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ZUEKU_04_2013.book Seite 253 Montag, 24. Juni 2013 2:52 14
Züchtungskunde, 85, (4) S. 253–269, 2013, ISSN 0044-5401
© Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart
Original Article
Chancen und Grenzen der Hornloszucht für die Rasse Deutsche
Holstein
D. Segelke1, H. Täubert1, F. Reinhardt1 und G. Thaller2
Zusammenfassung
Ziel dieser Arbeit war es, die Chancen und Grenzen der Hornloszucht aufzuzeigen. Mittels
der innovativen Methode Imputation besteht die Chance mit geringer Fehlerrate zusätzliche, im Herdbuch nicht als hornlos identifizierte Tiere zu ermitteln. Hierdurch wird die
genetische Basis verbreitert. Es stehen somit zusätzliche Tiere für die Selektion zur Verfügung. Ebenso können mittels der SNP-Typisierung frühzeitig Zuchtwerte und rezessive
Erbfehler ermittelt und in den Selektionsschritten berücksichtigt werden. Der wichtigste
begrenzende Faktor für eine Intensivierung der Zucht auf hornlose Tiere ist, dass nur
zwei „Hornlos-Vererber“ und deren direkte Nachkommen mit guten Zuchtwerten in
Leistungs- und funktionalen Merkmalen für die Holstein Friesian Zucht verfügbar sind.
Mittels verschiedener Simulationsszenarien wurden die Auswirkungen verschiedener
Anpaarungsstrategien auf die Frequenz des gewünschten Allels, der Zuchtfortschritt der
männlichen Tiere sowie der Kuhpopulation und die Entwicklung der Inzucht betrachtet.
Es zeigt sich, dass für SNP-typisierte Tiere eine Selektion auf den imputierten HornlosGenotyp die beste Möglichkeit darstellt, um die Frequenz des Hornlosalleles zu steigern
und gleichzeitig den Zuchtfortschritt aufrecht zu erhalten. Falls keine Typisierung vorliegt, ist eine Selektion auf den Phänotyp ratsam.
Schlüsselwörter: Hornlos, Imputation, Holstein Friesian, Zuchtprogramme, genomische
Zuchtwertschätzung
Summary
Chances and limits of breeding polled cattle Deutsche Holstein
Goal of this study was to investigate chances and limits of breeding polled cattle. Based
on the new innovative method of imputation there is a possibility to identify additional
polled animals in the herdbook with a low error rate. This can be used to extend the
genetic base and additional animals for selection are available. Analyzing SNP-genotypes
gives information on breeding values and recessive gene-defects, which can be considered
in the different selection steps. The biggest limitation for an intensive breeding on polled
animals at the moment is the use of two polled sires and their direct offspring with high
breeding values in performance and functional traits.
1
Vereinigte Informationssysteme Tierhaltung w.V. (vit), Heideweg 1, 27283 Verden, E-Mail:
[email protected], [email protected], [email protected]
2 Institut für Tierzucht und Tierhaltung Christian-Albrechts-Universität, Olshausenstraße 40,
24098 Kiel, E-Mail: [email protected]
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D. Segelke, H. Täubert, F. Reinhardt und G. Thaller
Different simulations were performed to analyze the consequences of different breeding strategies on the frequency of the desired polled allele, the genetic gain in male and
female animals as well as the development of inbreeding. It can be shown how the selection of the homozygote polled genotype for already SNP-genotyped animals is the most
effective way to increase the polled-allele in the population with simultaneous increase
of genetic gain. For non-SNP-genotyped selection on the phenotype is sufficient, genotyping the polled status is not mandatory.
Keywords: Polled, imputation, Holstein Friesian, breeding programs, genomic evaluation
1 Einleitung
Tierwohl und Hornlosigkeit sind im öffentlichen Diskurs, welcher nicht erst seit der
geplanten Novellierung des Tierschutzes und der Düsseldorfer Erklärung zur Verstärkung der Zucht auf Hornlosigkeit in der Rinderhaltung an Bedeutung gewinnt, untrennbar miteinander verbunden.
Der unbestreitbare Vorteil hornloser Rinder besteht in der verringerten Verletzungsgefahr für Menschen und Artgenossen. Um den Ansprüchen seitens des Verbrauchers,
der Politik und zuallererst des Tierwohls gerecht zu werden, bietet neben dem Enthornen
unter Schmerzbehandlung die Zucht auf hornlose Rinder eine Alternative. Aus historischen Darstellungen ist ersichtlich, dass hornlose Tiere in allen Rinderrassen mit hoher
Frequenz vorhanden waren. Es gilt die Frage zu beantworten, ob und wie schnell in den
Rinderrassen wieder auf ein seit Jahrtausenden existierendes natürliches Erscheinungsbild des Hausrindes gezüchtet werden kann.
Vorteilhaft für die gezielte Verbreitung der Hornlosigkeit ist die Dominanz des Hornlosalleles (Dove, 1935), welches auf Chromosom eins lokalisiert ist (Medugorac et al.,
2012). Um die Verbreitung zu forcieren, ist die eindeutige Identifikation des Allelstatus
der Tiere erforderlich. Da herkömmliche Verfahren wie die rein phänotypische Notation
im Herdbuch fehleranfällig sein können, stellt das neue Verfahren der erbgutbasierten
Datenerhebung eine zusätzliche und zuverlässige Option dar, den Hornstatus von Tieren
eindeutig zu ermitteln. Die verzahnte Nutzung von herkömmlichen und innovativen
Anwendungen erlaubt neben einer Steigerung der Sicherheit der Informationen auch
eine signifikante Steigerung der Anzahl bekannter und damit für die Zucht verfügbarer
Tiere.
Ziel dieser Arbeit war es, den Hornstatus anhand des Illumina BovineSNP50 Chips vorherzusagen, um die genetische Basis für die Zucht auf Hornlosigkeit zu verbreitern und
optimale Anpaarungsstrategien zu entwickeln.
2 Material und Methoden
Die Vorhersage des Hornstatus beruht auf einer Lernstichprobe, die sich aus gehörnten
(pp), heterozygot nicht gehörnten (Pp) und homozygot nicht gehörnten (PP) Tieren
zusammensetzt. Auf Chromosom 1 wurde in der Region des Hornlosgens (Medugorac
et al., 2012) ein zusätzlicher Marker hinzugefügt. Dieser enthielt den umcodierten Herdbucheintrag für PP und Pp Tiere. Für pp Tiere wurde mittels Pedigreeanalyse ein seit
mehreren Generationen ausschließliches Vorhandensein von gehörnten Tieren sichergestellt. Für diese Tiere war in der Regel kein Herdbucheintrag vorhanden.
Mittels Imputations-Programmen konnte für Tiere, für die kein Eintrag im Herdbuch
vorlag, dieser fehlende Marker vorhergesagt werden. Imputation bedeutet, dass Haplo-
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typen, beispielsweise mittels populationsweitem linkage disequilibrium (LD) (Browning
und Browning, 2007, 2010) oder familienweitem linkage (VanRaden et al., 2011) anhand der Lernstichprobe abgeleitet werden können. Die hieraus gewonnenen Informationen sind auf eine Kandidaten- beziehungsweise Validierungspopulation übertragbar.
Große Bedeutung hat das Imputatieren in der Hochrechnung von sogenannten low
density Chips, welche nur eine Dichte von 6K single nucleotide polymorphisms (SNP)
besitzen, auf den routinemäßig verwendeten 50K Chip. In vorhergehenden Studien
konnte gezeigt werden, dass diese Art des Imputens mit geringer Fehlerrate möglich ist
(Segelke et al., 2012).
2.1 Statistische Auswertung und Datengrundlage
Die nachstehenden Berechnungen basieren auf 69 SNP im Bereich von 0,7 bis 4,0 Megabasen (BTAU 4.0) des Chromosoms 1 (Cargill et al., 2008). Die SNPs liegen alle auf
dem Illumina BovineSNP50 Chip und werden in der routinemäßigen Zuchtwertschätzung des vit berücksichtigt (Liu et al., 2011). Insgesamt lagen für 60.368 Tiere SNP
Informationen aus der genomischen Zuchtwertschätzung (Stand August 2012) vor.
Die Lernstichprobe für die Vorhersage des Hornstatus setzte sich auf Grund von Herdbuchinformationen aus 417 heterozygot und 20 homozygot hornlosen Tieren zusammen.
22.834 typisierte Tiere konnten mittels Pedigreeanalyse als gehörnt identifiziert werden.
Bei 37.097 Tieren war der Hornstatus unbekannt. Tiere, die im Herdbuch mit Wackelhorn (S) eingetragen waren, wurden nicht in die Lernstichprobe aufgenommen. Phänotypisch hornlos registrierte Tiere (P) wurden als Pp Tiere in der Lernstichprobe betrachtet.
Für die Imputation wurde das Softwarepaket Beagle (Version 3.3; Browning und
Browning, 2010) verwendet.
Zur Beschreibung des Zuchtniveaus der mittels Herdbuch und Imputation identifizierten Tiere wurden die genomisch unterstützen Zuchtwerte (gZW) (Liu et al., 2011;
Seefried et al., 2010) mit Stand August 2012 herangezogen.
Eine Überprüfung bezüglich Hardy-Weinberg-Gleichgewicht (Falconer, 1984) für den
Hornstatus erfolgte für beide Geschlechter der Rassen Rotbunt und Schwarzbunt.
Die genetische Diversität der gehörnten und hornlosen Tiere wurde mittels der Inzuchtkoeffizienten aus dem Pedigree sowie mit Hilfe der genomischen Inzuchtkoeffizienten analysiert. Da nur für rotbunte Tiere der Jahrgänge 2008 bis 2012 (n = 3.946
Tieren) hinreichend hornlose Tiere zur Verfügung standen, wurde für diese Tiere das
Pedigree mittels des Softwarepaketes PEDIG (Boichard, 2002) analysiert. Die Pedigreedatei setzte sich aus den 3.946 Tieren und deren 22.708 Vorfahren zusammen. Die Tiere
der Jahrgänge 2008 bis 2012 gingen auf 297 verschiedene Väter und 2.383 verschiedene
Mütter zurück. Bei neun Tieren war der Vater unbekannt, bei drei Tieren die Mutter. Im
Durchschnitt hatten die Tiere über neun Generationen eine bekannte Abstammung.
5% der Tiere hatten ein Pedigree, das über mehr als 12 Generationen verfolgt werden
konnte. 1,5% der Tiere hatten ein Pedigree, das weniger als vier Generationen umfasste.
Die genomische Verwandtschaftsmatrix zur Berechnung der genomischen Inzuchtkoeffizienten wurde nach der von VanRaden (2008) beschriebenen Methode aufgestellt. Die
Allelfrequenzen der Basispopulation wurden nach der Methode von Gengler et al.
(2007) geschätzt. Die genomische Verwandtschaftsmatrix wurde auf die Pedigree Verwandtschaftsmatrix skaliert.
Die unbewusste Anreicherung genetischer Erbdefekte, die eine Folge eines verstärken
Einsatzes einzelner dominierender Vererber sein kann, wurde mittels der Haplotypen
HH1, HH2 und HH3 (VanRaden et al., 2011) beispielhaft analysiert. HH1, HH2 und HH3
stellen drei Haplotypen dar, die bei homozygoten Vorkommen zum Absterben des
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Embryos führen und sich somit negativ auf die Fruchtbarkeit auswirken. Lokalisiert sind
diese drei Haplotypen auf den Chromosomen fünf, eins und acht (VanRaden et al.,
2011). Um die drei Haplotypen zu detektieren wurde überprüft, welcher Haplotyp in der
jeweiligen Genomregion nicht homozygot auftrat.
2.2 Validierung des Verfahrens
Anhand einer Validierungsstudie sollte die Vorhersagekraft des Imputationsverfahrens
ermittelt werden. Hierfür wurde die aus 23.271 Tieren bestehende Lernstichprobe
geteilt. Die 75% ältesten Tiere stellten die neue Lernstichprobe dar. Die 25% jüngsten
Tiere bildeten die Validierungsgruppe. Unter den 17.452 Tieren der reduzierten Lernstichprobe waren zirka 1% der Tiere hornlos (165 Tiere Pp, 11 Tiere PP), unter den Validierungstieren waren 4,5% der 5.816 Tiere hornlos (241 Tiere Pp, 9 Tiere PP). Nach dem
Imputatieren wurde für die Validierungstiere der bekannte Herdbuchstatus mit dem
Imputationsergebnis verglichen und hieraus die Fehlerrate, welche das Verhältnis von
falsch imputierten Tieren zu allen Tieren angibt, berechnet.
2.3 Simulation hornloser Zuchtprogramme
Um die Auswirkungen einer konsequenten Umstellung der Zucht auf Hornlosigkeit zu
analysieren, wurden verschiedene Zuchtszenarien simuliert. Abbildung 1 zeigt ein rein
genomisches Zuchtprogramm, wie es bei Täubert et al. (2011) beschrieben wird. Hierbei
wird auf Wartebullen verzichtet. Stattdessen werden genomisch selektierte Jungbullen
ab einem Alter von 15 Monaten eingesetzt. Basis für die Zucht ist eine Kuhpopulation mit
250.000 Kühen unter Milchkontrolle. Aus deren Nachkommen werden je nach Szenario
die 500 besten Tiere nach Zuchtwert oder Genotyp selektiert. Hieraus werden wiederum
30 Bullen selektiert und als Vererber in der Population eingesetzt. Ein Bulle wird als
250000 Milchkühe unter Milchkontrolle
Bullenväter
95%
500 typisierte Bullenkälber
30 Vererber
5%
1 WE-Vererber
Kuhväter
94%
6%
Abb. 1. Schema eines rein genomischen Zuchtprogramms, jeder Pfeil symbolisiert eine Selektionsentscheidung
Scheme of a genomic breeding program, each arrow represents a selection step
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Wiedereinsatzbulle beibehalten. Um einen möglichst hohen Zuchtfortschritt in allen
Szenarien zu erzielen, sind 95% der Bullenväter junge genomisch untersuchte Tiere. 5%
der Bullen gehen auf Wiedereinsatzbullen zurück. Als Kuhväter dienen zu 94% junge
genomisch selektierte Bullen und zu 6% Bullen aus dem Wiedereinsatz.
Für die Kuhpopulation wurde in der Ausgangsgeneration ein mittlerer Zuchtwert von
0 sowie eine Streuung von 1 angenommen. Die Überlegenheit der Besamungsbullen
wurde simuliert, indem aus einer Anfangspopulation von 500 Bullen mit einem mittleren
Zuchtwert von 0 und einer Streuung von 1 die 30 besten Bullen selektiert wurden. Als
Frequenzen der Genotypen wurden die Tiere der Jahrgänge 2008 bis 2010 gewählt, da
unterstellt wird, dass diese Tiere aktuell zur Zucht eingesetzt werden. Für männliche
rotbunte Tiere betrugen die Genotypfrequenzen der Ausgangspopulation PP 0,44%;
Pp 8,43% und pp 91,13%. Für weibliche Tiere betrugen die Genotypfrequenzen PP 0,47%;
Pp 7,67% und pp 91,86%.
Die Sicherheit der Kuhzuchtwerte betrug 50%. Die Sicherheit der Zuchtwerte der Vererber betrug 89% und die der Wiedereinsatzvererber 99%. Der Zuchtwert des jeweiligen
Tieres setzte sich aus dem wahren Zuchtwert, einem Mendelian Sampling Teil und einem
zufälligen nicht heritablen Rest zusammen. Grundsätzlich wurde keine Verpaarung stark
verwandter Tiere zugelassen. Die nächste Vererbergeneration wurde immer nach Zuchtwert ausgewählt, da unterstellt wurde, dass in einem praktischen Zuchtprogramm die
Vererber stets nach Gesamtzuchtwert selektiert werden.
Insgesamt wurden fünf Szenarien miteinander verglichen. Im ersten Szenario (A)
wurden zur Erzeugung der neuen Bullenmüttergeneration die Bullen und Kühe assortativ angepaart. Entsprechend wurde jeweils der beste Bulle ohne Berücksichtigung des
Genotyps an die beste Kuh angepaart.
Im zweiten Szenario (A + BM) wurden zusätzlich zu den 500 Bullenmüttern, die nach
Zuchtwert ausgesucht wurden, 100 weitere Bullenmütter nach Hornlos-Genotyp ausgewählt. Entsprechend waren dies vorwiegend homozygot hornlose Tiere.
Im nächsten Szenario (G) wurden die Bullenmütter generell nach dem Hornlos-Genotyp ausgewählt. Dies bedeutet, dass vor allem homozygot hornlose Tiere zur Anpaarung
verwendet wurden, unabhängig von deren Zuchtwert. Wenn nicht genügend hornlose
Tiere zur Verfügung standen, wurden zusätzlich heterozygot hornlose Tiere verwendet.
Im vierten Szenario (GA) wurden die Tiere abermals nach Genotyp ausgewählt. Innerhalb des Genotypes wurde zusätzlich nach Zuchtwert sortiert, sodass nur die genetisch
besten hornlosen Tiere verwendet wurden.
Im letzten Szenario (P) wurden die Bullenmütter nach Phänotyp selektiert. Dies bedeutet, dass die Tiere hornlos waren, jedoch keine Unterscheidung in heterozygot oder
homozygot hornlos getroffen wurde. Innerhalb des Phänotyps wurden die potenziellen
Bullenmütter nach ihrem Zuchtwert sortiert.
Jedes Szenario wurde 200mal wiederholt und hieraus die mittlere Allelfrequenz P, die
mittleren Zuchtwerte der männlichen und weiblichen Tiere sowie die Entwicklung der
Inzucht über 15 Generationen hinweg betrachtet.
3 Ergebnisse
3.1 Imputation der Validierungstiere und der Kandidaten
Obwohl der Anteil der hornlosen Tiere in der Validierungsstichprobe deutlich höher war
als in der Lernstichprobe, wurden von 5.816 Validierungstieren nur 12 Tiere falsch vorhergesagt. Dies entspricht einer Fehlerrate von 0,2%. Tabelle 1 stellt die Einträge des
Herdbuches den Ergebnissen der Imputation gegenüber. Alle PP Tiere wurden richtig
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D. Segelke, H. Täubert, F. Reinhardt und G. Thaller
Tab. 1. Gegenüberstellung der Herdbucheintragungen und der Imputationsergebnisse für Validierungstiere
Comparison of herdbook entries and imputation results of validation animals
Herdbucheintrag
5.555 pp*
184 Pp
9 PP
68 P
Imputed pp
Imputed Pp
Imputed PP
5.554
5
–
3
1
176
–
65
–
3
9
–
* Ermittlung auf Grund der Pedigreeinfomationen
identifiziert. Der deutlichste Unterschied zwischen dem Ergebnis im Herdbuch und dem
Imputations-Ergebnis ist bei den heterozygoten hornlosen Tieren zu finden.
Tabelle 2 gibt die Ergebnisse der Vorhersage des Hornstatus für Kandidaten wieder.
Von 37.097 möglichen Tieren wurden 18 als homozygot hornlos und 545 als heterozygot
hornlos identifiziert. Der Anteil hornloser Tiere an allen Kandidatentieren lag bei 1,5%
und entsprach damit etwa dem Anteil hornloser Tiere im Referenzdatensatz. Es zeigt
sich, dass mit Hilfe der Imputation die Basis für eine Zucht auf Hornlosigkeit mehr als
verdoppelt werden kann.
3.2 Beschreibung der Population
Imputation ist mit sehr geringer Fehlerrate möglich. Daher werden die Ergebnisse der
Imputation und die Eintragungen im Herdbuch zusammengefasst, sodass für alle SNPtypisierten Tiere ein Hornstatus vorliegt.
Tabelle 3 gibt die Verteilung der Tiere nach Geschlecht und Rasse für den jeweiligen
Hornstatus wieder. Außerdem sind die Allelfrequenz des rezessiven Allels p und das
Hardy-Weinberg-Gleichgewicht aufgeführt. Es zeigen sich große Unterschiede zwischen
den Rassen Schwarzbunt und Rotbunt. Bei den Schwarzbunten Tieren ist die Allelfrequenz des dominanten Hornlosgens (P) unter 0,01 gefallen. Es besteht kein Hardy-
Tab. 2. Ergebnisse der Vorhersage für Kandidatentiere
Results of prediction for candidates
Anzahl Referenztiere
Anteil hornloser unter den Referenztieren (%)
Anzahl Kandidatentiere
Imputed PP
Imputed Pp
Imputed pp
Anteil hornloser unter den Kandidatentieren (%)
23.271
1,9
37.097
18
545
36.534
1,5
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Chancen und Grenzen der Hornloszucht für die Rasse Deutsche Holstein
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Tab. 3. Verteilung des Hornstatus, der Allelfrequenz des rezessiven Allels p und des Hardy-WeinbergGleichgewichts aufgeteilt nach Rasse und Geschlecht
Distribution of polled status, allele frequencies of the recessive allele p and Hardy-Weinbergequilibrium by breed and sex
Männlich Schwarzbunt
Weiblich Schwarzbunt
Männlich Rotbunt
Weiblich Rotbunt
PP
Tiere
Pp
Tiere
pp
Tiere
11
7
10
8
313
124
372
145
41.781
11.724
4.620
981
Allelfrequenz Teilpopulation
p
im HWG1
0.996
0.994
0.960
0.929
Nein
Nein
Ja
Ja
1 Hardy-Weinberg-Gleichgewicht (p < 0.05)
Weinberg-Gleichgewicht. Bei den Rotbunten Tieren herrscht Hardy-Weinberg-Gleichgewicht. Allerdings ist auch hier die Allelfrequenz des Allels P als sehr gering einzuschätzen. Ebenfalls wird aus der Tabelle 3 ersichtlich, dass bei beiden Rassen der Anteil
weiblicher hornloser Tiere höher ist, als der der männlichen.
Abbildung 2 gibt die Entwicklung des Anteils heterozygot hornloser Tiere im Vergleich
zu allen Tieren für die beiden Rassen je Geburtsjahr wieder. Vor 2007 lag der Anteil
heterozygoter Tiere am gesamten Geburtsjahr in beiden Rassen bis auf wenige Ausnahmen unter 0,5 Prozent. Ab 2007 erfolgte in beiden Rassen ein deutlicher Anstieg der
heterozygoten Tiere. Allerdings fiel dieser bei den Rotbunten deutlich stärker aus. In den
aktuellen Geburtsjahrgängen liegt der Anteil heterozygoter rotbunter Tiere zehn Mal so
hoch wie der Anteil schwarzbunter heterozygoter Tiere. Der Anteil homozygot hornloser
Tiere liegt bei beiden Rassen deutlich unter einem Prozent. Allerdings ist auch hier der
Anteil bei den Rotbunten höher als bei den Schwarzbunten.
3.3 Verwandtschaft und Inzucht
72% der rotbunten hornlosen Tiere gehen auf sechs verschiedene Väter zurück, die mehr
als 20 typisierte Nachkommen haben. Mit 106 rotbunten hornlosen Nachkommen hat
der heterozygot hornlose rotbunte Bulle „Lawn Boy“, 2002 in den USA geboren, aktuell
die größte Bedeutung für die Hornlospopulation. Durch die genomische Selektion hat
sich das Generationsintervall verkürzt, mittlerweile wurde bereits die 2. Generation nach
„Lawn Boy“ geboren. Zwei „Lawn Boy“ Söhne weisen ihrerseits mehr als 90 typisierte
Nachkommen auf. Nach diesen Söhnen folgt der Bulle „Mitey“ und ein Sohn von „Mitey“.
„Magna P“, der auf die gleiche Mutter wie „Mitey“ zurückgeht, hat 21 typisierte Nachkommen. Als Muttersvater der hornlosen Tiere wurde 104mal „Lawn Boy“ eingesetzt. Bei
den anderen hornlosen Tieren wurden vor allem gehörnte Muttersväter eingesetzt.
„Lawn Boy“ ist zudem der einflussreichste Ahne der rotbunten hornlosen Tiere, die zwischen 2008 bis 2012 geborenen wurden. Sein Anteil an diesem Genpool macht 25% aus.
Bei den schwarzbunten hornlosen Tieren zeigt sich ebenfalls eine Dominanz von
„Lawn Boy“ und seinen Söhnen. Allerdings erhält hier der 2007 in Kanada geborene,
heterozygot hornlose schwarzbunte Bulle „Mitey“ mit 56 Nachkommen ein größeres
Gewicht als bei den Rotbunten. Auf der Muttersvaterseite wurde ähnlich wie bei den
rotbunten Tieren vor allem „Lawn Boy“ eingesetzt.
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D. Segelke, H. Täubert, F. Reinhardt und G. Thaller
Tabelle 4 zeigt die mittlere Verwandtschaft der rotbunten Tiere der Jahrgänge 2008
bis 2012, aufgeteilt nach dem Hornstatus. Es wird deutlich, dass die Verwandtschaft
zwischen Pp Tieren doppelt so hoch ist wie zwischen pp Tieren. Gleichzeitig besteht ein
deutlich engeres verwandtschaftliches Verhältnis zwischen PP und Pp Tieren als zwischen hornlosen und gehörnten Tieren.
Für die schwarzbunten Tiere der Jahrgänge 2008 bis 2012 lag die durchschnittliche
genomische Inzucht bei 5,06%. Es gab keinen signifikanten Unterschied zwischen gehörnten oder nicht gehörnten Tieren, jedoch einen solchen (P < 0,001) der Pedigreeinzuchtkoeffizienten zwischen pp und Pp Tieren. Während die gehörnten im Mittel einen
genomischen Inzuchtkoeffizenten von 5,06% hatten, betrug dieser bei Pp Tieren 4,71%.
Bei den rotbunten Tieren lag die mittlere Pedigreeinzucht sowohl bei den Pp (4,37%)
als auch bei den PP (5,34%) Tieren signifikant (P < 0,001) über der der pp (3,97%)
Tiere. Bei der genomischen Inzucht war nur zwischen pp und Pp Tieren ein signifikanter
(P < 0,001) Unterschied feststellbar. Tiere mit pp hatten hier eine mittlere Inzucht bei
4,14%, hingegen lag die Inzucht der Pp sogar mit 3,19% unter denen der pp Tiere.
3.4 Zuchtwerte
Abbildung 3 zeigt die Streuung und Mittelwerte des genomisch unterstützen RZG für
rotbunte und schwarzbunte Tiere, unterteilt in gehörnte und nicht gehörnte Tiere.
Vergleicht man die gZW der gehörnten (n = 25.302) mit denen der hornlosen schwarzbunten Tiere (n = 279) für die Geburtsjahrgänge 2008 bis 2012, weisen die gehörnten
Tiere einen signifikant (P < 0,001) besseren mittleren RZG von 124 und die hornlosen
Tiere einen mittleren RZG von 121 auf. Die Streuung in den Zuchtwerten ist bei den
hornlosen Tieren geringer als bei den gehörnten Tieren. Dies wird in den minimalen und
maximalen RZG deutlich. Während das beste gehörnte Tier einen RZG von 163 besitzt,
hat das beste hornlose Tier einen RZG von 142 und ist somit knapp zwei genetische
Standardabweichungen unterlegen. Bei den rotbunten Tieren zeigt sich eine signifikante
Überlegenheit (P < 0,05) der hornlosen Tiere im RZG. Während die gehörnten Tiere
einen mittleren RZG von 120 aufweisen, besitzen die hornlosen Tiere im Mittel einen
RZG von 122. Bei der Streuung der Zuchtwerte zeigt sich, ähnlich wie bei den schwarzbunten Tieren, dass, selbst bei einem wiederholten zufälligen sampeln aus der gehörnten
Stichprobe, die Streuung bei den hornlosen Tieren geringer ausfällt als bei den gehörnten Tieren. Der Unterschied zwischen dem besten gehörnten Tier und dem besten hornlosen Tier beträgt ungefähr eine halbe genetische Standardabweichung im RZG.
Betrachtet man die drei Fruchtbarkeitshaplotypen HH1, HH2 und HH3, lässt sich ein
signifikanter Zusammenhang zwischen den Haplotypen HH1 (P < 0,001), HH2 (P < 0,05)
Tab. 4. Mittlere Pedigreeverwandtschaftskoeffizienten zwischen und innerhalb PP, Pp und pp Rotbunter Tiere der Jahrgänge 2008 bis 2012
Mean pedigree relationship coefficient between and within PP, Pp and pp Red Holsteins of
birthyear 2008 to 2012
Hornstatus
PP
Pp
pp
PP
Pp
pp
0,102
0,088
0,048
0,088
0,085
0,049
0,048
0,049
0,047
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Chancen und Grenzen der Hornloszucht für die Rasse Deutsche Holstein
261
Abb. 2. Anteil Pp Tiere an allen typisierten Tieren, aufgeteilt nach Geburtsjahr
Proportion of Pp animals of all animals, listed by birthyear
und dem Hornstatus für beide Rassen und den Geburtsjahrgängen 2008 bis 2012 feststellen. Während bei HH2 die hornlosen Tiere beider Rassen eine geringere Verdachtshäufigkeit aufweisen, zeigt sich bei HH1 Haplotypen genau das Gegenteil. Bei der Rasse Rotbunt
liegt der Anteil der Pp beziehungsweise PP Tiere und Verdacht auf HH1 vier mal so hoch
wie bei den pp Tieren. Bei den schwarzbunten Tieren ist der Anteil der Pp Verdachtstiere
doppelt so hoch wie bei den gehörnten Tieren. Beim Haplotypen HH3 lässt sich für beide
Rassen kein Zusammenhang zwischen dem Haplotypen und dem Hornstatus feststellen.
3.5 Ergebnisse der Simulationsstudie
Zur Beschreibung der Wirkung der simulierten Zuchtprogramme wurden vier Ergebnisparameter analysiert. Die mittlere Allelfrequenz (P), die mittleren Zuchtwertentwicklungen getrennt nach eingesetzten Bullen und Kühen in der Gesamtpopulation sowie der
Verlauf der Inzuchtsteigerung je Generation.
Die Entwicklung der Allelfrequenz in der Gesamtpopulation ist in Abbildung 4 dargestellt. Die beiden Szenarien, die den Genotyp in der Bullenmütterselektion berücksichtigen (G, AG), zeigen den stärksten Anstieg der Frequenz des bevorzugten Allels (P)
mit einer nahezu vollständigen Fixierung nach ca. 12 Generationen. Im Szenario P wird
eine mittlere Erhöhung der Frequenz des erwünschten Allels erreicht. In den Szenarien
mit nahezu reiner Selektion auf den Zuchtwert (A, A + BM) werden kaum Verbesserungen der Allelfrequenz erreicht, wobei sich im Szenario A + BM der zusätzliche Einsatz
genotypisierter Bullenmütter gering positiv auswirkt. Die Anpaarungsstrategien bewirken, dass in der 2. Generation fast ausschließlich heterozygote Tiere erzeugt werden und
erst in den folgenden Selektionsschritten die Genfrequenz segregiert.
Der Einfluss der Selektion auf die Bullenzuchtwerte (Wiedereinsatz und Vererber) ist
in Abbildung 5 dargestellt. Bei Selektion auf den Zuchtwert (A, A + BM) sind die höchsten
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D. Segelke, H. Täubert, F. Reinhardt und G. Thaller
Abb. 3. Streuung und Mittelwerte des genomisch unterstützten RZG für Rot- und Schwarzbunte Tiere,
aufgeteilt nach Hornstatus für die Kandidatenjahrgänge 2008 bis 2012 (n = 33.837 Tiere)
Deviation and mean of the genomic enhanced RZG for Red and Black&White Holstein cattle, per
polled status for candidates born between 2008 and 2012 (n = 33.837 animals)
Zuchtfortschritte zu beobachten, gefolgt von Szenario P. Bei reiner Selektion auf den
Hornlos-Genotyp (G) sind die geringsten Zuchtfortschritte erkennbar, im Szenario AG
liegen sie in der Mitte.
Die Kuhzuchtwerte (Abb. 6) entwickeln sich im Vergleich der einzelnen Szenarien analog
zu der Entwicklung bei den Bullen. Da die simulierten Kuhzuchtwerte in der Ausgangspopulation einen Mittelwert von Null haben, sieht der Kurvenverlauf zu Anfang etwas anders
aus als bei den Bullen, die bereits am Anfang auf ein höheres Niveau eingestellt wurden.
Auch das erreichte Zuchtwertniveau nach 15 Generationen ist geringer als bei den Bullen.
Die Entwicklung der Inzucht in der simulierten Population wird in Abbildung 7 dargestellt. Durch die Simulation pendelt sich das Verwandtschaftsmodell innerhalb der Generationen zuerst ein. In der zweiten Generation existieren 30 große Halbgeschwistergruppen der zuerst eingesetzten Vererber. Im Laufe der weiteren Selektions- und Anpaarungsstrategie sinkt die hohe durchschnittliche Verwandtschaft ab, bis zu einem
Minimalwert in Generation fünf. Danach steigt die Inzucht innerhalb der Generationen
wieder an, je nach Szenario. Die Szenarien, bei denen die Bullenmütter nach Zuchtwert
rangiert werden, zeigen einen höheren Inzuchtgrad, als die Strategie G, bei der nur nach
Hornlos-Genotyp rangiert wird.
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Abb. 4. Entwicklung der Allelfrequenz P in der Gesamtpopulation für die fünf verschiedenen Szenarien über 15 Generationen
Development of allele frequency of P in the whole population for the 5 scenarios over 15
generations
Abb. 5. Zunahme des mittleren Zuchtwerts der Bullen über die 15 betrachteten Generationen und
der fünf verschiedenen Szenarien
Increase of mean breeding values of bulls over the investigated 15 generations and 5 scenarios
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Abb. 6. Verlauf der durchschnittlichen Zuchtwerte der Kuhpopulation über 15 Generationen und
der fünf verschiedenen Szenarien
Trend of mean breeding values of cows over the investigated 15 generations and 5 scenarios
Abb. 7. Entwicklung der mittleren Inzucht je Generation für die fünf verschiedenen Szenarien über
15 Generationen
Development of mean inbreeding per generation for the five scenarios over 15 generations
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4 Diskussion
Grundsätzlich ist die Imputation geeignet, nicht beobachtete Marker vorherzusagen.
Mehrere Studien zeigen (Chen et al., 2011; Segelke et al., 2012), dass Beagle nicht
beobachtete SNPs am genauesten vorhersagen kann.
Neben geringen Imputationsfehlern sind Fehler in der Erfassung von Herdbuchinformationen zu nennen. Vor allem die im Herdbuch als phänotypisch hornlos erfassten
Tiere stellen eine potenzielle Fehlerquelle im Imputationsprozess dar, da aufgrund dieser
Information keine eindeutige Identifikation als hetero- oder homozygotes hornloses Tier
möglich ist. Die Imputation des Hornstatus bietet neben dem Aufdecken nicht identifizierter hornloser Tiere zudem die Chance, die Herdbuchergebnisse zu überprüfen. Fehler
in der Eintragung oder Laborfehler wie Probenvertauschung können somit aufgedeckt
und zur Klärung an die Praxis zurückgegeben werden.
Für die schwarzbunten Tiere wurde keine Übereinstimmung zwischen erwarteter und
beobachteter Verteilung und dementsprechend kein Hardy-Weinberg-Gleichgewicht gefunden. Es verdeutlicht, dass eine Selektion gegen die Hornlosigkeit in den letzten Jahrzehnten, beziehungsweise Jahrhunderten, stattgefunden hat. Der beschriebene Sachverhalt, dass die hornlosen Tiere tendenziell den gehörnten Tieren im genetischen
Niveau unterlegen sind, findet sich auch in Lamminger et al. (2000) wieder. Hier wird
beschrieben, dass die hornlosen Tiere vor allem in den Leistungszuchtwerten Milch, Fett
und Eiweißmenge sowie Fettgehalt den gehörnten Tieren unterlegen waren. Hingegen
waren die hornlosen Tiere den gehörten Tieren im Fruchtbarkeitsbereich und Kalbeverhalten überlegen. Auch in dieser Arbeit zeigt sich, dass die hornlosen schwarzbunten
Tiere im Relativzuchtwert Fruchtbarkeit (RZR) den gehörnten Tieren überlegen sind. Die
mittleren gZW der hornlosen Tiere liegen in diesem Merkmal vier Punkte über denen der
gehörnten Tiere. Eine Erklärung für dies ist der Antagonismus zwischen Leistungs- und
Reproduktionsmerkmalen, sodass Tiere mit höheren Leistungszuchtwerten tendenziell
immer im Bereich der Fruchtbarkeit geringer abschneiden.
Generell ist anzumerken, dass die Analysen stets auf dem SNP Genoytpenpool basieren, der vor allem die Elite-Bullen und Bullenmütter repräsentiert. Hingegen sind über
die gesamte Kuhpopulation im Feld nur wenig Informationen bezüglich des Hornstatus
bekannt. Auf Grund der sehr geringen Frequenz in der SNP-typisierten Population ist davon auszugehen, dass die Zahlen dennoch repräsentativ für die Gesamtpopulation sind.
Während bei rotbunten Tieren die gefundenen Frequenzen der Fruchtbarkeitshaplotypen HH1 und HH2 mit 4,3%, beziehungsweise 4,8%, nahezu identisch zu VanRaden
et al. (2011) liegen (4,5% und 4,6%), zeigt sich bei den HH3 Trägern ein Unterschied von
3,5% zwischen den gefunden Trägerfrequenzen in der Rotbuntpopulation und in der
amerikanischen Population. Bei den schwarzbunten Tieren hingegen betragen die Trägerfrequenzen der HH1 und HH2 Träger in etwa die Hälfte der amerikanischen Population beziehungsweise der Rotbuntpopulation. Die HH3 Trägerfrequenz ist mit 7% höher
als bei VanRaden et al. (2011). Die Unterschiede zwischen der amerikanischen und deutschen Population sowie den Rassen ist durch verschieden starken Einsatz einzelner einflussreicher Trägerahnen zu begründen. Dieser starke Unterschied für HH1 zwischen gehörnten und nicht gehörnten Tiere lässt sich daraus erklären, dass ein häufig eingesetzter
Sohn von „Lawn Boy“ Träger dieses Haplotypen ist. Da er hornlos ist und gleichzeitig
gute Zuchtwerte besitzt, wurde er als Bullenvater eingesetzt und vererbt neben dem
Hornlos Allel den schlechten HH1 Haplotypen. Da dieser Bulle weniger in der Schwarzbuntpopulation eingesetzt wurde und auch sonst wenige Träger in der deutschen Population enthalten sind, entfällt hier der Anstieg.
Der starke Einsatz einzelner Bullen ist als kritisch einzustufen, da die Wahrscheinlichkeit der Anreichung genetischer Erbdefekte erhöht wird. Die Vergangenheit hat ge-
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zeigt, dass genetische Defekte wie CVM, BLAD (Schütz et al., 2008) oder Brachyspina
(Agerholm et al., 2006) vor allem durch den massiven Einsatz einzelner Bullen in der
Population angereichert werden. Problematisch sind die rezessiven Gendefekte, da sich
das Problem erst mit einer Verzögerung von mehreren Generationen manifestiert. Die
Wahrscheinlichkeit der Verpaarung zweier Trägertiere hängt vor allem von der Allelfrequenz in der Population ab. Da die genetische Basis der hornlosen Tiere allerdings nur
sehr wenige Tiere umfasst, fällt ein Ausschluss einzelner überlegener Tiere schwer.
Daher ist es ratsam, eine Verpaarung zweier Trägertiere zu vermeiden. Auch hier bietet
die SNP-Typisierung eine Chance, dem entgegenzuwirken, da grundsätzlich auch eine
Imputation rezessiver Erbfehler denkbar wäre und hierdurch kosteneffektiv Informationen über die Ausprägung weiterer Merkmale und Erbfehler generiert werden können.
In den Simulationen ist deutlich zu erkennen, dass die Selektionsstrategie einen klaren Einfluss auf die Entwicklung der Allelfrequenzen in der Gesamtpopulation hat. Je
konsequenter auf einen Genotyp selektiert wird, umso schneller erhöht sich die Frequenz
des Allels P. Bei dem vorliegenden dominanten Erbgang bewirkt selbst eine Selektion auf
den durch den Genotyp verursachten Phänotyp eine erfolgreiche Erhöhung der Frequenz
von P, die erwartungsgemäß in der Mitte der simulierten Szenarien liegt (Abb. 4).
Allerdings zieht die Praxis andere Selektionsstrategien vor. Hauptsächlich werden
Bullen aufgrund ihrer hohen Zuchtwerte vermarktet und nicht wegen eines einzelnen
Genotyps. In der Simulation sind daher die eingesetzten Bullen nur auf ihren Zuchtwert
selektiert. Die Berücksichtigung der Hornlosigkeit fand in der Selektion der Bullenmütter statt. Hier hat ein Zuchtverband direkten Einfluss auf die Auswahl und kann seine
Züchtungsstrategien anpassen.
Die Beobachtung der Zuchtwertentwicklung in den simulierten Szenarien ist besonders wichtig, da nur diejenigen mit einer erfolgreichen Zuchtwertentwicklung auch in
der Praxis Anwendung finden können. Unter dieser Voraussetzung sind die Szenarien
neu zu beurteilen.
Die reine Selektion auf homozygot hornlose Tiere (Szenario G) bewirkt zwar den oben
beschrieben Erfolg im untersuchten Genort, führt aber zum geringsten Zuchtfortschritt
in der Simulation. Das Szenario A ist in allen Fällen das Referenzszenario für den möglichen Zuchtfortschritt ohne zusätzliche Berücksichtigung der Hornlosigkeit. Dieses Szenario erzeugt auf Bullen- und Kuhseite den jeweils höchsten Zuchtfortschritt, führt aber
zu keinem Anstieg der Allelfrequenz von P.
Es sollte eine optimale Kombination aus erzielbarem Zuchtfortschritt und Verbesserung der Allelfrequenz von P gefunden werden. Aus diesem Grund wurden die drei
zusätzlichen Selektionsstrategien simuliert:
Das Szenario A + BM unterstellt eine weiterhin auf Zuchtwert ausgelegte Selektion, es
werden aber zusätzlich auf Hornlosigkeit typisierte Kühe selektiert. Das könnte zum
Beispiel durch eine Prämienzahlung des Zuchtverbandes zur gezielten Untersuchung
von Töchtern genetisch hornloser Bullen erfolgen, um diese als zusätzliche Bullenmütter
einsetzen zu können.
Der mittlere Zuchtwert der Bullen ist etwas höher als im Szenario A, da sich die Anzahl
der Bullenmütter und damit die Selektionsintensität auf diesem Pfad erhöht hat
(Abb. 5). Durch die zusätzlichen Typisierungen erhöht sich jedoch die Allelfrequenz P
nur geringfügig.
Das Szenario AG unterstellt die genaue Kenntnis des Genotyps aller Kühe. Aus den
Kühen mit dem Genotyp PP werden die mit dem höchsten Zuchtwert selektiert. Sind
weniger als 500 PP-Kühe vorhanden, wird die fehlende Menge mit den besten Pp-Kühen
ergänzt. Durch die erste Selektion auf den Genotyp wird in diesem Fall die gleiche Allelfrequenz wie im Szenario G erzielt, durch die weitere Unterselektion auf den Zuchtwert
ist der erzielte Zuchtfortschritt höher als im Szenario G, aber geringer als im Szenario A.
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Durch die vorherige Selektion nach Hornlos-Genotyp werden viele Kühe mit besonders
hohen Zuchtwerten nicht erfasst und das Zuchtwertniveau der selektierten Tiere ist
geringer. In Abbildung 5 lässt sich in dem Szenario G ein Rückgang der mittleren Zuchtwerte in Generation 2 erkennen, da die Selektion nach dem Genotyp am Anfang eine
Untergruppe PP-Kühe selektiert. Bullenmütter werden danach aus dieser Untergruppe
ausgewählt. Es wird nicht nach den Zuchtwerten dieser Untergruppe selektiert und
daher haben diese keine genetische Überlegenheit. Erst nach gezielter Anpaarung aus
dieser Generation sind Bullenmütter mit dem Genotyp PP genetisch besser als das Populationsmittel und ein Zuchtfortschritt auf der Bullenseite entsteht. Dieser Effekt tritt in
Szenario AG weniger stark auf, da hier nur die genetisch besten Kühe der Untergruppe
PP eingesetzt werden.
Das Szenario P setzt keinerlei Kenntnis über den genauen Genotyp der Kühe oder
Bullen voraus. Durch den dominanten Erbgang können Allelträger (PP, Pp) bereits am
Phänotyp erkannt werden. Hierdurch lassen sich die potenziellen Bullenmütter bereits
vorselektieren und aus dieser Untergruppe die genetisch besten auswählen. Dabei nimmt
man zwar den unbewussten Einsatz von heterozygoten Kühen in Kauf, kann aber die
Bullenmütter aus einer größeren Untergruppe selektieren als im Szenario AG. Hierdurch
erhöht sich die Selektionsintensität in den Leistungsmerkmalen. In Abbildung 6 kann
man die Auswirkungen dieser schärferen Selektion erkennen. Der Zuchtfortschritt im
Szenario P ist höher als im Szenario G und AG, aber niedriger als bei A und A + BM. Die
Differenz zu G ist deutlich größer als zu A. Im Gegenzug wird die Anpaarung von heterozygoten Tieren zugelassen, was sich deutlich in der Entwicklung der Allelfrequenz von P
auswirkt. In Abbildung 4 liegt die Allelfrequenz im Szenario P zwischen den beiden
Extrema.
Vergleicht man die simulierten Szenarien in Hinblick auf Zuchtfortschritt und Allelfrequenz, bietet nur das Szenario P ein ausgeglichenes Verhältnis im erzielten Zuchtfortschritt bei gleichzeitiger Erhöhung der Allelfrequenz. Die Szenarien A und A + BM
haben zwar den höchsten Zuchtfortschritt, aber keine Verbesserung der Allelfrequenz.
Die Szenarien G und AG steigern zwar die Allelfrequenz, erzielen aber einen deutlich
schlechteren Zuchtfortschritt.
Zusätzlich zu den oben angesprochenen Parametern müssen die zusätzlichen Kosten
der Leistungsprüfung berücksichtigt werden. Im Szenario A + BM fallen Kosten für die
Ermittlung des genetischen Hornstatus der zusätzlichen 100 Bullenmütter an, bei Szenario G und AG sogar für alle 250.000 Kühe in der Population. Ist im ersten Fall die Finanzierung noch realistisch, sind die Kosten für G und AG nicht tragbar.
Im Szenario P fallen keine Laborkosten an, sondern nur Kosten für den organisatorischen Aufwand zur Erhebung des phänotypischen Hornstatus, der leicht über das Internet dem Zuchtverband gemeldet werden könnte. Daher ist diese Selektionsstrategie auch
aus ökonomischer Sicht den anderen vorzuziehen.
In der Praxis fallen für eine wachsende Anzahl an Kühen SNP-Typisierungen an, aus
denen kostengünstig und zuverlässig Hornlos-Genotypen imputiert werden können. Die
Nutzung dieser Informationsquelle zur Bullenmütterselektion bietet sich an. Die Nutzung dieser imputierten Genotypen müssen mit den Kuhzuchtwerten in der Selektion
berücksichtigt werden. Damit ergibt sich eine Selektion nach Szenario AG. Die restlichen
Bullenmütter werden nach Szenario P selektiert. Damit lässt sich die Allelfrequenz auf
Werte zwischen Szenario AG und P (Abb. 4) anheben, ohne dass der Zuchtfortschritt vernachlässigt wird, der bei Szenario AG und P ähnlich ist (Abb. 5 und 6).
Die Entwicklung der Inzucht ist in Simulationen immer etwas problematisch zu beurteilen, da alle Tiere in der ersten Generation unverwandt sind. Daher steigt der Inzuchtgrad in den ersten Generationen stark an, da wenige, aber eng verwandte Familien erzeugt werden. Erst im weiteren Verlauf der Generationen vermischen sich diese Anfangs-
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familien soweit, dass ein realistischer Inzuchtverlauf dargestellt wird. Die einzelnen
Szenarien unterscheiden sich kaum voneinander, nur das Szenario G erzeugt weniger
Verwandtschaft in der Population, da die Tiere nicht nach Zuchtwert angepaart werden.
Die anderen Szenarien bevorzugen assortative Anpaarung, die aufgrund der additiv-genetischen Vererbung die Anpaarung stärker verwandter Tiere bevorzugt.
Der Inzuchtverlauf der Simulation ist nicht mit der aktuellen Situation in der Praxis zu
vergleichen, da dort bislang nur sehr wenig genetisch hornlose Bullen eingesetzt werden
(z.B. „Lawn Boy“). Diese werden jedoch überproportional häufig eingesetzt. Bei dem
derzeitigen Einsatz genetisch hornloser Bullen in der Praxis ist eine höhere Inzuchtsteigerung zu erwarten, als in der Simulation. Zudem steigt die mittlere Inzuchtrate mit
zunehmender Zucht auf Hornlosigkeit (Tab. 4).
Schlussfolgerungen und Ausblick
Die vorliegende Arbeit sollte die Chancen und Grenzen der Zucht auf Hornlosigkeit aufzeigen. Als Chance ist vor allem die routinemäßige SNP-Typisierung möglichst vieler
Tiere anzusehen. Hierdurch können neben den erbgutbasierten Zuchtwerten zusätzlich
Informationen wie rezessive Erbdefekte, bestimmte Fruchtbarkeitshaplotypen, genomische Inzuchtgrade oder der Hornstatus kosteneffizient ermittelt werden. Durch dieses
Verfahren kann die genetische Basis der Hornloszucht verbreitert werden, da zusätzliche, zuvor nicht im Herdbuch eingetragene, hornlose Tiere identifiziert werden und
gleichzeitig ein Einfluss negativer Erbeigenschaften frühzeitig in die Selektionsentscheidungen eingebunden werden kann.
Die Grenzen der Zucht auf Hornlosigkeit liegen derzeit darin, dass es nur zwei dominierende Founder für die Hornlosigkeit gibt, deren Nachkommen im Zuge der Selektion
immer wieder miteinander verpaart werden. Diese Anpaarung beinhaltet eine Reihe von
Gefahren: Inzuchtsteigerung und damit verbundene Anreicherung von rezessiven Allelen
(z.B. HH1), geringere Selektionsintensität und verminderter Zuchtfortschritt sowie die
Reduktion der genetischen Varianz. Um eine Verbesserung der Hornlosigkeit unter
Berücksichtigung der Gefahrpunkte in der Gesamtpopulation zu erzielen, muss auch auf
der weiblichen Seite dieses Merkmal erhoben werden. Dabei können typisierte sowie
imputierte Genotypen direkt verwendet werden. Um eine stets aktuelle Referenzpopulation für die Imputation aufrecht zu erhalten, sollte für die selektierten hornlos imputierten Bullenmütter zusätzlich ein Labortest auf Hornlosigkeit erfolgen. Zusätzliche Typisierungen nur zur Ermittlung des Hornstatus sind nicht zu empfehlen. In der Kuhpopulation wird die generelle Erfassung des Phänotyps empfohlen, da dieser bereits kostengünstig genügend sichere Informationen liefert. Die simulierten Zuchtprogramme sind
so ausgelegt, dass die Selektion auf Hornlosigkeit in erster Linie über den Bullenmutterpfad erfolgt. Dadurch bleibt die genetische Variation in den züchterischen relevanten
Merkmalen auf der Bullenseite für die Selektion erhalten und KB Bullen können entsprechend scharf selektiert werden. Dadurch entstehen kaum Verluste im Zuchtfortschritt,
die Inzuchtzunahme kann moderat gehalten werden und das Hornlosallel kann trotzdem schnell in die Population gebracht werden.
Danksagung
(1) Dem Förderverein Biotechnologieforschung e.V. (FBF, Bonn) wird für die finanzielle
Unterstützung gedankt.
(2) Dem EuroGenomics Konsortium wird für die Bereitstellung der Genotypen gedankt.
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