INFO Dr. med. Ivan Foeldvari Mein Kind hat Rheuma — Was tun? Ein Ratgeber für Eltern, Kinder und Jugendliche Dr. med. Ivan Foeldvari Hamburger Zentrum für Kinder- und Jugendrheumatologie An der Schön Klinik Hamburg Eilbek Dehnhaide 120 | 22081 Hamburg www.kinderrheumatologie.de Angela Wierk Studiencoordinatorin in der Kinder- und Jugendrheumatologie, Coautorin 2 Mein Kind hat Rheuma — Was tun? Ein Ratgeber für Eltern, Kinder und Jugendliche Dr. med. Ivan Foeldvari Kinder- und Jugendrheumatologe 3 4 Vorwort Es sind fast 7 Jahre vergangen seit der Veröffentlichung der ersten Ausgabe. Seither hat es viele positive Entwicklungen in der Therapie der kindlichen chronischen Arthritis gegeben. Viele neue Medikamente sind zugelassen worden, die sogenannten „Biologicals“, synthetisch hergestellte Antikörper, die das Immunsystem modulieren. Die bewährten Therapien werden bereits früher im Verlauf der Erkrankung eingesetzt. Wir können durch die aktuellen Therapiemöglichkeiten die Erkrankung heute besser kontrollieren und Schäden verhindern, wenn die Diagnose rechtzeitig gestellt wird. Es hat außerdem einen eindeutigen Wandel bezüglich der Empfehlung zur Belastung der Gelenke und der sportlichen Aktivitäten gegeben. Heute werden die Kinder ermuntert, soweit wie nur irgendwie möglich, an allen sportlichen Aktivitäten teilzunehmen. Wir wissen inzwischen, dass nur durch die gewichtstragenden Übungen, wie z.B. das Laufen, Hüpfen, etc., eine Spitzenknochendichte erreicht werden kann. Die Kinder, die heute erkranken, haben sehr gute Chancen, auch langfristig eine sehr gute Lebensqualität ohne Einschränkung der Gelenkbeweglichkeit zu behalten. Dr. med. Ivan Foeldvari 5 Inhaltsverzeichnis 1. Die Autoimmunerkrankung „Rheuma“ Definition und Abgrenzung: Was ist „Rheuma“? Ursachen für autoimmun entzündliche rheumatische Erkrankungen Einteilung der entzündlichen kinder- und jugendrheumatologischen Erkrankungen 1 4 8 2. „Rheuma“ bei Kindern und Jugendlichen Entwicklung und Prognose Diagnose, Symptome und Aktivität Uveitis: Entzündung der Augen Wachstumsstörungen 10 12 13 14 3. Therapiemöglichkeiten Allgemeine Therapiekonzepte 15 Nichtsteroidale Antirheumatische Therapie (NSAR) 16 Glukokortikoid- (Kortison) Therapie 18 Basistherapeutika 19 Methotrexat 20 Sulfasalazin 22 Leflunomid 22 „Biologicals23 6 Pflanzliche Medikamente Ernährung Krankengymnastik und Ergotherapie Sportliche Aktivitäten 24 25 26 27 4. Wichtiges zum Schluss Nicht zu vergessen Buchempfehlungen Wichtige Kontakte Medizinische Fachbegriffe Notizen 28 28 29 31 35 7 1. Die Autoimmunerkrankung „Rheuma“ Definition und Abgrenzung: Was ist „Rheuma“? „Rheuma“ als Erkrankung gibt es nicht. Es gibt verschiedene einzelne Erkrankungen, die in diesen Formenkreis fallen. Wenn Sie Informationen zu der Erkrankung Ihres Kindes nachlesen möchten, ist es wichtig, dass Sie immer nur die Informati­o­nen heraussuchen, die sich auf die besondere Form der Erkran­kung Ihres Kindes beziehen. Sie können sich damit viele überflüs­ si-ge unruhige Nächte ersparen! Begriff „Rheumatismus“ Laut Taschenlexikon der Medizin ist „Rheumatismus“ (Rheuma) ein symptomatologischer Gruppenbegriff ohne diagnostische Wertigkeit für „schmerzhafte und funktionsbeeinträchtigende Zustände“ des Muskel-SkelettSystems unter Ein­ schluss der sie begleitenden 8 oder auch isoliert auftretenden Vorgänge an anderen „Organsystemen“. Der Begriff „Rheu­ma“ steht umgangssprachlich für alle Gelenkschmerzen egal, welcher Ursache. Begriff „Autoimmunität“ Autoimmunität ist ein anderer Schlüsselbegriff in der Rheuma­­­to­logie. Er beschreibt das Phänomen, dass der Körper im Rah­men einer „Überreaktion des Immunsystems“ (keine Im­ mun­ schwäche !!!) körpereigene Bestandteile bzw. Organe angreift und dort eine Entzündung verursacht (z. B. in den Gelenken oder in den Augen). Unterschiede zwischen entzündlichen und nicht-entzündlichen rheumatischen Prozessen In der Kinder- und Jugendrheumatologie wird eindeutig zwischen entzündlichen und nicht- 9 Entzündungsreaktion: Lymphozyten wandern in die Gelenke und setzen Stoffe frei, die dort Ent­zün­dungen verursachen. 10 entzündlichen rheumatischen Prozessen unterschieden. Zu den entzündlichen zählen die „autoimmun entzündlichen Erkrankungen“ des MuskelSkelett-Systems ( z. B. juvenile idiopathische Arthritis, Uveitis (Entzündung der Regenbogenhaut im Auge)). Zu den nicht-entzündlichen rheumatischen Prozessen zählen Beschwerden, die zwar im Muskel-Skelett-System auftreten, aber eher durch mechanische Ursachen zustandekommen (z. B. Über-beweglichkeit der Gelenke) oder die durch nicht autoimmun entzündliche Vorgänge verursacht werden (z. B. Wach­ stumsschmerzen, Schmerzamplifikationssyndrom). Die Arthrose, ein Abnutzungsprozess der Gelenke, der fast jeden Men­sch­en mit zunehmendem Alter erfasst, betrifft Kin­der und Jugendliche allerdings nicht. Merke: Lang andauernde Beschwerden des Muskel- Skelett-Systems können durch autoimmun entzündliche oder durch nicht-entzündliche Prozesse entstehen. 11 Ursachen für autoimmun entzündliche rheumatische Erkrankungen der Bekämpfung der „Eindringlinge“ plötzlich auch körpereigene Bausteine angegriffen werden. Zuerst sollte die normale Funktion des Immunsystems kurz erklärt werden. Das Immunsystem des Körpers ist dafür zuständig zu erkennen, wenn „fremde Eindringlinge“, wie Bakterien und Viren, sich im Körper vermehren (wie z. B. im Ra­chen beim Scharlach). Aufgabe ist es dann, diesen Ein­ dring­ ling zu bekämpfen, denn sonst würden wir an den ein­fachsten Infektionen sterben. Das Immunsystem kontrol­liert aber auch die eigenen Zellen (Grundbaustei­ne des Körpers), ob Veränd­erungen an der Zelloberfläche entstehen. Wenn zum Beispiel Zellen entarten, müssen sie auch aus dem Verkehr gezogen werden. Das Immun­sy­stem hält ein feines Gleichgewicht in der Erkennung von körpereigenen und fremden Bestand­teilen. Manchmal fällt es schwer, dieses Gleichgewicht zu halten, da die „Eindringlinge“ viele ähnliche Bausteine besitzen, die denen des Körpers gleichen. So kann es geschehen, dass bei Falls diese Überreaktion des Immunsystems nicht innerhalb von 6 Wochen ab­ klingt, sprechen wir von einer chronischen autoimmun entzündlichen Erkrankung im Kindes- und Ju­ gendalter. Ob ein Kind eine Autoimmunerkrankung nach dem „Treffen“ mit dem „Eindringling“ entwickelt, hängt vom persönlichen genetischen „make-up“ ab. Ein Teil der vererbten genetischen Faktoren, die eine Autoimmunerkrankung häufig verursachen, sind zum Teil bekannt – wie z. B. HLAB27, ein „Nummern­ schild“ auf den Körperzellen. Dieser Faktor kann zu einem 8fach höheren Risiko für eine juvenile Enthesitis-assoziierte Arthritis (Spondylarthritis) führen. Andere Faktoren verursachen nur eine leichte Immunregulationsstörung, die dadurch zu dieser Überreaktion führen (wie z. B. unterschiedliche Interleukin-6-Promotoren). Diese unterschiedlichen genetischen Faktoren werden in diversen Untersuchungen analysiert und erforscht. 12 13 14 Bei der Gelenkentzündung wandern Bestandteile wie z. B. Zellen des Immun­systems (Lymphozyten, Makrophagen) in den Gelenkraum ein und verursachen dort eine Entzündung. Als Folge dieser Entzündung kommt es zur Schwellung, Be­ we­ gungsein­schrän­kung und Steifigkeit im Gelenk. Einteilung der entzündlichen kinder- und jugendrheumatologischen Erkrankungen Es können aber auch andere Organe betroffen sein. Bei der kindlichen chronischen Gelenkent­ zün­ dung sind am häufigsten die Augen im Pupillenbereich betroffen. Diese Entzün­ dung (Uveitis = Regenbogenhautentzündung) kann dann zur Verklebung der Pupillen und eventuell zu einer tiefer dringenden Schädigung der Augen führen. •E rkrankungen, die hauptsächlich die Gelenke betreffen, werden unter dem Begriff „Juvenile Idiopathische Arthritis“ zusammengefasst. Merke: Eine chronisch autoimmun entzündliche Er­krankung mit einer chronischen Gelenk­ent­zündung wird durch eine Immunregulati­ons­störung verursacht, welche eine Überreaktion des Immunsystems darstellt. Die Erkrankungen werden in zwei große Gruppen eingeteilt: •D ie systemischen Erkrankungen betreffen meistens auch die inneren Organe. Juvenile (kindliche) idiopathische (unklare Ursache) Arthritis (Gelenkentzündung) Unterguppen: • j uvenile oligoartikuläre idiopathische Arthritis (weniger als 5 Gelenke betreffend) • juvenile polyartikuläre idiopathische Arthritis, Rheumafaktor negativ (5 oder mehr Gelenke betreffend) • juvenile polyartikuläre idiopatische Arthritis, 15 Rheumafaktor positiv (5 oder mehr Gelenke betreffend) • Wegener-Granulomatose • Takayasu-Arteriitis • juvenile systemische idiopathische Arthritis • andere Vaskulitiden • juvenile psoriatische (Schuppenflechte assoziiert) idiopathische Arthritis) Autoinflammatorische Erkrankungen: • j uvenile Arthritis • TRAPs Enthesitis-assoziierte idiopathische • „andere Arthritiden“ Autoimmun-System-Erkrankungen Kollagenosen: • Familiäres Mittelmeerfieber • PFAPA • Hyper-lgD-Syndrom • CAPS assoziierte Erkrankungen • NOMID • Dermatomyositis • Muckle Wells • Mixed Connective Tissue Disease • Kälte assoiziierte Urtikaria • systemischer Lupus Erythematodes • Sklerodermie Rheumatische Gefäßentzündungen (Vaskulitiden): • Kawasaki-Erkrankung • Henoch-Schönlein-Purpura • Polyarteriitis nodosa 16 • Blau Syndrom 2. „Rheuma“ bei Kindern und Jugendlichen Entwicklung und Prognose Bei Erkrankungen, die durch ein überreagierendes Immunsystem verursacht sind, ist es nicht möglich, für den einzelnen Pati­enten eine Langzeitprognose zu stellen. Aber es ist inzwi­ schen möglich, aufgrund von Langzeitbeobachtungen Pro­gnosen für die einzelnen Diagnosegruppen zu stellen. Die Zugehörigkeit zu den einzelnen Untergruppen der juvenilen idiopathischen Arthritis ist über die Klassifikationskriterien (Definition der Merkmale für die einzelnen Untergruppen) vorgegeben. Ein wichtiger Faktor für die Langzeitprognose dieser Patienten ist die Anzahl der betroffenen Gelenke. Die Zugehörigkeit zu einer Untergruppe wird über die Anzahl der be troffenen Ge­len­ke in den ersten 6 Monaten der Erkrankung definiert. Falls in diesem Fall weniger als 5 Gelenke betroffen sind, sprechen wir von einem oligoartikulä­ren Verlauf der Erkrankung. Statistisch gesehen haben ungefähr 70 % der Patienten mit kindlicher Arthritis einen oligoartikulären Verlauf. Wenn jedoch mehr als 5 Gelenke betroffen sind, dann sprechen wir Ärzte von einem polyartikulären Verlauf der Erkrankung. Merke: Wichtiger prognostischer Faktor ist die Anzahl der betroffenen Gelenke in den ersten 6 Monaten der Erkrankung. Welche Prognosen können erwartet werden? Die Patienten mit einem polyartikulären Verlauf haben eine schlechtere Langzeitprognose als die mit einem oligoartikulären. Kann zusätzlich noch der Rheumafaktor (Antikörper gegen Gammaglobulin) bei einem polyartikulären Verlauf nachge-wie­sen werden (erfreulicherweise trifft dies nur auf 5 % der Patienten zu), dann haben diese jugendlichen 17 Patienten meist einen ähnlichen Verlauf wie bei erwachsenen Patienten mit Rheumatoider Arthritis. Die jugendlichen Patienten mit oligoartikulärem Verlauf haben bis zu 50 % die Chance, dass die Erkrankung in der Pubertät ausheilt. Wenn man von Ausheilen spricht, heisst es nicht, dass alle „Narben“ der Erkrankung plötzlich verschwinden, sondern es bedeutet, dass keine neue Aktivität der Erkrankung auftritt. Bei Patienten mit Rheumafaktor-negativem poylartikulärem Verlauf liegt diese Zahl bei 20 %. Für die Patienten mit den psoriatischen und Enthesitis-assoziierten Verlaufsformen liegen ausreichende Langzeitdaten zur Prognose noch nicht vor. Unabhängig von verschiedenen Verlaufsformen kann man sa­ gen, dass nach dem Stand der Therapie die Patienten, die re­gelmäßig kinder- und jugendrheumatolo­gisch betreut werden, zu 90 % eine normale Lebensqualität erreichen werden. 18 Aufbau eines Gelenkes Merke: Kinderrheumatologische Erkrankungen sind chronische Erkrankungen, aber bei regelmäßiger kinder- und jugendrheumatologischer Betreuung wird für die meisten Pati­en­ten eine normale Lebensqualität gewährleistet. Diagnose, Symptome und Aktivität Bei Kindern wird am Anfang der Erkrankung häufig nicht an eine rheumatische Gelenkentzündung gedacht. In der Bevölke­rung herrscht immer noch der Aberglaube vor, dass nur „alte“ Leute Rheuma hätten. Die Erkrankung fängt häufig schleichend an, nur langsam nehmen die Beschwerden oder Symptome zu. Symptome einer kinder- und jugendrheumatologischen Erkrankung Die meisten Erwachsenen erwarten immer, dass die Kinder über Schmerzen klagen. Aber über Schmerzen klagen be­sonders jüngere Kinder oft gar nicht oder nur selten. Zeichen (Symptome) einer kinderrheumatologischen Erkrankung treten zwischen dem 1. und 2. Lebensjahr auf – am häufigsten ist da die kindliche oligoartikuläre Arthritis, d.h. es sind weniger als 5 Gelenke betroffen. Viel häufiger wird bei den kleinen Kindern eine Schonung der Ge­ lenke beobachtet, die Kinder werden „lauffaul“ und eventuell „kaufaul“, bewegungsunwillig, und sie ermüden schneller. Oder es fällt den Eltern öfter ein Humpeln auf, besonders nach längeren Ruhephasen, wie z.B. morgens beim Aufstehen oder nach dem Mittags­schlaf, dies nennt man Morgensteifigkeit oder „yelling Phänomen“ nach Ruhephasen. Manchmal bemerkt man auch eine Schwellung der Gelenke. Auch beim Wickeln können eventuell eindeutig Schmerzen in den betroffenen Hüftgelenken und Knien auftreten, 19 wenn man z. B. die Knie und Hüften durchbiegt. Aktivität der Erkrankung Ältere Kinder äußern Schmerzen in den Gelenken morgens oder bei Belastung deutlicher. Fersenschmerzen bei Belastung sind bei älteren Kindern oft ein erstes Zeichen einer rheumatisch entzündlichen Erkrankung. Es gibt ein neueres Entzündungsprameter, das S-100 Eiweiß, welches wahrscheinlich noch empflindlicher die Aktivität der Gelenkentzündung bestimmt, dies wird jedoch noch nicht in der täglichen Praxis gemessen. Die Aktivität der Erkrankung wird am besten im Rahmen der klinischen Verlaufskontrollen beim Kinder- und Jugendrheumatologen festgestellt. Die Anzahl der geschwollenen, schmerzhaften und bewegungseingeschränkten Gelenke, Morgensteifigkeit und eingeschränkte tägliche Be­ lastbarkeit (Teilnahme an sportlichen Aktivitäten) bestimmen die Schwere der Erkrankung. Auch hier sind die Laborwerte, welche die Entzündungsaktivität be­stimmen, wie z. B. das C-Reaktive Protein (CRP), die Blut­senkungsGe­ schwindigkeit (BSG), die Leukozyten- und Thrombozytenzahl, eher ergänzende Informationen zum Verlauf der Erkrankung. Eine nicht beschleunigte Blutsenkung und ein negativer CRP-Wert schließen jedoch bei einem oligoartikulären Verlauf eine aktive Erkrankung nicht aus. Bei manchen Kindern fällt die Erkrankung über Schmerzen beim Kauen auf oder über eine Fehlstellung des Kiefergelenkes. Einige Patienten werden vom Augenarzt wegen der zufällig entdeckten „weißen Merke: Die Diagnose einer chronischen kindlichen Arthritis wird klinisch gestellt, die Laborunter­suchungen dienen eher zum Ausschluss von anderen Erkrankungen. 20 Regenbogenhautentzündung“ vorgestellt. Wichtigste Laborwerte bei Verlaufs­ kontrollen (bei Bedarf): BSG ➞Blutsenkungsgeschwindigkeit CRP ➞ C-Reakives Protein Diff. BB ➞ Blutbild (Blutausstrich) Uveitis: Entzündung der Augen Uveitis anterior oder Iridozyklitis bedeutet eine Entzündung im Bereich der Regenbogenhaut, die eine regulierende Blende des Auges (in Form einer frontal gestellten, in der Mitte Seh-loch (= Pupille) durchbrochenen gefäßreichen Ringscheibe) darstellt. Die Pigmentierung der Regenbogenhaut be­stimmt die Augenfarbe. Im Rahmen der oligoartikulären und psoriatischen Verlaufsformen und auch bei der RF negativen polyartikulären Form kann es in bis zu ca. 10 % der Fälle zu einer weißen Uveitis und bei der enthesitis assoziierten Uveitis zur „roten schmerzhaften Uveitis“ der Augen kom- men. Älte­re Kinder beschreiben schon eher, dass sie „Schattenreiter“ sehen, manche klagen auch über Lichtempfindlichkeit. Ein erster auffälliger Befund kann eine Entrundung der Pupille durch die Verklebungen sein. Da diese Entzündung ohne Beschwerden verläuft, empfiehlt man den Eltern, in den ersten 5 Jahren der Erkrankung des Kindes eine dreimonatliche Spaltlampenuntersuch­ ung beim Augenarzt. Bei Patienten mit Enthesitis-assoziierter Arthritis tritt eine Iridozyklitis mit Rötung der Augen und mit Schmerzen in diesem Bereich auf. Aufgrund der Beschwerden gehen diese Patienten meistens von sich aus zum Augenarzt. Die Therapie der Uveitis besteht in erster Linie aus lokalen, glukokortikoid-/kortisonhaltigen Tropfen, die der Augenarzt den Patienten verschreibt. Falls aber nach 3 Monaten lokaler Therapie immer noch eine aktive Uveitis besteht, dann ist eine Ba­sistherapie zuerst mit Methotrexat angezeigt und bei nicht ausreichendem Ansprechen 21 nach 4 Monaten eine Therapie mit Adalimumab oder Infliximab zu erwägen. Das aktuelle Therapiekonzept beinhaltet „null Toleranz“ gegenüber einer aktiven Entzündung. Man möchte die Gesamtdosis an Kortison möglichst niedrig halten. Man will auf jeden Fall eine Sehminderung oder womöglich einen Sehverlust verhindern. Wenn eine Uveitis medikamentös nicht richtig eingestellt ist, kann sie sogar langfristig zur Erblindung führen. Wachstumsstörungen Im Rahmen der juvenilen idiopathischen Arthritis können zwei Formen von Wachstumsstörungen auftreten: Ei­nerseits eine lokale Wachstumsstörung, die man meistens bei den oligoartikulären Verlaufsformen sieht. Hier fällt am häufigsten eine Beinlängendifferenz auf, die durch die Arthritis in einem Kniegelenk verursacht wird. Diese geht mit einer Mehrdurchblutung auch in der Wachstumsplatte des Unterschenkels einher und führt zu einem verlängerten Unter­ schenkel. Eine Beinlängendifferenz bis zu 0,5 cm muss 22 man beim Patienten nicht unbedingt ausgleichen, da sie statisch und optisch nicht wahrgenommen wird. Es kann auch zu einer Fehlstellung des Kiefers kommen, da an der Seite der aktiven Kiefergelenksentzündung der Kiefer nicht so schnell wächst wie auf der anderen Seite. Eine andere Form der Wachstumsstörung beschreibt eine generalisierte Verlangsamung des Wachstums. Das Abknicken der Wachstumsgeschwindigkeit tritt bei Patienten mit einer ausgeprägten Entzündungsaktivität auf. Über längere Zeit ist die Blutsen­kungsgeschwindigkeit beschleunigt > 40mm/h. Diese Patienten haben meistens einen systemischen oder einen schweren polyartikulären Verlauf. Nur durch ausreichende medikamentöse Kontrolle der Entzündungsaktivität kann dieses Phänomen kontrolliert und verhindert werden. Diese Art der Wachstumsstörung tritt bei den heute erkrankten Patienten kaum noch auf. 23 3.Therapiemöglichkeiten Allgemeine Therapiekonzepte Therapiefluss Patienten, die einen milden Verlauf der Erkrankung mit nur wenigen betroffenen Gelenken haben, werden zuerst mit einem Nichtsteroidalen Antirheumatikum (NSAR) behandelt. Falls diese Therapie nach 8 Wochen nicht ausreichend anspricht, dann wäre bei immer noch 1 bis 2 deutlich geschwollen Gelen­ken eine intraartikuläre Steroidgabe sinnvoll. Bei jüngeren Kindern kann man jedoch diese Behandlung nur in einer kurzzeitigen Sedierung durchführen, da für diese Injektionsform das Ge­lenk nicht bewegt werden sollte. Bei schwereren Verläufen fängt man häufig zum Zeitpunkt der Erstdiagnose oder kurz danach eine „Basistherapie“ (Glukokortikoid sparende Medikamente) z. B. mit Methotrexat an. Um die ersten 8 bis 12 Wochen zu überbrücken, bis 24 Methotrexat seine Wirkung entwickelt, ist eventuell — entsprechend der Krankheitssituation — zusätzlich zu der Gabe eines Nichtsteroidalen Antirheumatikums auch die Gabe eines Glukokorti­ koids lokal oder systemisch erforderlich. Beim nicht ausreichenden Ansprechen auf Methotrexat nach mindestens 12 Wochen Therapie und polyartikulärer Gelenksbeteiligung ist es möglich, einen Biological zusätzlich oder stattdessen anzufangen. Es sind 2 Präparate zugelassen, Etanercept ab dem 4. Lebensjahr und Adalimumab ab dem 13. Lebensjahr. Beide sind synthetisch hergestellte Antikörper, die aus voll humanen (menschlichen) Eiweißstrukturen bestehen. Falls auch unter dieser Therapie nach 8 bis 12 Wochen keine signifikante Besserung eingetreten ist, dann ist es möglich Abatacept, einen synthetisch hergestellten anti-CD28 gerichteten Antikörper, zu geben, welcher die Kostimulation/ Kommunikation zwischen den Zellen des beschleunigten Immunsystems blockiert. Die eben erwähnten „Biologicals“ werden als subkutane Spritze oder Abatacept als Kurzinfusion gegeben. Für Patienten mit systemischem Verlauf sind 2 neue Antikörper, Tocilizumab (anti-IL-6) und Canakinumab (anti- IL-1), kurz vor der Zulassung. Beide blockieren wichtige Botenstoffe, welche die Immunantwort beschleunigen. Zusätzlich und ergänzend zu der medikamentösen Therapie ist die Krankengymnastik und Ergotherapie ein wichtiger Baustein der Therapie. Mit diesen Komponenten werden die Beweglichkeit der Gelenke und der Aufbau der Muskelkraft zur Stabilisierung und Mobilisierung der Gelenke erreicht. Bei Bedarf werden Hilfsmittel angeboten, um damit die Funktion im täglichen Leben zu erleichtern. Nichtsteroidale Antirheumatische Therapie (NSAR) Die Gabe von Nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) steht an der ersten Stelle des Therapieschemas der kinderrheumatologischen Erkrankungen. Beim oligoartikulären Verlauf sprechen bis zu 60 % der Patienten auf diese Monotherapie an. Nichtsteroidale Antirheumatika sind Medikamente, die keine Glukokortikoid (Steroid)-Wirkung besitzen. Sie sind von der Substanz her eher mit dem Aspirin verwandt. Die nichtsteroidale Antirheumatika-Therapie wird nicht als symptomatische Schmerztherapie angewandt sondern als eine entzündungshemmende Therapie. Das bedeutet, die Wirkung und das Ansprechen eines Nichtsteroidalen Anti­rheumatikums kann man erst nach 8 Wochen kontinuierlicher Medikamentengabe beurteilen. 25 Die zwei Klassen der NSAR • die „klassischen“ Nichtsteroidalen Antirheumatika • die neueren selektiven Cycloxygenase-2-Hemmer. Die „klassischen“ Nichtsteroidalen Antirheumatika hemmen die Enzyme Cycloxygenase-1 und Cycloxygenase-2 meistens gleich stark. Die „selektiven“ Nichtsteroidalen Antirheumatika hemmen Cycloxygenase-2 bis zu 300-mal stärker als Cycloxygenase-1. Die Entzündungshemmung wird größtenteils über die Hemmung der Cycloxygenase-2 bewirkt. Die Quantität der Hemmung der Cycloxygenase-2 unterscheidet sich zwischen den klassischen und den selektiven Nichtsteroidalen Antirheumatika nicht, daher sind diese beiden Medikamentengruppen in der Entzündungshemmung gleich gut. Sie haben unterschiedliche Nebenwirkungsprofile, besonders bezogen auf die gastrointestinalen Nebenwirkungen wie Bauch­schmerzen, Appetitlosigkeit und Übelkeit, da hier die Hem­mung der Cycloxygenase-1 eine besondere Rolle spielt. Falls Nebenwirkungen 26 auftreten, sollte der Arzt kurzfristig kontaktiert werden. Glukokortikoid- (Kortison) Therapie Von den „klassischen“ Nichtsteroidalen Antirheumatika wird am häufigsten Naproxen angewandt, da dieses als Saft und als Tablette verfügbar ist. Andere „klassische“ Nichtsteroi­dale Antirheumatika, wie Ibuprofen, können auch in der Kinderrheumatologie angewendet werden. Diese Präparate sind als Saft auch für Kinder zugelassen. Glukokortikoide werden in der Behandlung von kindlichen Arthritiden nur als überbrückende Medikation oder als lokale Therapie intraartikulär (direkt in das Gelenk appliziert) verwendet. Glukokortikoide sind Hormone (körpereigene Botenstoffe), die unser Körper auch selber in der Nebennierenrinde produziert. Diese Substanzen sind bei ausgeprägten entzündlichen Prozessen und starken Schmerzen in der Therapie unverzichtbar. Die Einnahme von Glukokortikoiden über längere Zeit in höheren Dosen (über 0,2mg Prednison/kg Körpergewicht/Tag) kann unter anderem zu Verminderung des Wachstums oder auch zu Osteoporose beitragen. Glukokortikoide in lokaler Therapie haben viel weniger systemische Nebenwirkungen. Bei der Medikation als Tablette sollte das Präparat möglichst morgens eingenommen werden, dann sind die Nebenwirkungen geringer. Falls jedoch unerwünschte Reaktionen Bei den superselektiven Nichtsteroidalen Antirheumatika ist die Zulassungsstudie für Celebrex abgeschlossen und bei den selektiveren für Meloxicam (Mobec®). Beide sind leider laut Beipackzettel in Deutschland für jüngere Kinder nicht zugelassen, obwohl die positiven Daten der Zulassungsstudie für die Indikationder juvenilen idiopathischen Arthritis vorliegen. 27 auftreten, sollte der Arzt kurzfristig kontaktiert und die Symptome nach der Einnahme geschildert werden. Es werden intraartikuläre Gaben bei der Gelenkbeteiligung der Kiefergelenke oder der Sakroiliakalgelenke unter bildgebenden Verfahren durchgeführt. Bei der Gabe in den Kniegelenken braucht man nicht unbedingt eine Bildgebung. Basistherapeutika Bei Patienten, die auf die Nichtsteroidalen Antirheumatika nicht angesprochen haben und für die die lokale Glukokortikoidtherapie nicht in Frage kommt, ist es sinnvoll, ein Glukokortikoidsparendes Medikament einzusetzen. Das sind die Substanzen der sogenannten Basistherapeutika, die für die Grunderkrankung genau so gut kontrollierbar sind, aber bei Langzeitgabe ein besseres Nebenwirkungsprofil haben. Dies gilt auch für Patienten, bei denen von vornherein höhere Glukokortikoid-Dosen angewandt werden müssen, um die Erkrankung in Griff zu bekommen. In der Kinder- und Jugendrheumatologie wird 28 am häufigsten Methotrexat, dann Sulfasalazin angewandt. Leflunomid, ein neueres Basismedikament, wurde in einer Phase III- Studie in der Behandlung von kindlicher Arthritis mit polyartikulärem Verlauf untersucht und mit Methotrexat gleichwertig gefunden, aber leider nicht zugelassen. Basistherapien entfalten ihre Wirkung über 12 Wochen, nach ungefähr 12 Wochen erwartet man eine deutliche Kontrolle der Erkrankungsaktivität. Bei den verschiedenen Basistherapien werden unterschiedliche Laborkontrollen nach der Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Kinder und Jugendrheumatologie durchgeführt. Mit den Basistherapien sollen eine Remis­sion (kein Hinweis auf aktive Arthritis) und ein Nachlassen der Symptome erzielt werden. Nach ungefähr 12 Monaten Remission sollte versucht werden, das Basistherapeutikum abzusetzen. Methotrexat Methotrexat ist derzeit der „Gold-Standard“ in der Behandlung von kindlichen Arthritiden. Es ist zu begrüßen, dass vor Kurzem die neueren parenteralen Applikationen (als Fertigspritzen) auch für die Behandlung der kindlichen Arthritis zugelassen worden sind. Über die Behandlung mit Methotrexat liegen schon seit Ende der 80er Jahre ausreichend Erfahrungen vor. Es sind auch mehrere klinische Studien für die Kinderrheumatologie veröffentlicht. Ungefähr 60 % der Patienten erreichen eine 70%ige Verbesserung der Erkrankungsaktivität mit Methotrexat. Die Wirkung von Methotrexat baut sich langsam auf und es entfaltet sich über 12 Wochen. Das erklärt den „Gold-Standard“ in der Behandlung der Kinder- und Jugendrheumatologie. Das Behandlungziel: Mit Methotrexat soll eine Remission erzielt werden (kein Hinweis auf aktive Gelenkentzündung). Nach 12 Monaten Remission wäre der Versuch, Methotrexat abzusetzen, sinnvoll. Bei nicht ausreichendem Ansprechen und polyartikulärem Verlauf wird eine Kombinations- oder eine Monotherapie mit einem Tumor Nekrosis Alfa Blocker empfohlen. Bei den anderen Subtypen ist die Therapie noch nicht zugelassen, obwohl die Datenlage positiv ist. Dosierung und Verabreichung Methotrexat wird in Tablettenform oder als Spritze entweder intramuskulär (in den Muskel) oder subkutan (unter die Haut) verabreicht und ist sogar als Fertigspritze im Handel. Die subkutane Injektion wird von den meisten Patienten als angenehmer empfunden. Die Dosierung der oralen und parenteralen Gabe richtet sich nach der Körperoberfläche: 1015 mg/m2 Körperoberfläche. Die orale Gabe sollte möglichst abends 2 Stunden nach der letzten großen Mahlzeit erfolgen. Die parenterale Gabe kann zu jeder Tageszeit erfolgen. 29 Milderung der Nebenwirkungen aber wieder auf. Zur Milderung unerwünschter Nebenwirkungen wird meist von Anfang an Folsäure, ca. 1mg/Tag, zusätzlich gegeben. Die Folsäuregabe sollte 48 Stunden Abstand zu der Methotrexatgabe haben, da die beiden Wirkstoffe über die gleichen Kanäle in die Zellen aufgenommen werden: Durch eine frühere Gabe wird die Wirkung von Methotrexat geschwächt. Ein Anstieg der Leberwerte oder ein Abfall der Anzahl bestimmter Blutzellen ist im Kindesalter selten. Durch die empfohlenen, regelmäßigen Laborkontrollen sollte jedoch jede Veränderung frühzeitig erfasst werden. Nebenwirkungen Nebenwirkungen können zu jeder Zeit der Behandlung auftreten. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Übelkeit, Appetitverlust, Durchfälle und Wundsein der Mundschleimhaut. Bei manchen Patienten kann die Übelkeit reduziert werden, wenn Methotrexat auf die parenterale Gabe umgestellt wird. Übelkeit und Ekel von der Einnahme von Methotrexat ist der häufigste Grund des Absetzens. Gelegentlich kann es auch zu Haarausfall kommen, dies hört in der Regel nach Dosisreduktion 30 Falls Nebenwirkungen auftreten, sollte der behandelnde Arzt kurzfristig kontaktiert werden. Konsequente Verhütung Bei Jugendlichen, die schon sexuell aktiv sind, ist eine konse­quente Verhütung notwendig, da unter der Methotrexat-Medikation eine Schädigung des ungeborenen Kindes auftreten kann. Das bedeutet auch, dass mindestens 6 Monate nach der Einnahme verhütet werden muss. Es ist wichtig zu erwähnen, dass Methotrexat keine Langzeitnebenwirkungen auf eine mögliche spätere Zeugung eines Kindes hat, wenn zu diesem Zeitpunkt kein Methotrexat mehr eingenommen wird. Laborkontrollen Vor Beginn der Therapie, dann nach 4 Wochen und danach alle 8 bis 12 Wochen bei unveränderter Methotrexat-Dosis sollten Differentialblutbild, CRP, Blutsenkungsge­schwindigkeit (BSG), Leber- und Nierenwerte und Albumin kontrolliert werden. Bei einer Erhöhung der Dosis sind häufigere Kontrollen vorübergehend nötig. Sulfasalazin Sulfasalazin ist ein altbewährtes Basismedikament besonders bei den Spondyloarthritiden in der Erwachsenenrheumatologie. Je nach Präparat bzw. Hersteller gibt es Zulassungen für kindliche Arthritiden (z.B. Sulfasalazin medac). In Studien scheint es besonders bei den juvenilen Enthesitisassoziierten idiopathischen Arthritiden wirksam zu sein. Sulfasalazin ist ab dem 6. Lebensjahr für die Enthesitis assoziierte Arthritis zugelassen. Die pädiatrische Dosierung liegt bei 50 mg / kg Körpergewicht, bis zu maximal 3000mg/Tag, auf zwei Einzeldosen verteilt. Bei den Nebenwirkungen sind besonders die auftretenden Leukopenien und Magen-Darm-Unverträglichkeiten zu erwähnen. Es ist besonders wichtig, auf die empfohlenen regelmäßigen Laborkontrollen zu achten, damit evtl. Leukopenien (Abfall der weißen Blutkörperchen) rechtzeitig festgestellt werden können. Falls jedoch Nebenwirkungen auftreten, sollte der Arzt kurzfristig kontaktiert werden. Leflunomid Leflunomid ist ein weiteres Basismedikament, über das erst 2003 die ersten Daten der Zulassungsstudie zur Behandlung von kindlichen Arthritiden veröffentlicht wurden. Es ist momentan leider, trotz positiver Datenlage in der Phase IIIStudie, nicht zugelassen. Die Daten zeigen eine gleichwertige Wirksamkeit und Verträglichkeit wie bei Methotrexat in Tablettenform bis zu einer Dosis von 15mg/m2 /1x/Woche. Leflunomid wird täglich 1x eingenommen und vom Körpergewicht abhängig 31 dosiert. Das Nebenwirkungsprofil ähnelt dem von Methotrexat. Am häufigsten traten in der Studie Bauchschmerzen, Durchfall, Übelkeit, Haarausfall und Kopfschmerzen auf. Falls Nebenwirkungen auftreten, sollte der Arzt kurzfristig kontaktiert werden. Auch bei der Einnahme von Leflunomid werden regelmäßig Laborkontrollen nach den Leitlinien der Deutschen Kinder- und Jugendrheumatologischen Gesellschaft empfohlen. Weitere Therapien Bei nicht ausreichendem Ansprechen auf parenteral (intramuskulär oder subkutan) gegebenes, höher dosiertes Methotrexat (15mg/m2/1x/Woche) kann man zusätzlich ein „Biological“ (siehe unten) mit Methotrexat kombinieren oder Methotrexat durch ein „Biological“ ersetzen. Bei nicht ausreichendem Ansprechen auf einen anti Tumor Nekrosis Alfa Blocker kann man auf einen anderen umstellen oder ein anderes Biological mit einem ganz anderen Wirkungsprinzip, wie z.B. Abatacept, einsetzen. Abatacept ist für diese 32 Indikation bei polyartikulärem Verlauf zugelassen. Bei nonresponse stehen Tozilizumab oder evtl. Rituximab zur Verfügung. Beim systemischem Verlauf sind die Präparate Tozilizumab (anti- IL6) und Canalimumab (antiIL1) in der Phase III-Studie. Die ersten Daten von Tozilizumab sind sehr viel versprechend. „Biologicals“ Unter dem Begriff „Biologicals“ werden Medikamente zusammengefasst, die synthetisch hergestellt werden, jedoch den körpereigenen Immunregulatoren ähneln und aktive Entzündungskomponenten spezifisch binden oder hemmen. Von dieser Gruppe ist momentan Etanercept (Enbrel®), als löslicher Tumor-NekrosefaktorAlpha-Blocker, und Adalimumab (Humira®), als monoklonales Antikörper, für die Behandlung der juvenilen polyartikulär verlaufenden Arthritiden zugelassen. Beide zeigen ähnliche Effektivität bei der Behandlung von Patienten, die auf Methotrexat nicht ausreichend ansprechen. Adalimumab wird bei nicht ausreichendem Ansprechen von Uveitis auf Methotrexat empfohlen. Leider liegen zur Behandlung der Uveitis keine kontrollierten Daten vor. Die Langzeitnebenwirkungen von Enbrel® und Humira® werden prospektiv erfasst, besonders zu erwähnen ist die eventuelle Möglichkeit der erhöhten Malignität, wie das Auftreten von neuen Autoimmunerkrankungen. Etanercept wird zweimal oder einmal/Woche und Adaliumab 1x/alle 2 Wochen subkutan (unter die Haut gespritzt) verabreicht. Pflanzliche Medikamente Es werden immer wieder pflanzliche Medikamente mit großen Versprechungen zur Behandlung rheumatischer Erkrankungen angeboten. Einige sind wissenschaftlich untersucht und auch als Medikamente zugelassen, aber ein anderer Teil ist „rechtlich“ nur ein Lebensmittel (ohne Beipackinformation). Alle Pflanzen, die einen Wirkstoff enthalten, haben die gleichen möglichen Nebenwirkungen wie zugelassene Medikamente, da sie in die gleichen 33 Prozesse eingrefen. Bei pflanzlichen Präparaten ist häufig die Dosis des Wirkstoffes nicht standardisiert. Diese Präparate gibt es als Tabletten/ Dragees und auch als Teezubereitungen. Diese Zubereitungen sind zum Teil entzündungshemmend, schmerzlindernd und antirheumatisch wirksam, allerdings mit einem erheblich schwächeren Effekt. Ein anderer Teil ist unwirksam oder sogar schädlich. Bedenken sollten Sie, dass auch pflanzliche Medikamente erhebliche Nebenwirkungen an Leber, Nieren und am Herzen haben können und teilweise sogar giftig sind! Wech­selwirkungen sind mit der bestehenden medikamentösen Therapie nicht auszu­schließen. Viele der angebotenen Tee­ sorten sind z. B. aus einer Unzahl verschiedener Kräuter zusammengemischt, die häufig nicht einmal einzeln aufgeführt werden. Deshalb sollten Sie die­se pflanzlichen Präparate möglichst nach Rücksprache und Beratung mit dem behandelnden Kinder- und Jugendrheumatologen einsetzen. Es ist sehr wichtig, den betreuenden Kollegen über den Einsatz von alternativen Mitteln zu berich34 ten, damit evtl. auftretende Nebenwirkungen oder Interaktionen mit den anderen Medikationen besser beurteilbar sind. Angst vor möglichen Nebenwirkungen Häufig haben Eltern und Patienten Angst vor den aufgelisteten Nebenwirkungen auf dem Beipackzettel, gleichzeitig werden die möglichen "Nebenwirkungen/Auswirkungen" der nicht ausreichenden Kontrolle der Erkrankung unterschätzt. Es ist sehr wichtig, auch die Informationen zur Erkrankung zu lesen. Ernährung Eine ausgewogene Ernährung spielt bei heranwachsenden jungen Menschen eine sehr wichtige Rolle. Es gibt bis jetzt keine eindeutigen wissenschaftlichen Daten oder Studien für Kinder und Jugendliche, welche beweisen, dass chronisch entzündlich rheumatische Erkrankungen mit einer besonderen Diät verbessert oder gar geheilt werden konnten. Kinder und Jugendliche brauchen während der Wachstumsphase unbedingt eine ausgewogene Mischkost für eine gute körperliche und geistige Entwicklung, um Mangelzus­ tände und Fehlernährung zu vermeiden. Im Rahmen einer Misch­diät ist es sinnvoll, auch Fisch (enthält Omega-3-Fettsäuren), Olivenöl und andere Öle mit ungesättigten Fettsäuren anzuwenden, die zur Entzündungshemmung beitragen. Alle einseitigen Ernährungskonzepte sind in dieser Phase nicht zu empfehlen. Zum Beispiel birgt eine streng vegetarische Kost, d. h. Diäten ohne Milch, 35 Eier und Fleisch, das Risiko der Mangelernährung. Auch Milch und Milch­ pro­ dukte sind für Kinder und Jugendliche sehr wichtig, da das enthaltene Calcium für den Knochenaufbau benötigt wird und wichtig zur Vorbeugung von Osteoporose ist. Merke Zusammenfassend wird eine mediterrane Misch­diät empfohlen: Es ist von jeder einseitigen Diät abzuraten, da diese das Wachs­­tum gefährden kann. 36 Krankengymnastik und Ergotherapie Neben den medikamentösen Therapien sind natürlich die physikalischen Maßnahmen und die Anwendung von Hilfsmiteln ein anderer wichtiger Arm der Therapie. Unter physikalischer Therapie werden sehr viele ver­ schiedene Ansätze zusammengefasst, wie z. B. die Anwendung von Kälte oder Wärme, die aktiven Übungs-programme zum Muskelaufbau und zum Aufbau der Belastbarkeit, Maßnahmen wie die manuelle Therapie oder Schienenversorgung zur Wiederherstellung der achsengerechten normalen Beweglichkeit in den Gelenken. Auch die Versorgung mit Hilfsmitteln, die bei ganz bestimmten Bewegungseinschränkungen in den Gelenken helfen sollen, die tagtäglichen Aufgaben auszuüben (z. B. spezielle Flaschenöffner, eine Sockenaufziehhilfe, ein spezielles Computerkeyboard) gehören in dieses Gebiet. Die Aufteilung der diversen Aufgaben zwischen Krankengymnastik und Ergotherapie ist fließend. Deshalb ist es wichtig, Therapeuten zu kon­sultieren, die sich mit der Erkrankung in dieser jungen Alters­ grup­ pe auskennen. Es besteht auch die Möglichkeit, Therapiepläne von einem erfahrenen Therapeuten, dann wohnortnah mit der Unterstützung des Kollegen umzusetzen. Sportliche Aktivitäten Nach neueren Daten führt sportliche Belastung nicht zu vermehrten Schüben der Erkrankung. Gewichtstragende Aktivitäten sind die beste Vorbeugung gegen Osteoporose, welche bei Inaktivität schon im Kindesalter auftreten kann. Auch für das psychosoziale Wohlbefinden ist die Teilnahme am Gruppensport (z. B. Schulsport, Sportvereine) sehr wichtig, auch wenn manchmal im Rahmen von akuten Beschwerden kurzfristig pausiert werden muss. Die Teilnahme an ernsthaften Wettkämpfen wird den Patienten nicht empfohlen. Empfohlene Sportarten • alle Ballsportarten wie z. B. Fussball • Hockey • Leichtathletik wie z. B. Laufen 37 4. Wichtiges zum Schluss Nicht zu vergessen Für viele betroffene Familien ist der Kontakt zu anderen Eltern und Kindern/Jugendlichen sehr wichtig und wünschenswert. In Selbsthilfegruppen, Internetforen und bei gemeinsamen Unternehmungen besteht die Möglichkeit des Erfahrungs­ austausches: Gemeinsamkeit macht stark! Schulungsangebote sollten möglichst wahrgenommen werden, damit alle Beteiligten viel über die Erkrankung, die Behand-lungsmöglichkeiten und über die Medikamente lernen. Auch hier ist der Erfahrungsaustausch und die intensive Be­schäftigung mit der Erkrankung von großem Vorteil. In der Schule oder im Kindergarten sollte offen über die Erkrankung geredet werden. Empfehlenswert ist in manchen Fällen ein doppelter Schulbuchsatz oder zu versuchen, dass ge­ ge­ benenfalls der 38 Klassenraum in das Erdgeschoss verlegt werden kann. Die Teil­nahme am Sportunterricht sollte für die Kinder je nach Belast­barkeit frei wählbar sein, eventuell hilft hier die vorübergehen­ de Befreiung von der Schulnote. Bei der Berufswahl stehen den Jugendlichen die Berufsinformationszentren (BIZ) beratend zur Seite. Buchempfehlungen Der überwiegende Anteil der im Buchhandel erhältlichen Bücher und Ratgeber ist für die rheumatische Erkrankung im Erwachsenenalter geschrieben. Da es aber bedeutende Unter-schiede zwischen einer rheumatischen Erkrankung im Kindes- und Jugendalter und im Erwachsenalter gibt, sollten diese Informationen mit besonderer Sorgfalt gelesen werden. Broschüren und Merkblätter für Kinder und Jugendliche sind unter anderem auch bei der Deutschen Rheuma-Liga und bei den verschiedenen anderen Organisationen auf Anfrage erhältlich. „The Arthritis Foundation’s Guide to Alternative Therapies“ mit umfangreichen, auch kritischen Erläuterungen zu Naturheilmitteln und Kräutern. Judith Horstmann. Arthritis Foundation ISBN 0-912423-23-4 39 Wichtige Kontakte Wenn Sie weitere Informationen über die Erkrankung Ihres Kindes haben möchten, setzen Sie sich mit den folgenden Selbsthilfeorganisationen in Verbindung: Selbsthilfeorganisationen und wichtige Adressen Hamburger Elterninitative rheumakranker Kinder e.V. Lupus Erythematodes Selbsthilfegemeinschaft e.V. Döppersberg 20, 42103 Wuppertal Tel.: 0202 – 4 96 87 97 www.lupus-rheumanet.org Lupus Erythematodes Selbsthilfegruppe Hamburg www.lupus-hamburg.de Sklerodermie Selbsthilfe e.V. Norderstraße 75, 25436 Tornesch Tel.: 0173 - 248 99 66 www.kinderrheuma.de Am Wollhaus 2, 74072 Heilbronn Tel.: 0731 – 3 90 24 25 www.sklerodermie-sh.de Deutsche Rheuma-Liga Bundesverband e.V. Arbeitskreis der Vaskulitis-PatientenSelbsthilfegruppe VPS Maximilianstraße 14, 53111 Bonn Tel.: 0228 – 76 60 60 www.rheuma-liga.de 40 Peerkoppel 3, 25524 Heiligenstetten Tel.: 04821 – 7 67 21 www.vaskulitis.org Deutsche UVEITIS Arbeitsgemeinschaft e.V., Geschäftsstelle DUAG e.V. Forsthausstraße 6, 35792 Löhnberg Tel.: 06471 – 980 57 www.duag.org Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft Planenstraße 1, 80336 München Tel.: 089 – 55 05 76 80 www.dog.org Internetadressen nationale Kontakte Internationale Internetadressen Mailingliste für Eltern mit rheumakranken Kindern und Jugendlichen www.arthritis.org http://de.groups.yahoo.com/group/kinderrheuma/ www.sclero.org www.kinderrheumatologie.de www.printo.it/pediatric-rheumatology www.rheumatology.org www.myositis.org www.rheuma-online.de www.uveitis-selbsthilfe.de www.rheuma-zentrum.com www.rheuma-kinderklinik.de www.rheumakids.de www.kinderrheuma.com www.rheumanet.org 41 Medizinische Fachbegriffe Albumin im Körper vorkommende Eiweißsubstanz, z. B. Serumalbumin Antigen eine Substanz, die der Körper als „fremd“ ansieht und eine Immunreaktion auslöst Antikörper spezielle Eiweißstoffe, die vom Immunsystem gegen körpereigene oder körperfremde Anteile gebildet werden Antirheumatik-um/-a allgemein: Medikament/e gegen rheumatische Beschwerden Arthritis Entzündung des Gelenkes, von lateinisch „arthros“: das Gelenk 42 Autoimmunität Fehlsteuerung des körpereigenen Abwehrsystems, bei dem körpereigenes Gewebe „angegriffen“ wird Basistherapeutika Steroid sparende Medikamente, die den Erkrankungsverlauf sehr wirksam beeinflussen Biologicals neuere Medikamente, die molekularbiologisch hergestellt werden und besonders wirksam die Grunderkrankung beeinflussen BSG (BlutSenkungsGeschwindigkeit) ein Labortest, um Entzündungszeichen im Blut nachzuweisen Chronisch langwierig, immer wiederkehrend CRP (C-Reaktives Protein) Enzym ein in der Leber produziertes Eiweiß, das bei Entzündungen und Gewebsschädigungen schneller ansteigt und abfällt als die BSG Ferment, das Energie für den Stoffwechsel reguliert, ohne verändert zu werden Differentialblutbild essentielle Substanz aus dem Vitamin-B-Komplex: z. B. in Milch und grünen Pflanzenblättern enthalten ein gefärbter Blutausstrich zur Ermittlung der prozentualen Verteilung kernhaltiger Blut­zellen (Auszählen von jeweils 100 Zellen) Entarten Veränderung gesunder Zellen zu krankhaften Zellen Enthes griech. = Sehnengewebe Enthesitis Entzündung von Sehnen und Knochenübergang Enthesitis assoziierte Arthritis Folsäure Gammaglobulin s. a. Immunglobulin = Antikörper der spezifischen körpereigenen Abwehr Gastrointestinal Magen und Dünndarm betreffend Idiopathisch ohne erkennbare Ursache Intraartikuläre Steroidgabe Einspritzen von Kortison direkt in das Gelenk Arthritis und Enthesitis, häufig mit HLA-B27 assoziiert 43 Iridozyklitis Leukopenie Entzündung der Regenbogenhaut im Auge und der angrenzenden vorderen und hinteren Augenabschnitte verminderte Anzahl an weißen Blutkörperchen Juvenil kindlich/jugendlich klinisch auf den Patienten bezogen, statt theoretisch Kollagenosen entzündliche Erkrankungen des Bindegewebes, auch Oberbe­griff von Autoimmunerkrankungen mit verändertem Bindegewebe Kortison Nebennieren-Hormon, das auch zur Behandlung entzündlicher und allergischer Reaktionen verwendet werden kann Leukozyten weiße Blutkörperchen 44 Lymphozyten Untergruppe der weißen Blutkörperchen, die im Immun­system eine wichtige Rolle spielen Mixed Connective Tissue Disease englischer Begriff für die Mischkollagenosen Makrophagen sogenannte „Fresszellen“, z. B. auch zur Elimination der Antigene NSAR = Nichtsteroidale Antirheumatika kortisonfreie entzündungshemmende Medikamente Oligoartikulär wenig Gelenke betreffend (Anzahl der betroffenen Gelenke < 5) Osteoporose verminderte Knochendichte und dadurch eine höhere Knochenbrüchigkeit Parenteral Schmerzamplifikationssyndrom Verabreichungsform einer Medikation, die den Magen umgeht, z. B. Injektion Eine „Schmerzvermehrungssymptomatik“, bei der die Stärke des empfundenen Schmerzes nicht proportional mit dem auslösenden Schmerz übereinstimmt. polyartikulär viele Gelenke betreffend (Anzahl der Gelenke > 5) Promotoren ein Abschnitt der DNS Psoriasis Schuppenflechte Psoriatische Arthritis Gelenkentzündungen bei Schuppenflechte Symptom, symptomatisch für eine bestimmte Erkrankung charakteristisches Krankheitszeichen (Symptom) Spondyloarthritis Arthritis + spond = Bezug zur Wirbelsäule subkutan Remission unter die Haut, lateinisch „sub“: unter; lateinisch „cutis“: Haut vorübergehendes Nachlassen der Symptome Systemisch Rheumafaktor den gesamten Körper und auch die inneren Organe betreffend Antikörper, die gegen Gammaglobuline gerichtet sind Rheumatoid rheumatisch bedingt TNF-a Blocker ein spezielles Biological (s. auch Biological) neuere, molekularbiologisch hergestell45 te Medikamente, die besonders wirksam die Grunderkrankung beeinflussen Uveitis s. a. Iridozyklitis: Entzündung der Regenbogenhaut Vaskulitis Entzündung der Blutgefäße Wegener-Granulomatose Gewebeneubildungen der oberen Luftwege bei chronischen Entzündungen 46 Dieses Projekt wurde ermöglicht durch die freundliche Unterstützung des AutoimmunService der Firma medac Herausgeber: Gesellschaft für klinische Spezialpräparate mbH Theaterstraße 6 D-22880 Wedel Tel.: 04103/8006-384 Fax: 04103/8006-382 www.medac.de Druck: unitedprint GmbH Hohenzollernring 84 50672 Köln 47 WR-0113/10.2015 Service Autoimmun Tel. 04103 8006-384 Fax04103 8006-382 medac GmbH Theaterstraße 6 D-22880 Wedel www.medac.de © medac GmbH 2015