Händehygiene OA. Dr. Klaus Vander FA Hygiene u. Mikrobiologie Institut für Krankenhaushygiene und Mikrobiologie Stiftingtalstrasse 14, 8010- Graz Tel: 0316 340 5815 mail: [email protected] Nosokomiale Infektionen… … Infektionen die in zeitlichem Zusammenhang mit einem Krankenhausaufenthalt stehen, repräsentieren ein großes Risiko für den betroffenen Patienten, denn sie • • • • Erhöhen seine Leiden Erhöhen die Sterblichkeit Verlängern den Aufenthalt im Krankenhaus Sind mit beträchtlichen Kosten für das Gesundheitssystem verbunden Nosokomiale Infektionen ereignen sich bis zu 500.000- mal pro Jahr in Deutschland mit einer additiven Mortalität von 10.000-15.000 Patienten. Auf Intensivstationen liegt die Wahrscheinlichkeit aller Patienten eine nosokomiale Infektion zu bekommen bei 30- 40 % Jeder 50ige Patient mit einer nosokomialen Infektion verstirb daran!!!! Nosokomiale Infektionen… Nosokomiale Infektionen werden ihrer Pathogenese nach in endogenen und exogene Infektionen unterscheiden: • Endogene Infektionen entstehen aus der patienteneigenen Flora und werden vor allem durch patientenseitige Risikofaktoren (Alter, Grunderkrankung, Komorbidität, ..) sowie invasive und therapeutische Maßnahmen begünstigt • Exogene Infektionen hingegen werden durch von außen auf den empfänglichen Patienten übertragene Erreger verursacht, also durch Transmission. Man schätzt, dass der Anteil der exogenen Infektionen an den nosokomialen Infektionen ca. 20- 30 % beträgt. Etwa 30 % aller nosokomialen Infektionen sind durch exogene Hygienemaßnahmen vermeidbar!! Die Händedesinfektion steht als einfachste und effektivste Maßnahme an oberster Stelle aller Präventionsmaßnahmen!!! Geschichte der Händedesinfektion Hippokrates (460-377 v Chr.): • .....Verunreinigungen von Wunden als Ursache für einen gestörten Heilungsprozess Wundpflege: • Saubere Hände • Alkoholhaltige Flüssigkeiten • Abgekochtes Wasser • Wunden vor Verschmutzung schützen Ambroise Pare (1510-1590): • Zuvor „Kriegschirurgie“ → ausbrennen durch Brenneisen oder siedendem Öl → endete fast immer letal • 1536 - Wundmittels aus Rosenöl, Terpentin und Eidotter → weniger Entzündungen, Schmerzen und Fieber Geschichte der Händedesinfektion Alexander Gordon (1752-1799): • • schwere Epidemien von Kindbettfiber in Aberdeen ………. „Ursache sei eine eitrige Substanz, die von der Hebamme oder dem Arzt in die Gebärmutter eingebracht werde“ → Prävention durch konsequentes Händewaschen vor der Geburtshilfe Oliver Wendell Holmes (1809-1894): • 1843 – „The Contagiousness of Puerperal Fever“ Vor einem Geburtseingriff: → Hände mit Chlorwasser waschen → frischen Kittel anziehen → nie unmittelbar nach einer Obduktion Merke: Der Zusammenhang zwischen ärztlichem Handeln und Entstehen einer Infektion wurde noch lange erfolgreich von der Fachgemeinde abgestritten Geschichte der Händedesinfektion Ignaz Semmelweis (1818-1865): • • • • Höhepunkt der Sterblichkeit durch Kindbettfieber – Wiener Allgemeines Krankenhaus In den durch Ärzte und Studenten betreuten Abteilungen starben bis zu 30% aller Wöchnerinnen → damalige Leiter (Prof. Dr. Klein) war Vertreter der Miasmentheorie! In der durch Hebammen betreuten Abteilungen starben indes nur ca. 3% aller Wöchnerinnen Nach systematischer, wissenschaftlicher Aufarbeitung postulierte Semmelweis dass: „an der Hand klebende Jauche, von lebenden Organismen herrührend, das Kindbettfieber erzeugte“ → das Händewaschen mit Chlorkalk vor der Untersuchung führte zu einer Senkung der Sterblichkeitsrate auf 1,3% • Aufgeschwemmter Chlorkalk = Calciumhypochlorit, Calciumchlorid, Calciumhydroxid und Wasser → schlechte Hautverträglichkeit • Chlorwasser = wässrige Lösung von Natriumhypochlorit • Semmelweis starb 1865 an einer Blutvergiftung in Folge einer Bagatellverletzung-, möglicherweise verursacht durch Streptokokken , den Erregern des Kindbettfiebers Geschichte der Händedesinfektion Joseph Lister (1827-1912): Zeitalter der Karbolsäure • • • Lister nahm Abstand von der Miasmentheorie und unterstützte die Theorie einer mikrobiellen Pathogenese des Wundbettfiebers Lister erkannte, dass die Sepsisrate aufgrund von karbolsäurehältiger Raumluftvernebelung und Händedesinfektion deutlich abnahm Die von der Karbolsäure verursachten Hautreizungen verringerten die Akzeptanz vieler Chirurgen Karbolsäure hatte (hat) folgende Nachteile: • • • • • Toxizität scharfer Geruch Hemmung des Granulationsgewebes Hautirritierend Nieren-, und Leberschädigend Geschichte der Händedesinfektion Weitere Entwicklungen Paul Fürbringer (1849-1930) • „Verdünnter Alkohol ist ausreichend für eine sichere Keimentfernung“ Johann Ludwig Ahlfeld (1896) • Empfehlung für die Durchführung einer chirurgischen Händedesinfektion • 10 min. Seifenwaschung, 5 min. Desinfektion mit Ethanol 1939 • Waschen mit Seife für 7 min.-, gründliche Trocknung, Spülen in 95% Alkohol, 3 min. Desinfektion mit 70 % Alkohol 1958 (DGHM) • …“jedes Verfahren für die chirurgische Händedesinfektion, äquivalent zu einer 5 min. Behandlung mit 80 % Ethanol sein müsse“ 1972 (DGHM) • 3- minütiges Händewaschen unter kräftigem Bürsten, gefolgt von 5min. Alkohol 1992 (DGHM) • Nur noch Nägel und Nagelfalzen sollen gebürstet werden; die Waschphase wird auf 1 min. verringert 2007 • Die aktuell empfohlenen Einwirkzeiten liegen je nach Herstellerangaben zwischen 1,5 und 3 min. Bei optisch sauberen Händen ist eine Waschphase nicht mehr erforderlich! WHO Modell „Die 5 Indikationen der Händedesinfektion“ WHO Modell „Die 5 Indikationen der Händedesinfektion“ Compliance / Händehygiene Definition Compliance: Ausführung von Verhaltensweisen, die aufgrund eines Gebotes, einer Vorschrift, Empfehlung oder Vereinbarung als richtungweisend. Im konkreten die Fall die Umsetzung der Empfehlungen zur Händehygiene. Compliance / Händehygiene Vor der Intervention: In 1,8% (Ärzte 1,2%; Pflegepersonal 1,9%) wurde die vom Hersteller angegebene minimale Einwirkzeit (≥30 sec) eingehalten Nach der Intervention: In 20,2% (Ärzte 19,4%; Pflegepersonal 20,3%) wurde die vom Hersteller angegebene minimale Einwirkzeit (≥30 sec) eingehalten Compliance / Händehygiene Die Compliance der Händedesinfektion kann über 2 Methoden bestimmt werden: • Direkte Beobachtung (Hawthorne Effekt) • Verbrauch an Händedesinfektionsmittel (l/1000 Patiententage; ml/Patiententag; s. z.B. HAND-KISS) Compliance / Händehygiene Compliance / Händehygiene Compliance / Händehygiene Compliance / Händehygiene Compliance / Händehygiene Psychologische Beweggründe für das Setzen einer Handlung Compliance / Händehygiene Conclusio: • Compliance in der Händehygiene korreliert mehr mit dem Grad intuitiven-, denn rationalen Denkens • „…..,das Händehygiene eher eine Herzensangelegenheit, als ein rationales Handeln werden muss“ Compliance / Händehygiene Literaturverweis: • Händehygiene- einfach aber nicht trivial: Scheithauer et al; Krankenhaushygiene up2date5- 2010; 8191 • Untersuchungen zur Verbesserung der Compliance bezüglich der hygienischen Händedesinfektion: Knoll et al.; HygMed- 2011; 36-3; 76-80 • Hygienische Händedesinfektion: Reichardt et al.; Krankenhaushygiene up2date4- 2009; 297-307 • Herausforderung Händehygiene: Reinhardt et al.; Krankenhaushygiene up2date4- 2009; 209-221 Ausreichende Verfügbarkeit von Händedesinfektionsmittelspendern • Hygienische Händedesinfektion- Indikationen erkennen und bewerten: Sroka et al.; Krankenhaushygiene up2date5- 2010; 193-207 • Geschichte der Händedesinfektion: V. Hoch; Krankenhaushygiene up2date5- 2010; 253-262 • Motivation und Kommunikation zur Verbesserung der Compliance bei der Händehygiene: B. Meyer; Hyg Med 2011;36-6; 232-236 Danke für Ihre Aufmerksamkeit!