T R E F F P U N K T FO R SC H U N G GENETIK | | Springende Gene lassen sich zähmen Als Barbara McClintock im Jahre 1947 bestimmte Farbabweichungen in Maiskörnern mit mobilen genetischen Elementen erklärte, konnte niemand so recht etwas mit diesen „springenden Genen“ anfangen, denn man hielt die Position von Genen im Genom für unveränderlich. Ihre Entdeckung wurde erst 1983 mit einem Nobelpreis gewürdigt. Inzwischen sind Transposons, also bewegliche DNA-Sequenzen, bei vielen Pflanzen und Tieren nachgewiesen worden und man versteht allmählich ihre Rolle im Genom. Transposons werden von zwei kurzen gegenläufigen DNA-Sequenzen flankiert (TIRs = Terminal inverted repeats) und enthalten immer ein Gen, das für eine Transposase codiert. Dieses Enzym katalysiert die eigentliche Transposition. Dabei bindet die Transposase an die TIRs und schneidet die entstandene DNASchlaufe heraus. An anderer chromosomaler Stelle des Genoms öffnet die Transposase die Empfänger-DNA durch einen schrägen Schnitt und A fügt das Transposon ein. Eine Polymerase ergänzt die fehlenden Nukleotide an der Schnittstelle, so dass neue flankierende Sequenzen entstehen. Damit bleibt der übertragene DNAAbschnitt transponierbar. Nur wenn das Gen durch einen so genannten „Cut-and-Paste“-Mechanismus am Ursprungsort verschwindet und eine neue Position einnimmt, kann man im wörtlichen Sinne von einem „springenden Gen“ sprechen. Bei der häufigen replikativen Transposition wird das Transposon dagegen zuvor dupliziert und als Kopie andernorts eingebaut (siehe Abbildung). Transposons lassen sich wahrscheinlich von Retroviren ableiten, die sich im Wirtsgenom eingenistet haben. Sie stellen potenzielle Mutagene dar, da sie Gene verändern können. Sie können auch in regulatorische Abschnitte der DNA springen und so die Bildung bestimmter Proteine steigern oder senken. Es gibt daher viele Mechanismen des Wirtsgenoms, um Transpositionen zu verhindern, beispielsweise durch heterochromatische Umformung, GenSilencing oder veränderte TIR-Sequenzen. Im Genom lassen sich entsprechend oft „Transposon-Fossilien“ nachweisen, die ihre Sprungfähigkeit eingebüßt haben und auch keine Transkriptionsaktivität zeigen. Wie Bundock und Hooykaas zeigen, können Transposon-Abkömmlinge aber auch lebenswichtige Aufgaben in der Zelle übernehmen. Sie B Replikative Transposition „Springendes Gen“ (nichtreplikative Transposition durch Ausschneiden und Einfügen) Transposon Donor-DNA TIR TIR TIR TIR Empfänger-DNA „schräger Schnitt“ durch Transposase an der Zielsequenz A B B . Transposons springen über zwei verschiedene Mechanismen: a) Nichtreplikative Transposition durch „Cut-and-Paste“Mechanismus. b) Bei der replikativen Transposition wird das Transposon zuvor kopiert. 366 | Biol. Unserer Zeit Transposition Transposition Durch Polymerase ergänzte TIR-Nukleotide | 6/2005 (35) www.biuz.de © 2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim | untersuchten die Transposase DAYSLEEPER bei der Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana. DAYSLEEPER hat gewisse Gemeinsamkeiten mit Transposasen, die bereits von Mais, Drosophila und dem Löwenmaul bekannt sind. DAYSLEEPER bindet an einen bestimmten DNA-Abschnitt oberhalb eines DNA-Reparaturgens, es gibt aber auch an vielen anderen Stellen des Genoms ähnliche Sequenzen, an die DAYSLEEPER binden kann. Um die Bedeutung von DAYSLEEPER in der Pflanzenentwicklung zu erkennen, arbeiteten die Autoren mit Arabidopsis-Mutanten, bei denen das DAYSLEEPER-Gen mutiert und damit nicht mehr funktionsfähig war. Homozygote Mutanten (–/–) exprimierten keine DAYSLEEPER-Transposase, die Keimlinge wuchsen nur langsam, breiteten die Keimblätter nicht aus und bildeten auch keine normalen Blätter oder Blüten. Die Wurzel blieb kurz mit vielen anomalen Wurzelhaaren. Hemizygote Pflanzen (–/+) erschienen dagegen normal. DAYSLEEPER beeinflusst offenbar eine Reihe regulatorischer Gene. Es gelang, das DAYSLEEPER-Gen mithilfe eines viralen Vektors auf die (–/–) Mutanten zu übertragen und diese zu einer normalen Entwicklung zu bringen. Auf diese Weise ließen sich auch transgene Pflanzen erzeugen, bei denen DAYSLEEPER überexprimiert wurde. Im Vergleich zu Kontrollpflanzen wuchsen sie langsamer, blühten verspätet und waren oft steril. Bei den Folgegenerationen waren phänotypi- © 2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim T R E F F P U N K T FO R SC H U N G sche Abweichungen noch auffallender, viele Pflanzen gingen schon während der Keimung ein. Die Autoren wiesen nach, dass sich die Überexpression von DAYSLEEPER auf die Expression vieler weiterer Gene auswirkt, die für die Entwicklung wichtig sind und die allgemeine Genexpression regulieren. DAYSLEEPER ist das erste Beispiel für ein Gen, das sich von einem Transposon ableiten lässt und eine essenzielle Rolle für die Entwicklung von Pflanzen spielt. Das Transposon wurde vom Wirtsgenom gewissermaßen gezähmt. [1] P. Bundock, P. Hooykaas, Nature 2005, 436, 282–284. www.biuz.de Inge Kronberg, Hohenwestedt 6/2005 (35) | Biol. Unserer Zeit | 367