BUSINESS EXCELLENCE Verhandlungshorizonte erweitern Ethik führt zum Erfolg Von Theo H. Koch Wie kommt wieder Schwung in festgefahrene Verhandlungen? Um zu einer Lösung zu gelangen, sollten Verhandlungspartner eine solche Situation gar nicht erst entstehen lassen. Auch in der Verhandlung ist Prävention das wirkungsvollste Heilmittel. E rfolgreiches Verhandeln ist eine alltägliche Tätigkeit. Sie ist in bedeutenden Situationen wie Tarifverhandlungen oder Gesprächen über politische Koalitionen offensichtlich. Wir verhandeln jedoch immer. Schon wenn ein Kind um Taschengeld feilscht, wohin die Familie in die Ferien fährt, wenn Sie mit Ihrem Nachbarn eine Grenzbepflanzung aushandeln oder wenn Sie mit einer Behörde über die Auslegung der Vorschriften verhandeln, sind das normale mehr oder weniger professionelle Verhandlungen. Zufriedenheit auf beiden Seiten Erfolgreiche Verhandlungspartner sind weder kaltblütig noch hart, sondern setzen sich verständnisvoll – hart, aber fair – für ihren Verhandlungshorizont ein. Gute Verhandlungen sind faszinierende Gespräche zwischen Men- Dipl. Ing. Theo H. Koch, Inhaber der B&T Transfer GmbH, Veranstalter von Seminaren zur Verhandlungspraxis (muttersprachlich und englisch), Postfach 143, CH-9008 St.Gallen, Tel. +41 (0)78 851 04 59, [email protected] 14 schen, die sich schätzen. Positionen werden bezogen auf Aktionen eingeleitet, um Schritt für Schritt den Verhandlungshorizont der Parteien zu bereichern. Menschen sind so unterschiedliche Individuen, die nie das Gleiche wollen. Es gibt meist Hart, aber fair wenig gleiche Standpunkte. Die Sache aus anderem Blickwinkel zu betrachten, ist selbstverständlich. Akzeptieren wir also von vorneherein diese unterschiedlichen Sichtweisen und den festen Willen, zu einer Einigung zu kommen, bei der jeder Verhandlungspartner einen Nutzen für sich generiert. Ein wirklich guter Verhandlungspartner schlägt niemanden übers Ohr, sondern wird immer die legendäre Winwin-Situation herbeiführen. Und: Die Verhandlungspartner müssen vor, während und nach der Verhandlung ein gutes Gefühl haben. Menschen wollen nicht alle dasselbe Wir neigen dazu anzunehmen, dass andere dieselben Dinge möchten, die wir wollen. Tatsache ist, dass alle Menschen verschiedene Ansichten über die meisten Dinge haben. Zwei Menschen können ein und dieselbe Sache betrachten und dennoch unterschiedlicher Meinung sein. Erfolgreiche Verhandlungspartner versuchen einen Standpunkt auf der anderen Seite einzunehmen und setzen sich «auf den Stuhl des Gegenübers». Sie spekulieren, was der anderen Seite einen Nutzen bringen kann, ohne selbst zu vergessen, wo ihre eigene Position ist, um davon nicht abweichen zu müssen. Erfolgreiche Verhandlungspartner ergründen den Verhandlungshorizont, um zu tragbaren Lösungen zu gelangen. Statt Verhandlungen nur von unserer Seite aus zu betrachten, sollten wir zu einer offenen Sichtweise kommen. Betrachten Sie die Situation aus der Sicht des Verhandlungspartners und stellen Sie daraus die Vorteile Ihres Angebotes dar; zum Beispiel bisherige Lösungen, Leistungen des Mitbewerbers, Innovation. Verkäufer in Seminaren erzählen, sie seien in einer viel schlechteren Position als Einkäufer. Die Einkäufer widersprechen, denn auch sie sind an Bedingungen gebunden. Wenn sie bestimmte Waren nicht zu einer definierten Qualität zum richtigen Zeitpunkt beschaffen, kann sie das genauso den Job kosten wie einen Verkäufer, der seine Vorgaben nie erreicht. Jeder ist ein Sieger Der jeweilige Verhandlungshorizont schliesst eine kreative Einigung ein – einen Kompromiss, der im Horizont aller beteiligten Parteien Platz hat. Alle Verhandlungsparteien sollen zufrieden sein, indem jeder erhält, was er will. Verhandlungen sollten von beiden Seiten fair geführt werden. Einer Mannschaft macht es nicht so viel aus, ein Spiel zu verlieren, Offene Sichtweisen wenn der Gegner fair nach den Regeln gespielt und gewonnen hat. Die Forderung, nicht anders als fair behandelt zu werden, ist ein gegenseitiges Verhalten, das in erfolgreichen oder wertvollen Verhandlungen zur Tagesordnung gehört. Gegenüber anerkennen Beiden Seiten sollte etwas am Verhandlungshorizont der anderen Partei liegen. Sie hätten gerne, Anzeige dass die andere Seite Ihnen zuhört und Ihre Bedürfnisse versteht und berücksichtigt. Wenn Ihr Gegenüber diesen Eindruck auch von Ihnen hat, haben Sie die MQ Management und Qualität 5/2010 BUSINESS EXCELLENCE richtige Situation hergestellt. Die Menschen zu achten und hart in der Sache zu bleiben, eröffnet alle Möglichkeiten, eine Verhandlung sauber in jeder Richtung abzuschliessen. Wenn eine Verhandlung zu einem guten und fairen Abschluss gekommen ist und jedem einen Nutzen gebracht hat, sind beide wieder gerne zu einer neuen Win-win-Verhandlung bereit. Im Geschäftsleben heisst das, an einer Kundenbindung oder einem neuen Geschäft interessiert zu sein. Macht im Verhandlungshorizont Verhandlungen werden durch den Faktor Macht beeinflusst. Wann immer jemand Macht über Sie ausüben kann, beeinflusst das unser Verhalten und dadurch die Ergebnisse. Wobei: Macht in der Verhandlung einzusetzen, kann durchaus sinnvoll sein. Denn das Gefühl der Macht ist die Fähigkeit, andere zu beeinflussen. Nur der Machtmissbrauch schadet in allen Lebenslagen. Finde heraus, wie die nachstehenden acht Machtelemente bisherige Verhandlungen beeinflusst haben und was in aktuellen Verhandlungen zu tun ist. Machtfaktor Beschreibung Auswirkung auf Verhandlung Legitime Macht Macht, die von einem Titel oder einer Position herrührt. Wenn Ihnen ein Titel Macht verleiht, nutzen Sie diese Macht in der Verhandlung. Suchen Sie auch nach Wegen, auf denen Sie Ihre Macht unterstreichen können, lassen Sie zum Beispiel eine Assistenz die Anrufe erledigen. Andererseits lassen Sie sich nicht von den Titeln derjenigen beeinflussen, mit denen Sie verhandeln. Macht durch Belohnen Macht, die sich durch die Fähigkeit zu belohnen ergibt. Seien Sie sich dessen bewusst, wenn eine unausgesprochene Belohnung in einer Verhandlung geboten wird. Sobald Sie die Methode «Macht durch Belohnen» begreifen und sich dessen bewusst sind, können Sie ihren Einfluss in der Verhandlung umgehen. Macht durch Bestrafen Macht, die sich aus der Fähigkeit ergibt, Strafen zu erteilen. Seien Sie sich dessen bewusst, wenn jemand die Macht hat, Sie zu bestrafen. Bestrafung kann einfach die Fähigkeit bedeuten, Sie zu beschämen oder einzuschüchtern. Ein Verkäufer muss sich darüber im Klaren sein, dass der Käufer nicht über die Macht verfügt, in einer Verkaufssituation zu belohnen oder zu bestrafen. (Manchen Kunden wünscht man dem Mitbewerber). Bezugnehmende Macht Macht, die sich auf jeden bezieht, der ein festes Wertesystem besitzt. Wer Beständigkeit vermittelt, wird eher respektiert und akzeptiert. Vorgesetzte mit «So und nicht anders»-Werten erfahren, dass ihnen Mitarbeiter trotz anderer Meinung die Stange halten. In Verhandlungen sollten Sie diesen Sinn für Beständigkeit vermitteln und sich einen Ruf für beständige Werte erwerben. Charismatische Macht Diese Macht ist die Fähigkeit, andere aufgrund der eigenen Persönlichkeit zu beeinflussen. Film- und Fernsehstars und manche Politiker sind Beispiele für Menschen mit solcher Macht. Seien Sie sich dessen bewusst, wenn Sie diese Macht besitzen oder diese Macht gegen Sie eingesetzt wird. Macht des Experten Menschen, die über mehr Wissen hinsichtlich einer bestimmten Situation verfügen, besitzen die Macht des Experten. Geben Sie der Person, mit der Sie verhandeln, zu verstehen, dass die Situation kompliziert ist, dass Sie jedoch über das notwendige Wissen verfügen, um in der Angelegenheit helfen zu können. Er wird sich Ihrem Urteil beugen. Wenn Sie bezugnehmende und charismatische Macht sowie Macht des Experten miteinander kombinieren, können Sie eine Verhandlung beinahe vollständig kontrollieren. Situationsbezogene Macht Die Macht, die ein Mensch, der sich in einer bestimmten Situation befindet, besitzt. Diese Macht erkennen wir oft bei Menschen in grossen Bürokratien. In einem begrenzten Rahmen besitzen sie Macht, die sie ausnutzen. Wenn Sie mit jemandem verhandeln, der über situationsbezogene Macht verfügt, versuchen Sie mit ihm zurechtzukommen, indem Sie diese Macht anerkennen. Dann bewegen Sie sich auf ein anderes Gebiet zu, auf dem Sie mehr Kontrolle haben. Macht durch Information Informationen zu teilen, schafft eine Verbindung, während das Zurückhalten eher einschüchtert. Eine in Führungspositionen gerne genutzte Macht. In Verhandlungen ist das Bewusstsein wichtig, dass Informationen dazu benutzt werden, zu beeinflussen. Informationsmacht kann starke Kontrolle über Sie ausüben. Der Preis ist nicht alles Der Preis ist eine Sache des Produktes und des Gesamtnutzens, den man aus einem Produkt erzielt. Einkäufer bestätigen in meinen Seminaren, dass sich Verkäufer auf dem Holzweg befinden, die nur noch den Preis, den Preis und nochmals den Preis als Allheilmittel für erfolgreiches Verkaufen sehen. Ausser dem Preis gibt es jedoch noch viele andere Dinge, die wichtig sind. Bieten Sie Gegenseitige Wertschätzung klare, individuelle Lösungen mit Mehrwert. Die Nutzendarstellung ist das Ergebnis der Preisargumentation. Der Wert eines Produktes ist der Massstab dafür, ob die Verhandlungspartnerinnen und Verhandlungspartner mit der Leistung beziehungsweise der Lösung zufrieden sind. Verhandlungsphasen Verhandlungen durchlaufen bestimmte Phasen. Die drei wichtigsten sind: 1. Aufstellen der Kriterien Finden Sie genau heraus, was die andere Seite erwartet, und artikuMQ Management und Qualität 5/2010 lieren Sie klar, was Sie möchten. Transparenz in der Erwartungshaltung ist die beste Basis für die weiteren Gespräche. So können Sie sich am ehesten auf dem Pfad des brennendsten Problems und der Darstellung des Nutzens weiterbewegen. 2. Beschaffen und austauschen von Informationen Um sich optimal in Ihr Gegenüber hineinversetzen zu können, sollten Sie möglichst umfangreich über die Frage- beziehungsweise Problemstellung informiert sein. Sie erhalten die notwendigen Informationen am ehesten, in- dem Sie fragen. Damit offenbaren Sie gleichzeitig, wie ernst Sie Ihre Rolle als «Problemlöser» nehmen. 2. Hart, aber fair in der Sache. 3. Gekonnt Schachzüge und Machtverhalten anwenden beziehungsweise kontern. n n 3. Bewegen Sie sich auf einen Kompromiss zu Wenn Kriterien fest- und Informationen vorliegen, besitzen Sie das notwendige «Rohmaterial», um daraus eine Einigung zu schmieden. Die Gestaltung eines gemeinsamen Verhandlungshorizonts beinhaltet: n 1. «Den Kompromiss», eine Lösung, die beide nicht wollen, jedoch damit leben können. Die Win-win-Situation! Win-win-Situation schaffen 4. Ethisch anspruchsvolles Verhalten den Menschen gegenüber. n 5. Kulturkreise in die Überlegung einbeziehen, damit unter den Verhandlern vor, während und nach der Verhandlung das gute Gefühl überwiegt. n n 15