Erneuerung des MEDIA-Abkommens Schweiz

Werbung
Eidgenössische Kommission für Alkoholfragen
Commission fédérale pour les problèmes liés à l'alcool
Commissione federale per i problemi inerenti all'alcol
Cumissiun federala per dumondas d'alcohol
Erneuerung des MEDIA-Abkommens Schweiz-EU
Fachliche Einschätzung der Eidgenössischen Kommission für Alkoholfragen
(EKAL)
Am 27. November 2008 hat der Bundesrat dem Parlament die Zusatzbotschaft zum geplanten MEDIA-Abkommen sowie einen Antrag für eine RTVG-Revision überwiesen. Würde sowohl das Abkommen wie auch die RTVG-Revision in der vorgeschlagenen Form verabschiedet, würde dies folgendes
bedeuten:
- Werbung für Wein und Bier (bisher bei privaten überregionalen Sendern und der SRG verboten)
würde künftig für alle Fernsehsender (schweizerische wie ausländische) erlaubt sein. Dazu soll
das RTVG revidiert werden. Neben der Lockerung für die schweizerischen Sender betrifft diese
Änderung v.a. Sender aus Deutschland.
- Das Werbeverbot für Spirituosen könnte in der Schweiz beibehalten werden, da dies in der
Schweiz einheitlich geregelt ist (Verbot für öffentliches und privates Fernsehen und Radio). Falls
ausländische Sender in einem Schweizer Fenster für Spirituosen werben würden, so würde ein
Schlichtungsverfahren mit der EU angewandt.
- Das Schlichtungsverfahren könnte grundsätzlich auch bei der Werbung für Bier und Wein angewandt werden. Da die schweizerische Gesetzgebung aber nicht kohärent ist, wird die Durchsetzbarkeit gegenüber der EU aber in Frage gestellt.
Fachliche Einschätzung der EKAL:
-
-
Der problematische Alkoholkonsum und Abhängigkeit verursachen in der Schweiz massgebliche
gesundheitliche Schäden, Unfälle, Gewalt. Täglich werden 4-5 Jugendliche oder junge Erwachsene aufgrund alkoholbedingter Diagnosen in Schweizer Spitäler eingeliefert. Volkswirtschaftliche
Kosten aufgrund von problematischem Alkoholkonsum betragen jährlich 6,5 Mia. Franken. Alkohol
steht an dritter Stelle der vermeidbaren Todesursachen in Europa. Alkohol kann daher nicht wie
ein gewöhnliches Konsumgut behandelt werden.
Es ist bekannt, dass Werbung den Konsum fördert. Andernfalls würde von der Wirtschaft wohl
kaum kostenaufwändige Werbung betrieben. Verschiedene Studien zeigen, dass der Konsum gerade bei Jugendlichen ansteigt, je mehr sie Alkoholwerbung am Fernsehen ausgesetzt sind. 1
Abbildung 1: Alkoholkonsum in Märkten mit
wenig Alkoholwerbung, pro Alterklasse bei 15 – 25-jährigen.
-
Abbildung 2: Alkoholkonsum in Märkten mit hohem Anteil
2
Alkoholwerbung, pro Alterklasse bei 15 – 25-jährigen.
Eine Studie hat nachgewiesen, dass jeder Dollar, der pro Kopf der Bevölkerung für Alkoholwerbung ausgegeben wird, einen Konsumanstieg von 3% zur Folge hat. 3
Die Entwicklung in der EU geht in die Richtung, dass weitere Werbeeinschränkungen zu erwarten
sind. Frankreich kennt mit dem „Loi Evin“ bereits ein umfassendes Werbeverbot, welches eine
konsequente Haltung widerspiegelt und einen Beitrag zum Konsumrückgang geleistet hat.
-
-
-
Eine ausführliche Analyse der WHO kommt zum Schluss, dass Alkoholwerbung den Konsum erhöht und Werbeeinschränkungen ein wirksames Mittel zur Reduktion des Konsums sind. 4
Für die Unterzeichnung des MEDIA-Abkommens ist die Revision des RTVG nicht nötig – sie wird
nicht von der EU verlangt. Vielmehr wurde die Situation offenbar genutzt, um auf die Schnelle eine
Liberalisierung der Alkoholwerbung zu erreichen. Darauf deutet auch der im Falle einer Gesetzesrevision unübliche Verzicht auf eine Vernehmlassung.
Im Sommer 2008 hat der Bundesrat das Nationale Programm Alkohol (NPA) verabschiedet und
damit den Handlungsbedarf in Bezug auf alkoholbedingte Probleme anerkannt und sich hinter eine kohärente nationale Alkoholpolitik gestellt. Die EKAL sieht den Entscheid zum MEDIAAbkommen im Widerspruch zu diesem Entscheid.
Es ist zu erwägen, welche Signalwirkung der politische Entscheid für die vorliegende Vorlage auf
die Gesellschaft hätte. Es ist unglaubwürdig, Alkoholwerbung zu fördern, wenn gleichzeitig Rauschtrinken oder Trinken im öffentlichen Raum erhebliche Probleme bereiten.
Aufgrund dieser Faktenlage regt die EKAL an, folgende Alternativen zum bundesrätlichen Vorschlag zu prüfen:
Variante 1:
Das RTVG wird abgeändert: Ausdehnung des Verbots der Alkoholwerbung auf die lokalen
Sender.
Damit wird die von der EU beanstandete Inkohärenz aufgehoben und das Werbeverbot gegenüber ausländischen Veranstaltern könnte durchsetzbar sein. Aus präventiver Sicht ist diese Variante die beste Lösung.
Variante 2:
Keine Liberalisierung der Alkoholwerbung für die SRG.
Aus Präventionssicht ist es widersprüchlich, wenn ein staatlich finanziertes Fernsehen oder Radio
mit Geldern der Alkoholindustrie gesponsert wird und Alkoholwerbung ausstrahlen darf. Bei den
Sendern, die trotzdem Alkoholwerbung ausstrahlen dürften, müssten jedoch zusätzlich klare Rahmenbedingungen für alle alkoholischen Getränke festgelegt werden (zeitliche Beschränkung,
Sachbezogenheit, etc.).
Variante 3:
Vorerst Beibehaltung des Status quo.
Die Auswirkungen und die Tauglichkeit des geplanten Schlichtungsverfahrens sollen erst evaluiert
werden. Die Genehmigung des MEDIA-Abkommens ist auch ohne RTVG-Änderung möglich.
Im Falle einer Revision des RTVG in Richtung Liberalisierung würden die Gelder vermehrt in die
TV-Werbung (vorzugsweise der grösseren Sender) investiert, was nichts anderes bedeutet als eine Umverteilung der Gelder und eine Bevorzugung einzelner Branchen. Im Übrigen betragen die
Einnahmen der lokalen Sender aus Alkoholwerbung im Radio und Fernsehen heute lediglich rund
Fr. 850’000 5 , währenddem das Gesamtvolumen an Werbung im Radio 98 Mio. und im Fernsehen
33 Mio. 6 ausmachen. Der Verlust dieser Einnahmen kann als tragbar betrachtet werden.
Die EKAL als Expertenkommission für Alkoholfragen kommt aufgrund der fachlichen Prüfung
zum Schluss, dass Variante 1 dem Anliegen der Gesundheit und des Jugendschutzes gerecht
würde. Das RTVG ist dahingehend zu ändern, dass Alkoholwerbung auf allen Sendern untersagt wird. Damit wird die bestmögliche Ausgangslage für ein erfolgreiches MEDIA-Abkommen
geschaffen und die Verantwortung der Entscheidträger wahrgenommen.
21.1.09
1
Stacy, Alan, et al., Exposure to televised alcohol ads and subsequent adolescent alcohol use, American Journal of Health
Behaviour 2004; 28(6), S. 498-509.
2
Snyder, Leslie, et al., Effects of alcohol advertising exposure on drinking among youth, Archives of Pediatrics and Adolescent
Medicine, Vol. 160, S. 18-24, Jan. 2006.
3
ibid.
4
Babor, Thomas, et al., Alkohol – kein gewöhnliches Konsumgut. Forschung und Alkoholpolitik, Göttingen: HOGREFE 2005.
5
vgl. 08.5428 Fragestunde: Antwort des Bundesrats vom 15.12.2008 auf Frage Jacqueline Fehr: Alkoholwerbung.
6
vgl. BAKOM, http://www.bakom.ch/themen/radio_tv/marktuebersicht/00527/index.html?lang=de.
2/2
Herunterladen