Formale Methoden 2 - LS1 - Logik in der Informatik

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Formale Methoden 2
Gaetano Geck
Lehrstuhl I – Logik in der Informatik
WS 2014/2015
1
Aussagenlogik
2
Prädikatenlogik
Einleitung
Syntax
Semantik
Eigenschaften
Logik / Prädikatenlogik
Einleitung: Problem der Aussagenlogik
Warum weitere Logiken?
Aussagenlogik: Aussagen postulieren Eigenschaften bestimmter Entitäten.
Nachteil: Eigenschaften und Entitäten sind syntaktisch nicht getrennt.
Keine kombinierte Repräsentation von Zusammenhängen zwischen Eigenschaften über
Entitätengrenzen hinweg.
Beispiel 2.1 (Familienbande)
Variablen:
Marge
Homer
VBart
: Homer ist Barts Vater,
MBart : Marge ist Todds Mutter,
Homer,Marge
EBart
:
Homer und Marge sind Barts Eltern;
Analog für Lisa, Maggie, . . .
Es gilt also
ϕVater
ϕMutter
=
=
Homer
Homer
Homer
VBart
∧ VLisa
∧ VMaggie
,
Marge
Marge
Marge
MBart ∧ MLisa ∧ MMaggie .
Inhaltlich klar:
Wenn Homer Vater von x und Marge Mutter von x ist, dann sind Homer und Marge Eltern von x,
für jedes Kind x.
Problem: Separate Repräsentation für jede Entität (jedes Individuum):
ϕEltern
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=
∧
∧
Marge
Homer,Marge Homer
(VBart
∧ MBart )→EBart
Marge
Homer,Marge Homer
(VLisa
∧ MLisa )→ELisa
Marge
Homer,Marge Homer
(VMaggie ∧ MMaggie )→EMaggie
.
137
Logik / Prädikatenlogik
Einleitung: Ansatz der Prädikatenlogik
Idee: Syntaktische Trennung von Entitäten und Eigenschaften.
Entitäten:
• Variablen x, y, z (unbestimmt)
• Konstanten a, b, c (bestimmt)
Eigenschaften:
• Relationen/Prädikate P, Q, R (mit positiver Stelligkeit)
• Funktionen f , g, h (mit positiver Stelligkeit)
Beispiel 2.2 (Familienbande)
Konstante aH für Individuum Homer (analog für Marge)
Konstante cB für Individuum Bart (analog Lisa, Maggie)
zweistellige Relation V für Vaterschaft
zweistellige Relation M für Mutterschaft
dreistellige Relation E für Elternschaft
ψVater
ψMutter
=
=
V(aH , cB ) ∧ V(aH , cL ) ∧ V(aH , cM ),
M(aM , cB ) ∧ M(aM , cL ) ∧ M(aM , cM ).
Inhaltlich klar:
Wenn Homer Vater von x und Marge Mutter von x ist, dann sind Homer und Marge Eltern von x,
für jedes Kind x.
Lösung:
h
i
ψEltern = ∀x V(aH , x) ∧ M(aM , x) → E(aH , aM , x)
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Logik / Prädikatenlogik
Syntax: Signaturen
Unterschiede zur Aussagenlogik:
Prädikatenlogische (Individuen-)Variablen, keine Aussagen(variablen):
Menge PV mit Variablen x, y, z (auch mit Indizes, x1 , x2 , x3 , . . . )
Weitere Operatoren: Existenzquantor ∃ und Allquantor ∀
Relations-, Funktions- und Konstantensymbole
Definition 2.3
Die Signatur σ(ϕ) einer Formel ϕ ist die Menge der in ihr auftretenden Relations-,
Funktions- und Konstantensymbole. Jedem Relations- und jedem Funktionssymbol ist eine
eindeutige Stelligkeit zugeordnet.
Annahme: die jeweiligen Symbolmengen sind disjunkt.
Konvention:
Kleinbuchstaben
• vom Alphabetsanfang: Konstantensymbole (a, b, c, . . . ),
• aus der Alphabetsmitte: Funktionssymbole: (f , g, h, . . . ),
• vom Alphabetsende: Variablen: (v, w, x, y, z);
Großbuchstaben sind Relationssymbole
Beispiel 2.4
h
i
Die Signatur σ ∀x V(aH , x) ∧ M(aM , x) → E(aH , aM , x)
die jeweils zweistelligen Relationssymbole V, M ,
= {V, M, E, aH , aM } enthält
das dreistellige Relationssymbol E und
die Konstanten aH , aM .
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Logik / Prädikatenlogik
Syntax: Terme
Beobachtung:
Variablen und Konstanten können mit Funktionssymbolen zu komplexen Konstrukten
(Termen) kombiniert werden, wobei jeder Term ein Individuum repräsentiert.
Beispiel:
x,
f (y, c),
f f (c, a), g g g(y)
Dabei muss die Stelligkeit der Symbole beachtet werden.
Beispiel oben: Alle Vorkommen von f haben zwei Argumente,
alle Vorkommen von g haben ein Argument.
Definition 2.5
Die Menge PT(σ) der Terme über einer Signatur σ ist definiert als die kleinste Menge, die
folgenden Eigenschaften genügt:
für jede Variable x ∈ PV gilt x ∈ PT(σ)
für jedes Konstantensymbol c ∈ σ gilt c ∈ PT(σ)
für jedes k-stellige Funktionssymbol f ∈ σ und für alle Terme t1 , . . . , tk ∈ PT(σ) gilt
f (t1 , . . . , tk ) ∈ PT(σ).
Aufgabe
Gegeben ist die Signatur σ = {a, b, c, f , g} mit Konstanten a, b, c, einem einstelligen
Funktionssymbol f und einem zweistelligen Funktionssymbol g.
Geben Sie (Gegen-)Beispiele für Terme aus PT(σ) an.
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Logik / Prädikatenlogik
Syntax: Formeln
Definition 2.6 (Syntax aussagenlogischer Formeln)
Die Menge PL(σ) prädikatenlogischer Formeln über der Signatur σ ist die kleinste
Menge, für die gilt
für jedes k-stellige Relationssymbol R und Terme t1 , . . . , tk ∈ PT(σ) ist
R(t1 , . . . , tk ) ∈ PL(σ)
(Atom (zum Prädikat R))
für alle ϕ ∈ PL(σ) ist ¬ϕ ∈ PL(σ)
(Negation von ϕ)
für alle ϕ, ψ ∈ PL(σ) ist (ϕ ∧ ψ) ∈ PL(σ)
(Konjunktion von ϕ und ψ)
für alle ϕ, ψ ∈ PL(σ) ist (ϕ ∨ ψ) ∈ PL(σ)
(Disjunktion von ϕ und ψ)
für alle ϕ ∈ PL(σ) mit Variable x sind ∃x ϕ ∈ PL(σ) und ∀x ϕ ∈ PL(σ)
Beispiele 2.7
Gegeben ist die Signatur σ = {E, S, W, a, b} mit Konstanten a, b, zweistelligem
Relationssymbol E und einstelligen Relationssymbolen S, W .
Formeln:
E(x, y)
(E(x, y) ∧ ¬S(y))
∀y E(a, y)→S(y)
∀x ∀y E(x, y) ∧ W(x) →S(y)
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141
Logik / Prädikatenlogik
Syntax: Variablen
Beobachtung: Dieselbe Variable kann in einer Formel mehrfach vorkommen.
Dies ist durchaus gewünscht, etwa in ∀x ∃y E(x, y) ∧ W(x) .
Merkwürdig:
ϕ1 = ∀x ∃y E(x, y) ∧ ∃x E(y, x) .
ϕ2 =
∃y E(x, y) ∧ ∃x E(y, x) .
•
•
•
•
Dieselbe Variable in verschiedenen Wirkungsbereichen,
kann verschiedene Individuen bezeichnen!
Nachteil: Schwierig zu verstehen
Konvention: Variablen in verschiedenen Wirkungsbereichen haben verschiedene Namen.
ψ1 = ∀x ∃y E(x, y) ∧ ∃z E(y, z) .
ψ2 =
∃y E(x, y) ∧ ∃z E(y, z) .
Definition 2.8 (unter obiger Konvention)
Sei ϕ ∈ PL(σ) eine Formel. Eine Variable x heißt gebunden in ϕ, wenn sie in einer ψ
vorkommt und ∃x ψ oder ∀x ψ eine Teilformel von ϕ ist. Eine Variable, die nicht gebunden
ist, heißt frei. Eine Formel mit freien Variablen heißt offen, eine Formel ohne freie Variablen
hingegen geschlossen.
Beispiel 2.9
ψ1 besitzt keine freien Variablen, ist also geschlossen;
ψ2 besitzt die freie Variable; x
ohne Konvention: ϕ2 besitzt x als freie und als gebundene Variable
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Logik / Prädikatenlogik
Semantik: Beispiel
Beispiel 2.10
1
2
3
4
Eigenschaft: Der Knoten a ist weiß und
jeder hweiße Knoten
hat nur schwarze
direkte Nachfolger.
i
Formel: W(a) ∧ ∀x W(x)→ ∀y E(x, y) → S(y)
Ziel: Formel auswerten.
Nötig: Festlegung der Individuenmenge und der Bedeutung von Symbolen sowie der freien
Variablen.
Auswertung für obigen Graphen:
Wir wollen eine Eigenschaft über den Knoten des Graphen formulieren,
deshalb setzen wir {1, 2, 3, 4} als Menge der Individuen voraus.
Knoten â = 4
Weiße Knoten Ŵ = {1, 4}
Schwarze Knoten Ŝ = {2, 3}
Kantenrelation Ê = {(1, 2), (1, 3), (3, 4), (4, 2)}
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143
Logik / Prädikatenlogik
Semantik: Strukturen
Die Auswertung einer Formel nennt man Interpretation, sie geschieht unter
Aussagenlogik: einer Variablenbelegung α : AV*{0, 1}.
Prädikatenlogik: einer Struktur, die
• die Menge der Individuen sowie
• die Bedeutung der Relations-, Funktions- und Konstantensymbole festlegt,
sowie einer Belegung β : PV*U der freien Variablen.
Definition 2.11 (Struktur, Belegung)
Eine Struktur zu einer Signatur σ = {R1 , . . . , Rk } ∪ {f1 , . . . , f` } ∪ {c1 , . . . , cm } ist ein Tupel
S = (U, R̂1 , . . . , R̂k , f̂1 , . . . , f̂` , ĉ1 , . . . , ĉm ) mit
einem nichtleeren Universum U (auch Grundmenge)
Relationen R̂1 , . . . , R̂k
(wobei R̂i ⊆ U r , wenn das Relationssymbol Ri die Stelligkeit r hat)
Funktionen f̂1 , . . . , f̂`
(wobei f̂j : U r → U , wenn das Funktionssymbol fj die Stelligkeit r hat)
Konstanten ĉ1 , . . . , ĉm ∈ U .
Eine Belegung über einer Struktur S mit Universum U
ist eine partielle Abbildung β : PV*U .
Sie heißt passend zu einer Formel ϕ ∈ PL(σ),
wenn sie für jede freie Variable x in ϕ definiert ist, x ∈ D(β).
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Logik / Prädikatenlogik
Semantik: Auswertung
Definition 2.12
Sei I = (S, β) eine Interpretation für ϕ ∈ PL(σ), wobei
S = (U, R̂1 , . . . , R̂k , f̂1 , . . . , f̂` , ĉ1 , . . . , ĉm ) eine Struktur zur Signatur σ und
β eine über S definierte passende Belegung für ϕ ist.
Der Wert [[t]]I eines Terms t von ϕ ist induktiv definiert:
[[x]]I = β(x) für jede Variable x ∈ PV
[[ci ]]I = cˆi für jede Konstantensymbole ci in S
[[fi (t1 , . . . , tp )]]I = f̂i ([[t1 ]]I , . . . , [[tp ]]I ) für Funktionssymbole fi in S
Aufgabe
Werten Sie die Formel W(a) unter der in Beispiel 2.10 angegebenen Interpretation aus.
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Logik / Prädikatenlogik
Semantik: Auswertung (Fortsetzung)
Definition 2.13
Sei I = (S, β) eine Interpretation für ϕ ∈ PL(σ), wobei
S = (U, R̂1 , . . . , R̂k , f̂1 , . . . , f̂` , ĉ1 , . . . , ĉm ) eine Struktur zur Signatur σ und
β eine über S definierte passende Belegung für ϕ ist.
Der Wahrheitswert [[ϕ]]I ist induktiv definiert:
[[Ri (t1 , . . . , tp )]]I = 1, wenn ([[t1 ]]I , . . . , [[tp ]]I ) ∈ R̂i
[[Ri (t1 , . . . , tp )]]I = 0, wenn ([[t1 ]]I , . . . , [[tp ]]I ) < R̂i
Boole’sche Konnektoren:
(
0
1
(
• [[(ϕ ∧ ψ)]]I =
(
• [[(ϕ ∨ ψ)]]I =
• [[¬ϕ]]I =
falls [[ϕ]]I = 1
falls [[ϕ]]I = 0
0 falls [[ϕ]]I
1 falls [[ϕ]]I
1 falls [[ϕ]]I
0 falls [[ϕ]]I
= 0 oder [[ψ]]I = 0
= 1 = [[ψ]]I .
= 1 oder [[ψ]]I = 1
= 0 = [[ψ]]I .
Quantoren:
• [[∃xϕ]]I = 1 genau dann, wenn ein u ∈ U existiert, sodass [[ϕ]](S,β[x7→u]) = 1 gilt.
• [[∀xϕ]]I = 1 genau dann, wenn für alle u ∈ U auch [[ϕ]](S,β[x7→u]) = 1 gilt.
Bemerkung: β[x 7→ u] bezeichnet die Erweiterung der Abbildung β mit
D(β0 ) = D(β) ∪ {x},
β0 (x) = u und β0 (y) = β(y) für alle anderen Variablen y ∈ D(β).
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Logik / Prädikatenlogik
Eigenschaften: Erfüllbarkeit
Analog zur Aussagenlogik sind die folgenden Begriffe definiert.
Definition 2.14
Eine (passende) Interpretation I heißt erfüllend für oder Modell von ϕ, wenn
[[ϕ]]I = 1 gilt.
Eine Formel ϕ heißt erfüllbar, wenn es eine zu ihr passende erfüllende Interpretation
gibt, und unerfüllbar andererseits.
Eine Formel ϕ heißt allgemeingültig oder Tautologie, wenn jede zu ihr passende
Interpretation erfüllend ist.
Beispiel 2.15
ϕ = ∃x A(x) ∨ ¬∃x A(x) ist allgemeingültig
ψ = ∃x A(x) ∧ ¬∃x A(x) ist unerfüllbar
χ = ∃x A(x) ∧ ∃x ¬A(x) ist erfüllbar, aber nicht allgemeingültig.
Aufgabe
Geben Sie eine für χ
eine erfüllende Interpretation und
eine nicht erfüllende Interpretation an.
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Logik / Prädikatenlogik
Eigenschaften: Äquivalenz, Folgerung
Ebenfalls analog zur Aussagenlogik . . .
Definition 2.16
Formeln ϕ und ψ heißen äquivalent, ϕ ≡ ψ, wenn für jede Interpretation I , die zu ϕ
passt und die zu ψ passt, die Gleichung [[ϕ]]I = [[ψ]]I erfüllt ist.
Eine Formelmenge Φ = {ϕ1 , . . . , ϕn } impliziert eine Formel ψ, Φ |= ψ, wenn jede
Interpretation, die zu ϕ1 , . . . , ϕn , ψ passt und für ϕ1 , . . . , ϕn erfüllend ist, auch für ψ
erfüllend ist.
Beispiel 2.17
∀x S(x) ∧ J(x) ≡ ∀x S(x) ∧ ∀x J(x)
∀x M(x) ∨ W(x) . ∀x M(x) ∨ ∀x W(x)
Aufgabe
Beweisen Sie ∀x M(x) ∨ W(x) . ∀x M(x) ∨ ∀x W(x) .
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Logik / Prädikatenlogik
Eigenschaften: Äquivalenz
Es gelten in der Prädikatenlogik auch die Äquivalenzgesetze der Aussagenlogik (Sätze 1.18 und 1.19).
Außerdem:
Satz 2.18
Seien ϕ, ψ prädikatenlogische Formeln. Dann gilt
Dualität:
• ¬∀x ϕ ≡ ∃x ¬ϕ
• ¬∃x ϕ ≡ ∀x ¬ϕ
„Quantoren-Distributivität“:
• ∀x (ϕ ∧ ψ) ≡ (∀x ϕ) ∧ (∀x ψ)
• ∃x (ϕ ∨ ψ) ≡ (∃x ϕ) ∨ (∃x ψ)
„Quantoren-Kommutativität“:
• ∀x∀y ϕ ≡ ∀y∀x ϕ
• ∃x∃y ϕ ≡ ∃y∃x ϕ
Aufgabe
Beweisen Sie ∀x∃y E(x, y) . ∃y∀x E(x, y).
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