Areale (M1/
S1) sowie das supplementäre motorische
Areal (SMA) aktiviert, führt die unterschwellige Stimulation zu reduzierter Aktivierung im SMA und zu keiner Aktivierung
in M1/S1. Diese Beobachtung deutet darauf
hin, dass nicht die in M1/S1 erzeugten Ak232
tionspotentiale oder ihre Modulation durch
unterschwellige rTMS eine hämodynamische Reaktion auslösen, sondern nur die im
SMA über kortiko-kortikale Faserverbindungen eingehenden Informationen, die eine
synaptische Übertragung erfordern.
In physiologischer Hinsicht entspricht eine
positive BOLD-Antwort, d.h. ein fMRT-Signalanstieg in Reaktion auf eine neuronale
Aktivitätsänderung, einer Verringerung der
absoluten Konzentration an Desoxyhämoglobin in den lokalen Mikrogefäßen. Die zugrunde liegenden Mechanismen, ebenso wie
ihre jeweiligen zeitlichen Charakteristika,
sind weiterhin Gegenstand vor allem tierexperimenteller Untersuchungen und theoretischer Modellierungen. Übereinstimmung
besteht darin, dass eine funktionell bedingte
Änderung der Hirnaktivität regionale Änderungen des Sauerstoffverbrauchs, des (arteriellen) Blutflusses und des (venösen) Blutvolumens verursacht. Offenkundig kommt
es zunächst zu einem erhöhten Sauerstoffverbrauch, also einer verstärkten Produktion von Desoxyhämoglobin, dem mit kurzer
Latenz eine überproportionale Erhöhung des
Blutflusses folgt. Dieser Effekt bedingt ein
Überangebot an oxygeniertem Hämoglobin
und wäscht somit einen Teil des Desoxyhämoglobins aus dem venösen Schenkel der
Mikrozirkulation aus. Zeitlich verzögert
folgt dem erhöhten Blutfluss eine Zunahme
des Blutvolumens, was wiederum eine Erhöhung der Desoxyhämoglobin-Konzentration in betroffenen Bildelementen zur Folge
hat. In der Summe überwiegt im gesunden
Gehirn der Einfluss des Blutflusses und die
damit verbundene Abnahme der Desoxyhämoglobin-Konzentration. Die zu erreichende zeitliche und räumliche Auflösung der
BOLD-fMRT hängt daher maßgeblich von
der zeitlichen Entwicklung der einzelnen
Mechanismen ab.
Zeitliche Auflösung
Abb. 7: Die Kombination der fMRT mit der
transkraniellen Magnetstimulation (TMS)
über dem primären motorischen Handareal
führt bei überschwelliger Stimulation
(links: 110% RMT) zu Aktivierungen der
primären motorischen und sensorischen
Areale (M1/S1) sowie des supplementären
motorischen Areals (SMA). Im Gegensatz
dazu aktiviert eine unterschwellige
Stimulation (rechts: 90% AMT) nicht M1/
S1, sondern nur das axonal verbundene
SMA. Verändert aus Bestmann et al.
(2003).
Die Abbildung 8 verdeutlicht die zeitliche
Entwicklung der hämodynamischen Antwortfunktion am Beispiel einer einfachen visuellen Stimulation. Der initial erhöhte Sauerstoffverbrauch ist mit den üblicherweise
verwendeten fMRT-Verfahren nicht zu detektieren. Ob sich seine Existenz durch einen kurzen Signalabfall – also eine negative
BOLD-Antwort – tatsächlich nachweisen
lässt, wird in der Literatur zudem kontrovers
diskutiert. Stattdessen zeigt sich in der Regel als Antwort auf einen 10 s Stimulus ein
um etwa 2 s verzögerter, durch die lokale
Blutflusserhöhung verursachter Signalanstieg, der sein Maximum nach etwa 10 bis
15 s erreicht (8A). Nach Beendigung der
Stimulation fällt das BOLD-Signal wiederum mit einer erheblichen Latenz zunächst
bis unter die ursprüngliche Basisintensität ab
bevor es nach etwa 60 s auf den Ausgangswert zurückkehrt (Fransson et al. 1998). Der
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das Signal-Rausch-Verhältnis, den funktionellen Kontrast und die durch Suszeptibilitäten verursachten Signalauslöschungen
und Verzerrungen. So kann ein großes Bildelement, d.h. eine schlechte räumliche Auflösung, zu falsch-positiven Aktivierungen
aufgrund von Partialvolumeneffekten mit
nicht-aktivierter Hirnsubstanz führen oder
in der Nähe von Gewebe-Luft-Übergängen
erhebliche Signalauslöschungen verursachen. Auch die Verringerung der Auflösung
durch räumliches Filtern der Daten im Rahmen der Nachverarbeitung sowie durch eine
Transformation in standardisierte Koordinatensysteme führt zu einer weiteren Verschlechterung der Spezifität der beobachteten Aktivierungen und ihrer Kongruenz
mit der Hirnanatomie.
Im Allgemeinen werden fMRT-Untersuchungen mit einer räumlichen Auflösung
von 2-4 mm Kantenlänge in der Bildebene
und 2-6 mm Schichtdicke verwendet. Damit ist bei Einzelmesszeiten eines fMRT-
Abb. 8: Die zeitliche Charakteristik der hämodynamischen Antwortfunktion für eine visuelle
Stimulation (schraffierte Boxen) mit unterschiedlich langen Stimulations- und Kontrollbedingungen: (A) 10 s Stimulation mit 90 s bzw. (B) 20 s Kontrolle, (C) 0.2 s Stimulation mit
90 s bzw. (D) 9.8 s Kontrolle. Verändert aus Fransson et al. (1998) und (1999).
post-Stimulus undershoot-Effekt wird aufgrund von Kontrastmittelstudien am Nagergehirn zumeist als ein anhaltend erhöhtes
Blutvolumen bei bereits normalisiertem
Blutfluss verstanden. Allerdings können Beiträge durch einen ebenfalls nachhaltig erhöhten Sauerstoffverbrauch nicht ausgeschlossen werden.
Ein qualitativ gleiches Bild der BOLDAntwort ergibt sich auch bei erheblich verkürzter Stimulusdauer (8C) (Fransson et al.
1999). Vor allem die relativ lang andauernden negativen Signalkomponenten müssen
bei der Planung eines fMRT-Experimentes
sowie beim Design eines geeigneten Stimulationsparadigmas beachtet werden. So verdeutlichen die Abbildungen 8B und 8D, dass
die für ein ausreichend gutes KontrastRausch-Verhältnis notwendigen Wiederholungen der Stimulations- und Kontrollperioden einen gewissen zeitlichen Abstand erfordern, um eine physiologische Trennung
der beteiligten Hirnfunktionszustände zu
gewährleisten. Daraus ergibt sich, dass viele neuropsychologische Standardtests nicht
ohne weiteres in ein fMRT-taugliches Stimulationsparadigma übersetzt werden können.
Die nur begrenzte zeitliche Auflösung der
fMRT wird zum Teil durch ihre Fähigkeit
kompensiert, auch BOLD-Reaktionen auf
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sehr kurze und/oder einmalige Reize zu detektieren. Diese Empfindlichkeit kann insbesondere durch die Ableitung eines EEGSignals während der fMRT-Messung für eine
räumlich hochaufgelöste Darstellung einzelner kortikaler (pathologischer) Ereignisse
genutzt werden. Die Abbildung 9 zeigt mögliche Anwendungen der kombinierten EEGfMRT am Beispiel eines Epilepsie-Patienten, der auch zwischen den generalisierten
Anfällen Epilepsie-typische Muster im EEG
aufweist. Derartige interiktale EEG-Veränderungen wurden während einer kontinuierlichen fMRT-Messung (im Ruhezustand
ohne Stimulation) aufgezeichnet und nach
der Untersuchung für eine Korrelationsanalyse mit den fMRT-Daten verwendet. Auf
diese Weise konnte ein eng umschriebenes
Gebiet in der Inselregion des Patienten mit
den EEG-synchronen Aktivitätsänderungen
identifiziert werden. Inwieweit dieses Areal
die eigentliche Quelle der epileptischen Aktivität oder nur ein Projektionsgebiet darstellt, verbleibt eine zu klärende Frage
(Baudewig et al. 2001b).
Räumliche Auflösung
Die Wahl der räumlichen Auflösung für ein
fMRT-Experiment ist oft von entscheidender Bedeutung. Sie hat direkten Einfluss auf
Abb. 9: Die Kombination der fMRT mit EEGMessungen an einem Patienten mit
generalisierter Epilepsie ergibt (oben) ein
Areal kortikaler Aktivität in der Inselregion, das (unten) durch eine Korrelation mit
den im EEG identifizierten Epilepsietypischen Mustern (schraffierte Boxen)
berechnet wurde. Verändert aus Baudewig
et al. (2001b).
233
FUNKTIONELLE MAGNETRESONANZ-TOMOGRAFIE DES MENSCHLICHEN GEHIRNS
Abb. 10: Der Einfluss der räumlichen
Auflösung auf die Spezifität der Aktivierungskarten: (A) 3x3 mm2, (B) 2x2 mm2,
(C) 1x1 mm2 und (D) 0.5x0.5 mm2 bei
jeweils gleicher Schichtdicke (4 mm).
Bildes von unter 100 ms eine Volumenabdeckung großer Teile des Gehirns mit einer
zeitlichen Auflösung von 2-3 s möglich
(vgl. Abbildungen 3, 7 und 9). Die Vorteile
einer höheren räumlichen Auflösung für
spezifische Fragestellungen werden in Abbildung 10 deutlich. Die visuellen Repräsentationen in den primären Arealen der
Sehrinde leiden bei einer häufig gewählten
Auflösung von nur 3x3 mm2 (10A) stark
unter Partialvolumeneffekten. Die Erhöhung der Auflösung über 2x2 mm2 (10B)
zu 1x1 mm2 (10C) führt zwar zu einer deutlichen Verringerung dieser Problematik, jedoch erst bei 0.5x0.5 mm2 (10D), d.h. bei
einer Reduktion des Bildelementvolumens
um den Faktor 36 im Vergleich zu Abb.
10A, beschränkt sich die Aktivierung weitgehend auf die graue Hirnsubstanz. Der
Preis sehr hoher räumlicher Auflösung ist
eine Verlängerung der Messzeit für ein einzelnes fMRT-Bild, so dass entsprechende
Untersuchungen im Grenzfall auf eine einzelne Schicht begrenzt werden müssen, um
eine Zeitauflösung von 2-3 s aufrechtzuerhalten. Neurowissenschaftliche Anwendungen beziehen sich beispielsweise auf Fragen nach der Kodierung einzelner Fingerrepräsentationen im primären motorischen
Kortex (siehe unten) oder auf die Untersuchung der augenspezifischen Okulardominanzbanden im primären visuellen Kortex
(Dechent und Frahm 2000).
Probleme und Herausforderungen
Die praktische Ausführung eines fMRT-Experimentes ist durch vielfältige technische
und physiologische Probleme gefährdet.
Insbesondere ist eine intakte neurovaskuläre Kopplung die Voraussetzung dafür,
234
dass neuronale Aktivitätsänderungen tatsächlich ihre hämodynamische Entsprechung finden. Pharmakologische Modulationen, auch im Zusammenhang mit vasoaktiven Medikamenten bei der Untersuchung von Patienten, die Gabe von Anästhetika etwa bei der Untersuchung von Kindern, oder pathologische Veränderungen bei
zerebrovaskulären Erkrankungen sind nur
einige Beispiele, bei denen diese Grundlage der BOLD-fMRT in Frage gestellt ist.
In technischer Hinsicht stellen vor allem
Stimulus-korrelierte (Kopf-) Bewegungen
ein ernstzunehmendes Problem dar, da sie
an starken Kontrastgrenzen, etwa zwischen
der grauen Hirnsubstanz und der zerebrospinalen Flüssigkeit, falsch-positive Aktivierungen vortäuschen können. Suszeptibilitätsartefakte und geometrische Verzerrungen an den Übergängen zwischen Hirngewebe und luftgefüllten Räumen, beispielsweise in den basalen Anteilen des Gehirns,
betreffen die vielleicht schwerwiegendste
Herausforderung. Sie wird in Abbildung 11
am Beispiel der Amygdala demonstriert
Abb. 11: Suszeptibilitätsartefakte und
geometrische Verzerrungen. (A) Während
die bilateral lokalisierte Amygdala (Pfeile)
in strukturellen MRT-Aufnahmen gut zu
erkennen ist, führen (B) Suszeptibilitätsartefakte in dieser Region bei einer in der
Literatur verwendeten Auflösung von
3.75x3.75 mm2 zu einer völligen Auslöschung in den funktionellen MRT-Bildern.
Verändert aus Merboldt et al. (2001). (C)
Geometrische Verzerrungen der fMRTBilder verschieben die Aktivierungen (hier:
Fingerbewegungen im primären motorischen Handareal) bei einer Überlagerung
der Aktivierung mit einem anatomischen
MRT-Bild fälschlich auf die postzentrale
Hirnwindung. (D) Dieses Problem kann nur
vermieden werden, wenn die Aktivierungskarte einem gleichermaßen verzerrten
Originalbild überlagert wird, so dass die
motorische Repräsentation erwartungsgemäß entlang der Zentralfurche erscheint.
(Merboldt et al. 2001), die aufgrund ihrer
Beteiligung an der Emotionsverarbeitung
immer häufiger im Fokus von fMRT-Studien steht. Da die verantwortlichen makroskopischen Suszeptibilitätseffekte entscheidend vom Volumen der einzelnen Bildelemente abhängen, können Signalauslöschungen wie in der Amygdala-Region (11B) bis
zu einem gewissen Grad durch eine Erhöhung der räumlichen Auflösung und/oder
eine Verringerung der Schichtdicke vermieden werden. Auf jeden Fall ist es erforderlich, dass entsprechende fMRT-Untersuchungen die Qualität ihrer Ergebnisse durch
eine Dokumentation der Originalbilder belegen.
Ein direkt verwandtes Problem sind geometrische Verzerrungen und die sich daraus ergebende räumliche Inkongruenz zwischen fMRT-Bildern (einschließlich der Aktivierungskarten) und hochaufgelösten anatomischen MRT-Bildern. Eine unkritische
Überlagerung wie in Abbildung 11C führt
dann zu qualitativ falschen Aussagen: hier
wurde die motorische Repräsentation der
Hand auf die postzentrale Hirnwindung,
also in den somatosensorischen Kortex, positioniert. Diese künstliche Verschiebung
verschwindet erst, wenn die Aktivierungskarte einem fMRT-Originalbild aus der gleichen Messung überlagert wird (11D).
Für das genaue Ergebnis eines fMRT-Experimentes ist nicht zuletzt das exakte Design des Stimulationsparadigmas von entscheidender Bedeutung. Wie eine scheinbar subtile Änderung zu einem völlig anderen Ergebnis führen kann, ist in Abbildung 12 am Beispiel der Fingersomatotopie im M1 Handareal verdeutlicht. Nach
Entfaltung des Kortex im Bereich der Zentralfurche weisen die kortikalen Repräsentationen einzelner Fingerbewegungen bei
einer Kontrolle gegen Ruhe große Überlappungen auf (Abbildung 12, obere Reihe).
Verwendet man dagegen einen differentiellen Ansatz (Abbildung 12, untere Reihe),
in dem einzelne Fingerbewegungen gegen
die Bewegung eines anderen Fingers verglichen werden, so erhält man eine somatotope Anordnung funktionell dominanter
Repräsentationen, die vom Daumen (D1)
im anterio-inferio-lateralen Bereich bis zum
kleinen Finger (D5) im posterio-superiomedialen Anteil von M1 reichen (Dechent
und Frahm 2003). Dieses scheinbar widersprüchliche Ergebnis wird verständlich bei
Betrachtung der unterschiedlichen Aufgabenstellungen für Fingerbewegungen: einerseits muss bei Greifbewegungen der
Hand die Koordination mehrerer Finger gewährleistet sein, andererseits müssen auch
Neuroforum 3/04
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völlig isolierte Einzelfingerbewegungen
wie etwa beim Spielen eines Musikinstrumentes möglich sein.
Exkurs
Ausblick
Exkurs: Physikalische Grundlagen
Die Erforschung der Funktionsweise des
menschlichen Gehirns mit Hilfe der fMRT
wird sich von der bisherigen Konzentration auf primäre sensorische und motorische
Systeme auf die Informationsverarbeitung
höherer kognitiver und emotionaler Leistungen und ihren Störungen erweitern. Bereits
jetzt zeigen die vielfältigen Untersuchungsmöglichkeiten zunehmend auch in einfachen sensorischen Systemen eine starke
Modulation durch Aufmerksamkeitseffekte oder sogenannte top-down-Prozesse. Herausforderungen entstehen vor allem durch
die größere Komplexität der zu untersuchenden Prozesse, ihre im Gegensatz zu
exekutiven Motorfunktionen nur begrenzt
überprüfbare Ausführung und den großen
Einfluss selbst kleinster Unterschiede in der
Wahl des Stimulationsparadigmas. Darüber
hinaus ist zu erwarten, dass wachsende interindividuelle Unterschiede in der strategischen Bearbeitung einer kognitiven Aufgabe die Interpretation der Ergebnisse erschweren werden.
In methodischer Hinsicht wird die durch
die Echo-Planar-Messtechnik bedingte
Empfindlichkeit gegenüber Suszeptibilitätssprüngen als grundsätzliches Problem weitestgehend bestehen bleiben und vor allem
Untersuchungen des ventralen frontalen
Kortex, des vorderen Hippocampus und der
Amygdala belasten. Verbesserungen sind
Bei den Verfahren der nuklearmagnetischen Resonanz (NMR) wird der Untersuchungsgegenstand oder die Versuchsperson
in ein statisches Magnetfeld eingebracht
(hier: 3 Tesla = etwa 60.000-faches Erdmagnetfeld). Dadurch richten sich die magnetischen Dipolmomente geeigneter
Atomkerne (hier: Wasserstoff) parallel und
antiparallel zum statischen Magnetfeld aus.
Aufgrund des Besetzungsunterschiedes
zwischen den energetisch ungleichen Orientierungen stellt sich eine Gleichgewichtsmagnetisierung in Richtung des statischen
Magnetfeldes ein. Dieser Gleichgewichtszustand kann durch einen kurzen Hochfrequenz-Impuls im UKW-Bereich (hier: 123
MHz) gestört werden. Anschließend kehrt
die Magnetisierung in den Gleichgewichtszustand zurück, wobei die Atomkerne ihrerseits ein Radiofrequenzsignal abgeben,
das als NMR-Signal aufgezeichnet und
weiterverarbeitet werden kann.
Für die Magnetresonanz-Tomografie
(MRT) werden räumlich unterscheidbare
NMR-Signale durch magnetische Zusatzfelder (Magnetfeldgradienten) erzeugt, die
weniger durch immer höhere Magnetfeldstärken zu erwarten, die diese Probleme linear verstärken, sondern vielmehr durch
parallele Bildgebungstechniken wie sie zur
Zeit allgemein auf modernen MRT-Syste-
sowohl während der Hochfrequenz-Anregung als auch während der Datenaufnahme geschaltet werden. Da die Frequenz des
NMR-Signals direkt proportional zur Magnetfeldstärke ist, entspricht das durch
Fourier-Transformation erhaltene konventionelle NMR-Spektrum bei örtlich variabler Magnetfeldstärke einer eindimensionalen Projektion der Intensität des Untersuchungsobjektes in Richtung des zugeschalteten Gradienten. Aus einer Vielzahl
von Einzelmessungen mit veränderter
Ortskodierung lassen sich zwei- oder dreidimensionale Bilder des Objektes rekonstruieren.
Die strukturelle Bildgebung stellt die
derzeit wichtigste Anwendung der MRT
mit etwa 60 Millionen Untersuchungen
jährlich dar. Sie profitiert vor allem von
den exzellenten Weichgewebekontrasten
des Verfahrens sowie einer hohen Sensitivität bei pathologischen Veränderungen.
Darüber hinaus weist die MRT eine Vielzahl spezieller Techniken auf, von denen
für neurowissenschaftliche Fragen vor allem spektroskopische Untersuchungen des
Hirnstoffwechsels, diffusionsbasierende
Darstellungen der axonalen Konnektivitäten und individuellen Nervenfaserverläufe sowie funktionelle Kartierungen kortikaler Systeme von Interesse sind.
men eingeführt werden. Mittelfristig werden zudem fMRT-Untersuchungen mit simultaner EEG-Aufzeichnung an Bedeutung
gewinnen: Sie verbinden zwei unabhängige physiologische Korrelate neuronaler
Abb. 12: Fingerrepräsentationen im primären motorischen Handareal (M1) nach Segmentierung und Entfaltung des Gehirns (vgl. Abb. 6).
(Oben) Während eine Bewegung gegen Ruhe zu starken Überlappungen führt, ergibt (unten) ein differentieller Vergleich unterschiedlicher
Fingerbewegungen eine geordnete somatotope Reihung von D1: Daumen, D2: Zeigefinger, D3: Mittelfinger, D4: Ringfinger und D5: kleiner
Finger. Verändert aus Dechent und Frahm (2003).
Neuroforum 3/04
235
FUNKTIONELLE MAGNETRESONANZ-TOMOGRAFIE DES MENSCHLICHEN GEHIRNS
Aktivität sowie komplementäre technische
Stärken und bieten damit hervorragende
Voraussetzungen für neue Einsichten in
die raumzeitliche Organisation wesentlicher Hirnfunktionen und ihrer Störungen.
Vorhersehbare Anwendungen reichen von
der Charakterisierung epileptogener Prozesse bis zur Verfolgung synaptischer Plastizität im Zusammenhang mit Reorganisationsprozessen bei Lernvorgängen oder
bei der Rehabilitation nach Hirnverletzungen.
Klinische Anwendungen der fMRT versprechen ein großes Potential für die Diagnostik neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen. Allerdings muss vor
allzu schnellen und unkritischen Einsätzen gewarnt werden. Zur Zeit wird die
fMRT vielfach in der prächirurgischen
Funktionsdiagnostik erprobt, um intaktes
Gewebe von der zu entfernenden zerebralen Raumforderung abzugrenzen. Voraussetzung dabei ist, dass für die spezifische
Hirnregion ein geeignetes Paradigma vorliegt. Während dies für viele primäre sensomotorische Areale gegeben ist, gestaltet sich die praktische Umsetzung für Gebiete mit multimodaler kognitiver oder gar
unbekannter Kodierung als sehr schwierig bis unmöglich. Psychiatrische Erkrankungen stellen daher für die fMRT ein
ebenso lohnendes wie schwieriges Feld
dar. Beispielsweise gibt es bisher nur wenige neuropsychologische Testverfahren,
die in ein robustes – hämodynamisch kompatibles – fMRT-Stimulationsparadigma
übertragen werden konnten oder gar bezüglich der Vergleichbarkeit der Testergebnisse an gesunden Versuchspersonen
ausreichend überprüft wurden.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass
sich die wachsende Bedeutung der fMRT
für die Hirnforschung vor allem aus der
Nicht-Invasivität, dem raumzeitlichen
Auflösungsvermögen, der Empfindlichkeit und der großen experimentellen Flexibilität ergibt. Damit begegnet das Verfahren der Erkenntnis, dass sich spezifische kognitive und emotionale Leistungen
des Gehirns nicht allein aus den zugrundeliegenden molekularbiologischen Komponenten oder synaptischen Übertragungsmechanismen ableiten lassen, sondern
Untersuchungen des intakten Gesamtsystems erfordern. Die reduktionistische
Vorgehensweise in der neurobiologischen
Grundlagenforschung wird auf diese Weise durch ein integratives Konzept ergänzt,
das die genetische Information – über den
Schritt geeigneter Tiermodelle – mit der
Funktion des Gehirns verbindet.
236
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Kurzbiografien
Peter Dechent: Studium der Biologie in
Mainz, Manchester, Stockholm und Göttingen. 2001 Promotion am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen. Danach Postdoc in der Biomedizinischen NMR Forschungs GmbH. Seit 2004
Leiter der Forschergruppe „MR-Forschung
in der Neurologie und Psychiatrie“, ein Gemeinschaftsprojekt des Bereichs Humanmedizin der Georg-August-Universität Göttingen und des Max-Planck-Instituts für
biophysikalische Chemie in Göttingen, mit
Unterstützung des Landes Niedersachsen.
Jens Frahm: Studium der Physik in Göttingen. 1977 Promotion am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen. 1993 Habilitation im Fach Physikalische Chemie und seit 1997 außerplanmäßiger Professor an der Georg-AugustUniversität Göttingen. Seit 1992 wissenschaftlicher Leiter und Geschäftsführer der
Biomedizinischen NMR Forschungs GmbH
am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen. Er hat zahlreiche Preise und Auszeichnungen für grundlegende Arbeiten zur Magnetresonanz-Tomografie erhalten und ist z.Z. stellvertretender Sprecher des Zentrums für Neurobiologie des Verhaltens sowie Mitglied des
DFG Forschungszentrums Molecular Physiology of the Brain und des Instituts für
Multiple Sklerose-Forschung.
Korrespondenzadresse
Dr. Peter Dechent
MR-Forschung in der Neurologie
und Psychiatrie
Bereich Humanmedizin
Georg-August-Universität Göttingen
D-37099 Göttingen
Tel.: ++ 49 (0) 551 3913 140
Fax: ++ 49 (0) 551 3913 243
e-mail: [email protected]
Neuroforum 3/04
TANUJA ROHATGI UND GEORG REISER
Thrombin-verwandte Proteasen als
Signalmoleküle im Gehirn: Proteaseaktivierte Rezeptoren bei neuronaler
Schädigung und bei Neuroprotektion
Tanuja Rohatgi und Georg Reiser
Zusammenfassung
Thrombin, eine Serinprotease mit zentraler Bedeutung für die Blutgerinnung, kann
Rezeptoren auf der Plasmamembran von Zellen aktivieren. Diese Protease-aktivierten
Rezeptoren (PARs) wurden kürzlich auch im Gehirn gefunden. Dort sind diese Rezeptoren insbesondere bei Neuroprotektion oder Schädigung im Zusammenhang mit pathologischen Zuständen von Bedeutung. Man unterscheidet 4 Subtypen, die als PAR-1
bis PAR-4 bezeichneten Rezeptoren, die alle in Mensch, Ratte und Maus exprimiert
sind und große Homologie zwischen diesen Spezies aufweisen. PARs besitzen einen
einzigartigen Aktivierungsmechanismus, weil sie durch die Spaltung des Rezeptorproteins irreversibel in den aktiven Zustand versetzt werden. Das durch die Proteolyse
neu entstandene extrazelluläre N-terminale Ende des Rezeptor-Polypeptids wird als
ein vorher verborgenes N-terminales Ende offen gelegt und wirkt nun als an das Protein gekoppelter, aktivierender Peptidligand.
PARs sind in vielen Bereichen im zentralen und im peripheren Nervensystem exprimiert. PARs scheinen bei der Pathologie neurodegenerativer Erkrankungen, wie Alzheimer oder HIV-Encephalitis eine Rolle zu spielen. Thrombin löst im Gehirn über
PARs die Proliferation von Astrozyten aus, was für die reaktive Astrogliose von Bedeutung ist. Andererseits wirkt Thrombin janus-ähnlich, da es bei hohen Konzentrationen
Nervengewebe schädigt, dagegen in sehr niedrigen Konzentrationen, welche im leicht
geschädigten Nervengewebe erreicht werden, eine protektive Rolle hat.
Abstract
Thrombin-type proteases as signaling molecules in the brain: the role of protease activated receptors in neuronal damage and in neuroprotection
Thrombin, mainly known as a serine protease with central significance in blood coagulation, is able to activate receptors on the plasma membrane of cells. These proteaseactivated receptors (PARs) were recently found also in brain. There the receptors are
significant for neuronal development, as well as for neuroprotection or damage during
pathological situations. Molecular biology research has identified four subtypes of PARs,
G protein-coupled receptors. All four subtypes, which are named PAR-1 to PAR-4 were
found to be expressed in human, rat and mouse. PARs have a unique activation mechanism, because proteolytic cleavage leads to irreversible conversion of the protein into
its active state. In this case, receptor activation after proteolysis results in a new extracellular N-terminal domain. This unmasks the tethered ligand, a sequence of about 6
amino acids, which binds specifically on an extracellular region of the receptor. This
feature can be used experimentally for activating the receptor without proteolysis, by
utilizing synthetic peptides of those 5-6 amino acid residues.
PARs are expressed in many regions of the central and peripheral nervous system.
PARs seem to play a role in the pathology of neurodegenerative disorders, like Alzheimer’s disease or HIV-encephalitis. Thrombin induces proliferation of brain astrocytes
mediated by PARs, which is of significance for reactive astrogliosis. On the other side
thrombin has a janus-like action: at high concentration it causes damage of nervous
tissue, at very low concentrations which are reached in slightly damaged tissue it plays
a specific protective role.
Key words: Protease-activated receptors; thrombin; neurodegeneration; neuroprotection
Neuroforum 3/04
Einleitung: Thrombin als eine Protease
der Blutgerinnung - und Thrombin im
Gehirn?
Übermäßiger Blutverlust als Folge von
Wunden oder Gewebeverletzungen wird
durch den Anstoß einer Blutgerinnungskaskade verhindert, die zur Bildung eines Blutpfropfens am Verletzungsort führt. Unser
Blutkreislaufsystem besitzt zahlreiche Proteine, die in dieser Kettenreaktion mitwirken, darunter die Serinprotease Thrombin,
deren proteolytische Aktivität Fibrin als eine
unauflösliche Verklumpung bildet. Das 39
kDa-Protein Thrombin entsteht aus dem
Vorläufer Prothrombin, einem 71.6 kDaProtein. Dies geschieht als Folge einer proteolytischen Spaltaktivität durch den Faktor Xa, ein anderes an der Gerinnungskaskade beteiligtes Protein (Abbildung 1). Bis
vor kurzem hatte man angenommen, dass
Prothrombin und folglich Thrombin nur im
Blut vorkommen und dort spezifisch die
Aufgabe der Gerinnung erfüllen. Dann stellte sich heraus, dass Thrombin auch die Blutplättchenaggregation auslöst. Inzwischen ist
klar, dass Thrombin verschiedene Zelltypen,
wie Makrophagen, Neutrophile, Monozyten und Endothelzellen, aktiviert und darüber hinaus die Proliferation glatter Gefäßmuskelzellen anstoßen kann.
Man entdeckte dann, dass Thrombin sogar in primären neuronalen Zellkulturen
morphologische Veränderungen herbeiführt. Thrombin bewirkt nämlich ein Einziehen von Neuriten, wohingegen die Zugabe der Thrombinantagonisten ProteaseNexin-1 (PN-1) und Hirudin diesen Thrombin-Effekt hemmte. Bei der Untersuchung
menschlicher Fibroblasten wurde der spezifische Thrombinhemmer PN-1 identifiziert. Hirudin ist das Agens, mit dem der
Blutegel beim Blutsaugen die Gerinnung
hemmt. Ein völlig neues Konzept zur
Thrombinwirkung ergab sich aus der Erkenntnis, dass Thrombin, wenn es an Zelloberflächenrezeptoren bindet, mit mehreren
Übertragungswegen verknüpft ist. Allerdings wurden bis 1991 weder der Rezeptor
noch die thrombinabhängigen Übertragungswege identifiziert.
Erst dann wurde der Thrombin-Rezeptor,
der auch Protease-aktivierter Rezeptor-1
(PAR-1) genannt wurde, aus humanem Gewebe kloniert. Nachfolgend wurden noch
drei weitere Mitglieder der PAR-Familie
(PAR-2, PAR-3 und PAR-4) gefunden. Im
Zusammenhang mit PAR-2 zeigte sich, dass
nicht nur Thrombin, sondern auch andere
Serinproteasen, wie Trypsin und Granzym
A, PARs aktivieren können. Untersuchun237
DIE ROLLE VON PROTEASE-AKTIVIERTEN REZEPTOREN BEI NEURONALER SCHÄDIGUNG
Abb. 1: Erzeugen von Thrombin aus Prothrombin und die direkt durch proteolytische Effekte
des Thrombin beeinflussten Wege. Proteolytische Spaltung von Prothrombin durch Faktor Xa
erzeugt aktives und funktionelles Thrombin. Thrombin seinerseits wirkt proteolytisch und
erleichtert dadurch die Aggregation der Blutplättchen, ermöglicht den endgültigen katalytisch aktivierenden Schritt der Blutgerinnungskaskade. Nach der Bindung von Thrombin an
Rezeptoren auf Zelloberflächen aktiviert es diese durch Spaltung.
gen in unserem Labor konnten erstmals das
Vorhandensein von funktionell aktivem
PAR-1 und PAR-2 in primären AstrozytenKulturen aus Rattenhirn nachweisen. Großes Interesse auf diesem Gebiet fand die Entdeckung eines gehirnspezifischen Serinprotease-Hemmers, des Glia-Derived Nexin
(GDN), das aus Gliazellen in Kultur gewonnen wurde. Später stellte sich heraus, dass
GDN mit PN-1 identisch ist, weshalb man
beide nunmehr als PN-1 bezeichnet. Prothrombin und PN-1 sind zugleich im Rattenhirn vorhanden. Darüber hinaus haben
Expressionsstudien gezeigt, dass PAR-1 sowohl in embryonalen als auch in postnatalen und adulten Hirnen präsent ist. Wir konnten sogar alle vier PAR-Subtypen im adulten Rattenhirn nachweisen. Bei traumatischen Hirnverletzungen oder Schlaganfall
kann ein Durchbrechen der Blut-HirnSchranke zusätzlich den exogenen Serinproteasen des Serums den Zugang vom Blut
zum Hirn öffnen und damit Hirnschädigungen in Form von Vernarbungen und Ödemen
verstärken. Diese Schädigungen können Gehirnkrämpfe oder Zelltod verursachen. Im
Folgenden werden nach einer Einführung in
das Gebiet der Proteasen zuerst die Beson238
derheiten der PARs und daraufhin die Bedeutung von PARs im Gehirn dargestellt.
Proteasen als Enzyme und als
Liganden der Protease-Aktivierten
Rezeptoren (PARs)
Proteasen stellen die größte Enzymgruppe
dar. Sie wirken hochspezifisch, indem sie
Peptidbindungen durch Hydrolyse irreversibel spalten. Unsere Sicht auf Proteasen
wurde durch die Forschung der vergangenen Jahre dramatisch verändert. So spricht
man von ihnen inzwischen auch als „Signalscheren“. Die katalytische Aktivität der Proteasen kann eine Vielzahl verschiedener Zellfunktionen einleiten und regeln. Dazu gehören Proliferation, Differenzierung, Migration, Apoptose, Wundheilung und Angiogenese (Gefäßbildung). Ihrem katalytischen
Wirkungsmechanismus folgend werden die
Proteasen in Gruppen eingeteilt, die entsprechend jener Aminosäure benannt werden, die
bei der katalytischen Wirkung wesentlich ist:
Das sind als eine Gruppe die Serinproteasen, wie Thrombin, Trypsin und Chymotrypsin, welche im Brennpunkt dieses Übersichtsartikels stehen.
Die Proteasen werden meistens zunächst als
harmlose inaktive Proenzyme gebildet und
verharren so gewissermaßen in einem Standby-Modus, bis ihre Aktivität erforderlich ist.
Proteasen spalten sehr spezifisch und begrenzt verschiedene Substratproteine. Es ist
äußerst wichtig, die jeweiligen Substrate zu
identifizieren, weil diese schließlich die potenziellen Angriffspunkte für eine therapeutische Behandlung pathologischer Zustände
sind. Der vorliegende Artikel wird sich auf
ein bestimmtes Substrat für die Serinproteasen, die Protease-aktivierten Rezeptoren
(PARs), konzentrieren.
Für die Existenz, Versorgung und Aufrechterhaltung einer Homöostase insbesondere im Gehirn ist die Kommunikation zwischen den Zellen durch ein Netzwerk von
Signalen unabdingbar. Auch die Serinproteasen Thrombin und Trypsin wirken als Signal
gebende Moleküle, indem sie an Rezeptoren an der Zelloberfläche, nämlich die PARs,
binden, diese aktivieren und so diverse Zellfunktionen regulieren. Abbildung 2 zeigt
Struktur und Aktivierungsmechanismus der
PARs. PARs sind an G-Proteine gekoppelte
Rezeptoren und gehören zu einer großen
Familie von Transmembranrezeptoren. PARs
zeigen die dafür typischen sieben transmembranen Helices (TMD1 bis TMD7 in Abbildung 2): Bei diesen besteht eine Verbindung
von drei extrazellulären und drei intrazellulären Schleifen mit einem extrazellulären Nterminalen und einem intrazellulären C-terminalen Bereich.
PARs bedienen sich eines einzigartigen
Aktivierungsmechanismus, indem sie den
extrazellulären proteolytischen Spaltungsvorgang in ein transmembranäres Signal
umwandeln (Coughlin 2000). Um den Rezeptor zu aktivieren, bedarf es dieser Spaltung des Rezeptors an einer spezifischen
Stelle im extrazellulären N-terminalen Bereich durch die wirksame Liganden-Protease. Die Spaltung lässt ein neues N-terminales Ende als Liganden aufscheinen, der
jedoch an die Polypeptidkette des Rezeptors
gekoppelt bleibt. Lediglich etwa sechs Aminosäure-Reste innerhalb dieses Bereichs interagieren als neu hervorgetretener, fest verkoppelter Ligand mit der extrazellulären
Schleife 2 und den Transmembranbereichen
des gespaltenen Rezeptors und lösen folglich transmembranäre Signale aus. So tragen die PARs ihren eigenen selbstaktivierenden Liganden, der jedoch den Rezeptor nur
dann aktiviert und damit ein innerzelluläres
Signal initiieren kann, wenn er zuvor der
Proteaseaktivität ausgesetzt worden ist. Allerdings kann bei Abwesenheit der aktiven
Protease der intakte Rezeptor auch durch die
Neuroforum 3/04
TANUJA ROHATGI UND GEORG REISER
Bindung des „gekoppelten Liganden“ als
synthetisch hergestelltes Peptid aktiviert
werden. Das Peptid kann so den Rezeptor
ohne die Notwendigkeit einer proteolytischen Spaltung aktivieren. Es wurde gefunden, dass die für PAR-1 und -2 bekannten
aktivierenden Peptide ähnliche physiologische Rezeptor-Reaktionen hervorrufen wie
die Agonisten-Proteasen. Letztlich interagiert der aktivierte Rezeptor über die intrazellulären Schleifen 2 und 3 mit verschiedenen G-Proteintypen und übermittelt derart
das Signal (Coughlin 2000).
Die verschiedenen PAR-Gene und die
pharmakologische Klassifizierung der
PARs
Für die vier Subtypen der PAR, PAR-1 bis
PAR-4, zeigt Tabelle 1 die Größe der Exons
und Introns im Genom, die Aktivierungsund Inaktivierungsproteasen, die bei Aktivierung entstandenen Spaltstellen des Proteins beim Menschen und die Peptidsequenzen der gekoppelten Liganden der einzelnen
PARs bei Mensch, Maus und Ratte. Die vier
Subtypen zeigen eine identische Genstruktur: zwei Exons (kodierende Region), die im
Falle von PAR-1 bis PAR-3 durch ein einziges, sehr langes Intron (nicht-kodierende,
unterbrechende Region) von 4000 bis 22000
Basen getrennt sind. PAR-4 unterscheidet
sich insofern, als hier das Intron sehr kurz
ist, nämlich nur 274 Basen. In allen vier Fällen enthält das erste kurze Exon die 5’-nichttranslatierte Sequenz, das Start-Codon und
ein Signal-Peptid, wohingegen das zweite,
lange Exon für das Rezeptorprotein und die
3’-nichttranslatierte Sequenz kodiert. Die
Gene von PAR-1, PAR-2 und PAR-3 befinden sich auf demselben menschlichen Chromosom 5, nämlich auf der Bande Nr. 13 des
langen Arms (q) (die Bezeichnung des Genortes ist also 5q13); dagegen ist PAR-4 auf
der Bande 12 des kurzen Arms (p) von Chromosom 19 (19p12) lokalisiert. Alle vier Subtypen haben große Ähnlichkeit untereinander und sind quer durch die verschiedenen
Spezies Mensch, Maus und Ratte in hohem
Maße konserviert.
Die pharmakologische Klassifizierung der
PARs erfolgt durch Zuordnung der aktivierenden Liganden-Proteasen. Der hauptsächliche Agonist von PAR-1, PAR-3 und PAR4 ist die Serinprotease Thrombin, die sowohl
im Blutplasma als auch im zentralen Nervensystem (ZNS) vorkommt. Eine weitere
Protease, die als PAR-Agonist vor allem auf
PAR-2, aber auch auf PAR-1 wirkt, ist Trypsin, ein Verdauungsenzym, das im gastrointestinalen Trakt als inaktives Zymogen geNeuroforum 3/04
Abb. 2: Aktivierungsmechanismus der PARs. Proteolytische Aktivierung durch Serinproteasen am N-Terminus ergibt einen „gekoppelten“ Liganden, dessen Sequenz durch das
Trapez gezeigt ist, welches dann an die Stelle des blauen Trapezes, auf der extrazellulären
Schleife 2 des Rezeptors bindet und ihn somit aktiviert. Synthetische aktivierende
Peptide, welche der Sequenz des gekoppelten Liganden des Rezeptors entsprechen,
können an dieselbe Aktivierungsstelle binden und so den Rezeptor ohne proteolytische
Spaltung aktivieren. Die intrazellulären Signale werden sowohl C-terminal als auch durch
die zweite intrazelluläre Schleife über das G-Protein weitergegeben. ECL extrazelluläre
Schleife, nummeriert 1 bis 3; ICL intrazelluläre Schleife, nummeriert 1 bis 3; TMD
Transmembrandomäne, nummeriert 1 bis 7.
bildet wird. Da Trypsin nicht an Expressionsorten von PAR-2 wie im Hirn vorhanden
ist, suchte man nach alternativen Agonisten
für PAR-2 und fand dabei die Tryptase, eine
tetramere Serinprotease, die nach einer allergischen Reaktion von Mastzellen freigesetzt wird und ihrerseits PAR-2 aktiviert.
Interessanterweise setzen Rattenhirnschnitte eine trypsinartige Serinprotease (P22) frei,
die in der Lage ist, extrazelluläre Matrix zu
verdauen und PAR-2 zu stimulieren.
Neben Thrombin und Trypsin gibt es noch
weitere Serinproteasen, die ebenfalls PARs
aktivieren können. Granzym A gehört zu diesen. Es wird in zytotoxischen T-Lymphozyten gebildet und kann PAR-1 in Neuronen
und Astrozyten aktivieren. Die proteolytische Wirkung von Granzym A hat sowohl
die Retraktion von Neuriten als auch die
Umkehrung der Astrozyten-Fortsatzbildung
zur Folge. Allerdings können andere Serinproteasen, die in Tabelle 1 bei den jeweiligen PARs angegeben sind, PARs inaktivieren. Dazu gehören Cathepsin G, Elastase,
Proteinase 3 und Plasmin. Der Inaktivierungsmechanismus beruht in allen Fällen auf
einer proteolytischen Spaltung mitten im
gekoppelten Liganden, wodurch der Rezeptor unempfänglich für eine Aktivierungsprotease, wie Thrombin, wird.
Verteilung der PARs im Gehirn
Studien in unserem Labor konnten das Vorhandensein aller vier PAR-Subtypen im Gehirn nachweisen. Abbildung 3A-D zeigt jeweils Beispiele für deren Verteilung in verschiedenen Arealen des Rattenhirns (Striggow et al. 2001). Eine detaillierte immunhistochemische Analyse ergab, dass das PAR1-Protein im Hippocampus reichlich in der
Pyramidenzellschicht vorhanden ist, verglichen mit einem eher niedrigen Expressionsniveau in den Neuronen im Kortex, Thalamus, Hypothalamus, Striatum und Amygdala. PAR-1-Expression, sowohl als mRNA
als auch als Protein, wurde in embryonalem
und postnatalem Hirngewebe festgestellt.
PAR-2 und PAR-3-Proteine finden sich in
hohem Maße in Hippocampus, Kortex,
Amygdala, Thalamus, Hypothalamus und
Striatum. PAR-2-Protein wird ferner wäh239
DIE ROLLE VON PROTEASE-AKTIVIERTEN REZEPTOREN BEI NEURONALER SCHÄDIGUNG
Abb. 3: Immunzytochemischer Nachweis der PARs im Gehirn. Koronarschnitte vom adulten
Rattenhirn mit verschiedenen Arealen nach Anfärbung mit spezifischen Antikörpern für
PAR-1 bis -4. (A) PAR-1 Immunreaktivität in der rechten Hemisphäre des Gehirns; (B) PAR2 Immunreaktivität in der Hippocampusformation. PAR-2 positive Zellen in der Pyramidalschicht, Körnerzellen des Gyrus dentatus und Moosfasern. (C) PAR-3 Anfärbung im
Hippocampus. PAR-3 Immunreaktivität in Pyramidenzellen, Körnerzellen des Gyrus
dentatus and des Subiculum. (D) PAR-4 Immunreaktivität in der Moosfaserschicht der
Hippocampusformation. Maßstab jeweils, 2 mm (A), 500 µm (B und C) und 100 µm (D).
Abkürzungen: AN, amygdaloid nucleus; CO, cortex; CPu, caudate putamen; GrDG, granular
cell layer of dentate gyrus; HF, hippocampal formation; HTH, hypothalamus; LMol, stratum
lacunosum moleculare; mf, mossy fibres; Mol, stratum moleculare of the dentate gyrus;
Py, pyramidal cell layer. (Ausschnitte übernommen von Striggow et al. 2001)
rend der Embryogenese im ZNS exprimiert.
Dagegen zeigt sich das PAR-4-Protein in
neuronalen Somata, in den Axonen und Dendriten des Hippocampus sowie allen Schichten des Kortex, von Thalamus, Hypothalamus und Amygdala. Aus unserem Labor
wurden des Weiteren auf mRNA- wie auf
Protein-Ebene funktionelle Koexpressionen
von PAR-1 bis -4 in Ratten-Astrozyten in
Kultur berichtet (Wang et al. 2002a). Unter
Einsatz von RT-PCR und Immunomarkierung konnten wir kürzlich die Expression
von PAR-1 und PAR-3 in Ratten-Oligodendrozyten in Kultur sowie auch in einer Oligodendroglia-Zelllinie belegen. PAR-3 zeigt
dort jedoch keine offenkundige funktionelle Aktivität.
Eine weitere Beobachtung weckt sicherlich unser Interesse. PARs sind auch in vielen anderen Regionen des Nervensystems in
240
hohem Maße exprimiert. Im Rückenmark
zum Beispiel ist PAR-1 mRNA reichlich in
Motoneuronen und in den Hinterwurzelganglien zu finden, ferner in den präganglionären Neuronen des autonomen Nervensystems. PAR-2-Expression auf Proteinebene
lässt sich während der Embryogenese im
peripheren Nervensystem (PNS) entdecken.
PAR-2 wird ferner von primären Rückenmarksafferenzneuronen exprimiert. Vor kurzem wurde mit Hilfe der Immunocytochemie die Expression von PAR-4 in peripheren Nerven gefunden.
Mechanismen der Signalübertragung
durch PARs
Die Spaltung des N-terminalen extrazellulären PAR-Abschnitts durch die AgonistProtease ist von der Bindung des aufgedeck-
ten gekoppelten Liganden mit Aktivierung
des Rezeptors gefolgt (Abbildung 2). Damit
wird eine Veränderung der Rezeptorkonformation bewirkt, was in der Folge den Rezeptor mit heterotrimeren G-Proteinen interagieren lässt. Diese Proteine binden die Guaninnukleotide GDP und GTP und werden
deshalb so genannt. Die PAR-Rezeptor-GProtein-Interaktion stößt nun folgenden Prozess an: GDP wird auf der großen Untereinheit des G-Proteins durch GTP ersetzt und
ergibt den dadurch aktivierten G-ProteinGTP-Komplex. Dieser kann verschiedene
Enzyme oder Ionenkanäle als Effektoren
aktivieren. Die Signalübertragung durch GProteine endet, wenn GTP zu GDP hydrolysiert ist und nachfolgend die G-Proteine dadurch wieder in ihren inaktiven Zustand zurückgeführt sind. PAR-1 ist innerhalb der
PAR-Familie hinsichtlich seines Signal-Mechanismus bisher am besten verstanden. Eine
Aktivierung von PAR-1 durch einen Agonisten resultiert meistens in einer Stimulierung
der Phospholipase C (PLC) über das Gq-Protein. Aktivierte PLC hydrolysiert in der Plasmamembran ein Phospholipid zu Inositol(1,4,5)-trisphosphat (IP3) und Diacylglycerol (DAG). Die Bildung des IP3 führt
zur Mobilisierung von intrazellulärem Ca2+,
DAG seinerseits hat an der Aktivierung von
Proteinkinase C (PKC) Anteil. Eine weitere
Enzymfamilie, die in der PAR-Signalübertragung involviert ist, sind die mitogen-aktivierten Proteinkinasen (MAPK). Sie spielen eine zentrale Rolle bei Wachstum, Proliferation, Entwicklung und Überleben aller
eukaryotischen Organismen.
Die Signalübertragung von PARs in Astrozyten des Gehirns wurde intensiv untersucht.
Astrozyten bilden eine Hauptgruppe der
Gliazellen und sind äußerst wichtig im Gehirn, da sie auch die Neuronenaktivität beeinflussen, vielleicht sogar steuern. Nach
Verletzungen proliferieren Astrozyten und
können in der Folge zu Synapsen wandern,
die durch die Verletzung nicht geschädigt
wurden. Die Unterstützung funktioneller
Synapsen und die Entstehung von Progenitor-Stammzellen für die Schaffung aller Typen reifer Hirnzellen, einschließlich Neuronen im adulten Hirn, gehören zu den Charakteristika, die im Zusammenhang mit
Astrozyten diskutiert werden. Es ist deshalb
entscheidend, den Mechanismus, welcher
der Proliferation der Astrozyten im ZNS
zugrunde liegt, zu verstehen. Studien in unserem Labor konnten nachweisen, dass
Thrombin eine erhebliche Stimulation der
Proliferation von Rattenastrozyten in Kultur auslöst (Wang et al. 2002a). Dieser Prozess wird auf dem MAPK-Signalweg ermögNeuroforum 3/04
TANUJA ROHATGI UND GEORG REISER
licht (Wang et al. 2002b). Der stimulierende
Effekt von Thrombin oder PAR-1 aktivierendem Peptid wird durch die Aktivierung
von PAR-1 angestoßen und läuft über zwei
parallele intrazelluläre Schienen. Eine dieser beiden Reaktionen involviert die Aktivierung des Pertussis-Toxin-sensitiven GiProteins. Pertussis-Toxin, welches für die
Entstehung der Keuchhustenerkrankung verantwortlich ist, bewirkt auf molekularer Ebene eine Hemmung des Gi-Proteins. Vom GiProtein wandert das Signal zur Phosphatidylinositol-3-Kinase und bewirkt schließlich
eine Phosphorylierung der die Genexpression steuernden Proteine ERK 1/2. Der zweite Transduktionsweg verbindet das Gq-Protein mit der PLC, deren Aktivierung zur
Entstehung von IP3 und DAG führt und in
der Konsequenz die Freisetzung von intrazellulärem Kalzium und die Aktivierung der
PKC zur Folge hat. Die beiden Signalübertragungswege stehen unter einander in Verbindung (Wang et al. 2002b; Wang und Reiser 2003). Kürzlich konnten wir an einer
Oligodendrozyten-Zelllinie darlegen, dass
auch in diesen Zellen der durch PAR-1-Aktivierung induzierte intrazelluläre Kalziumanstieg vor allem das Ergebnis der Ca2+-Freisetzung aus intrazellulären Speichern ist.
Hinsichtlich der intrazellulären Signalmechanismen des PAR-2 ist bisher deutlich
weniger bekannt.
Physiologische und pathophysiologische Funktionen von Thrombin
und PARs im Gehirn
Die Vielzahl der in den letzten Jahren erschienenen Publikationen zum Thema PARs
beleuchtet das wachsende Interesse an deren Bedeutung vor allem auch für zerebrale Vorgänge. Dennoch stehen wir trotz rascher Fortschritte immer noch am Anfang
des Verständnisses der von ihnen kontrollierten zellulären Funktionen. Die jüngsten
Studien haben gezeigt, dass diese Rezeptorfamilie an einer erheblichen Anzahl neurologischer Prozesse beteiligt ist, indem sie
eine kritische Rolle in der Aufrechterhaltung der Balance zwischen Neuroprotektion und Neurodegeneration, bei Entzündung,
Verletzung und verschiedenen Krankheitszuständen spielt. Abbildung 4 stellt einige
der wesentlichen funktionellen Konsequenzen einer PAR-Aktivierung im Gehirn an
den Zelltypen Neuronen, Astrozyten und
Mikroglia und bezogen auf neurodegenerative Erkrankungen dar.
Thrombin kann im Nervensystem Wachstum, Aufrechterhalten der neuronalen Funktion und morphologische Veränderungen inNeuroforum 3/04
Abb. 4: Funktionelle Bedeutung der PAR Aktivierung im Gehirn. PAR Aktivierung durch
Thrombin bewirkt diverse zelluläre und morphologische Veränderungen in den Hauptzelltypen des Gehirns, Neuronen, Astrozyten and Mikroglia. Deren Wechselwirkungen sind
wesentlich für Entwicklung und Folgen bei einigen neurodegenerativen Erkrankungen.
duzieren. Im Gehirn beeinflusst es alle drei
Hauptzelltypen. Thrombin löst in Neuronen
eine Veränderung der Zellmorphologie aus.
Die proteolytische Aktivität von Thrombin
resultiert über PAR-1 in einem Einziehen
neuritischer Fortsätze, ein nach Entzug von
Thrombin aus dem umgebenden Medium
reversibler Vorgang. Auch auf Astrozyten
wurde die Wirkung von Thrombin detailliert untersucht. In Kultur verursacht
Thrombin eine Umkehr der sternförmigen
Morphologie der Astrozyten und führt sie
in eine flache epitheliale Form über. Der
oben besprochene mitogene Effekt, welcher
in einer Proliferation der Astrozyten resultiert, wird ausgelöst. Allerdings schließen
sich die beiden Thrombin-Effekte an Astrozyten bezüglich der erforderlichen Konzentration von Thrombin gegenseitig aus. Bei
der niedrigsten Konzentration von Thrombin wurde kein mitogener Effekt beobachtet, wohingegen die Umkehr der sternförmigen Morphologie ausgelöst wurde. Unsere Untersuchungen haben ergeben, dass
die Zugabe von Thrombin und das Aktivieren von PAR-1 bis PAR-3 durch die entsprechenden Peptidliganden zur Astrozytenproliferation führt (Wang et al. 2002a). Weiterhin stimuliert Thrombin die Freisetzung
des potenten vasokonstriktorischen Peptids
Endothelin-1 aus Astrozyten. Thrombin induziert auch die Arachidonsäurebildung in
Astrozyten, wobei die Arachidonsäure ih-
rerseits die Thrombin-induzierten Kalziumantworten in den Astrozyten unterdrückt.
Nicht nur bei Astrozyten sondern auch bei
der Mikroglia löst Thrombin Proliferation
über Aktivierung des PAR-1 aus. Mikroglia
sind residente Makrophagen im ZNS und
spielen bei verschiedenen ZNS-Erkrankungen eine wesentliche Rolle, indem sie Entzündung und neuronalen Zelltod kontrollieren. PAR-1-Aktivierung reguliert CD40
hoch, welches ein transmembranes Glykoprotein ist, das in Immunzellen, wie B-Lymphozyten, aktivierten T-Zellen und Monozyten, exprimiert wird.
Aktivieren der PARs über Thrombin hat
indirekt auch einen Effekt auf die Expression eines anderen Typs der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren, nämlich des metabotropen Glutamatrezeptors, welcher bei
synaptischer Plastizität mitwirkt. Nach
PAR-1-Aktivierung durch Thrombin ist die
Expression eines Typs des metabotropen
Glutamatrezeptors, mGluR5, auf Astrozyten reduziert. Astroglia haben eine bedeutende Aufgabe bei der Aufrechterhaltung
der Glutamattransmission. Kenntnis der
Regulation der astrozytären Funktionen
während pathologischer Zustände, welche
durch erhöhte Thrombinspiegel charakterisiert sind, kann von großer Bedeutung für
das Verständnis zellulärer Wechselwirkungen bei Krankheitszuständen im ZNS sein.
Die Aktivierung von PAR-1 über Throm241
DIE ROLLE VON PROTEASE-AKTIVIERTEN REZEPTOREN BEI NEURONALER SCHÄDIGUNG
Tab. 1: Charakteristika der PAR-Gene und der proteinspaltenden Aktivierungen der vier
PAR-Subtypen, PAR-1 bis -4. Exons (Anzahl der kodierten Aminosäuren (AS)) und Introns
(Anzahl Basen) der humanen PAR-Gene. PARs können meist durch mehrere Proteasen
aktiviert bzw. inaktiviert werden, wie hier zusammengefasst. Die durch Agonist entstehende Spaltstelle am humanen PAR und die Sequenz des aktivierenden Peptids (gekoppelter
Ligand) der PARs bei Mensch (h), Maus (m) und Ratte (r). TF, tissue factor; Faktoren VIIa
und Xa, Faktoren der Gerinnungskaskade.
PAR-1
PAR-2
PAR-3
PAR-4
Exon 1 (human)
AS 1-29
AS 1-27
AS 1-22
AS 1-37
Exon 2 (human)
AS 30-425
AS 28-397
AS 23-374
AS 38-385
Intron (human)
22,000 Basen
14,000 Basen
4,000 Basen
274 Basen
Thrombin
Trypsin
Factor Xa
Granzym A
Trypsin
Tryptase
Factor Xa
TF/ Factor VIIa
Thrombin
Thrombin
Trypsin
Cathepsin G
Arg 41-Ser 42
Arg 34-Ser 35
Lys 38-Thr 39
Arg 47-Gly 48
Gekoppelter Ligand SFLLRN (h)
SFFLRN (m, r)
(Peptidsequenz)
SLIGKV (h)
SLIGRL (m, r)
TFRGAP (h)
SFNGCP (m)
GYPGQV (h)
GYPGKF(m)
Aktivierende
Proteasen
Spaltstelle
(human)
Inaktivierende
Proteasen
Plasmin
Cathepsin G
Elastase
Proteinase 3
Chymase
Chymase
Elastase
bin in hippocampalen Neuronen hemmt die
durch NMDA-Rezeptoren vermittelte
Schmerzübertragung auf einem Weg, welcher den Endothelin-A-Rezeptor betrifft.
Letzterer ist ein weiterer G-Protein-gekoppelter Rezeptor. Endothelin-Rezeptoren, die
wichtig bei der Regulation des kardiovaskulären Systems sind, wurden auch auf den
Gliazellen im ZNS gefunden.
Ein Gebiet, auf dem die Erforschung der
PARs besondere Aufmerksamkeit erregt hat,
ist deren mögliche Mitwirkung bei der Kontrolle von Entzündung und bei Verletzungen. PAR-1 zum Beispiel wurde nach einer
Gesichtsnervverletzung herunterreguliert.
Eine jüngst durchgeführte Studie ergab,
dass eine milde Quetschung des Sehnervs
in der Ratte, welche ein Modell für ZNSTrauma darstellt, zu einer vorübergehenden
Hochregulation aller PARs führt (Rohatgi
et al. 2003). Bei der Nervquetschung entsteht aus Prothrombin an der Stelle der Gewebeläsion durch eine verletzungsbedingte Aktivierung Thrombin, welches dann einen Sekundärschaden verursacht.
Thrombin kann in neuralen Zellen über
die Rezeptor-vermittelte proteolytische Aktivierung überraschenderweise gegensätzliche Wirkungen auslösen, entweder apoptotischen Zelltod oder aber Neuroprotektion. Wie ist das zu verstehen? Beides wurde
in Kultur sowohl bei Astrozyten als auch
bei Neuronen beobachtet. Diese an isolierten Zellen gewonnene Einsicht löste diverse Studien aus, die nach einer eventuell kon242
Elastase
zentrationsabhängigen Wirkung des Thrombin in vivo forschten. Dies wurde insbesondere bei Gewebeverletzung und Wundheilung untersucht, wie im Fall verschiedener
Gehirnverletzungsmodelle. Diese Modelle
beinhalten Sauerstoff-Glukose-Entzug an
hippocampalen Schnittkulturen (Striggow
et al. 2001), Quetschung des Nervus opticus sowie hypoglykämische und oxidative
Stressbedingungen. Eine Studie unseres
Labors stellte fest, dass Thrombin bei einer
niedrigen Konzentration (50 nM oder
weniger) neuroprotektiv wirken kann,
wohingegen bei höherer Konzentration ein
neurodegenerativer Effekt ausgelöst wird
(Striggow et al. 2000). Beides wurde an dem
Modell der organotypischen hippocampalen Schnittkulturen in vitro untersucht. Die
parallel durchgeführte in vivo Studie ergab,
dass nach einer Hirnischämie der Ratte
Thrombin eine konzentrationsabhängige
Wirkung bezüglich Absterben oder Überleben der Neurone hat (Striggow et al.
2000). Eine andere Untersuchung zeigte,
dass die Thrombin-vermittelte PAR-1-Aktivierung Neuronen und Astrozyten gegen
Belastungen schützt, zu denen oxidativer
Stress oder Hypoglykämie gehören, wohingegen hohe Konzentrationen von Thrombin sowohl für Neuronen als auch Astrozyten, die unter Normalbedingungen kultiviert
wurden, toxisch waren. Dabei offenbarte
sich ferner, dass all diese Effekte durch den
endogenen Serinprotease-Inhibitor des Gehirns, PN-1, gehemmt werden. Dies belegt
die Notwendigkeit der proteolytischen Aktivität von Thrombin über PARs. Die meisten Wirkungen von Thrombin sind durch
den Rezeptor PAR-1 vermittelt, wobei
jüngst auch die Rolle des PAR-4 bei proinflammatorischen Prozessen herausgestrichen wurde. An Hirnmikroglia sind proinflammatorische Effekte des Thrombin nicht
nur durch PAR-1, sondern auch durch PAR4 vermittelt. PAR-2 Agonisten sind in neurogener Inflammation beteiligt und sind toxisch für hippocampale Neurone. Daraus
folgt, dass PAR-2-Aktivierung zur Neurodegeneration beitragen kann.
Schlaganfall, nämlich Zerebralinfarkt,
bewirkt ein plötzliches neurologisches Versagen, welches zum einen durch Verschluss
eines zerebralen Blutgefäßes verursacht ist,
wodurch ischämische Nekrose des Gehirns
ausgelöst wird. Andererseits kann auch der
Riss eines Blutgefäßes verantwortlich sein,
wodurch im Gehirn oder im Subarachnoidalraum eine intracraniale Blutung entsteht.
Unsere Studien zur PAR-Expression in verschiedenen Tiermodellen der zerebralen
Ischämie haben gezeigt, dass PARs bei der
Pathophysiologie der zerebralen Ischämie
beteiligt sind: die mRNA-Expression der
PARs wird nach Ischämie transient verändert. Hingegen offenbarte sich in Knockout-Mäusen, welche den PAR-1 nicht mehr
hatten, eine deutliche Reduktion des Infarktvolumens nach einer transienten zerebralen
Ischämie (Junge et al. 2003). Dies weist auf
eine neurodegenerative Rolle des PAR-1
während des Schlaganfalls und der Ischämie
hin, sowie auf das Auslösen von Neuroprotektion in Folge eines Mangels an PAR-1.
Das Fehlen auffälliger Unterschiede zwischen Wildtyp und PAR-1 Knock-out-Mäusen nach Durchlässigmachen der Bluthirnschranke bei Ischämie beweist, dass PAR1-Signale mit neuronalem oder glialem Zellüberleben zusammenhängen. Ein weiterer
Aspekt, welcher die Wirkung von Thrombin als einer möglichen neuroprotektiven Substanz unterstützt, ist seine Beteiligung beim ischämischen Präkonditionieren
(Striggow et al. 2001; Xi et al. 2003). Beim
Präkonditionieren entwickelt das Gehirn
eine Toleranz gegenüber einem den Zelltod
auslösenden Insult, wenn das Gehirn mit
einem physiologisch stresshaften, jedoch
weitaus weniger gravierenden Insult vorbehandelt wird. So bietet Präkonditionieren
eine mögliche Therapie insbesondere für
Schlaganfallgefährdung. Wir haben gezeigt,
dass endogenes Thrombin beim ischämischen Präkonditionieren beteiligt ist, womit
der Schaden nach einer folgenden schweren Ischämie vermindert wird und sich eine
Neuroforum 3/04
TANUJA ROHATGI UND GEORG REISER
Neuroprotektion einstellt (Striggow et al.
2000). Präkonditionieren durch Anwenden
von Thrombin verringert auch die durch zerebrale Blutung ausgelöste Gehirnödembildung.
PARs werden ferner mit verschiedenen
neurodegenerativen Erkrankungen in Zusammenhang gebracht. Auf dem Gebiet der
Alzheimerschen Erkrankung ist es essenziell, die biologischen Wirkungen des β-Amyloid-Proteins, ein ursächliches Agens der
Alzheimer-Erkrankung, zu erforschen.
Thrombin schwächt die durch β-AmyloidProtein ausgelöste neuronale Degeneration
ab. Thrombin-induzierte Effekte können dabei durch das PAR-1 aktivierende Peptid
vermittelt werden, was darauf hinweist, dass
PAR-1 bei Alzheimer-Erkrankungen beteiligt ist. Eine Studie aus jüngster Zeit hat ergeben, dass bereits nanomolare Konzentrationen von Thrombin in der Lage sind, eine
schnelle Hyperphosphorylierung des TauProteins in hippocampalen Neuronen der
Maus durch PAR herbeizuführen, wodurch
apoptotischer neuronaler Zelltod ausgelöst
wird. Das Tau-Protein, welches eines der
Mikrotubuli-assoziierten Proteine ist,
kommt als axonales Phosphoprotein auch
im normalen Gehirn vor; bei Alzheimer-Erkrankung ist Tau jedoch hyperphosphoryliert und ein wesentlicher Bestandteil der
neurofibrillären Geflechte. Deren Anzahl
scheint proportional zum Grad der Demenz
bei Alzheimer-Patienten zu sein. Daher unterstreicht die Aktivität des Thrombin über
PAR-1 und PAR-4 bei der Auslösung der
Tau-Hyperphosphorylierung und nachfolgender Bildung der Geflechte die besondere Bedeutung von Thrombin und PARs bei
der Pathogenese der Alzheimer-Erkrankung.
Eine weitere neurodegenerative Erkrankung, bei der Thrombin und PARs eine Rolle zu spielen scheinen, ist die Parkinsonkrankheit. Bei der Parkinsonkrankheit findet sich eine Abnahme der Anzahl der Neuronen, welche den Neurotransmitter Dopamin freisetzen, wodurch sich eine verminderte Koordination der Bewegung sowie
eine Steifheit der Extremitäten ergibt. Mehrere Berichte haben gezeigt, dass Thrombin-vermittelte Aktivierung der Mikroglia
bei neuropathologischen Prozessen des dopaminergen Zelltods in der substantia nigra
der Ratte beteiligt ist. Auch bei Humanimmundefizienz (HIV)-bedingter Neurodegeneration wurde ein Bezug zu Thrombin und
PAR-1 gefunden. Die HIV-Encephalitis ist
ein Hauptgrund der Infektion im Gehirn bei
HIV-Patienten. Encephalitis ist eine Entzündung viralen oder mikrobiellen Ursprungs.
Neuroforum 3/04
Aktivieren und Hochregulieren von PAR-1
scheinen bei Gehirnentzündung zum neuronalen Schaden der HIV-Infektion beizutragen.
Abschließende Bemerkungen
Die Funktionen der PARs als Rezeptor-Familie und die des Thrombin und anderer proteolytischer Rezeptoraktivatoren sind wesentlich im normalen wie im kranken Zustand des
Nervengewebes wirksam. Welche Chancen
können sich dadurch eröffnen? Strategien, um
die PAR-Aktivierung durch PAR-Agonisten
oder PAR-Antagonisten zu beeinflussen, stellen ein neuartiges therapeutisches Potenzial
dar. Dies kann helfen, Prozesse in Gang zu
setzen, um Langzeitschäden bei neurodegenerativen Erkrankungen zu reduzieren (Ossovskaya und Bunnett 2004). Eine wichtige
und offensichtliche Frage ist jedoch bis jetzt
trotz intensiver Forschung auf diesem Gebiet
noch nicht beantwortet, nämlich, welche Typen von Proteasen während normaler oder pathologischer Bedingungen im Gehirn die
PAR-Aktivierung auslösen und ob auch Peptide als aktivierende Agenzien dies übernehmen können.
Literatur
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Rohatgi, T., Sedehizade, F., Sabel, B.A. und Reiser, G. (2003): Protease-activated receptor subtype expression in developing eye and adult retina of the rat after optic nerve crush. J Neurosci Res 73(2): 246-254.
Striggow, F., Riek, M., Breder, J., Henrich-Noack, P., Reymann, K.G. und Reiser, G. (2000):
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Acad Sci USA 97: 2264-2269.
Striggow, F., Riek-Burchardt, M., Kiesel, A.,
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Krug, M., Reymann, K.G. und Reiser, G.
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severe ischemia. Eur J Neurosci 14: 595-608.
Wang, H. und Reiser, G. (2003): The role of the
Ca2+-sensitive tyrosine kinase Pyk2 and Src in
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Wang, H., Ubl, J.J. und Reiser, G. (2002a): Four
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Wang, H., Ubl, J.J., Stricker, R. und Reiser, G.
(2002b): Thrombin (PAR-1)-induced proliferation in astrocytes via MAPK involves multiple
signaling pathways. Am J Physiol Cell Physiol
283: C1351-1364.
Xi, G., Reiser, G. und Keep, R.F. (2003): The role
of thrombin and thrombin receptors in ischemic,
hemorrhagic and traumatic brain injury: deleterious or protective? J Neurochem 84: 3-9.
Eine ausführliche Literaturliste kann von den
Autoren angefordert werden.
Danksagung
Die Untersuchungen wurden von der DFG
und dem BMBF unterstützt. Wir danken Gisela Reiser, M.A. für die gründliche Durchsicht des Textes.
Kurzbiographien
Prof. Dr. Georg Reiser: 1967-1973 Studium Physik und Chemie, Ludwig-Maximilians-Universität München und Universität
Lausanne; Dissertation am Max-Planck-Institut für Biochemie, Martinsried und Promotion 1977; 1979 -1982 Wissenschaftlicher
Assistent, Physiologisch-chemisches Institut der Julius-Maximilians-Universität
Würzburg; 1982-1984 Forschungsstipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft,
Honorary Research Assistant am University
College, Dept. of Biophysics, London; 19841994 Wissenschaftlicher Angestellter und
Akad. Rat, Physiologisch-chemisches Institut der Eberhard-Karls-Universität Tübingen; 1987 Habilitation für das Fach Physiologie an der Medizinischen Fakultät (Theoretische Medizin) der Universität Tübingen; ab
1991 Leiter einer eigenständigen Arbeitsgruppe: „Molekulare Neurophysiologie“;
1992 Habilitation für das Fach Physiologische Chemie und Biochemie an der Fakultät für Chemie und Pharmazie der Universität Tübingen; 1994 Professur für Biochemie
/ Neurobiochemie an der Otto-von-GuerickeUniversität Magdeburg und Direktor des
Instituts für Neurobiochemie. Seit 1996
Sprecher des DFG-Graduiertenkollegs:
„Biologische Grundlagen von Erkrankungen
des Nervensystems“ an der Medizinischen
Fakultät der Universität in Magdeburg. Forschungsarbeiten zu (i) molekularen Mechanismen der Neurotransmitter-vermittelten Signaltransduktion in Gliazellen, einschließlich physiologischer Funktionen von ATP
243
ARTIKEL DES QUARTALS
und Thrombin, sowie deren Rezeptoren, (ii)
Ca2+-Regulation und Energiestoffwechsel bei
Neuroprotektion und Neurodegeneration bei
Ischämie; (iii) Beteiligung der Mitochondrien bei Regulation astrocytärer Funktionen
und Glia-Neuron-Wechselwirkung.
Dr. Tanuja Rohatgi: 1991-1996 Studium
Zoologie und Molekular-Biologie, Universität Delhi, Indien. 1996-1999: Research fellow, Centre for Biochemical Technology,
Delhi, Indien. 2000-2004: Promotionsstudium an der Otto-von-Guericke-Universität,
Magdeburg. 2004 Promotion in Neurobiochemie, Universität Magdeburg.
Liste der Abkürzungen
Korrespondenzadresse
DAG
Diacylglycerol
ERK Extracellular signal regulated kinase
GDP
Guanosin Diphosphat
GTP
Guanosin Triphosphat
HIV
Human Immunodefizienz Virus
Inositol 1,4,5-trisphosphat
IP3
MAPK Mitogen-aktivierte Proteinkinase
PNS
Peripheres Nervensystem
PARs
Protease Aktivierte Rezeptoren
PN-1
Protease Nexin 1
PLC
Phospholipase C
PKC
Proteinkinase C
ZNS
Zentrales Nervensystem
Prof. Dr. G. Reiser
Institut für Neurobiochemie
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Medizinische Fakultät
Leipziger Straße 44
D-39120 Magdeburg
Tel.: ++ 49 (0) 391 671 3088
Fax: ++ 49 (0) 391 671 3097
e-mail:[email protected]
ARTIKEL DES QUARTALS
Vorgestellt von Michael Frotscher
Institut für Anatomie und Zellbiologie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Postfach
111, 79001 Freiburg
Enhanced synaptic plasticity in newly
generated granule cells of the adult
hippocampus
Christoph Schmidt-Hieber, Peter Jonas, Josef Bischofberger
Erschienen in Nature, 13 May 2004; 429, 184-187 (2004).
Die meisten von uns haben während ihres
Studiums noch gelernt, dass die Bildung von
Nervenzellen etwa zum Zeitpunkt der Geburt
abklingt. Später wurde diese Aussage dahingehend revidiert, dass in einzelnen Hirnregionen die Neurogenese noch anhalten kann, insbesondere wenn diese Hirnregionen spät gebildet werden. Hierzu gehört der Gyrus dentatus der Hippocampusformation. Wir wissen
heute, dass in dieser Hirnregion lebenslang
neue Nervenzellen gebildet werden. Es kam
als eine ziemliche Überraschung, dass diese
Neubildung von Neuronen durch physische
Aktivität kontrolliert wird (van Praag et al.
1999). Mancher Läufer unter uns hat sich an
dieser Stelle wohl ganz zufrieden zurückgelehnt.
Warum aber werden diese neuen Nervenzellen gebildet? Wir alle wissen, dass der Hippocampus eine wichtige Rolle bei Lern- und
Gedächtnisprozessen spielt. Hat die lebenslange Neubildung von Nervenzellen etwas mit
Lernen und Gedächtnis zu tun? Wir wissen,
dass neugebildete Nervenzellen nicht am Ort
ihrer Bildung verharren, sondern zu ihrem Be244
stimmungsort hinwandern. Wie muss man
sich diesen Prozess im ausdifferenzierten
Gehirn vorstellen? Wir wissen aus den Arbeiten von Pasko Rakic, dass neugebildete
Nervenzellen entlang von Radialgliafasern
migrieren. Ist denn ein solches Radialgliagerüst im adulten Gyrus dentatus vorhanden?
Wir haben auch gelernt, dass Radialgliazellen Vorläuferzellen von Neuronen sind. Wie
kann man sich Nervenzellneubildung und
neuronale Migration im Gyrus dentatus des
ausdifferenzierten Gehirns vorstellen? Vor
allem aber wollen wir wissen, was denn die
Funktion dieser neugebildeten Neurone ist
und wie sie sich mit ihren auswachsenden
Fortsätzen in das präexistente Netzwerk des
Hippocampus integrieren.
Zu diesem Fragenkatalog haben SchmidtHieber et al. mit ihren Untersuchungen einen
wesentlichen Beitrag geleistet. Die Autoren
fanden, dass reife und junge Körnerzellen des
Gyrus dentatus unterschiedliche funktionelle Eigenschaften aufweisen. Neugebildete unreife Körnerzellen sind viel leichter erregbar
als die benachbarten ‚alten’ Nervenzellen.
Christoph Schmidt-Hieber, Peter Jonas und
Josef Bischofberger (von links) haben die
Rolle von jungen Körnerzellen im adulten
Hippocampus untersucht.
Mehr noch, auch die Induktion von assoziativer synaptischer Plastizität ist deutlich erleichtert. Während bei reifen Körnerzellen zur Induktion synaptischer Verstärkung (LTP) neben der Afferenzstimulation auch “Burst”Entladungen der postsynaptischen Körnerzelle erforderlich waren, konnte bei unreifen
Körnerzellen LTP bereits durch eine Kombination von afferenter Stimulation mit einzelnen postsynaptischen Spikes induziert werden. Damit ist die Schwelle für die LTP-Induktion bei den jungen Nervenzellen signifikant niedriger.
Bevor die Autoren jedoch diese Schlussfolgerung ziehen konnten, mussten sie die
beiden unterschiedlichen Zellen, junge und
alte Körnerzellen, eindeutig identifizieren.
Dabei kam ihnen zunächst zu Hilfe, dass junge Körnerzellen immer am unteren Rand des
Körnerzellbandes gelegen sind, im Gyrus
dentatus also eine outside-in-Schichtung (im
Gegensatz zur inside-out-Schichtung des
Neokortex) vorliegt. Weiterhin haben sie die
abgeleiteten Zellen mittels intrazellulärer Biocytinfüllung markiert und mit Antikörpern
gegen PSA-NCAM angefärbt. Bekanntlich
wird diese embryonale Form von NCAM im
adulten Hippocampus nur noch in neugebildeten Körnerzellen exprimiert. Schließlich
Neuroforum 3/04
ARTIKEL DES QUARTALS
wissen wir aus Untersuchungen zur postnatalen Entwicklung der Körnerzellen sehr genau, wie junge und wie reife Körnerzelldendritenbäume aussehen (Abb. 1). Die Autoren
waren damit in der Lage, die funktionellen
Eigenschaften ihrer abgeleiteten Zellen direkt
solchen unreifen oder differenzierten Körnerzellen zuzuordnen.
Welche Bedeutung haben nun die Ergebnisse? Ich habe bereits die Frage aufgeworfen, dass es zu verstehen gilt, wie die neugebildeten Körnerzellen in das Netzwerk der
Hippocampusformation integriert werden.
Werden sie überhaupt in das Netzwerk integriert? Untersuchungen anderer Autoren hatten Hinweise dafür geliefert, dass ein beträchtlicher Teil der neugeborenen Zellen abstirbt.
Andere Untersuchungen haben aufgezeigt,
dass eine abwechslungsreiche Umgebung
oder räumliches Lernen die Wahrscheinlichkeit für das Überleben der Neurone deutlich
erhöht (Gage 2000). So haben auch SchmidtHieber et al. ihre Labortiere nicht in „normalen“ Käfigen gehalten, sondern besonders
große Käfige mit Kletterwänden, Laufrädern
und Kletterröhren benutzt. Eine höhere synaptische Plastizität während der räumlichen
Exploration könnte für das Überleben der neugebildeten Zellen nützlich sein.
Die Eigenschaften der neugebildeten Neurone wurden von Schmidt-Hieber et al. im
isolierten Hirnschnittpräparat untersucht. Sind
die ermittelten Befunde auch auf die in-vivo
Situation übertragbar, so ergeben sich weitere interessante Zusammenhänge zwischen
erhöhter Plastizität und räumlichem Lernen.
Im Zentrum eines definierten Ortes („place
field“) feuern die betreffenden Körnerzellen
mit „Burst“-Entladungen. „Burst“-Entladungen kombiniert mit afferenter Stimulation induzierten bei den ausdifferenzierten Körnerzellen LTP, während LTP bei jungen Körnerzellen bereits dann induziert werden konnte,
wenn afferente Stimulation mit Einzelentladungen kombiniert war. Dies kann bedeuten,
dass junge Körnerzellen gleichsam ein größeres Einzugsgebiet beim räumlichen Lernen
besitzen. Mit zunehmendem Alter würde bei
dieser Annahme dann eine höhere Ortsspezifität für das räumliche Lernen entstehen.
Wenngleich auch diese Annahmen noch überprüft werden müssen, zeigen die vorliegenden Untersuchungen jedoch in eindrucksvoller Weise auf, dass morphologisch eindeutig
als unreif identifizierte Körnerzellen eine
deutlich höhere synaptische Plastizität als
ausdifferenzierte Körnerzellen besitzen.
Literatur
van Praag, H., Christie, B.R., Sejnowski, T.J. und
Gage, F.H. (1999): Running enhances neuro-
Neuroforum 3/04
Abb. 1: Neugebildete Körnerzellen befinden sich am inneren Rand der Körnerzellschicht.
A.) Das konfokale Fluoreszenzbild zeigt eine reife und eine unreife Körnerzelle im hippocampalen Hirnschnitt der Ratte. Während der elekrophysiologischen Ableitung wurden die
Zellen mit Biocytin gefüllt und anschließend fluoreszenzmarkiert (grün). Diese Neurone
sind in ein Netzwerk von GFAP-positiven Gliazellen (rot) eingebettet. B.) Vergrößerte
Darstellung der unreifen Zelle. Maßstab in Abb. A.) und B.) 100 µm bzw. 20µm.
genesis, learning, and long-term potentiation in
mice. Proc Natl Acad Sci USA 96: 1342713431.
Gage, F.H. (2000): Mammalian neural stem cells.
Science 287: 1433-1438.
Fragen an die Autoren
Frage: Wie sind Sie auf die im Artikel beschriebenen Befunde gestoßen? Welche
Arbeiten haben Sie zu Ihrer Fragestellung
inspiriert?
Josef Bischofberger: Bereits vor einigen
Jahren ist mir aufgefallen, dass sich die Körnerzellen des Hippocampus am inneren Rand
der Körnerzellschicht erstaunlich inhomogen
verhalten. Dies war damals sehr störend. Als
sich dann herausstellte, dass es sich hier um
morphologisch und immunhistochemisch distinkte Teilpopulationen (eben reife und unreife Neurone) handelt, konnten wir der Ursache endlich auf den Grund gehen. Wichtige Arbeiten, die uns bestärkt haben, die Funktion dieser Zellen zu studieren, kamen aus
den Gruppen von Fred Gage und Elizabeth
Gould, die unter anderem zeigen konnten,
dass adulte Neurogenese auch im humanen
Hippocampus vorkommt (Erikson et al. 1998,
Nat Med 4:1313-1317) und dass die neugebildeten Nervenzellen das Lernen erleichtern
(Shors et al. 2001, Nature 410:372-376).
Peter Jonas: Meine Abteilung beschäftigt
sich mit den Mechanismen der synaptischen
Übertragung und der funktionellen Plastizität im Hippocampus. Dabei haben wir uns
insbesondere mit der Funktion präsynaptischer Elemente und der Struktur und Funktion inhibitorischer Interneurone befasst. Es
schien, als ob wir die wesentlichen zellulären Komponenten des hippocampalen Netz-
werkes verstanden hätten. Als mehrere Gruppen vor einigen Jahren Evidenzen für adulte
Neurogenese veröffentlichten, waren wir sehr
überrascht und wollten auch dieser neuen
strukturellen Plastizitätsform auf den Grund
gehen.
Frage: Wann haben Sie begonnen, sich für
die Neurowissenschaften zu interessieren?
Christoph Schmidt-Hieber: Am Ende meiner Schulzeit interessierte ich mich sehr für
künstliche Intelligenz, unter anderem wegen
der damals aktuellen Diskussion über das
Schachduell zwischen Deep Blue und Kasparow. Die Beschäftigung mit dem Thema
weckte letztendlich auch mein Interesse an
der „Natürlichen Intelligenz“, insbesondere
an den Mechanismen von Lernen und Gedächtnis.
Josef Bischofberger: Während der ersten
Semester meines Physikstudiums kam mir ein
Buch des Psychiaters und Neurologen
Hoimar von Ditfurth in die Hände: „Der
Geist fiel nicht vom Himmel – Die Evolution
unseres Bewusstseins“. Von da an hat mich
das Thema nicht mehr losgelassen.
Frage: Warum sind Sie Wissenschaftler
geworden?
Christoph Schmidt-Hieber: Bin ich (noch)
nicht.
Josef Bischofberger: Weil ich gerne wissen
würde, wie das Gehirn funktioniert.
Frage: Wer oder was hat Sie wissenschaftlich besonders geprägt?
Christoph Schmidt-Hieber: Im Rahmen
meines Studiums vor allem das PhysiologieSeminar bei Professor Jonas und damit der
erste Kontakt mit der Welt der Wissenschaft.
245
ARTIKEL DES QUARTALS
Die Zusammenhänge zwischen den grundlegenden Funktionen des menschlichen Körpers
und deren Störungen bei Krankheiten haben
mich sehr fasziniert.
Josef Bischofberger: Was die Neurophysiologie betrifft, so erinnere ich mich an ein Seminar in der Arbeitsgruppe von Erwin Neher
in Göttingen über Struktur und Funktion von
Ionenkanälen. Das fand ich damals sehr aufregend!
Sehr beeindruckend war für mich aber auch
die Tübinger Zeit und der damals dort arbeitende Mathematiker Simon Ruijsenaars. Er
hat uns in den ersten Semestern beigebracht,
dass der wichtigste Schritt bei der Bearbeitung eines Problems darin besteht, sich sehr
genau zu überlegen, ob prinzipiell eine Lösung existiert. Der Rest ergibt sich dann fast
von alleine.
Frage: Welche menschlichen Eigenschaften sind Ihres Erachtens für eine erfolgreiche wissenschaftliche Karriere eine
wichtige Voraussetzung?
Christoph Schmidt-Hieber: Die Beantwortung dieser Frage überlasse ich lieber anderen.
Josef Bischofberger: Ich denke insbesondere Neugierde und Begeisterungsfähigkeit.
Frage: Wie schätzen Sie die gegenwärtige
Situation an den deutschen Universitäten
ein?
Christoph Schmidt-Hieber: Meiner Erfahrung nach hängen Erfolg und Misserfolg im
Studium sehr viel mehr von der eigenen Initiative als von den Rahmenbedingungen ab.
Insofern möchte ich mich nicht über knappe
Kassen und geringe personelle Mittel beklagen.
Josef Bischofberger: Die Situation ist meiner Ansicht nach an vielen Hochschulen im
Moment nicht so schlecht. Viele der neu eingeführten Regelungen (12 Jahresbeschränkung, Juniorprofessoren, Stellenabbau) werden allerdings zu großen Problemen führen,
wenn hier keine gesetzlichen Nachbesserungen vorgenommen werden.
Peter Jonas: Als ich vor fast zehn Jahren an
die Universität Freiburg berufen wurde, hatte ich die Vision, ein Zentrum mit optimalen
Rahmenbedingungen für neurophysiologische
Spitzenforschung zu schaffen. Ich habe dieses Ziel nicht ganz erreicht, bin ihm aber zumindest näher gekommen. Leider ist die Arbeit in den letzen Jahren zunehmend schwieriger geworden. Die Grundprobleme sind:
Viel zu hohe Lehrbelastung, fehlende „tenure track“-Stellen für den wissenschaftlichen
Nachwuchs, zu wenig Mittel für die Grundlagenforschung, zu geringe Leistungsorien246
tierung bei der Ressourcen-Verteilung und
mangelhafte Klarheit in den politischen Rahmenbedingungen.
Frage: Was raten Sie begabten Studenten,
die sich für eine wissenschaftliche Laufbahn interessieren?
Christoph Schmidt-Hieber: Ich kann hier
nur für meine Doktorarbeit sprechen. An dem
erfolgreichen Verlauf des Projektes waren vor
allem zwei Faktoren beteiligt: Zum einen die
hervorragende Betreuung, zum anderen die
sehr weit entwickelte Hirnschnitt-Technik am
Institut von Professor Jonas.
Josef Bischofberger: Man sollte möglichst
früh den persönlichen Kontakt zu Wissenschaftlern in verschiedenen Labors suchen.
Laborpraktika und Hiwi-Jobs bieten hier eine
effektive Möglichkeit, Arbeitsgruppen kennen
zu lernen und seinen Platz zu finden.
Frage: Wie würden Sie die Sonnen- und
Schattenseiten Ihres Wissenschaftlerlebens
beschreiben?
Christoph Schmidt-Hieber: Die Sonnenseiten: Den Dingen auf vielfältige Weise auf den
Grund gehen zu können; recht große Freiheiten, was beispielsweise Zeitplanung und Themenauswahl betrifft. Die Schattenseiten:
Hoher Arbeitseinsatz, der unter Umständen
auch umsonst gewesen sein kann.
Josef Bischofberger: Im Allgemeinen schlägt
man sich oft mit kurzen Zeitverträgen herum.
Diese unsichere Zukunft ist sicher eine der
größten Schwierigkeiten unseres Berufs, insbesondere wenn man Familie mit Kindern hat.
Zu den Sonnenseiten gehören die kleinen
Glücksgefühle nach einer erfolgreichen Publikation, die Möglichkeit, Dinge zu sehen,
die noch niemand zuvor gesehen hat und die
Kommunikation mit ganz unterschiedlichen
und oft sehr interessanten Menschen quer
über den Globus.
Frage: Womit beschäftigen Sie sich, wenn
Sie nicht forschen oder lehren?
Christoph Schmidt-Hieber: Derzeit vor allem mit der Examensvorbereitung, ansonsten
Reisen, Sport und Fotografie.
Peter Jonas: In meiner minimalen Freizeit
mache ich Bergläufe auf Schauinsland, Kandel und andere Freiburger Hausberge, gerne
auch gemeinsam mit dem Rezensenten unserer Arbeit. Manchmal nehme ich Manuskripte und ein Diktiergerät mit. Ob dies die Neurogenese fördert, ist für mich dabei nicht von
primärem Interesse.
Josef Bischofberger: Wenn Zeit bleibt, mache ich gerne Jazz mit Posaune oder Bass.
Ich jogge nicht so viel wie manch anderer,
fahre aber dafür mit dem Fahrrad durch den
Schwarzwald.
NWG Preis für den
Bundeswettbewerbes
Jugend forscht 2004
Die Neurowissenschaftliche Gesellschaft sieht
ihre Aufgabe nicht nur darin, etablierte Wissenschaftler, die bereits ihren Weg in die Neurowissenschaft gefunden haben, zu vertreten.
Sie bemüht sich vielmehr intensiv auch um
den wissenschaftlichen Nachwuchs und setzt
dabei bereits in der Schule an. Seit Jahren
schon werden bundesweit Fortbildungsveranstaltungen für Biologie-Lehrer der gymnasialen Oberstufe veranstaltet, um die neuesten
Erkenntnisse neurowissenschaftlicher Forschung in die Schulen zu tragen. In diesem
Jahr stiftet die Gesellschaft zum ersten Mal
einen Sonderpreis für den Bundeswettbewerb
Jugend forscht.
Dieser Sonderpreis wurde für die beste Arbeit auf dem Gebiet der Neurowissenschaft
vergeben und ist mit 500,– D dotiert. Außerdem wurde einer der Preisträger zu der im
kommenden Februar stattfindenden Jahrestagung der Neurowissenschaftlichen Gesellschaft nach Göttingen eingeladen, wobei die
Gesellschaft die Reise- und Hotelkosten übernimmt. Zusätzlich erhält er kostenlos für ein
Jahr Neuroforum.
Preisträger sind drei Schüler aus Berlin und
Potsdam (Niko Hübner-Kosney (20 Jahre),
Katharina Hoffmann (20 Jahre) und Arvid
Heise (20 Jahre). Sie erhalten den Preis für
Ihre Arbeit „Entspannung auf Knopfdruck Wirkungsweise und Wirkungsnachweis einer
selbst gebauten Mind Machine“.
Wenn der Radiowecker anspringt, behält
Niko Hübner-Kosney das erste Lied nach dem
Aufwachen noch lange im Ohr. Warum das
so ist, hat er gemeinsam mit Katharina Hoffmann und Arvid Heise herausgefunden. Das
Gehirn ist morgens im Alpha-Zustand - entspannt und in hohem Maße aufnahme- und
konzentrationsfähig. Die drei wollten zeigen,
dass es möglich ist, die Gehirnwellen und damit den Bewusstseinszustand gezielt zu verändern. Testpersonen erhielten über Kopfhörer rechts und links Töne mit verschiedener
Hertz-Zahl, außerdem über eine mit LCDs
bestückte Sonnenbrille gleichzeitig unterschiedliche Blinksignale. Mit Hilfe eines
EEGs wiesen die Jungforscher nach, dass das
Gehirn als Reaktion auf die Reize veränderte
Gehirnwellen produziert. Nach 20 bis 30 Minuten an der Mind Machine fühlten sich die
Testpersonen entspannt und konzentriert, ihr
Puls ging ruhig und gleichmäßig. Eine einfache Methode, Stresssituationen zu bewältigen
und die Konzentration zu steigern.
Neuroforum 3/04
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Neurowissenschaft
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MS-Forschung in Göttingen
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Universität Göttingen und
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Ralf Gold und Mathias Bähr
Die multiple Sklerose ist eine der häufigsten Erkrankungen des Nervensystems, an
der etwa 120.000 Menschen in Deutschland
leiden. Obschon die Krankheit seit mehr als
einhundert Jahren bekannt ist und erforscht
wird, ist die eigentliche Ursache noch immer unklar und es fehlen sicher wirksame
Maßnahmen zur Eindämmung und Heilung
(s.a. Übersichtsarbeit Aktas und Zipp im
NeuroForum 2.04). In den letzten Jahren
wird dazu in den nächsten zehn Jahren bis
zu 4,6 Mio. a zur Verfügung stellen. Göttingen hatte sich im Jahr 2001 im öffentlichen Wettbewerb „Molekulare Neuroimmunologie der Multiplen Sklerose“ der
GHS durchgesetzt und damit den Zuschlag
für die Fördermittel der Stiftung erhalten,
so dass das erste interdisziplinäre Institut für
Multiple-Sklerose- Forschung in der Bundesrepublik am 31.03.2004 in Göttingen
Das vierbändige Lexikon der Neurowissenschaft vermittelt einen umfassenden und im
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haben sich jedoch die Hinweise darauf verstärkt, dass die eigentliche Ursache der multiplen Sklerose in einer Störung des körpereigenen Immunsystems liegt. Die Gemeinnützige Hertie-Stiftung (GHS) will die wissenschaftlichen Erkenntnisse auf diesem
Gebiet mit einem herausragenden, erfolgversprechenden und langfristigen Forschungsvorhaben gezielt vorantreiben und
Neuroforum 3/04
offiziell eröffnet werden konnte. Das Forschungsinstitut hat seinen Sitz in der 2. Etage im Waldweg 33 in Göttingen (s. Bild).
Die Räumlichkeiten dort wurden mit Unterstützung des Landes Niedersachsen ausund umgebaut. Im Rahmen des Eröffnungssymposiums wurde auch der ehemalige Direktor der Abteilung Neurologie, Prof. Dr.
Helmut Bauer, anlässlich seines 90. Ge-
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burtstages geehrt. Prof.
Bauer hatte wesentlichen
Anteil an der MS-Forschung und Therapie nach
dem 2. Weltkrieg und entscheidend dazu beigetragen, dass die deutsche
MS-Forschung wieder
eine internationale Reputation erhielt.
Mit einer aufsehenerregenden Publikation von Trapp (NEJM 1998; 338: 278) wurde das Interesse der MS-Forschung an den
neurodegenerativen Aspekten dieser chronisch-entzündlichen Erkrankung des Zentralnervensystems neu geweckt. Daraus ergab sich auch, dass innovative, interdisziplinäre Ansätze erforderlich sind. In einem
international begutachteten Wettbewerb der
GHS zum Thema „Molekulare Neuroimmunologie“ wurde ein unter Leitung von Professor Dr. Mathias Bähr (Direktor der Abt.
Neurologie – Bereich Humanmedizin) und
Privatdozent Dr. Harald Neumann (Forschergruppe Neuroimmunologie des European Neuroscience Institute der Universität
Göttingen) gestellter Antrag mit dem Titel
„Molecular mechanisms and repair strategies of demyelination and axonal damage
in Multiple Sclerosis“ zur Förderung ausgewählt. Die am Institut tätigen Arbeitsgruppen wollen die neuroimmunologischen
Mechanismen erforschen, die dem für die
multiple Sklerose so charakteristischen Untergang der Nervenfaserscheiden und Nervenfasern zugrunde liegen. Ziel des Instituts ist es darüber hinaus, Strategien zur
Reparatur dieser Schäden zu entwickeln.
Schwerpunkte der geplanten Forschung sind
die Analyse der molekularen Mechanismen
der Myelin- und axonalen Schädigung, der
zytotoxische Interaktionen zwischen Immunzellen und Neuronen sowie die Entwicklung neuer Strategien der Gen- und
Zellersatztherapie in experimentellen MSModellen.
An dem neuen Institut sind sechs wissenschaftliche Einrichtungen aus Göttingen
vertreten: Die Abteilung Neurologie mit ihrem Schwerpunkt Neuroimmunologie des
Bereichs Humanmedizin (Prof. Bähr), die
Abteilung für Neuropathologie (Prof.
Brück), das Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin (Prof. Nave), die Forschergruppe Neuroimmunologie des European Neuroscience Instituts (ENI; PD Dr.
Neumann), die Biomedizinische NMR For248
schungs GmbH am Max-Planck-Institut für
Biophysikalische Chemie Göttingen (Prof.
Frahm) und das Deutsche Primatenzentrum
(Prof. Fuchs). Diese werden ergänzt durch
Arbeitsgruppen des Instituts für Rekonstruktive Neurobiologie der Universität Bonn
(Prof. Brüstle) und das Institut für Neuroloimmunologie der Charité Berlin (Frau
Prof. Zipp). Die Leiter dieser Abteilungen
sind im Vorstand vertreten und wählen aus
Ihrer Mitte einen geschäftsführenden Vorsitzenden für jeweils drei Jahre. Dieser koordiniert die wissenschaftlichen Aktivitäten
des IMSF und vertritt das Institut gegenüber
dem Drittmittelgeber.
Nach Beginn der Förderung im 2. Halbjahr 2002 wurden von den Antragstellern
bereits neun Einzelprojekte und sechs aufwendige interdisziplinäre experimentelle
Fragestellungen erfolgreich bearbeitet. Besonderer Wert wurde auf die Verknüpfung
molekularbiologischer, elektrophysiologischer, feingeweblicher und kernspintomographischer Methodik gelegt. Parallel zum
Start der Förderung erfolgte der Ausbau und
die Einrichtung einer kompletten Forschungsetage im Gebäude Waldweg 33. Der
damit verbundene Stiftungslehrstuhl „Experimentelle Neuroimmunologie“ wird von
der GHS finanziert. Auf den Lehrstuhl wurde Prof. Dr. Ralf Gold berufen. Im Januar
2004 konnte seine Abteilung Experimentelle
Neuroimmunologie ihre wissenschaftliche
Arbeit beginnen, und durch die räumliche
Verflechtung mit den Antragstellern die Synergieeffekte noch verstärken.
Die GHS arbeitet in den Schwerpunkten
Neurowissenschaften/multiple Sklerose,
Europäische Integration und Erziehung zur
Demokratie. Dem Willen des Stifters, Georg Karg, entsprechend wurde der medizinischen Forschung seit Gründung der Stiftung im Jahre 1974 eine hohe Priorität eingeräumt, wobei die Erforschung der multiplen
Sklerose im Vordergrund stand. Die GHS
ist heute die größte private Förderinstitution der Hirnforschung in Deutschland; allein
in den letzten drei Jahren wurden die Neurowissenschaften mit durchschnittlich mehr
als zehn Millionen C pro Jahr gefördert. Mit
dem Hertie-Institut für Klinische Hirnforschung in Tübingen hat die Stiftung im Jahr
2000 das größte und modernste Zentrum für
Neurologie in Deutschland gegründet, das
im Juni 2004 offiziell eröffnet wurde. Auf
dem Gebiet der multiplen Sklerose ist die
GHS – sowohl in der Forschung als auch
der sozialmedizinischen Nachsorge – die
aktivste deutsche Stiftung und hat bislang
insgesamt mehr als 30 Millionen C an Fördermitteln aufgewendet.
Originalarbeiten aus der bisherigen
IMSF Förderung
Diem, R., Hobom, M., Maier, K., Weissert, R.,
Storch, M.K., Meyer, R. und Bähr, M. (2003):
Methylprednisolone increases neuronal apoptosis during autoimmune CNS inflammation by
inhibition of an endogenous neuroprotective pathway. J Neurosci 23 (18): 6993-7000.
Kempermann, G. and Neumann, H. (2003):
Microglia: The enemy within. Science 302:
1689-1890, invited perspective.
Hobom, M., Storch, M.K., Weissert, R., Maier, K.,
Radhakrishnan, A., Kramer, B., Bähr, M. und
Diem, R. (2004): Mechanisms and Time Course
of Neuronal Degeneration in Experimental Autoimmune Encephalomyelitis. Brain Pathol 14:
148-157.
Iliev, A., Stringaris, A.K., Nau, R. and Neumann,
H. (2004): Neuronal injury mediated via stimulation of microglial toll-like receptor-9 (TLR9).
FASEB J. 18: 412-414.
Nitsch, R., Pohl, E.E., Smorodchenko, A., InfanteDuarte, C., Aktas, O. und Zipp, F. (2004): Direct impact of T cells on neurons revealed by
two-photon microscopy in living brain tissue. J
Neurosci. 24: 2458-2464.
Michailov, G.V., Sereda, M.W., Brinkmann, B.G.,
Fischer, T.M., Haug, B., Birchmeier, C., Role,
L., Lai, C., Schwab, M.H. und Nave, K.A.
(2004): Axonal neuregulin-1 regulates myelin
sheath thickness. Science 304: 700-703.
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. Ralf Gold
Universität Göttingen und Gemeinnützige
Hertie-Stiftung, Institut für MS-Forschung
Waldweg 33, D-37073 Göttingen
Tel.: ++ 49 (0) 551 391 3331
e-mail: [email protected]
Fehlende
Mitgliederadressen
Von folgenden Mitgliedern fehlt uns die korrekte Anschrift:
Brand, Antje
(vormals Martinsried)
Czernilofsky, Dr. Armin
(vormals Wien,
Österreich)
Dammermann, Dr. Björn (vormals Hamburg)
Diesmann, Dr. Markus (vormals Göttingen)
Dudel, Prof. Dr. J.
(vormals München)
Franken, Gilbert
(vormals Magdeburg)
Haase, Annely
(vormals Hannover)
Hartmann, Dr. Jana
(vormals München)
Horstmann, Sonja
(vormals München)
Morgenstern, Dr. Eve
(vormals Berlin)
Nedvetsky, Pavel
(vormals Giessen)
Olcese, Prof. Dr. James (vormals Hamburg)
Riess, Prof. Dr. med. Olaf (vormals Tübingen)
Rybak, Dr. Jürgen
(vormals Würzburg)
Schwarz, Stephan
(vormals Bonn)
Stover, Dr. John F. (vormals Philadelphia,
USA)
Für Hinweise sind wir dankbar.
Neuroforum 3/04
INTERNETVORSTELLUNG
INTERNETVORSTELLUNG
„ATLAS of the HUMAN BRAIN“
Jürgen Konrad Mai und ThomasVoß
Bildgebende Verfahren, insbesondere die
Magnetresonanztomographie, haben die
Beurteilungsmöglichkeiten von Hirnstrukturen revolutionär erweitert. Mit verbesserter
Auflösung und zunehmender Darstellungsgenauigkeit wächst auch der Bedarf an In-
terpretationshilfen für die gewonnenen Bilddaten des menschlichen Gehirns. Die nötigen Informationen können durch einen Referenz-Atlas vermittelt werden, wenn dieser
konsistent, detailliert, funktions- und klinisch
orientiert ist. Das Anforderungsprofil der
Abb. 1: Konzept des elektronischen Atlas. Die verschiedenen Einzelkomponenten (Module)
des Atlas (beispielhaft in der ersten Bildreihe dargestellt) können miteinander zu so
genannten Navigatoren kombiniert werden. Dreidimensional korrespondierende Schichten
werden dabei automatisch eingelesen, so dass beim Verfolgen einer Struktur in einem
Schnitt die jeweils korrelierten Schnitte in den anderen beiden Raumebenen angezeigt
werden und die betroffene Struktur in das Zentrum des Koordinatenkreuzes platziert wird.
Im MR- und Brain-Navigator werden aus einer Serienschnittsequenz die orthogonal hierzu
gelegenen Schnitte berechnet und das gemeinsame Volumen gekennzeichnet. Im HeadNavigator werden drei zueinander senkrecht stehende anatomische 1 cm-Scheiben von
unterschiedlichen anatomischen Präparaten dargestellt. Der Anschluss an eine Datenbank
mit faktischem und lexikalischem Wissen wird derzeit vorbereitet.
Neuroforum 3/04
Nutzer ist allerdings sehr unterschiedlich. Es
reicht von Studierenden, die diese Informationen als Lern-Programm zur Anatomie von
Kopf und Gehirn nutzen wollen, über medizinisches Fachpersonal und Ärzte, die Interpretationshilfen für bildgebende Verfahren
benötigen, bis zu Wissenschaftlern, die sehr
detaillierte Informationen und Spezialwissen
nebst wissensbasierter Datenbank abrufen
wollen. Im Folgenden soll ein den unterschiedlichen Anforderungen entsprechender
Atlas vorgestellt werden, in dem Daten makro- und mikroskopischer Auflösung repräsentiert sind. Dieser “Atlas of the Human
Brain” (Elsevier/Academic Press, 2004), der
in gedruckter und elektronischer Version
vorliegt, kann als Unterrichtsmedium, Trainingstool für die Weiterbildung und als
Forschungsinstrument eingesetzt werden.
Der gedruckte Atlas kombiniert einen makroskopischen Atlas, der das Gehirn in seiner natürlichen Umgebung darstellt, mit einem mikroskopischen Atlas, der detailliert
die Histologie des Gehirns vermittelt. Der
“makroskopische Atlas” zeigt drei Schnittführungen, jeweils repräsentiert durch ein
anatomisches Präparat, detailgetreue Umzeichnung, korrespondierende Röntgenabbildungen und Magnetresonanztomogramme. Jede Schnittsequenz zeigt sowohl die
Ober- als auch die Unterseite der Schnittflächen der anatomischen Präparate. Der Nutzer kann diese wie Buchseiten durchblättern
und analysieren, die Einzelstrukturen folglich von Schnitt zu Schnitt verfolgen. Der
„mikroskopische Atlas“ umfasst ausschließlich das Gehirn. Er beruht auf einer histologischen Frontalschnittserie, die über Jahre von
mehreren Neurowissenschaftlern untersucht
und beschrieben wurde. Dem Publikationsumfang nach dürfte es das bestuntersuchte
menschliche Gehirn sein. Diese Studien validieren die Abgrenzungen in diesem Atlas.
Die Schnittsequenz ist im standardisierten
Hirnraum repräsentiert; daher ist die Lage
jedes Einzelschnittes, als Fotografie repräsentiert, eindeutig definiert. Jede fotografische Einzelabbildung wird durch eine Umzeichnung ergänzt.
Die CD-ROM enthält zusätzlich zum Inhalt des gedruckten Buches Farbabbildungen, Originalliteratur zum Atlasgehirn,
weitere Magnetresonanztomogramme in
korrespondierenden Schnittebenen und 3-DNavigationsmöglichkeiten. Sie werden dem
Nutzer über eine einfache webbasierte Oberfläche zugänglich gemacht. Der mikroskopische Atlasteil (Hirnteil) wird auf der CDROM um durchsuchbare Volltexte (im pdfFormat) der Originalarbeiten zu diesem Atlasgehirn ergänzt. Darunter finden sich
249
INTERNETVORSTELLUNG
Abb. 2: Das Java-Programm
„BrainNavigator“ basiert auf ca.
200 farbigen Schemazeichnungen
des im mikroskopischen Atlas
präsentierten Gehirns. Es
berechnet frei wählbare orthogonale Ebenen, deren gemeinsamer
Schnittpunkt mittels eines
Fadenkreuzes angezeigt wird.
X,Y,Z-Koordinaten lassen sich
manuell eingeben und deren
Position auf den Schnitten
anzeigen. Der jeweils zugehörige
Koronarschnitt wird im linken
Bildfenster wahlweise entweder
als vergrößerte Umzeichnung
oder als Originalschnitt abgebildet. In ausgewählten Bezirken
können Zellbilder bei höherer
Vergrößerung eingeblendet
werden.
schwer zugängliche deskriptive Arbeiten
von H. Brockhaus und R. Hassler sowie
morphometrische Untersuchungen, die an
den meisten wichtigen Hirnstrukturen vorgenommen wurden. Da es sich hierbei häufig um Vergleichswerte - auch zu pathologisch veränderten Gehirnen - handelt, steht
hiermit ein einzigartiges Vergleichsmaterial für zukünftige Untersuchungen zur Verfügung. Die CD-ROM enthält außerdem
sog. Navigatoren (Abbildung 1). Hier sind
die MR-Bilddatensätze (MR-Navigator),
sowie die makroskopischen (HeadNavigator) und mikroskopischen (BrainNavigator)
Schnittserien in jeweils drei orthogonalen
Schnittebenen angeordnet. Die dreidimensional korrespondierenden Schichten werden dabei automatisch eingelesen, so dass
beim Verfolgen einer Struktur in einem
Schnitt die jeweils korrelierten Schnitte in
den anderen beiden Raumebenen angezeigt
werden und die betroffene Struktur in das
Zentrum des Koordinatenkreuzes platziert
wird. Auf diese Weise kann sich der Nutzer
jeden Bildpunkt auf den drei orthogonalen
Bilddatensätzen anzeigen lassen und die topographischen Nachbarschaftsverhältnisse
interessierender Strukturen studieren. Im
Java-Programm „BrainNavigator“ kann die
gesamte Hemisphäre berücksichtigt werden
oder allein der Subkortex, wodurch eine
Darstellung in höherer Auflösung ermöglicht wird. Der Koronarschnittebene ist der
zugehörige Myelinschnitt unterlegt; in ihn
lassen sich die Areale einblenden, von denen Fotografien von der Zytomorphologie
250
der gekennzeichneten Region verfügbar
sind. Das Programm erlaubt den Import von
Fremdkoordinaten, beispielsweise aus der
funktionellen Bildgebung, so dass Aktivierungsorte im entsprechenden histologischen
Umfeld dargestellt werden können. Umfangreiche Informationen zum Inhalt aller
Atlaskomponenten bietet die Website
www.thehumanbrain.info, auf der auch Updates abrufbar sind. Ein Demo-Applet des
BrainNavigator kann auf der Atlaswebsite
evaluiert werden.
Die genannte Website enthält gegenwärtig zwei 3-D Navigationsprogramme, die unabhängig von Atlas oder CD-ROM nutzbar
sind: MR-Navigator und BrainNavigator,
unter dem Menüpunkt „Navigators“ aufrufbar, entsprechen in abgespeckter Form den
bereits beschriebenen Programmen zur Navigation im MR- bzw. histologischen Bilddatensatz. Der Zugriff auf das BrainNavigator Applet (www.thehumanbrain.net/navigator/demo.html) setzt allerdings eine
schnelle Webanbindung und eine aktuelle
Java-Version voraus. Der BrainNavigator
erlaubt das Browsen durch die Farbdiagramme des Atlashirns und errechnet neue virtuelle Schnittebenen. Der Farbcode hilft, wichtige Hirnstrukturen dreidimensional zu verfolgen; welche dies sind, erfährt der Benutzer, indem er den Mauspfeil darauf platziert.
Die manuelle Koordinatenangabe setzt das
Fadenkreuz direkt auf die gewünschte Position. Die Website ist Teil eines webbasierten Atlaskonzepts, das neben den geschilderten Strukturinformationen auch Informatio-
nen aus Datenbanken enthält und in standardisierter Weise dem Nutzer zur Verfügung
stellt. Die im vorgestellten „Atlas of the
Human Brain“ enthaltenen Komponenten
sind komplex und, wie Module für unterschiedliche Anwendungsschwerpunkte, vielfältig kombinierbar. Es findet deshalb im
Rahmen der 2. Internationalen Santa Lucia
Konferenz: „The Human Brain – Modelling
and Remodelling“ am 6. Oktober 2004 in
Rom (www.thehumanbrain.org) ein Workshop statt, in dem die verschiedenen Komponenten und Anwendungsbeispiele (z.B. für
die funktionelle Bildgebung und Neurochirurgie) vorgestellt werden.
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. Jürgen Konrad Mai
Abteilung Anatomie
H.-Heine University Duesseldorf
Universitaetsstr. 1
D-40225 Duesseldorf
Tel./Fax: 0211 / 81-12763 (-12367)
Tel.: 0211 / 3119005
eMail: [email protected]
Neuroforum 3/04
NWG / NACHRICHTEN
n
.......
Neurowissenschaftliche
Gesellschaft
Neurowissenschaftliche
Gesellschaft e.V.
Protokoll der Mitgliederversammlung am 12. Juli 2004
während des FENS Forum 2004 in Lissabon, 12.00-13.00 Uhr
Versammlungsleiter ist der Präsident der
Neurowissenschaftlichen Gesellschaft, Prof.
Dr. Herbert Zimmermann
Protokollführer sind der Generalsekretär der
Neurowissenschaftlichen Gesellschaft, Prof.
Dr. Helmut Kettenmann und Meino Gibson.
Die Zahl der erschienenen Mitglieder beträgt
30.
Die Versammlung wurde satzungsgemäß
einberufen, die Tagesordnung war den Mitgliedern bei der Einberufung mitgeteilt worden, eine Ergänzung der Tagesordnung wurde nicht gewünscht.
sam die finanzielle Verantwortung. Das Local Organizing Committee (LOC) wurde
gleichermaßen mit deutschen wie mit österreichischen Mitgliedern besetzt. Hotelzimmer wurden bereits reserviert, da in dieser
Zeit keine Saison ist, sind die Preise moderat. Die Nutzung der Wiener Öffentlichen
Verkehrsmittel wird kostenlos sein. Die Ausstellungsfläche im Kongresszentrum ist größer als in Lissabon, Poster und Industrie
werden gemischt sein. Die Firma Herlitz, die
auch die Ausstellung beim SfN Meeting betreut, wird sich um die Industrie kümmern.
Für junge Wissenschaftler wird es ein spezielles Programm geben.
3. Bericht des Schatzmeisters
Beginn:
Ende:
12.00 Uhr
13.00 Uhr
Tagesordnung:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
Begrüßung durch den Präsidenten
FENS Forum 2006 in Wien
Bericht des Schatzmeisters
Mitgliederstand
Göttinger Tagung 2005
Schilling-Preis
Aktivitäten der Gesellschaft
Verschiedenes
1. Begrüßung durch den Präsidenten
H. Zimmermann begrüßt die Anwesenden
und eröffnet die Sitzung.
Das Protokoll der letzten Mitgliederversammlung vom 14. Juni 2003 wird mit 30
Ja-Stimmen und 0 Nein-Stimmen und 0 Enthaltungen angenommen.
2. FENS Forum 2006 in Wien
(8. – 12. Juli 2006)
Alois Saria berichtet über den Stand der Vorbereitungen für das FENS Forum 2006 im
Austria Center in Wien. NWG und ANA
(Austrian Neuroscience Association) sind
gleichberechtigte Partner und tragen gemeinNeuroforum 3/04
A. Draguhn gibt den Kassenbericht für das
Jahr 2003: die Einnahmen betrugen
235.438,50 C, die Ausgaben 224.153,22 C.
Der Kassenbestand zum 31.12.03 betrug auf
dem Girokonto 14.546,14 C, dazu kamen
Sparanlagen in Höhe von 62.299,93 C. Damit beläuft sich das Vermögen der Gesellschaft zum 31.12.03 auf 76.846,07 C.
Die Kasse wurde von den Kassenprüfern
Professor U. Dirnagl und Professor A. Elepfandt geprüft. Beide Kassenprüfer bestätigen die ordentliche Kassenführung und empfehlen der Mitgliederversammlung, dem
Ergebnis der Kassenprüfung zuzustimmen.
Die Mitgliederversammlung entlastet den
Schatzmeister auf der Grundlage des Berichts der Kassenprüfer mit 29 Ja-Stimmen,
1 Enthaltung und 0 Nein-Stimmen.
4. Mitgliederstand
Die Zahl der Mitglieder steigt weiterhin. Der
Mitgliederstand am 30. Juni 2004 beträgt
1.658 Mitglieder, davon 1.302 ordentliche
Mitglieder und 356 studentische Mitglieder.
Die Verteilung der Mitglieder in den Sektionen ist weiterhin wenig verändert, wobei die
Tab. 1: Entwicklung der Mitgliederzahlen
Mitglieder
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
792
920
1.038
1.229
1.343
1.508
1.538
1.562
1.616
1.658
Sektion Computational Neuroscience immer
noch mit Abstand die kleinste Sektion ist.
Die großen Sektionen mit über 10 % sind
Zelluläre Neurowissenschaften, Molekulare Neurobiologie, Systemneurobiologie, Klinische Neurowissenschaften und Kognitive
Neurowissenschaften und Verhalten.
5. Göttinger Tagung 2005
H. Zimmermann berichtet über die Vorbereitungen zur nächsten Göttinger Jahrestagung der Gesellschaft, die ausnahmsweise
Tab. 2: Sektionszugehörigkeit (Stand 30. Juli 2004)
Zelluläre Neurowissenschaften
Molekulare Neurobiologie
Systemneurobiologie
Klinische Neurowissenschaften
Kognitive Neurowissenschaften u. Verhalten
Neuropharmakologie und -toxikologie
Entwicklungsneurobiologie und Neurogenetik
Computational Neuroscience
2001
2001
2001
2001
24,5%
12,8%
13,2%
6,1%
18,5%
5,2%
7,5%
1,2%
24,3%
17,7%
15,0%
13,8%
12,0%
8,4%
7,5%
1,3%
24,3%
17,5%
14,9%
14,1%
11,8%
8,5%
7,6%
1,5%
23,8%
17,4%
14,6%
13,9%
12,6%
8,5%
7,5%
1,7%
251
NWG / NACHRICHTEN
nicht im Sommer, sondern im Februar (17. – 20. Februar 2005) stattfinden wird. Grund dafür ist vor allem, dass es ab 2005 keine Pfingstferien, in denen das Hörsaalgebäude bisher verfügbar war, mehr geben
wird, zum anderen aber auch, dass die Tagung nun in den Händen einer neuen lokalen Organisatorin – Frau Professor Dr. Kerstin Krieglstein – liegt, die im Sommer kommenden Jahres nicht verfügbar ist. In
den weiteren Jahren kann die Tagung aber wieder im Sommer stattfinden. Der NWG Vorstand favorisiert für 2007 die dritte Juliwoche.
Die bei der Vorbereitung der Göttinger Tagung anfallenden Aufgaben wurden zwischen der lokalen Organisatorin und der Geschäftsstelle der NWG aufgeteilt. Ein lokales Organisationsgremium unterstützt
Frau Krieglstein.
H. Zimmermann hat an die DFG einen Antrag zur Unterstützung der
Jahrestagung gestellt.
6. Schilling-Preis
Nachdem es auf der letzten Göttinger Tagung zwei Preisverleihungen
gab – Novartis Preis und TILL Photonics Preis, – hat die Firma Novartis für 2005 ihre Zusage für einen Preis leider nicht wiederholt. Stattdessen konnte auf Initiative von H. Zimmermann und mit Unterstützung von Prof. Heinz, Wässle beim Stifterverband für die Deutsche
Wissenschaft der mit 20.000 Euro dotierte Schilling-Preis der Neurowissenschaftlichen Gesellschaft eingeworben werden. Er ist als Nachwuchspreis für Bewerber bis zu einem Alter von max. 35 Jahren als
STELLENMARKT
Forschungspreis ausgeschrieben. Bewerbungsschluss ist der 1.
September 2004. Die Verleihung wird auf der Göttinger Jahrestagung im Februar stattfinden. H. Zimmermann dankt Herrn
Wässle für seinen Einsatz.
7. Aktivitäten der Gesellschaft
H. Zimmermann berichtet kurz über die Aktivitäten der Gesellschaft.
Die Lehrerfortbildung ist nach wie vor sehr erfolgreich und
hat sich vieler Orts zu einer festen Einrichtung etabliert. Das
von der Hertie-Stiftung zur Verfügung stehende Geld wird noch
für knapp zwei weitere Jahre reichen.
Die Methodenkurse finden ebenfalls in bewährter Form statt.
H. Zimmermann dankt Herrn Reifenberger für sein Engagement.
Wie auch in den vergangenen Jahren wurden 100 Abstract
Slots für das SfN Meeting in San Diego verteilt. Auch können
NWG Mitglieder sich wieder zur reduzierten Gebühr für Mitglieder registrieren.
Neuroforum läuft nach wie vor problemlos. Die Geschäftsstelle ist im Augenblick dabei, alle Neuroforum-Autoren um
die Erlaubnis zu bitten, die Abbildungen auf die Homepage
der NWG stellen zu dürfen. Diese Bildquellen sind besonders
als Service für die Lehre gedacht. Ebenfalls auf die Homepage
gesetzt wurde die DFG-Broschüre zu Tierversuchen.
Erstmals hat die NWG in diesem Jahr auf Anregung von
Herrn Pflüger einen Sonderpreis in Höhe von 500 Euro im
Rahmen des Bundeswettbewerbs „Jugend forscht“ ausgeschrieben. Preisträger sind drei Schüler aus Potsdam und Berlin mit
Ihrer „Mind Machine“.
Die Urania, ein traditionsreicher Berliner Volksbildungsverein, hat die NWG zur Unterstützung eines Programms „Halbzeit in der Dekade des Gehirns“ aufgefordert. Die NWG wird
sich ideell an dem Programm beteiligen.
8. Verschiedenes
J. Deitmer fragt an, ob es möglich ist, auf die DFG bezüglich
der gegenwärtig sehr langen Bearbeitungszeiten Einfluss zu
nehmen. C. Becker hält dem entgegen, dass sich die Bearbeitungszeit auf Grund der Umstellung auf Fachkollegien verlängert hat und man hier etwas Geduld haben solle.
Versammlungsleiter:
Prof. Dr. Herbert Zimmermann
(Präsident)
Protokollführer
Prof. Dr. Helmut Kettenmann
(Generalsekretär)
252
Neuroforum 3/04
BÜCHER
HEIMKEHRER BÖRSE
Moritz Hertel, New York, USA
Ausbildung
– Studium der Biologie in Basel und
Würzburg
– Diplomarbeit: MPI für Neurobiologie,
Abteilung Yves-Alain Barde „Purification and Biological Characterization of the
BDNF Precursor Protein“
– Doktorarbeit: ETH Zürich Prof. Sabine
Werner in Zusammenarbeit mit Prof.
Christian Alzheimer (LMU München,
jetzt Kiel) „Novel Players in Neuroprotection and Tissue Reorganisation after Hippocampal Lesions“
– Seit 2002 Postdoc an der Rockefeller
Universität in New York, im Labor von
Prof. Fernando Nottebohm „Screen for
Genes involved in Adult Neurogenesis in
the Brain of Songbirds“
Forschungsarbeit
Nach meiner Doktorarbeit, während der ich
mich mit Läsionen des murinen Hippocampus beschäftigt hatte, richtete sich mein Interesse zunehmend auf die adulte Neurogenese. Die besonders hohe Rate von neu entstehenden Nervenzellen im Gehirn von ausgewachsenen Singvögeln ließ mich darüber
nachdenken ob sich dieses System für die
gezielte Suche nach Genen eignet, die hierbei eine Rolle spielen. In dieser Hinsicht war
bisher wenig publiziert und das Labor von
Fernando Nottebohm versprach die besten
Vorraussetzungen für eine solche Arbeit.
In den letzten 2 Jahren habe ich erfolgreich
Screeningverfahren verwendet, um Fragen
zum Themenkomplex adulte Neurogenese
und neuronaler Lebenszyklus zu beantworten. Dabei kamen Methoden wie: Differential Display, Laser Micro Dissection, Subtrakive Hybridisierung und cDNA Arrays
zur Anwendung. Für meine weitere Karriere in Deutschland oder dem benachbarten
Ausland möchte ich einige dieser Ergebnisse weiterverfolgen. Dabei aber sicher auch
zur Maus oder einem anderen Organismus,
an dem mehr Genetik möglich ist, zurückkehren. Weitere Experimente am Vogel sind
sicher Erfolg versprechend, auch im Hinblick auf die gerade verfügbar gewordenen
Werkzeuge wie einen cDNA Chip vom Zebrafinken, die Publikation des Hühnergenoms etc.
Referenzen
– Professor Sabine Werner; ETH Zürich
– Professor Christian Alzheimer;
Universität Kiel
– Professor Fernando Nottebohm; The
Rockefeller University NY
Kontaktadresse
Moritz Hertel
The Rockefeller University, Box 137
1230 York Avenue
New York, NY 10021
Tel: 001 212 327 8381 (6h back in time)
Fax: 001 212 327 8312
[email protected]
Gehirn und Verhalten
Besprochen von Katharina Braun, Otto-von-Guericke Universität, Institut für Biologie,
Brenneckestr. 6, 39118 Magdeburg
Gehirn und Verhalten ist ein Lehrbuch, in
dem auf didaktisch klare und effiziente
Weise die vielschichtigen Bezüge zwischen
Hirnfunktionen und Verhalten aufgezeigt
werden. Es deckt sowohl die Bereiche der
Biopsychologie und Verhaltens-/Neurobiologie, als auch die medizinisch-klinischen
Bereiche der Neurologie und Psychiatrie
und auch die Neuropharmakologie in präNeuroforum 3/04
gnant formulierter, übersichtlicher Weise
ab. Hervorzuheben ist die Betonung auf die
systemisch-funktionellen Aspekte, die in
vielen Lehrbüchern zugunsten der genetisch-molekularen Mechanismen oft etwas
zu kurz kommen, und mit dem das Buch
eine „Marktlücke“ schließen kann.
Als nützliche Orientierungshilfe ist jedem Kapitel ein kurzer Abschnitt voraus-
Neueintritte
Folgende Kolleginnen und Kollegen dürfen wir als Mitglieder der Neurowissenschaftlichen Gesellschaft begrüßen:
Albrecht, Jan Dominik
(Magdeburg)
Albrecht, Juliane
(Mainz)
Baeuerle, Peter
(Frankfurt/Main)
Bikbaev, Dr. Artur F.
(Bochum)
Conrad, Verena
(Stralsund)
Doebler, Stefanie
(Frankfurt/Main)
Fink, Prof. Dr. Heidrun
(Berlin)
Gastens, Dr. Alexandra
(Hannover)
Haeusler, Dr. Udo (Königsbach-Stein)
Hertel, Dr. Moritz
(New York, USA)
Jaeger, Philipp
(Berlin)
Joshi, Illah
(Bochum)
Leuchtenberger, Dr. Stefanie (Mainz)
Moisel, Dr. Marion
(Berlin)
Neumann, Dr. Nicola
(Tübingen)
Poell, Florian
(Magdeburg)
Prange-Kiel, Dr. Janine
(Hamburg)
Rose, Dr. Michael
(Hamburg)
Schira, Mark M. (San Francisco, USA)
Schmidt, Manuela
(Göttingen)
Steiner, Michel
(München)
Tziridis, Konstantin
(Tübingen)
Utz, Kathrin
(Trier)
Wesarg, Dr.-Ing. Thomas
(Freiburg)
Der Mitgliedsstand zum 15. Juli 2004
beträgt 1.662 Mitglieder.
gestellt, in dem stichwortartig ein Überblick über die Inhalte des Kapitels gegeben wird. Hiermit, sowie mit den als „Exkurs“ bezeichneten eingeschobenen thematischen Blöcken zur Vertiefung bestimmter Aspekte der im Text ausgeführten Themen, wird jedes Kapitel zu einer Einheit,
die auch einzeln gelesen und verstanden
werden kann.
Schön kompakt und übersichtlich ist das
Kapitel, in dem das neurowissenschaftliche Methodenspektrum einschließlich der
Datenanalyse sehr übersichtlich dargestellt
wird, dies beleuchtet vor allem für die Studenten die technologische Vielfalt in den
Neurowissenschaften. Die Kapitel zu den
253
IMPRESSUM / BÜCHER
Ausblick
Folgende Beiträge werden für die nächsten Ausgaben von Neuroforum vorbereitet:
Migrationsstörungen und Epilepsie
Carola A. Haas
Axogliale Interaktion und
Myelinisierung- oder wie ein erster Kuss
in Umhüllung resultiert
Eva-Maria Krämer und Jacqueline
Trotter
Experimentell Therapiestrategien
akuter Rückenmarksverletzungen –
eine intrgrative Perspektive
Jan M. Schwab, Klaus Brechtel und
Christian-Andreas Müller
Impressum
Geschäftsführerin:
Angelika Lex
Herausgeber:
Neurowissenschaftliche Gesellschaft e.V.
Bankverbindung: Berliner Bank AG,
BLZ 100 200 00, Kto.-Nr. 810 505 1800
Homepage: http://nwg.glia.mdc-berlin.de
Anzeigen:
top-ad Bernd Beutel
Hammelbächerstr. 30
69469 Weinheim
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Redaktion:
Helmut Kettenmann (v.i.S.d.P.)
Meino Alexandra Gibson
Redaktionsanschrift:
Max-Delbrück-Centrum für
Molekulare Medizin (MDC)
Robert-Rössle-Str. 10, 13092 Berlin
Tel./Fax: 030 9406 3133/3819
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Redaktionsgremium:
Matthias Bähr, Göttingen
Cord-Michael Becker, Erlangen
Niels Birbaumer, Tübingen
Tobias Bonhoeffer, Martinsried
Andreas Draguhn, Heidelberg
Ulf Eysel, Bochum
Karl Friedrich Fischbach, Freiburg
Michael Frotscher, Freiburg
Klaus-Peter Hoffmann, Bochum
Sigismund Huck, Wien
Sigrun Korsching, Köln
Georg W. Kreutzberg, Martinsried
Hans Werner Müller, Düsseldorf
Wolfgang H. Oertel, Marburg
Klaus Pawelzik, Bremen
Hans-Joachim Pflüger, Berlin
Werner J. Schmidt, Tübingen
Petra Störig, Düsseldorf
Hermann Wagner, Aachen
Herbert Zimmermann, Frankfurt/Main
Verlag:
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Spektrum Akademischer Verlag GmbH
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254
Satz:
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Tilsiter Str. 17
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Erscheinungsweise viermal im Jahr.
Neuroforum ist das Publikationsorgan
der Neurowissenschaftlichen Gesellschaft.
Bezugspreise (jeweils zzgl. Versandkosten):
Einzelheft EUR 25,-; Jahresabonnement Inland Einzelperson EUR 45,-; Jahresabonnement Inland Firmen, Bibliotheken EUR 89,Studentenabonnement EUR 15,- bei Vorlage der Immatrikulationsbescheinigung o.ä.
Eine Abonnement-Bestellung kann innerhalb von zwei Wochen schriftlich bei Druckhaus Beltz widerrufen werden. Für das Ausland gelten besondere Tarife. Das Abonnement gilt zunächst für ein Jahr und verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, falls
es nicht spätestens sechs Wochen vor
Ablauf gekündigt wird. Bei Nichtlieferung
aus Gründen, die nicht vom Verlag zu vertreten sind, besteht kein Anspruch auf Nachlieferung o. Erstattung vorausbezahlter Bezugsgelder. Gerichtsstand, Erfüllungs- u.
Zahlungsort ist Heidelberg.
Sinnessystemen und den motorischen Systemen sind kompakt und übersichtlich
aufgebaut, es fehlt zwar die Vertiefung in
die molekularen und physiologischen Details, dafür wird aber im Gegensatz zu vielen anderen Lehrbüchern immer wieder auf
die Bezüge zu den Verhaltensleistungen
hingewiesen, so daß ein ganzheitliches
Verständnis der Hirnfunktionen vermittelt
wird. Diese ganzheitliche Darstellung setzt
sich auch in den folgenden Kapiteln zu den
Themen Gedächtnis, Emotion, Sprache
und Pharmakologie etc. fort. Das Kapitel
über die Interaktion von Gehirn, Hormonund Immunsystemen würde man sich nicht
zuletzt auch aufgrund seiner Aktualität
noch umfassender und detaillierter wünschen, denn in den meisten Lehrbüchern
wird dieses komplexe Thema doch eher
vernachlässigt. Ebenfalls um ein Vielfaches umfangreicher würde man sich den
Bereich der Entwicklungsneurobiologie
wünschen, und zwar weniger die zellulären, genetisch-molekularen Aspekte betreffend, die in den meisten anderen Lehrbüchern bereits relativ extensiv behandelt
werden, sondern der systemisch-funktionelle Aspekt der Entwicklung von Gehirn
und Verhalten sollte hier ausführlicher dargestellt werden, denn auch diese Betrachtungsebene kommt in den meisten Lehrbüchern zu kurz.
Die vielen, gut gelungenen und klaren
Abbildungen erleichtern und vertiefen das
Verständnis der im Text erklärten Inhalte
ganz erheblich, umso bedauerlicher ist es,
dass es sich nur um schwarz-weiß Darstellungen handelt. Im Zuge einer sicherlich irgendwann einmal angestrebten zweiten
Auflage sollte unbedingt mit dem Verlag
eine Ausstattung mit farbigen Abbildungen
ausgehandelt werden, denn auch beim Lernen für Klausuren und Prüfungen dürften
die Studenten dem Spruch „das Auge liest
bzw. lernt mit“ folgen!
Insgesamt ist das Buch klar und übersichtlich gegliedert und repräsentiert eine systemisch-funktionelle Betrachtungsweise von
Gehirn und Verhalten, die den Studenten der
Psychologie Medizin und Biologie ein
ganzheitliches Verständnis der Hirnfunktionen vermittelt.
Monika Pritzel, Matthias Brand,
Hans J. Markowitsch
Gehirn und Verhalten
Ein Grundkurs der physiologischen
Psychologie
Spektrum Akademischer Verlag
1. Aufl. 2003, 496 S., 16 Abb.,
geb., J 49,95, ISBN 3-8274-0248-4
Neuroforum 3/04
n
NWG-NACHRICHTEN
Neurowissenschaftliche
Gesellschaft
.......
Neurowissenschaftliche
Gesellschaft e.V.
Beitrittserklärung:
Ich optiere für folgende 2 Sektionen:
Hiermit erkläre ich meinen Beitritt zur Neurowissenschaftlichen Gesellschaft e.V.
(bitte ankreuzen)
Eintrag in das Mitgliederverzeichnis:
Name
Vorname
Verhaltensneurobiologie
Zelluläre Neurobiologie
Entwicklungsneurobiologie und
Neurogenetik
Neuropharmakologie und -toxikologie
Systemneurobiologie
Molekulare Neurobiologie
Klinische Neurowissenschaften
Computational Neuroscience
Titel
Dienstadresse
Universität/Institut/Firma
Ich bin Student
ja
nein
(Bescheinigung anbei)
Jahresbeitrag:
(bitte ankreuzen)
Straße
50,– D/Jahr
ordentliches Mitglied
25,– D/Jahr
Studenten, Mitglieder im Ruhestand,
Arbeitslose
PLZ, Ort
Tel./Fax/eMail
Privatadresse
Straße
Überweisung:
Bankverbindung: Berliner Bank AG,
Blz: 100 200 00, Kto.-Nr.: 810 505 1800
Einzug über VISA-Kreditkarte:
Einzug über EUROcard:
Kartennummer
Exp.Date
PLZ, Ort
Betrag
Tel./Fax
Name
Unterschrift
Datum/Unterschrift des neuen Mitglieds
BANKEINZUGSERMÄCHTIGUNG
Ich unterstütze den Antrag auf Beitritt zur Neurowissenschaftlichen Gesellschaft e.V.:
Ich ermächtige die Neurowissenschaftliche
Gesellschaft e.V. von meinem
Datum/Unterschrift
Konto Nr.
Ich unterstütze den Antrag auf Beitritt zur Neurowissenschaftlichen Gesellschaft e.V.:
bei der Bank
BLZ
Datum/Unterschrift
einmal jährlich den Mitgliedsbeitrag in Höhe
von C
einzuziehen
Ort, Datum
Unterschrift
Neurowissenschaftliche Gesellschaft e.V.
Meino Alexandra Gibson
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin
Zelluläre Neurowissenschaften
Robert-Rössle-Straße 10
Neuro
forum Berlin
3/04
D-13092
Kontoinhaber
Anschrift
255
Gö
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Main Speakers
Symposia
왘
Fe
bru
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Threshold currents: modulators of
neuronal excitability
왘 Amyloid and neurodegeneration
왘 Ion channels and transporters in the cochlea:
왘 Barry Dickson, Vienna, Austria
from current to molecule to pathology
왘 Pushing toward the limits of what insects can know:
Axon guidance at the Drosophila midline
Case studies for comparative cognition
왘 Signals in early neural development
왘 Christopher Miller, Waltham, USA
왘 Brain plasticity and cognition: cellular mechanisms
Proteins that move ions across
and clinical perspectives
왘 Extracellular matrix molecules in regeneration
membranes: our evolving picture
and synaptic plasticity
(Roger Eckert Lecture)
왘 Efference copies and corollary discharge mechanisms
in sensory and mental processing
왘 Hannah Monyer, Heidelberg, Germany
왘 Real time processing vs. variability of neural responses
왘 Plasticity and task-dependence of auditory processing
Molecular determinants for
왘 The integrated role of glial cells in the CNS: new
synchronous oscillatory network activity
methodological approaches
왘 Cellular and molecular control of vertebrate
neurogenesis
왘 Bill Newsome, Stanford, USA
왘 Use of two-photon fluorescence microscopy to
Parietal cortex and the neural
study neuronal calcium in brain slices and in
representation of ’value’
the intact brain
(Otto Creutzfeld Lecture)
왘 Neuronal injury and infection
왘 Nitric oxide/cyclic nucleotide signalling as regulator
of developmental processes and cell motility
왘 Miguel Nicolelis, Durham, USA
in the nervous system
Computing with neural ensembles
왘 New vistas on insect vision
왘 Genomic and proteomic expression profiling in
neural repair
왘 Martin Schwab, Zürich, Schweiz
왘 Brain-computer-interfaces (BCI): neuroprotheses
Axonal repair in the adult mammalian
for the paralysed
central nervous system
왘 Neural mechanisms of visual perception and learning
in man and monkey
왘 Amyotrophic Lateral Sclerosis (ALS) and motoneuron
Chaired by Prof. Dr. Kerstin Krieglstein
disease: From basic molecular and cellular
mechanisms to novel clinical applications
and Prof. Dr. Herbert Zimmermann
왘 What the nose tells the brain – News and views in
olfactory coding
왘 Function of the glial cell line derived neurotrophic
factor family in development and disease
왘 Possible mechanisms contributing to memory
consolidation during sleep
왘 Comparative insights into genetic and activitydependent mechanisms of CNS development
bil
du
ng
r.
:D
W
ern
er
Zu
sc
hr
att
6 th
Ab
Me
eti
ng
30 th
왘 Leonardo Cohen, Bethesda, USA
Mechanisms of cortical reorganization
underlying recovery of motor function
after stroke (Ernst Florey Lecture)
er,
M
ag
de
bu
rg
Homepage: http://www.neuro.uni-goettingen.de
Organization
Stipends
http://www.neuro.uni-goettingen.de
Neurowissenschaftliche Gesellschaft e. V.
Geschäftsstelle
Meino Alexandra Gibson
Max Delbrück Center for Molecular Medicine
Robert Roessle Str. 10
D-13125 Berlin
Phone: +49 30 9406 3336
Fax: +49 30 9406 3819
eMail: [email protected]
Prof. Dr. Kerstin Krieglstein
Georg-August Universität
Abt. Anatomie/Neuroanatomie
Kreuzbergring 36
D-37075 Göttingen
Phone: +49 551 39 7051
Fax: +49 551 39 14016
eMail: [email protected]
256
The German Neuroscience Society provides
stipends for young qualified investigators.
The deadline for application is August 31, 2004.
Please send the application including
왘 short CV
copy of the abstract
list of publications
letter of recommendation from a senior scientist
왘
왘
왘
to the
Geschäftsstelle of the
Neurowissenschaftliche Gesellschaft e. V.
Neuroforum 3/04
Gestaltung: Eta Friedrich, Berlin
http://nwg.glia.mdc-berlin.de
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