Gesichtslänge

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Gesichtslänge, Gesichtslinie, s. Gesicht.
Gesicht (Angesicht, Antlitz, Facies, Vultus), der vordere Teil des Kopfes (s. d.) bei den Säugetieren. Beim Menschen ist es von
Haupthaar frei und tritt infolge der größern Ausbildung des Gehirns weit mehr hervor, als es bei den übrigen Säugetieren der Fall ist,
deren Nase und Mund meist zu einer Schnauze verlängert sind. Darum bildet auch beim Menschen die Stirn, obwohl sie anatomisch
nicht zum Gesicht, sondern zum Schädelteil des Kopfes gehört, einen Hauptteil des Gesichts. Durch die Verschiedenheit der
Verhältnisse der einzelnen Gesichtspartien zu einander wird die Gesichtsbildung bedingt. Der je nach der Gemütsstimmung
wechselnde Gesichtsausdruck beruht im wesentlichen auf der Thätigkeit der Gesichtsmuskeln (s. Tafel »Muskeln«, Fig. 1) und wird
besonders durch Augen und Mund als die beweglichsten Teile des Gesichts hervorgebracht. Die Gesichtsfarbe entspricht der übrigen
Hautfarbe; bei den Weißen zeichnet sie sich durch ein lebhafteres Kolorit aus und zwar vornehmlich an den Backen, deren Röte auf
dem lebhaftern Blutumlauf beruht. Gewisse Nüancen der Gesichtsfarbe, namentlich eine
forlaufend ins Gelbliche, Bläuliche, Bleifarbene gehende, sind die Wirkungen besonderer Krankheiten. Oft treten in der
Gesichtsbildung mehrerer Individuen gewisse Ähnlichkeiten hervor, so bei Familiengliedern (Familiengesicht). Außerdem zeigen nicht
nur Volksstämme und ganze Völker, sondern selbst Menschenrassen bei aller individuellen Verschiedenheit der Gesichtszüge eine
gewisse Übereinstimmung in denselben. Vgl. Gesichtslinien. - Bei den Insekten heißt Gesicht der obere oder vordere Teil des Kopfes.
Gesicht (Gesichtssinn, Visus), das Vermögen, zu sehen, die Gesamtheit der Verrichtungen des Auges, vermöge deren wir uns
in der Außenwelt mittels des Lichts zu orientieren vermögen. Der Gesichtssinn hat eine unendlich viel größere Tragweite als alle
übrigen Sinne; während die Organe des Tast- und Geschmackssinnes (genau genommen auch die des Geruchssinnes) mit dem
Objekt, zu dessen Wahrnehmung sie uns verhelfen sollen, in unmittelbare Berührung gebracht werden müssen, findet beim Gehör
und Gesicht nur eine mittelbare Wahrnehmung statt, indem beim Gehör die von dem tönenden Objekt ausgehenden Schallwellen,
beim Gesicht die von dem leuchtenden Objekt ausgehenden Lichtätherwellen sich zwischen das wahrzunehmende Objekt und das
betreffende Sinnesorgan einschalten.
Das Auge verdankt die Fähigkeit der Lichtempfindung dem Sehnerv. Die Endapparate der Sehnervenfasern, nämlich die
Stäbchen und Zapfen der Netzhaut des Auges (s. Auge), haben die spezifische Eigenschaft, die Schwingungen des Lichtäthers in
einen Nervenreiz umzusetzen. Objektives Licht, welches auf die Stäbchen und Zapfen der Netzhaut auffällt, versetzt die mit jenen
zusammenhängenden Nervenfasern in einen Erregungszustand, welcher dem Zentralorgan der Empfindung zugeleitet wird und hier
den subjektiven Eindruck einer Lichtempfindung veranlaßt.
Zwar ruft ein jeder Erregungszustand der Sehnervenfasern subjektive Lichtempfindungen hervor, aber nur von den
Endapparaten der Netzhaut aus können die Sehnervenfasern durch objektives Licht in den Erregungszustand versetzt werden. Für
die Auffassung des Lichtreizes und für die Unterscheidung seiner Intensität (hell und dunkel) bedürfte das Auge (abgesehen von dem
zentralen Sinnesapparat im Gehirn, dessen Erregungszustand für uns ebensoviel wie Lichtempfindung bedeutet) nur einer einzigen
Nervenfaser, die mit einem die Lichtreizung vermittelnden Endorgan (mit einem Stäbchen) verbunden sein müßte.
Bei absolutem Lichtmangel würde diese eine Sehnervenfaser gar nicht erregt werden, mit der Steigerung der Intensität des
Lichts würden der Reizzustand und die Lichtempfindung an Stärke zunehmen. Auf dieser Entwickelungsstufe befindet sich das
Gesicht zahlreicher niederer Tiere, Würmer etc., deren sogen. Augenpunkte Pigmentablagerungen darstellen, welche einen
lichtempfindenden Nerv umgeben. Da wir aber auch die Fähigkeit besitzen, die Farben, d. h. die verschiedenen Qualitäten des Lichts,
als verschiedene Reize wahrzunehmen, so müssen spezifische Farbenempfindungsorgane vorhanden sein, welche nur durch Licht
von bestimmter Wellenlänge erregbar sind.
Als solche spezifische, der Wahrnehmung des farbigen Lichts dienende Endorgane des Sehnervs sind nach neuern
Untersuchungen die Zapfen der Netzhaut anzusehen. Ihre gleichzeitige Erregung bringt den Eindruck des weißen Lichts, die
Erregung jedes einzelnen den Eindruck farbigen Lichts hervor. Die in das Auge eintretenden Lichtstrahlen werden durch ein System
verschieden brechender Medien (Hornhaut, wässerige Flüssigkeit, Linse, Glaskörper) so auf die Netzhaut projiziert, daß auf dieser
ein verkleinertes, umgekehrtes, reelles Bild der gesehenen Gegenstände entsteht, und zwar ganz ähnlich wie in der Camera obscura.
Da man nun den Gang der Lichtstrahlen in einem optischen System, dessen brechende Oberflächen und Brechungskoeffizienten
bekannt sind, durch Berechnung der sogen. Kardinalpunkte genau bestimmen kann, so müßte man, um das Auge als optischen
Apparat beurteilen zu können, den Gang der Strahlen durch diese vier Medien, welche durch vier sphärische Flächen, nämlich durch
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die beiden Seiten der Hornhaut und die beiden Grenzflächen der Linse, geschieden sind, berechnen. Da aber sowohl die
Hauptpunkte als die Knotenpunkte im Auge sehr nahe bei einander liegen, kann man ohne nennenswerten Fehler die erstern wie die
letztern in je einen Punkt zusammenziehen und die Wirkung des ganzen Systems durch ein brechendes Medium mit einer einzigen
an Stelle der Hornhaut befindlichen brechenden Fläche darstellen. So läßt sich das komplizierte natürliche Auge in ein schematisches
(Listings reduziertes Auge) umwandeln.
In Fig. 1 ist die brechende Kugelfläche des reduzierten Auges durch den punktierten Bogen ll zwischen den beiden Hauptpunkten
h, h,, angedeutet; der Knotenpunkt x liegt zwischen den beiden wirklichen Knotenpunkten k, k,,; die Lage der Brennpunkte F, F,, hat
keine Verschiebung erfahren. Soll nun der Ort des Bildes auf der Netzhaut für einen bestimmten Punkt des Objekts bestimmt werden,
so genügt hierzu die Kenntnis der Lage des Knotenpunktes x vollständig. Man findet nämlich den Ort des Bildes, indem man von dem
leuchtenden Punkt eine gerade Linie durch x bis zur Netzhaut zieht. Da, wo diese gerade Linie (z. B. G, G,,), welche man als
Richtungslinie oder Sehstrahl bezeichnet, die Netzhaut trifft, liegt der Ort des Bildes.
Es ist viel darüber gestritten worden, wie es kommt, daß wir die Objekte aufrecht sehen, obschon ihre Netzhautbilder umgekehrt
sind. Im Grunde genommen ist der Streit überflüssig, weil es sich dabei um eine falsche Fragestellung handelt. Wir müssen nämlich
daran festhalten, daß nicht das Auge selbst das Bild sieht, welches in demselben entworfen wird, sondern daß sich der von dem
leuchtenden Punkt hervorgebrachte Gesichtseindruck durch die Sehnervenfasern in das Gehirn fortpflanzt und hier erst auf eine uns
freilich nicht erklärliche Weise zum Bewußtsein kommt. Das Gehirn aber versetzt stets die empfangenen Gesichtseindrücke nach den
Gesetzen der Projektion, d. h. in
^[Abb.: Fig. 1. Listings reduziertes Auge.]
forlaufend der Richtung der Sehlinien, nach außen. Der Lichteindruck, welcher oben in der Netzhaut stattgefunden, wird dahin
projiziert, wo, wenn wir von ihm aus durch den Kreuzungspunkt der Richtungsstrahlen eine gerade Linie nach außen ziehen, diese
Linie endet, also nach unten und umgekehrt; das gleiche Verhältnis findet statt zwischen rechts und links: die Gesichtseindrücke der
linken Seite der Retina werden nach rechts, die der rechten Seite nach links projiziert.
Aber nur Objekte aus sehr bedeutender Entfernung würden sich für gewöhnlich auf der Netzhaut deutlich abbilden, besäße das
Auge nicht einen Muskelmechanismus, durch dessen Thätigkeit die Krümmung der beiden Linsenflächen derartig verstärkt werden
kann, daß nunmehr auch nähere Objekte deutliche Bilder auf die Netzhaut werfen. Neben dieser Akkommodation für Nähe und Ferne
besitzt das Auge noch die Fähigkeit, sich wechselnden Lichtintensitäten anzupassen, indem es durch Veränderung der Pupillenweite
die Größe des in sein Inneres dringenden Strahlenkegels reguliert. Man bezeichnet diese Fähigkeit als Adaptation für Lichtstärke.
Das Auge kann niemals gleichzeitig Gegenstände deutlich sehen, die in erheblich verschiedener Entfernung gelegen sind.
Strahlen, die von einem Punkt kommen, auf welchen das Auge nicht eingestellt ist, erzeugen kein scharfes Bild, sondern ein
Zerstreuungsbild. Hält man in mäßiger Entfernung vom Auge einen durchsichtigen Schleier und hinter denselben in einer Entfernung
von 50 cm eine Schrift, so kann man nacheinander bald die Fäden des Schleiers, bald die Buchstaben der Schrift, niemals aber beide
zusammen deutlich sehen.
Die Akkommodationsbreite, d. h. der Inbegriff aller Entfernungen, aus denen das Auge scharfe Bilder aufzunehmen vermag, liegt
beim Menschen zwischen 10-12 cm (Nahpunkt) und unendlicher Entfernung (Fernpunkt). Von dieser Norm kommen häufig
Abweichungen vor. Es kann nämlich der Fernpunkt in weit größerer Nähe und dann gewöhnlich auch der Nahpunkt näher rücken
(kurzsichtige oder myopische Augen), oder es rückt der Nahpunkt in größere Entfernung, während der Fernpunkt unverändert bleibt
(weitsichtige oder presbyopische Augen), oder endlich das Auge vereinigt erst konvergente, d. h. also aus weiter als unendlicher
Entfernung kommende, Strahlen (übersichtige, hyperopische oder hypermetropische Augen).
Die Akkommodation erfolgt ausschließlich durch Formveränderungen der Linse und zwar derartig, daß beim Übergang vom
Fernsehen zum Nahesehen die Linse dicker wird und ihre vordere Fläche sich stärker wölbt (Fig. 2). Damit, daß die Akkommodation
durch diese Formveränderung der Linse hervorgerufen wird, hängt es auch zusammen, daß die Akkommodationsfähigkeit mit dem
zunehmenden Alter mehr und mehr verloren geht. Die jugendliche Linse ist nachgiebig und verändert ihre Form sehr leicht, die alte
Linse hingegen ist widerstandsfähig und weniger elastisch.
Die Veränderung der Linsenform wird nun bewirkt durch die Wirkung eines im Innern des Auges gelegenen Muskels (musculus
ciliaris s. m. tensor chorioideae). Die Linse des ruhenden Auges besitzt nicht diejenige Gestalt, welche dem Gleichgewicht ihrer
elastischen Kräfte entspricht. Befreit man sie von ihrer Umgebung, so wird sie dicker und nimmt einen geringern Randumfang ein. Sie
wird nun im lebenden Auge durch ein Band, das Strahlenband (zonula Zinnii), welches strahlenförmig vom Rande der Linse in der
Richtung auf den parallel dem Äquator des Auges gelegenen gezahnten Rand (ora serrata) nach außen geht, befestigt, und dieses
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Band, welches sich am ruhenden Auge fortwährend in einem Zustand radialer Spannung befindet, verhindert die Linse, ihre
Gleichgewichtslage anzunehmen. An dieses Band treten nun in der Nähe der Ora serrata die Fasern des Ciliarmuskels, welche ihren
festen Punkt am Rande der durchsichtigen Hornhaut haben. Ziehen sich also die freien Enden dieses Muskels zusammen, so wird
sich die Ora serrata mit der Ursprungsstelle des Strahlenbandes dem Hornhautrand nähern, damit wird die radiale Spannung dieses
Bandes nachlassen, und die Linse wird die Möglichkeit erlangen, sich ihrer natürlichen Gleichgewichtsfigur zu nähern, d. h. ihre Dicke
wird zunehmen.
Die Adaptation des Auges für Lichtstärken kommt durch Verengerung oder Erweiterung der Pupille zu stande. Die
Regenbogenhaut besitzt zwei Muskeln: den Erweiterer und Verengerer der Pupille (musculus dilatator und sphincter pupillae). Der
erstere besitzt radiale, der zweite zirkuläre Faserung. Die Iris stellt eine für Lichtreize äußerst empfindliche muskulöse Blendung dar,
die sich verengert bei wachsender, erweitert bei abnehmender Lichtstärke. Diese Bewegungen haben den Sinn einer Adaptation,
indem sie entweder die Menge des auf die Netzhaut fallenden Lichts durch Abblenden der Randstrahlen mäßigen, oder bei sinkender
Lichtstärke einer bedeutenden Lichtmenge den Zutritt zur Netzhaut gestatten.
Der optische Apparat des Auges hat zahlreiche Unvollkommenheiten mit den künstlichen Systemen gemein, Mängel, die teils
von der Unvollständigkeit der Zentrierung und von kleinen Unregelmäßigkeiten in der Gestalt der brechenden Flächen, teils aber
davon herrühren, daß das Gesetz der Vereinigung aller homozentrischen Strahlen in einem Punkt nur für die zentral auffallenden
Strahlen gilt, während sich die Randstrahlen nicht mehr vollkommen vereinigen.
Letzterer Mangel bewirkt die sogen. sphärische oder monochromatische Abweichung, und er ist z. B. daran schuld, daß uns die
Sterne strahlenförmig erscheinen. Hiervon leitet sich auch die sogen. Irradiation ab. Sie besteht darin, daß stark beleuchtete helle
Flächen auf dunklem Grund größer erscheinen als dunkle Flächen auf hellem Grund. Helle Handschuhe und Schuhe lassen Hände
wie Füße größer erscheinen als dunkle. Wohlbeleibtheit der Damen tritt in heller Kleidung besonders auffallend hervor. Die Irradiation
erklärt sich daraus, daß die Zerstreuungskreise des beleuchteten hellen Gegenstandes über den benachbarten dunkeln
hinausgreifen, und daß sich daher der erstere auf Kosten des letztern vergrößert. Trübungen der brechenden Medien oder
beschattende Objekte unmittelbar vor der Netzhaut rufen die sogen.
^[Abb.: Fig. 2.
Akkommodation des Auges. A Akkommodation für die Ferne, B für die Nähe;
a Hornhaut;
b Linsendurchschnitt bei der Akkommodation für die Ferne, b, für die Nähe;
c Strahlenband.]
forlaufend entoptischen Erscheinungen hervor. Es werden beim Eindringen des Lichts in das Innere des Auges Schatten der
betreffenden Körper auf die Netzhaut geworfen, und das Auge gewahrt jetzt diese undurchsichtigen Teile als mehr oder weniger
deutliche Schattenbilder. Die Ursache der entoptischen Erscheinungen liegt in Trübungen der Hornhaut, der Linse oder des
Glaskörpers; doch vermögen auch die vor der lichtempfindenden Schicht der Netzhaut befindlichen Blutgefäße Schattenbilder zu
erzeugen.
Diese Wahrnehmung der Netzhautgefäße bezeichnet man als die Purkinjesche Aderfigur; sie kennzeichnet sich als deutlicher
Gefäßbaum im Gesichtsfeld, der ganz demjenigen gleicht, welcher durch Injektion der Netzhautgefäße erhalten oder mittels des
Augenspiegels wahrgenommen wird. Man kann diese Aderfigur jeden Augenblick erzeugen, wenn man in einem finstern Zimmer eine
dunkle Wand fixiert und etwas seitwärts vom Auge ein Kerzenlicht hin und her bewegt.
Die entoptischen Erscheinungen des Glaskörpers zeichnen sich vor denen der andern Gebilde durch ihre Beweglichkeit aus,
weshalb sie auch als fliegende Mücken (mouches volantes) bezeichnet werden. Noch einen andern Mangel teilt das Auge mit
zahlreichen optischen Instrumenten. Die Bilder besitzen nämlich oftmals farbige Säume wegen der ungleichen Brechbarkeit der
verschiedenfarbigen Strahlen. Man bezeichnet diesen Mangel als chromatische Abweichung. Diese sowohl als die
monochromatische Abweichung werden übrigens durch die Iris sehr gemäßigt, indem diese die Randstrahlen abschneidet.
Verbleib des ins Auge fallenden Lichts. Das auf den Augenhintergrund fallende Licht wird keineswegs von dem Pigment der
Aderhaut ganz verschluckt, denn man kann nachweisen, wie ein Flammenbildchen auf der Netzhaut als Lichtquelle wirkt, welche den
ganzen übrigen Augenhintergrund mit einem merklichen Lichtschimmer überzieht. Früher nahm man eine Lichtentwickelung, eine Art
Phosphoreszenz, im Innern des Auges selbst an und suchte hierdurch das Leuchten des Auges mancher Tiere, welches von dem
Erregungszustand und dem Willen des Tiers abhängig sein sollte, zu erklären.
Wir wissen jetzt, daß das Augenleuchten auf eine Zurückwerfung von solchem Licht zurückzuführen ist, welches vorher von
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außen eingefallen ist, und dieser Vorgang wird durch eine das Licht stark reflektierende Membran, das sogen. Tapetum lucidum,
welche unmittelbar unter der Netzhaut liegt, äußerst begünstigt. In völlig finstern Räumen wird niemals Augenleuchten beobachtet.
Aber weil die Lichtmenge, welche beim Leuchten reflektiert wird, nur gering ist, darf die Umgebung nur schwach beleuchtet sein, soll
überhaupt das Augenleuchten wahrgenommen werden.
Um die Wirkung des ins Auge dringenden Lichts kennen zu lernen, haben wir uns zunächst mit der Einrichtung der Netzhaut
vertraut zu machen. Diese ist die innerste der Augenhäute und setzt sich zusammen aus den Fasern des Sehnervs, aus
eigentümlichen Anhangsgebilden dieser Fasern und endlich aus einer bindegewebigen Stützsubstanz, in welche die eigentlichen
nervösen Elemente eingelagert sind. Der feinere Bau der Netzhaut ist äußerst verwickelt; es sei deshalb hier nur kurz erwähnt, daß
man auf einem zur Flächenausbreitung der Netzhaut senkrechten Schnitt zehn verschiedene Schichten deutlich unterscheiden kann,
wie bei Fig. 3 (vom Innern des Augapfels nach außen) angegeben.
Die ganzen Schichten kann man als ein schwammartig durchlöchertes Bindegewebe auffassen, in dessen Lücken die
eigentlichen nervösen Elemente eingelagert sind. In der Faserschicht, Ganglienzellenschicht und den beiden Körnerschichten sind
die Lücken verhältnismäßig groß, und hier dominiert daher das Nervengewebe. In den beiden Körnchenschichten herrscht die
Bindesubstanz vor. Die beiden Begrenzungsschichten bestehen ganz aus Stützsubstanz; die äußere ist zum Zweck des Durchtritts
der nervösen Elemente filigranartig durchbrochen. Die Stäbchen und Zapfen sind ausschließlich nervöse Elemente, und die
Pigmentschicht ist gewissermaßen als eine Umhüllungsschicht derselben aufzufassen. Sie bildet ein regelmäßiges Mosaik von
platten, sechseckigen Zellen, welche pigmenthaltige Fortsätze zwischen die Stäbchen und Zapfen aussenden.
Die Verbindung zwischen den am weitesten nach außen gelegenen Stäbchen und Zapfen und den dem Innenraum des
Augapfels fast unmittelbar anliegenden Fasern des Sehnervs (nur die innere Begrenzungsschicht bildet eine schwache
Scheidewand) erfolgt derartig, daß die Fasern dieses Nervs sich an die Ganglienzellen begeben. Diese Zellen, die sich im
^[Abb.: Fig. 3.
Schichten in der Netzhaut des Menschen. Reihenfolge der Schichten (von innen nach außen): 1 Innere Begrenzungsschicht, 2
Nervenfaserschicht, 3 Ganglienzellenschicht, 4 innere Körnchenschicht, 5 innere Körnerschicht, 6 äußere Körnchenschicht, 7 äußere
Körnerschicht, 8 äußere Begrenzungsschicht, 9 Schicht der Stäbchen und Zapfen, 10 Pigmentschicht.]
forlaufend Bau kaum von den gewöhnlichen Ganglien- oder Nervenzellen unterscheiden, senden mehrere Ausläufer aus, die
nach außen dringen und sich in äußerst feine Fädchen teilen, welche an die innere Körnchenschicht treten und sich innerhalb
derselben verlieren. Die Fäden stehen wohl unzweifelhaft im Zusammenhang mit der inneren Körnerschicht. In dieser findet man
nämlich zahlreiche größere Körner, die in ihrem Verhalten an kleine Nervenzellen erinnern, und von denen jedes Korn zwei Ausläufer
besitzt, deren einer nach innen, der andre nach außen gerichtet ist.
Der erste Ausläufer dürfte im Zusammenhang stehen mit den Fädchen der innern Körnerschicht, während der andre in Fädchen
der äußern Körnchenschicht übergeht, die sich, wie die jetzt folgende äußere Körnerschicht, wesentlich wie die entsprechende innere
Schicht verhält. Jedes Korn der äußern Körnerschicht steht nun mittels eines nach außen gerichteten Ausläufers mit einem Stäbchen
oder Zapfen der jetzt folgenden Schicht in Verbindung. Die Schicht der Stäbchen und Zapfen setzt sich aus dicht gedrängten
nervösen Elementen von zweifacher Art zusammen: die einen sind kürzer und dicker (Zapfen), die andern länger und schmäler
(Stäbchen). Im übrigen sind beide wohl schwerlich wesentlich verschiedene Elemente. Die Stäbchen und Zapfen stellen die letzten
nervösen Anhangsgebilde dar und sind als die Angriffsstellen des Lichtreizes zu betrachten; hier bewirken die Ätheroszillationen
eigentümliche Veränderungen, welche die Fasern des Sehnervs, die selbst für Licht völlig unempfindlich sind, erregen und zu
Gesichtsempfindungen führen.
Fragen wir uns, welche Elemente der Netzhaut durch Licht reizbar sind. Jedes Sehobjekt, jeden Gegenstand kann man als eine
Mosaik vieler leuchtender Punkte auffassen. Deshalb muß auch die Netzhautschicht, in welcher die Nervenreizung erfolgt, einen
mosaikartigen Bau besitzen; ein solcher kommt aber nur der Schicht der Stäbchen und Zapfen zu. Auch schon der Umstand, daß
diese Schicht am äußersten Ende der oben beschriebenen Verkettung von nervösen Elementen gelegen ist, weist auf sie als die
reizbaren Elemente hin.
Die Sehnervenfasern selbst und die Schichten der Ganglien und Körnchen sind als Angriffsstellen des Lichtreizes schon deshalb
ungeeignet, weil Nervenfasern sowohl als Ganglien und Körnchen in mehreren Lagen übereinander liegen und daher der Lichtstrahl
meist mehrere Elemente gleichzeitig reizen würde. Man kann aber auch direkt nachweisen, daß die Fasern des Sehnervs selbst
durch Licht nicht reizbar sind. Die ziemlich große Eintrittsstelle des Sehnervs enthält nämlich gar nichts andres von nervösen
Elementen als Nervenfasern.
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Läßt man nun auf diese Stelle das Bild eines hellen Gegenstandes fallen, so nimmt man nicht die Spur einer Lichtempfindung
wahr. Fixiert man von den beiden dunkeln Marken in der folgenden Fig. 4 die rechts gelegene mit dem linken Auge (das rechte Auge
wird geschlossen) aus einer Entfernung von ca. 25 cm, so wird die links befindliche unsichtbar. Ebenso verschwindet die rechts
gelegene, sobald man die links gelegene mit dem rechten Auge fixiert. Um die richtige Entfernung zu finden, nähert man das Buch
aus größerer Entfernung allmählich dem Auge.
Man sieht alsdann die Marke bei einer bestimmten Entfernung verschwinden und bei einer weitern Annäherung wieder
auftauchen. In diesem Versuch nun verschwindet die eine Marke dann, wenn ihr Bild gerade auf die Eintrittsstelle des Sehnervs fällt;
diese Stelle bezeichnet man deshalb als den blinden Fleck. Daß beim gewöhnlichen Sehen keine der Eintrittsstelle des Sehnervs
entsprechende Lücke empfunden wird, hat darin seinen Grund, daß die Punkte, welche von der Umgebung des blinden Fleckes
wahrgenommen werden, aneinander rücken und diese Lücke ausfüllen.
Durch äußerst starke Reizbarkeit zeichnet sich eine andre Stelle der Netzhaut, der sogen. gelbe Fleck, aus; sie enthält keine
Spur von Optikusfasern, wohl aber enthält sie eine mächtige Ganglienschicht und ist ganz außerordentlich reich an Zapfen, nervösen
Elementen, die an allen andern Stellen der Netzhaut nur vereinzelt auftreten. Auch durch Prüfung des Ortssinnes der Netzhaut (s.
unten) hat man die Anschauung begründet, daß die Stäbchen und Zapfen die reizbaren Elemente der Netzhaut sind.
Man nimmt heute allgemein an, daß chemische Vorgänge in der Netzhaut von höchster Wichtigkeit für den Sehakt sind, ja daß
ohne sie ein Sehen überhaupt nicht möglich ist. Um chemische Prozesse zu erzeugen, muß das Licht absorbiert, muß es durch
chemische Arbeitsleistung verbraucht werden. Die Ätherbewegung wird in der Netzhaut in molekulare Bewegung umgewandelt.
Nimmt man nun an, daß die wirksamen Endorgane des Sehnervs, also die Stäbchen und Zapfen, von lichtempfindlichen Substanzen
umgeben sind, so kann man sich vorstellen, wie das auf diese Substanzen fallende Licht chemische Körper in Freiheit zu setzen
vermag, die dann als Reize auf die Nervenendigungen wirken und so zu Gesichtsempfindungen führen.
Die Neuzeit konnte chemische Prozesse in unmittelbarster Nähe der Stäbchen direkt nachweisen. Die Außenglieder der
Stäbchen der meisten Wirbeltiere (Hühner und Tauben bilden Ausnahmen) sind mit einem eigentümlichen roten Farbstoff, dem
sogen. Sehrot oder Sehpurpur (s. d.), überzogen. Dieser Farbstoff wird unter der Einwirkung des Lichts zerstört, und man konnte
durch partielle Belichtung der Netzhaut photographische Bilder, sogen. Optogramme, erhalten.
Aber nicht allein destruktive, sondern auch regenerative Vorgänge werden in der Netzhaut beobachtet. Denn die beim Sehen
gebleichten Stäbchen sind des Purpurs nur vorübergehend beraubt und nehmen nach kurzem Aufenthalt im Dunkeln bald wieder ihre
alte Färbung an. Bemerkt sei noch, daß auch elektrische Ströme in der Netzhaut nachgewiesen sind, und daß im Verhalten dieser
eine Änderung eintritt, sobald das Auge durch Licht gereizt wird. Diese Retinaströme sind, wie Holmgreen ^[richtig: Holmgren =
Frithjof Holmgren (1831-1897)] nachwies, nicht an die Gegenwart des Sehpurpurs geknüpft.
Ist nun auch Licht der adäquate Reiz für die Netzhaut, so wird doch der Sehnerv mit seinen Ausbreitungen auch durch
allgemeine mechanische oder elektrische Reize in Erregung versetzt (vgl. Reiz). So z. B. erfüllt ein Stoß auf das Auge das
Gesichtsfeld mit einem intensiven Lichtblitz. Ferner blitzt das Gesichtsfeld hell auf, sobald man einen schwachen elektrischen Strom,
der Zweige durch das Auge sendet, schließt oder öffnet.
Durch Einwirkung des Lichtreizes auf die Netzhaut entstehen Lichtempfindungen. Da nun die Trägheit eine allgemeine
Eigenschaft der Materie ist, so kann es nicht überraschen, daß eine gewisse Zeit verstreicht, bevor auf Einwirkung des Reizes die
Netzhaut in
^[Abb.: Fig. 4. Mariottescher Versuch.]
forlaufend einen merklichen Erregungszustand geraten ist, und daß anderseits die Erregung den Reiz kurze Zeit überdauert. Es
erscheint eine glühende Kohle als Feuerkreis, sobald sie mit einer gewissen Geschwindigkeit im Kreis gedreht wird. Nach jedem
Gesichtseindruck bleibt also der gesehene Gegenstand noch kurze Zeit sichtbar, es bildet sich ein sogen. Nachbild. War der
Lichteindruck stark, so kann die Erregbarkeit der Netzhaut durch Ermüdung derartig abnehmen, daß eine dunkle Stelle von der
Gestalt des gesehenen Gegenstandes als Nachbild erscheint (negatives Nachbild). Zuweilen wechseln positive mit negativen
Nachbildern im schnellen Wechsel ab, wie das z. B. der Fall ist, wenn man die Augen etwa eine halbe Minute hindurch scharf auf den
kleinen weißen Fleck in der Mitte der Fig. 5 richtet und nunmehr kurze Zeit hindurch ruhig auf eine weiße Fläche sieht. Farbige
Nachbilder, s. unten.
Die wahrgenommenen Gegenstände besitzen alle eine gewisse Farbe, welche von dem Licht herrührt, welches sie durchlassen
oder reflektieren. Das gewöhnliche Sonnenlicht läßt sich mit Hilfe eines Prismas in ein Farbenband zerlegen, welches als
Hauptfarben Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Indigblau und Violett zeigt, aus denen sich alle überhaupt vorkommenden Farben durch
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bloße Mischung herstellen lassen. Durch Mischung mehrerer Spektralfarben kommt man zu folgenden Ergebnissen:
1) Mehrere Farbenpaare liefern, in einem bestimmten Verhältnis gemischt, Weiß. Solche Paare nennt man komplementäre
Farben. Es sind das:
Rot und GrünÂ-lichblau, Gelb und Indigblau,
Orange und Cyanblau, GrünÂ-lichgelb und Violett.
2) Reines Grün besitzt keine Komplementärfarbe. Um aus Grün Weiß zu erhalten, muß es mit zwei Farben, mit Rot und Violett,
gemischt werden. Rot, Grün und Violett, die einzigen drei reinen Farbenqualitäten, welche zusammen Weiß geben, bezeichnet man
als Grundfarben, und es lassen sich alle übrigen Farbenqualitäten aus Mischungen dieser Grundfarben herstellen.
3) Durch Mischung der äußersten Farben des Spektrums, also des Rots und des Violetts, entsteht eine diesem selbst fehlende
Farbe, der Purpur.
4) Alle Mischfarben des Spektrums lassen sich durch Vermischung zweier Farben desselben hervorrufen. Alle Farben lassen
sich somit auf drei Grundfarben zurückführen, ein Umstand, der für die Beantwortung der Frage, wie es komme, daß die Netzhaut so
verschiedenartiger Erregung fähig ist, von großer Bedeutung ist. Alle Erscheinungen der Farbenempfindung werden nämlich
verständlich, sobald man annimmt, daß in jedem Punkte der Netzhaut so viel verschiedene farbenempfindende Nervenfasern enden,
wie Grundfarben existieren, und daß jede dieser Nervenfasern nur durch eine ganz bestimmte Grundfarbe erregt werden kann.
Man lehrt deshalb, es gebe drei verschiedene farbenperzipierende Elemente, nämlich ein rot empfindendes, ein grün
empfindendes und ein violett empfindendes, und jede Netzhautstelle enthalte ein Multiplum von Nervenendigungen, deren jede durch
eine bestimmte Grundfarbe allein oder doch hauptsächlich erregt werde, daß es somit nur drei Grundempfindungen gebe
(Young-Helmholtzsche Farbentheorie). Helmholtz hat die Wirkung der Spektralfarben auf die Netzhaut in untenstehender Fig. 6
wiedergegeben. Die Horizontale bedeutet das Spektrum. Über derselben erheben sich drei Kurven, von denen jede eine Grundfarbe
repräsentiert. Legt man von der Horizontalen senkrechte Linien durch die Kurven, so erkennt man an den Abschnitten, in welche
diese Linien zerfallen, wie stark jedes der drei Nervenelemente bei Einwirkung einer bestimmten Spektralfarbe auf die Netzhaut
erregt wird.
Hering hat eine auf den subjektiven Empfindungen fußende Farbenhypothese aufgestellt. Auf den Unbefangenen machen nach
Hering vier Farben den Eindruck des Einfachen, nämlich: Rot, Grün, Gelb und Blau; ferner erzeugen sowohl Weiß als Schwarz
Empfindungen von durchaus einfachem Charakter. Die zusammengesetzten Farben können aus den genannten Grundfarben
hervorgehen; es lassen sich aus keiner zusammengesetzten Farbe mehr als zwei Grundfarben heraus empfinden.
Beim Sehen erfährt die Sehsubstanz eine chemische Umwandlung, dem entsprechend muß es sich um eine Zerstörung
(Dissimilierung) und eine Erneuerung (Assimilierung) derselben handeln. Die sechs genannten Grundempfindungen ordnen sich zu
den drei Paaren: Weiß und Schwarz, Grün und Rot, Gelb und Blau. Jedem der Paare entspricht eine besondere Sehsubstanz, die als
schwarz-weiße, grün-rote und gelb-blaue Sehsubstanz bezeichnet werden kann. In der schwarz-weißen Substanz entspricht der
Dissimilierung das Weiß, der Assimilierung das Schwarz. Verlaufen beide Prozesse gleichzeitig, so treten je nach der Intensität
derselben die Übergänge zwischen reinem Weiß und reinem Schwarz, d. h. die verschiedenen Stufen des Graus, hervor. Für die
zwei andern Substanzen läßt Hering es noch unentschieden, welche Empfindung der Dissimilierung, welche der Assimilierung
entspricht.
Bei längerer Betrachtung eines farbigen Objekts verliert die Farbe desselben allmählich ihre ursprüngliche Lebhaftigkeit. Richtet
man dann das Auge auf eine weiße oder schwarze Fläche, so erscheint das Nachbild des Objekts in der zugehörigen
Komplementärfarbe. So z. B. erscheint das Nachbild eines roten Gegenstandes grünlichblau. Das erklärt sich sehr leicht mit Hilfe der
Young-Helmholtzschen Theorie; durch
^[Abb.: Fig. 5. Nachbild.]
^[Abb.: Fig. 6. Wirkung der Spektralfarben auf die Netzhaut.]
forlaufend fortgesetztes Betrachten von Rot ermüden die rot empfindenden Fasern, während der Erregungszustand der grün und
violett empfindenden Fasern andauert und als Blaugrün zum Bewußtsein kommt.
Gesichtswahrnehmungen. Die Gesichtsempfindungen dienen in Verbindung mit dem Muskelgefühl und dem Tastsinn zu
Vorstellungen von der Existenz, Form u. Lage äußerer Objekte (Gesichtswahrnehmungen). Alle durch Erregungen der Netzhaut
hervorgerufenen Empfindungen werden von uns in den äußern Raum versetzt. Die Richtung eines fixierten Punktes verlegen wir in
die verlängerte Sehlinie, die Richtung aller übrigen indirekt gesehenen Punkte in ihre Richtungslinien. Von der Lage aller dieser Linien
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sind wir genau unterrichtet, sofern wir ein deutliches Gefühl unsrer jeweiligen Augenstellung haben, und dieses Gefühl ist die
Resultante aus den Gemeingefühlen der Muskeln des Augapfels. Wir beziehen also jeden Netzhauteindruck auf eine bestimmte
Stelle im Raum, wobei wir die Breite und Höhe der Objekte viel schärfer und richtiger zu beurteilen pflegen als ihre
Tiefenverhältnisse. Wenn wir nun zufällig die Stellung unsrer Augen oder unsers Körpers überhaupt falsch auffassen, so gelangen wir
auch zu einer falschen Auffassung über die Richtung der gesehenen Objekte.
Eine Gesichtswahrnehmung muß sich aus folgenden Akten zusammensetzen:
1) Entstehung des Bildes in der Netzhaut;
2) Erregung der Nervenendapparate durch die Ätheroszillation;
3) psychischer Prozeß im Zentralnervensystem als Folge dieser Erregung. Da unsre Vorstellungen von äußern Gegenständen
auf der Deutlichkeit der Empfindungen beruhen, so sollte man meinen, daß die Vorstellungen dem Netzhautbild genau entsprechen
müßten. Hiervon gibt es indessen zahlreiche Ausnahmen. So erscheint z. B. ein weißer Gegenstand auf dunklem Grund größer als
ein gleich großer dunkler Gegenstand auf hellem Grund, was auf Irradiation (s. S. 236) zurückzuführen ist.
Wir erfuhren oben, daß die Eintrittsstelle des Sehnervs für Licht völlig unempfindlich ist; dennoch nehmen wir keine dem blinden
Fleck entsprechende Lücke im Gesichtsfeld wahr, sondern es rücken die Punkte, welche von der Umgebung wahrgenommen
werden, aneinander und füllen die Lücke aus. Auch die Kontrastwirkungen sind auf Verschiebung unsers Urteils zurückzuführen. Legt
man ein kleines Stück graues Papier auf einen Bogen grünes Papier und bedeckt beide mit dünnem Seidenpapier, so erscheint das
Grau in der Komplementärfarbe des Grüns, nämlich in Rosenrot.
Stellt man einen Bleistift senkrecht auf ein weißes Blatt und läßt von der einen Seite Sonnen-, von der andern Kerzenlicht
einwirken, so entstehen zwei Schatten, der eine durch das weiße Sonnen-, der andre durch das gelbe Kerzenlicht hervorgerufen. Der
von der Sonne geworfene Schatten wird durch das gelbe Kerzenlicht beleuchtet und erscheint gelb, der von der Kerze geworfene
Schatten wird durch das weiße Sonnenlicht beleuchtet, erscheint aber nicht weiß, sondern blau, er hat durch Kontrastwirkung die
komplementäre Farbe des Kerzenlichts angenommen.
Einfachsehen. Obwohl wir zwei Augen besitzen und auf jeder Netzhaut ein Bild des gesehenen Gegenstandes entworfen wird,
sehen wir in der Regel die Objekte nicht doppelt, sondern einfach. Aber sobald wir eins der Augen durch Schielen oder durch Druck
aus seiner normalen Stellung bringen, verdoppelt sich das Bild, und wir erblicken nunmehr zwei Objekte, trotzdem nur eins existiert.
Die Ursache des Einfachsehens mit beiden Augen liegt darin, daß das Bild auf bestimmte zusammengehörige Teile einer jeden
Netzhaut fällt, und daß unser Bewußtsein gelernt hat, die Empfindungen beider zu einer Vorstellung zu verschmelzen.
Solche Punkte der beiden Netzhäute, deren gleichzeitige Erregung zu einer Vorstellung führt, nennt man korrespondierende oder
identische Punkte. Solche identische Netzhautstellen, vermöge deren wir beim Sehen mit beiden Augen die Gegenstände einfach
sehen, sind zunächst die Mittelpunkte des gelben Fleckes, wo das schärfste Sehen stattfindet. Die Lage der übrigen identischen
Netzhautstellen bestimmt sich nach der Regel, daß sie von der Mitte der Netzhaut (dem gelben Fleck) in gleicher Richtung gleich weit
abliegen. Es wird z. B. ein Punkt der Netzhaut, welcher im rechten Auge 5 mm von dem gelben Fleck entfernt nach innen, d. h. der
Nase zu, liegt, identisch sein mit demjenigen Punkte der linken Netzhaut, welcher 5 mm vom gelben Fleck nach außen, der Schläfe
zu, liegt. Es hat sich nun die wichtige Frage erhoben, ob die Identität gewisser Netzhautstellen angeboren und auf gewissen
anatomischen Einrichtungen des Sehnervs begründet (nativistische oder Naturanlagetheorie) oder das Resultat der Gewohnheit,
Erfahrung und Erziehung sei (empiristische oder Erfahrungstheorie). Zu gunsten der letztern Ansicht hat sich namentlich Helmholtz
ausgesprochen. Derselbe sieht in der Verschmelzung zweier Netzhautreizungen zu Einem Eindruck in unserm Bewußtsein nichts
Angebornes, sondern etwas Erlerntes.
Den Inbegriff aller Punkte im Raum, welche bei einer bestimmten Augenstellung einfach gesehen werden, bezeichnet man als
den Horopter. Wegen der beschränkten Ausdehnung des Horopters können neben dem Einfallen des Sehobjekts auf identische
Punkte gleichzeitig Bilder andrer Objekte entstehen, welche nicht auf identische Punkte fallen. Es müssen deshalb neben dem
einfachen Bild auch zahlreiche Doppelbilder vorhanden sein. Diese Doppelbilder vernachlässigen wir, weil die einfach gesehenen
Objekte einen stärkern Eindruck hervorrufen als die andern und unsre psychische Thätigkeit sich hauptsächlich den einfachen Bildern
zuwendet. So bildet sich durch Gewohnheit eine Vernachlässigung der Doppelbilder aus, die schließlich so weit geht, daß vielen
Personen die Doppelbilder überhaupt unbekannt sind.
Schätzung der Größe, Entfernung und Bewegung. Was die Größenwahrnehmung anbetrifft, so beruht unser Urteil über die
relative Größe verschieden großer Objekte, welche gleich weit von dem Auge entfernt sind, teils auf dem Bewußtwerden der
verschiedenen Größe der Augenbewegungen, welche erforderlich sind, um die verschiedenen Punkte ihres Umfanges zu fixieren,
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teils auf dem verschiedenen Umfang der von ihnen erregten Netzhautpartien (oder der Größe ihres Netzhautbildes), die wir direkt als
verschiedene Größen im Gesichtsfeld empfinden. Da das Gesichtsfeld für unsre Vorstellung keine bestimmte Größe hat, so können
wir die absolute Größe eines Gegenstandes nur durch Zuhilfenahme anderweitig, namentlich durch den Tastsinn, gewonnener
Erfahrungen schätzen. Zu der Wahrnehmung der Größe des Netzhautbildes muß dabei dann noch jedesmal eine Schätzung der
Entfernung hinzukommen, da wir durch Erfahrung wissen, daß mit zunehmender Entfernung der Umfang des Netzhautbildes kleiner
wird. Bei der Beurteilung der Entfernung der Objekte von unserm Auge kommen sehr verschiedenartige Faktoren in Betracht,
weshalb auch ganz gewöhnlich Täuschungen aller Art mit unterlaufen. Hauptsächlich gründet sich unser Urteil
forlaufend über die Entfernung auf die scheinbare Größe der Gegenstände, d. h. auf den Sehwinkel, unter dem sie uns
erscheinen. Die Bewegung eines Objekts beurteilen wir bei unbewegtem Auge daraus, ob dasselbe seine Stellung im Gesichtsfeld
wechselt, d. h. ob sein Netzhautbild auf der Netzhaut seine Lage verändert. Fixieren wir dagegen ein bewegtes Objekt fortgesetzt,
und folgen wir ihm mit unserm Auge, so ändert zwar das Netzhautbild seine Lage nicht, aber wir schließen aus der Größe der von
uns zum Zweck der fortgesetzten Fixation ausgeführten Bewegungen des Auges, bez. des Kopfes und des ganzen Körpers auf die
Geschwindigkeit des Objekts.
Körperliches Sehen. Da die beiden Augen eine etwas verschiedene Lage einnehmen, so betrachten wir die Außenwelt
gewissermaßen von zwei verschiedenen Standpunkten aus. Es entspricht z. B., wenn wir eine abgestumpfte Pyramide (Fig. 7 A) vor
uns sehen, das in das rechte Auge fallende Bild derselben der Figur R, das in das linke fallende der Figur L. Diese verschiedenen
perspektivischen Bilder werden nun in der Vorstellung zu Einem Bild vereinigt, in welchem wir neben den zwei Dimensionen der
Länge und Breite auch die dritte Dimension, die Tiefe, wahrnehmen. Auf dieser Fähigkeit beruht das körperliche Sehen. S. hierüber
auch Stereoskop.
Sehschärfe. Da sich das Bild auf der Netzhaut mosaikartig aus kleinen Punkten zusammensetzt, so ist die Genauigkeit der
Wahrnehmung von der Fähigkeit abhängig, sehr nahe bei einander liegende Punkte voneinander zu unterscheiden. Nun steht es fest,
daß wir die Eindrücke von zwei nebeneinander liegenden Elementen der Netzhaut nicht zu unterscheiden vermögen, daß diese
vielmehr zu Einer Wahrnehmung verschmelzen. Sollen deshalb zwei Lichtempfindungen auf räumlich getrennte Objekte als Ursachen
bezogen werden, so muß mindestens ein ruhendes Element der Netzhaut zwischen den beiden gereizten liegen.
Experimentell konnte man feststellen, daß der Dickendurchmesser eines einzelnen Zapfens thatsächlich annähernd mit der
Sehschärfe übereinstimmt. Es beträgt nämlich dieser Durchmesser an der Stelle des deutlichsten Sehens (am gelben Fleck) ca.
0,0025 mm, die kleinste Distanz der Netzhaut, innerhalb welcher zwei Eindrücke getrennt wahrgenommen werden, ca. 0,003 mm. Ein
einzelnes Objekt braucht natürlich nicht die ganze Breite eines Zapfens einzunehmen, um wahrgenommen zu werden, vorausgesetzt,
daß es genügende Lichtstärke besitzt.
Für das Facettenauge der Insekten und Krebse gibt es keinen Nahpunkt, d. h. keine Distanz, über welche hinaus ein betrachteter
Gegenstand dem Auge nicht genähert werden darf, wenn er noch deutlich gesehen werden soll. Je näher im Gegenteil ein Objekt
dem Arthropodenauge ist, um so deutlicher wird es gesehen; je weiter es davon entfernt ist, um so undeutlicher wird es gesehen, und
zwar nimmt die Deutlichkeit der Gesichtswahrnehmung mit dem Quadrat der Entfernung des betrachteten Objekts, also äußerst
rapid, ab. Die Vergleichung des Sehvermögens des menschlichen Auges mit dem des Facettenauges ergibt, daß ein Gegenstand
dem Facettenauge außerordentlich (ungefähr bis auf 1 mm) genähert werden muß, um mit der nämlichen Deutlichkeit gesehen zu
werden, mit der ihn das menschliche Auge zu unterscheiden im stande ist.
Nähert man den Gegenstand dem Auge noch mehr, so wird er vom Facettenauge aber viel deutlicher erkannt, und wenn sein
Abstand vom Auge verschwindend klein wird, so kann er vom Insektenauge bis fünfmal deutlicher gesehen werden, als wenn er vom
menschlichen Auge am deutlichsten erkannt wird. Das Facettenauge ist also im höchsten Grad kurzsichtig. Setzen wir die
Deutlichkeit, mit der ein Gegenstand im Nahpunkt des menschlichen Auges gesehen wird, gleich 1, so sinkt die Deutlichkeit der
Gesichtswahrnehmung beim Facettenauge schon bis auf 1/10 herab, wenn der Gegenstand nur auf etwa ½-1 cm von ihm entfernt
wird.
Das musivische Sehen des Facettenauges besteht darin, daß jede einzelne Facette nur einen bestimmten Teil des Horizonts
sieht und das Gesamtbild durch Kombination der Eindrücke sämtlicher Elementarbestandteile zu stande kommt. Die Distanz, in der
ein Gegenstand nicht mehr deutlich erkannt werden kann, schwankt bei den einzelnen Spezies zwischen 15 und 90 cm, ist also
außerordentlich klein. Im Hinblick auf diese Thatsache erscheint es unmöglich, daß die Insekten und Krebse ihre außerordentlich
entwickelte Fähigkeit der raschen Orientierung im Raum dem Unterscheidungsvermögen der Facettenaugen verdanken.
Vgl.: Helmholtz, Physiologische Optik (2. Aufl., Leipz. 1886);
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Aubert, Physiologie der Netzhaut (Bresl. 1864);
Bernstein, Die fünf Sinne des Menschen (Leipz. 1875);
Classen, Physiologie des Gesichtssinns (Braunschw. 1876);
Wundt, Physiologische Psychologie (2. Aufl., Leipz. 1880, 2 Bde.);
Hering, Zur Lehre vom Lichtsinn (Wien 1878);
Fick (Dioptrik und Lichtempfindungen), Kühne (Chemische Vorgänge in der Netzhaut), Hering (Der Raumsinn und die
Bewegungen des Auges) in Hermanns »Handbuch der Physiologie«, Bd. 3 (Leipz. 1879).
^[Abb.: Fig. 7. Körperliches Sehen.]
Gesicht, in andrer Bedeutung (Mehrzahl: Gesichte) s. v. w. Vision (s. d.), eine Erscheinung, die man nicht in der Wirklichkeit als
etwas außer uns Seiendes schaut, sondern nur infolge erregter Einbildungskraft zu sehen vermeint. Vgl. Zweites Gesicht.
Ende Gesicht
Quelle: Meyers Konversations-Lexikon, 1888; Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte
Auflage, 1885-1892;7. Band, Seite 234 im Internet seit 2005; Text geprüft am 7.1.2010; publiziert von Peter Hug; Abruf am
30.10.2017 mit URL:
Weiter: http://peter-hug.ch/07_0235?Typ=PDF
Ende eLexikon.
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