IW-Krisenmonitor

Werbung
econstor
A Service of
zbw
Make Your Publications Visible.
Leibniz-Informationszentrum
Wirtschaft
Leibniz Information Centre
for Economics
Goecke, Henry
Working Paper
IW-Krisenmonitor
IW policy paper, No. 2/2015
Provided in Cooperation with:
Cologne Institute for Economic Research (IW), Cologne
Suggested Citation: Goecke, Henry (2015) : IW-Krisenmonitor, IW policy paper, No. 2/2015
This Version is available at:
http://hdl.handle.net/10419/106518
Standard-Nutzungsbedingungen:
Terms of use:
Die Dokumente auf EconStor dürfen zu eigenen wissenschaftlichen
Zwecken und zum Privatgebrauch gespeichert und kopiert werden.
Documents in EconStor may be saved and copied for your
personal and scholarly purposes.
Sie dürfen die Dokumente nicht für öffentliche oder kommerzielle
Zwecke vervielfältigen, öffentlich ausstellen, öffentlich zugänglich
machen, vertreiben oder anderweitig nutzen.
You are not to copy documents for public or commercial
purposes, to exhibit the documents publicly, to make them
publicly available on the internet, or to distribute or otherwise
use the documents in public.
Sofern die Verfasser die Dokumente unter Open-Content-Lizenzen
(insbesondere CC-Lizenzen) zur Verfügung gestellt haben sollten,
gelten abweichend von diesen Nutzungsbedingungen die in der dort
genannten Lizenz gewährten Nutzungsrechte.
www.econstor.eu
If the documents have been made available under an Open
Content Licence (especially Creative Commons Licences), you
may exercise further usage rights as specified in the indicated
licence.
IW policy paper · 2/2015
IW-Krisenmonitor
Autor: Dr. Henry Goecke
Telefon: 0221 4931-606
[email protected]
2
Inhaltsverzeichnis
Einleitung.................................................................................................................... 3
Methode...................................................................................................................... 4
Auswertung des Krisenmonitors ................................................................................. 9
Fazit.......................................................................................................................... 12
Literatur .................................................................................................................... 13
3
Einleitung
Über den aktuellen Stand der Krise in Europa wird viel geschrieben und noch mehr
spekuliert. Es gibt eine Vielzahl von Arbeiten, die jeweils einzelne Bereiche
analysieren: Studien über den Stand des Bankensektors (Demary, 2014), der
Geldpolitik (Demary/Matthes, 2013) oder realwirtschaftlicher Größen wie dem
Bruttoinlandsprodukt (Goecke, 2013 und Dauderstädt, 2014). Auf der anderen Seite
gibt es Studien, die mehrere makroökonomische Kenngrößen analysieren
(Arestis/Sawyer, 2012 und Heise, 2013), den Fokus auf einzelne Krisenländer
separat richten (z.B. Wolff/Cline, 2012) oder die Wettbewerbsfähigkeit Europas als
ganzes betrachten (BUSINESSEUROPE, 2014).
Doch wie groß ist die Gefahr, dass Volkswirtschaften auf externe finanzielle Hilfe
angewiesen sind? Eine aggregierte Messgröße, die dieses Risiko basierend auf
einer ökonometrischen Schätzung bewertet, fehlt bis heute. Der neue Krisenmonitor
des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) soll das ändern. Der Euromonitor
der Allianz (Broyer et al., 2013) und das „Verfahren zur Vermeidung und Korrektur
makroökonomischer Ungleichgewichte“ der Europäischen Kommission (Europäische
Kommission, 2014) kamen diesem Wunsch bislang am nächsten, indem diese
Indikatoren darauf abzielen, die wirtschaftliche Stärke der europäischen Ökonomien
abzubilden. Gemeinsam haben diese beiden Konzepte und der IW-Krisenmonitor,
dass die Aggregation in einer einzigen bewertenden Zahl erfolgt. Die wesentlichen
Unterschiede bestehen in der Gewichtung der Indikatoren und der zeitlichen
Frequenz der jeweiligen Analyse. Die Europäische Kommission und die Allianz
verwenden ein Indikatorenset auf Jahresbasis, das aus einer theoretischen
Betrachtung die wirtschaftliche Stärke einer Ökonomie beeinflussen soll, ohne die
Zusammensetzung des Sets empirisch zu überprüfen. Bei der Aggregation der
einzelnen Indikatoren zu einer Bewertungszahl nutzt die Europäische Kommission
Schwellenwerte, die sie ad hoc festlegt. Die Allianz bewertet implizit alle Variablen
ihres Euromonitors als gleich wichtig. Dies ist ein zielführender Ansatz, um eine
Übersicht über den aktuellen Stand der europäischen Länder zu geben. Um zu
bewerten, wie groß die Gefahr einer Ökonomie ist, auf Hilfe angewiesen zu sein, wird
eine ökonometrische Analyse benötigt. Diese ist insbesondere notwendig, um die
Einflussgrößen und die Höhe der jeweiligen Effekte bestimmen zu können.
Der im Folgenden vorgestellte „Euro-Krisenmonitor“ soll das bieten und zusätzlich
ein Messinstrument für ein zukünftiges Krisenmonitoring liefern. Der Monitor ist so
konzipiert, dass eine einzige Maßzahl beschreibt, wie groß die Gefahr für eine
Volkswirtschaft ist, auf Hilfen von außen angewiesen zu sein. Die Einflussgrößen des
Indikators und ihre Gewichte sind nicht ad hoc gewählt, sondern basieren auf einer
empirischen Panel-Schätzung. Für eine zeitnahe Bewertung der Lage in den EULändern arbeitet der Krisenmonitor mit Quartalsdaten.
4
Methode
Als Grundlage des Krisenmonitors dient eine Vielzahl realwirtschaftlicher und
monetärer Größen, die einen Einfluss auf die Inanspruchnahme von Hilfe von außen
haben könnten (für eine Übersicht über die Variablen und deren Quellen siehe
Tabelle 1).
Tabelle 1: Übersicht über die Variablen und die Datenquelle
Arbeitskosten
Investitionen pro Kopf
[Eurostat]
[Eurostat]
Arbeitslosenquote
Economic Sentiment
[Eurostat]
[Europäische Kommission]
Reales Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf
Konsumentenpreise
[Eurostat]
[Eurostat]
Staatsverschuldung pro Kopf
Verschuldung Haushalte und Non-profit
Unternehmen
[Eurostat]
[EZB]
Exporte
Verschuldung Unternehmen
[Eurostat]
[EZB]
Zinsen auf Staatsanleihen
Leistungsbilanzsaldo pro Kopf
[Eurostat]
[Eurostat]
Zinsen für Unternehmen
Nettoauslandsvermögen pro Kopf
[EZB]
[Eurostat]
In eckigen Klammern sind die jeweiligen Datenquellen angegeben.
Viele dieser Variablen werden auch für die Indikatoren der Allianz und der
Europäischen Kommission verwendet. Welche dieser Größen in den IWKrisenmonitor eingehen, wird ökonometrisch bestimmt. Der Wert des
Krisenindikators basiert auf einer Panelregression der 28 EU-Staaten im
Untersuchungszeitraum von dem ersten Quartal des Jahres 2000 bis zum zweiten
Quartal 2014. Als abhängige Variable wird ein Dummy verwendet, der ab dem
Zeitpunkt, ab dem ein Land Hilfe annimmt, den Wert Eins hat. Kommt ein Land ohne
Hilfen aus, wird dem Dummy eine Null zugewiesen.1 Hilfen umfassen sowohl direkte
Transferzahlungen als auch, wie im Fall von Spanien, Kredite zur Unterstützung des
1
Die Ergebnisse ändern sich qualitativ nicht, wenn als abhängige Variable der nominale Wert der Hilfe
oder die Hilfe relativ zum Bruttoinlandsprodukt verwendet wird.
5
Bankensektors. Die Zeitpunkte, in denen die jeweiligen Staaten erstmalig
internationale Hilfe erhalten haben, sind bei den europäischen Krisenstaaten wie
folgt: Griechenland 2010Q2, Irland 2010Q4, Portugal 2011Q2, Spanien 2012Q4,
Zypern 2013Q1. 28 Länder ergeben eine Panelstruktur, bei der für jede verwendete
Variable bis zu 1624 Beobachtungen vorliegen. In einem ersten Schritt zeigt sich in
einer separaten bivariaten Analyse, dass nahezu alle Variablen auf einem 5-Prozent
Niveau einen statistisch signifikanten Einfluss auf die Inanspruchnahme von Hilfe
haben.
In einem zweiten Schritt werden zur Bestimmung des Modells zunächst alle
Variablen berücksichtigt. Durch sequentielles t-Testing werden die statistisch
signifikanten Größen herausgefiltert und die endgültige Form des Modells bestimmt.
Geschätzt wird das Modell in einem Logit Panelmodel. Das resultierende Modell mit
den geschätzten Koeffizienten und die zugehörigen p-Werte sind in Tabelle 2
dargestellt.2 Die Anzahl der Beobachtungen verringert sich auf 1276, was
überwiegend in Datenlücken bei Estland, Kroatien, Rumänien und der Slowakei
begründet liegt.
Tabelle 2: Schätzergebnisse
Abhängige Variable: Hilfezahlung
N=1276
Variable
Koeffizient
p-Wert
Arbeitslosenquote
3,097
0,000
BIP pro Kopf
-0,007
0,016
Staatsverschuldung pro Kopf
0,014
0,000
Zinsniveau in Prozent
2,889
0,012
Um das Risiko der Inanspruchnahme von Hilfen zu erklären, sind nur vier Variablen
statistisch signifikant: die Arbeitslosenquote, das reale Bruttoinlandsprodukt pro Kopf,
die Höhe der Staatsschulden pro Kopf und das Zinsniveau auf Staatsanleihen.
Eine wichtige Determinante der Wirtschaftsleistung eines Landes ist die
Arbeitslosenquote. Die Anzahl der Arbeitslosen und die wirtschaftliche Kraft einer
Ökonomie sind negativ korreliert. Dies zeigt sich auch in dem geschätzten Parameter
2
Arbeitskosten, Arbeitsproduktivität und das Preisniveau sind hoch korreliert. Um das Problem von
linearen Abhängigkeiten zu vermeiden, werden nur die Arbeitsproduktivität und das Preisniveau
verwendet, da dies die theoretische Einflussrichtung darstellt.
6
der Logit-Regression, der bedeutet, dass mit einer höheren Arbeitslosenquote die
Gefahr auf Hilfe von außen angewiesen zu sein steigt. Das Bruttoinlandsprodukt ist
das wichtigste Maß für die wirtschaftliche Stärke eines Landes: je ausgeprägter die
wirtschaftliche Stärke, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit für Finanzspritzen
von außen. Dies wird auch durch den negativen Koeffizienten der Panelschätzung
angezeigt. Höhere Staatsschulden gefährden einen langfristig tragfähigen Haushalt
ebenso wie steigende Zinsen auf Staatsanleihen. Mit der Staatsverschuldung und
den Zinssätzen auf Staatsanleihen steigt die Gefährdung, dass ein Land auf Hilfe
angewiesen ist – was sich in den positiven Koeffizienten wiederspiegelt.
Die Arbeitslosenquote ist in jedem der vier GIPS-Staaten (Griechenland, Irland,
Portugal, Spanien) und Zypern über den betrachteten Zeitraum massiv gestiegen
(Abbildung 1). Als erstes setzte der Anstieg in Spanien (2007Q3) und Irland
(2008Q1) ein – einige Quartale später dann in Griechenland, Portugal und Zypern. In
Portugal verdoppelte sich die Arbeitslosenquote von 2007/2008 bis zum Jahr 2014.
In den anderen Ländern ist sogar ein Anstieg in diesem Zeitraum um das Dreifache
zu beobachten. Am aktuellen Rand erkennt man eine leichte Verbesserung in allen
Ländern, mit der Ausnahme von Zypern. Dies alles vollzieht sich jedoch bei sehr
hohen Arbeitslosenquoten insbesondere in Griechenland und Spanien, die um die 25
Prozent liegen.
0
Arbeitslosenquote
10
20
30
Abbildung 1: Arbeitslosenquote in Prozent
2000q1
2005q1
Griechenland
Portugal
Zypern
2010q1
Irland
Spanien
2015q1
7
In Griechenland stieg die Staatsverschuldung pro Kopf und Quartal (Abbildung 2) im
neuen Jahrtausend an. Klar zu erkennen ist bei dieser Variablen der griechische
Schuldenschnitt im Jahr 2012. Im Folgezeitraum stieg die Verschuldung erneut an. In
Irland sank seit dem Jahr 2000 die Verschuldung stetig bis zum Jahr 2008. Danach
gab es bis zum aktuellen Rand einen starken Anstieg um das Dreifache auf fast
12.000€ pro Kopf und Quartal. In Spanien, Portugal und Zypern stieg die
Verschuldung ab 2008/2009 auf aktuell ca. 5.000€ pro Kopf und Quartal an.
Staatsverschuldung pro Kopf in Euro
2000 4000 6000 8000 10000 12000
Abbildung 2: Staatsverschuldung pro Kopf und Quartal
2000q1
2005q1
Griechenland
Portugal
Zypern
2010q1
2015q1
Irland
Spanien
Die Zinsen auf zehnjährige Staatsanleihen erhöhten sich ab dem Ausbruch der
Eurokrise (Abbildung 3). Im Zuge der Gründung der europäischen Währungsunion
vollzog sich eine Konvergenz in den Zinssätzen, sodass die Zinsen auf die
Staatsanleihen der unterschiedlichen Ökonomien nahezu identisch waren. In der
Eurokrise erhöhten sich die Zinsen in Griechenland bis auf über 25 Prozent
(2012Q2), in Portugal auf über dreizehn Prozent (2012Q1) und in Irland auf über
zehn Prozent (2011Q2/Q3). Für Zypern und Spanien verteuerte sich die Ausgabe
von Staatsanleihen zwar auch, aber nicht so massiv wie in den drei erstgenannten
Ländern. Seit den jeweiligen Höchstständen haben sich die Zinsen auf
Staatsanleihen massiv verringert. Der Grund hierfür liegt primär in den
geldpolitischen Maßnahmen der EZB, Staatsanleihen dieser Staaten zu kaufen. Im
aktuell letzten Datenpunkt der Analyse (2014Q2) liegen die Zinsen, die die GIPS-
8
Staaten zahlen müssen, zwischen gut sieben Prozent für Griechenland und gut drei
Prozent für Irland.
0
5
Zinsen
10
15
20
25
Abbildung 3: Zinsen auf 10-jährige Staatsanleihen in Prozent
2000q1
2005q1
Griechenland
Portugal
Zypern
2010q1
2015q1
Irland
Spanien
Beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf und Quartal zeigt sich seit 2007/2008 eine
massive Verschlechterung in allen Staaten (Abbildung 4). Der größte Verlust (-27
Prozent) ist in Griechenland zu beobachten. Am aktuellen Rand ist in allen GIPSLändern das Bruttoinlandsprodukts pro Kopf wieder leicht gestiegen.
9
Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Euro
4000
6000
8000
10000
12000
Abbildung 4: Bruttoinlandsprodukt pro Kopf und Quartal
2000q1
2005q1
2010q1
Griechenland
Portugal
Zypern
2015q1
Irland
Spanien
Auswertung und Diskussion des Krisenmonitors
Aus den ökonometrisch bestimmten Koeffizienten und den beschriebenen Variablen
wird der Krisenmonitor für die einzelnen Länder wie folgt berechnet: Die geschätzten
Koeffizienten aus der Logit-Panelanalyse werden als Gewichte für die Berechnung
des Krisenmonitors verwendet. Aus diesen Indikatoren werden mit Hilfe der
geschätzten Parameter der logarithmierten Odds die Werte des Krisenmonitors seit
dem Jahr 2000 auf Quartalsbasis berechnet, indem die Gewichte mit den
zugehörigen Werten der jeweiligen Variablen multipliziert und anschließend summiert
werden.
Der aus dieser Berechnung resultierende Verlauf des Krisenmonitors für die GIPSStaaten und Zypern ist in Abbildung 5 dargestellt. Für die Darstellung wurden die
Ergebnisse durch 100 dividiert. Die ersten Zeitpunkte, an denen die jeweiligen
Länder erstmalig Hilfen bekommen haben, sind mit Kreisen markiert. Die Werte des
Krisenmonitors betrugen:





Griechenland 2010Q2:
Irland 2010Q4:
Portugal 2011Q2:
Spanien 2012Q4:
Zypern 2013Q1:
+0,07
+0,08
-0,11
+0,13
-0,14
10
Es zeigt sich, dass alle Länder in einem relativ engen Korridor des Krisenmonitors
zwischen -0,14 und +0,13 Hilfe beantragt haben – ein Wert um Null scheint ein
kritischer Bereich zu sein. Dieser Korridor ist in der Abbildung 5 gestrichelt
dargestellt. Vor der ersten Inanspruchnahme von externen Hilfen ist der Wert des
Krisenmonitors für alle Länder im Untersuchungszeitraum unter diesem Korridor und
das teilweise erheblich, wie beispielsweise für Irland oder Portugal in dem Jahr 2000.
Die Länder verharrten die ersten Jahre des neuen Jahrtausends relativ konstant bei
ihren individuellen Werten. Nur bei Portugal lässt sich bereits seit 2000 eine leichte
kontinuierliche Erhöhung des Krisenmonitor-Werts erkennen. Zwischen 2008 und
2010 kam es in den restlichen Ländern zu einem massiven Anstieg – zunächst 2008
in Irland und Spanien und danach in Griechenland. In Zypern setzte der Anstieg am
Ende des Jahres 2010 ein. Seit dem jeweiligen Höhepunkt in den einzelnen Ländern
(Griechenland 2012Q3; Irland 2013Q2; Portugal 2012Q1; Spanien 2013Q1) hat sich
die Lage in den GIPS-Ökonomien wieder verbessert. Besonders groß sind die
Fortschritte in Griechenland und Portugal. Darin zeigen sich die ersten Erfolge der
eingeleiteten Reformen und die Wirksamkeit der expansiven Geldpolitik der
Europäischen Zentralbank. Kein Fortschritt gibt es hingegen in Zypern, welches sich
von Quartal zu Quartal verschlechtert. Zudem sind noch alle Länder über der
kritischen Marke, weshalb es noch lange nicht an der Zeit ist, Entwarnung zu geben.
-1.5
-1
Krisenmonitor
-.5
0
.5
1
Abbildung 5: Krisenmonitor der GIPS-Staaten
2000q1
2003q3
2007q1
Griechenland
Portugal
Zypern
2010q3
Irland
Spanien
2014q1
11
Die Ergebnisse des Krisenmonitors für die großen und/oder wirtschaftlich starken
Volkswirtschaften in der EU sind in Abbildung 6 abzulesen. Hierbei zeigt sich, dass
die großen Länder meist noch eine erhebliche Lücke zu der kritischen Grenze (hier
dargestellt als Mittelwert aller Werte bei denen die Krisenländer Hilfen beantragt
haben) aufweisen. Nur Italien hat diese Grenze bereits im Jahr 2012 überschritten
und verbessert sich seitdem nicht wesentlich. Zudem zeigt sich bei einer isolierten
Betrachtung von Deutschland und Frankreich eine relative Verschlechterung
Frankreichs. Im Jahr 2008 waren Frankreich und Deutschland, die beiden
wirtschaftlichen Schwergewichte Europas, auf gleichem Niveau gestartet. Seitdem
geht die Entwicklung jedoch massiv auseinander. Ab 2008 verbesserte sich
Deutschland von Jahr zu Jahr wohingegen sich Frankreichs Abstand zur kritischen
Grenze immer weiter verkleinerte.
-1
Krisenmonitor
-.5
0
Abbildung 6: Krisenmonitor großer und/oder wirtschaftlich starker EU-Staaten
2000q1
2003q3
2007q1
Deutschland
Italien
Schweden
2010q3
2014q1
Frankreich
Niederlande
Auch die aktuellen Prognosen deuten nicht darauf hin, dass sich die einzelnen
Komponenten des Krisenmonitors zeitnah verbessern: Die Prognosen bezüglich des
Bruttoinlandsprodukts, der Arbeitslosigkeit, der Staatsverschuldung für die GIPSLänder, Zypern, Italien, aber auch für Frankreich sind für 2015 nicht rosig. All diese
Länder müssen also die notwendigen Reformen weiter vorantreiben. Zudem kann die
EZB die Zinsen auf Staatsanleihen durch geldpolitische Maßnahmen nicht mehr
nennenswert weiter senken. Daher müssen auf der realwirtschaftlichen Seite
Fortschritte gemacht werden.
12
Wie stark der Effekt der einzelnen Variablen auf den Wert des IW-Krisenmonitors ist,
kann der Tabelle 3 entnommen werden: damit sich der Wert des Krisenmonitors um
0,01 verändert, ist eine Veränderung der Arbeitslosenquote um 0,32 Prozentpunkte
von Nöten. Einen ähnlich hohen Einfluss hat das Zinsniveau auf Staatsanleihen.
Beim realen Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ist eine Veränderung von 143 Euro
notwendig, wenn der Wert des Krisenmonitors sich um 0,01 verändern soll. Für das
Niveau der Staatsverschuldung wird nur ein halb so hoher Wert von 70 Euro
benötigt.
Tabelle 3: Gewichte der Variablen
Der Wert des Krisenmonitors verändert sich um 0,01 bei einer Veränderung der
jeweiligen Variable um…
Variable
Veränderung
Arbeitslosenquote
0,32 Prozentpunkte
BIP pro Kopf
143 Euro
Staatsverschuldung pro Kopf
71 Euro
Zinsniveau in Prozent
0,34 Prozentpunkte
Fazit
Die erstmalige Beanspruchung von externer Hilfe durch die GIPS-Staaten und
Zypern erfolgte bei einem Wert des Krisenmonitors zwischen -0,14 (Zypern) und
+0,13 (Spanien). In Griechenland, Irland, und Portugal zeigt sich relativ zum
höchsten Wert des Krisenmonitors im Jahr 2012 eine Verbesserung. Besonders groß
sind die Fortschritte in Griechenland und Portugal. Auch in den letzten beiden
Quartalen des Beobachtungszeitraumes setzte sich die Erholung fort. In Zypern
verschlechtert sich die Lage indes von Quartal zu Quartal, sodass der Krisenmonitor
aktuell sein höchstes Niveau erreicht hat. Alle diese Länder befinden sich weiterhin
im kritischen Bereich. Den eingeschlagenen Weg der Reformen weiter zu gehen ist
also dringend geboten. Bei der Betrachtung der großen und/oder wirtschaftlich
starken Volkswirtschaften ist zu erkennen, dass alle Ökonomien unter dem kritischen
Schwellenwert sind – mit Ausnahme von Italien. Zudem schwindet der Puffer
Frankreichs zunehmend. Insbesondere in Italien und Frankreich sollten deshalb der
Pfad der wirtschaftspolitischen Reformen weiter gegangen werden. Nur so kann das
Risiko für externe Hilfen, und damit der Destabilisierung des gesamten europäischen
Währungsraumes, entgegengewirkt werden. Auch in Deutschland ist es nicht an der
Zeit, sich auf dem Erreichten auszuruhen: Die Regierung muss das Land weiter
zukunftsfähig machen.
13
Literatur
Arestis, Philip / Sawyer, Malcolm C., 2012, The Euro crisis, International papers in
political economy, Houndmills, Basingstoke, Hampshire, New York, NY
BUSINESSEUROPE, 2014, Reform Barometer, Brüssel
Dauderstädt, Michael, 2014, Konvergenz in der Krise. Europas gefährdete
Integration, Berlin
Demary, Markus, 2014, IW-Bankenmonitor: Bringt die Bankenprüfung der
Europäischen Zentralbank das Vertrauen in den Euroraum zurück?, in: IW Trends,
Nr. 1, S. 33–48
Demary, Markus / Matthes, Jürgen, 2013, EZB auf Abwegen? Teil 1: Die
unkonventionelle Geldpolitik der EZB – eine Bestandsaufnahme, IW Policy Paper,
Nr. 13, Köln
Goecke, Henry, 2013, Europa driftet auseinander – Ist dies das Ende der
realwirtschaftlichen Konvergenz?, in: IW Trends, Nr. 4, S. 67–80
Heise, Michael, 2013, Emerging from the Euro debt crisis. Making the single
currency work, Berlin, New York
Wolff, Guntram / Cline, William R. 2012, Resolving the European debt crisis,
Washington, DC
Herunterladen