Mycobacterium tuberculosis 04 14

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Mycobacterium tuberculosis
Mycobacterium tuberculosis
(ZIEHL-NEELSEN-Färbung)
Allgemeine Angaben
Name (Synonyma): Mycobacterium tuberculosis (Zopf 1883) Lehmann and Neumann 1896;
Erstbeschreibung: Zopf, W. 1883. Die Spaltpilze, 1-110 [31]; Lehmann, K. B. & Neumann, R.
1896. Atlas und Grundriss der Bacteriologie und Lehrbuch der speziellen bacteriologischen
Diagnostik, 1. Aufl. [19].
Synonyma: „Bacterium tuberculosis“ Zopf 1883, „Bacillus tuberculosis“ (Zopf 1883) Klein
1884; „Mycobacterium tuberculosis typus humanus“ Lehmann and Neumann 1907;
„Mycobacterium tuberculosis var. hominis“ Bergey et al. 1934 [8]; Mycobacterium
tuberculosis subsp. tuberculosis Aranaz et al. 1999 [1].
Etymologie: griech. mykes, Pilz (pilzähnliches Oberflächenwachstum in flüssiger Kultur,
selten Bildung von verzweigten Stäbchen); lat. tuberculum, kleiner Knoten [Der Tuberkel
(Tuberkuloseknötchen) ist die granulomatöse Reaktionsform der Tuberkulose, in der die
Erreger quasi eingeschlossen sind.] [3, 21].
Pathovarietäten: avirulenter Stamm Mycobacterium tuberculosis H37Ra
H37Rv = ATCC 27294 (Neotypstamm) [18]
Typstamm:
Risikogruppe: 3
Konsiliar-/Referenzlabor: Nationales Referenzzentrum für Mykobakterien, Forschungszentrum Borstel,
Parkallee 18, D-23845 Borstel; Leitung: Frau Dr. S. Rüsch-Gerdes
Molekularbiologie, Morphologie und Physiologie
Genom:
65,6 mol% G+C (vollständiges Genom: Sequence Accession no. X58890) [21]; 4,4 Mb
großes, zirkuläres Chromosom (4.411.529 bp), reich an repetitiver DNA und IS-Elementen
und 3924 ORFs, keine definierten Pathogenitätsinseln bekannt [5]; M. tuberculosis H37Ra
besitzt ein 4,4 Mb großes, zirkuläres Chromosom (4.419.977 bp) mit einem G+C Gehalt von
65,61 mol% und damit ein um 8445 bp größeres Genom als M. tuberculosis H37Rv [29].
Zelluläre und kulturelle Morphologie: unbewegliche, Gram-positive Stäbchenbakterien, 1-4 µm lang und 0,30,6 µm dick; keine Sporenbildung; aerob bis mikroaerophil (Zusatz von 5-10% CO2 wirkt
wachstumsstimulierend [21]; die lipidreiche Zellwand [hoher Gehalt an Mykolsäuren (α-alkylβ-hydroxy-Fettsäuren), Cord-Faktor (Glykolipid: 6,6‘-Dimykolyltrehalose) und Wachsen] führt
zu schlechter Darstellbarkeit in der GRAM-Färbung; Fuchsin wird aber unter Erhitzen gut
aufgenommen und trotz Säurebehandlung (Bildung eines stabilen Fuchsin-MykolatKomplexes) nicht wieder abgegeben, was als für Mykobakterien charakteristische
Säurefestigkeit bezeichnet wird (ZIEHL-NEELSEN-Färbung, in der die Stäbchen leuchtend rot
erscheinen) [3, 21]; die Bakterien lagern sich z. T. zu zopfartigen Agglomeraten („CordBildung“) zusammen [2, 3, 21].
Physiologie:
chemoorganoheterotroph; mesophil (Optimum 37°C), pH-Optimum 6,4-7,0; langsames
Wachstum auf/in Spezialnährmedien, z. B. Eiernährböden (Eigelb zur Bereitstellung von
Lipiden) wie LÖWENSTEIN-JENSEN-Medium (Generationszeit: 6-20 Stunden; Bildung von
sichtbaren Kolonien auf festen Medien nach ca. 2-4(-8) Wochen), Nachweis von Wachstum
in Flüssigmedien anhand mykobakterieller Stoffwechselaktivität nach durchschnittliche 2-3
Wochen [2, 3].
Charakteristische diagnostische Merkmale: im Vergleich zu vielen anderen Mykobakterien besonders
ausgeprägte Säurefestigkeit (s. o.); Niacin-Test positiv (M. tuberculosis bildet Nikotinsäure im
Gegensatz zu M. bovis und einigen anderen Mykobakterien); Nitratreduktionstest positiv (im
Gegensatz zu M. bovis) [2, 3, 21]; 68°C Katalase-Test (M. tuberculosis verliert unter diesen
Bedingungen Katalase-Aktivität) [21, 23]; Unterscheidung einzelner M. tuberculosis-Stämme
durch RFLP-Analysen möglich (Detektion variabler Kopienzahl von IS6110, welches in allen
M. tuberculosis-Stämmen vorkommt [23].
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Stand: 04/2014
Natürlicher Standort
Nicht freilebend, obligat wirtsgebunden: fakultativ intrazellulär (Persistenz und Vermehrung in den
Makrophagen des Wirtsorganismus [2, 3, 21, 23].
Wirtsbereich: Mensch sowie Nutz- (insbesondere Rinder), Haus- und gelegentlich Wildtiere [30].
Pathogenität
Pathogen für:
Menschen und verschiedene Wirbeltiere; hoch pathogen für Meerschweinchen, weshalb
diese Tiere früher mit großem Erfolg für diagnostische Tierversuche verwendet wurden [21,
30].
Pathogenitätsfaktoren/Pathogenese: Die Pathogenität von Mycobacterium tuberculosis beruht auf dem
Zusammenspiel zahlreicher Virulenzfaktoren. Zentrale Bedeutung für die Pathogenität
kommt der Fähigkeit zu, in Makrophagen überleben und sich in ihnen vermehren zu können
sowie die Fusion von Phagosom und Lysosom zu hemmen. Dabei spielen die für
Mykobakterien charakteristische lipidreiche Zellwand, insbesondere deren Mykolsäuren und
mykolsäurehaltigen Glykolipide [2, 3], darunter vor allem der sog. „Cordfaktor“ (Trehalose6,6-Dimykolat) = Mykosid (= Mykolsäure-haltiges Glykolipid der Zellwand), ebenso wie
andere Glykolipide (Lipoarabinomannan) (immunmodulatorische Aktivität) eine besonders
wichtige ursächliche Rolle [2].
Weiterhin zählen die Katalase-Peroxidase-Aktivität (katG-Gen) (schützt vor der Wirkung von
in Phagozyten gebildetem H2O2), der sog. „Makrophagen-Kolonisations-Faktor“ (mce-Gen)
(kodiert für integrale Membran-Proteine, die die Invasion in die Wirtszelle bewirken) und
zahlreiche Phospholipasen, Lipasen, Esterasen und verschiedene Proteasen, die Zell- und
Vakuolenmembranen zerstören können, zu den zusätzlichen Virulenzfaktoren [5]. Eine
Hämolysin-Wirkung einer spezifischen Phospholipase [5] wird ebenso als Pathogenitätsfaktor
diskutiert wie Eisenkomplexbildner (Mykobaktine), die mit eisenbindenden Substanzen des
Wirtes (z. B. Transferrin) in Kompetition stehen.
Ein zentraler Vorgang bei der Pathogenese der M. tuberculosis-Infektion ist die
granulomatöse Entzündungsreaktion, die als Ausdruck der zellulären Immunabwehr auf die
Aktivierung von Makrophagen durch T-Zellen zurückgeht und bei der es zu einem
Wechselspiel zwischen T-Lymphozyten, MHC-vermittelter Antigenpräsentation und den
Zytokinen Interferon-γ und Tumornekrosefaktor kommt [3].
Die zellulär-vermittelte chronische Entzündungsreaktion im Gefolge der mykobakteriellen
Infektion führt im Rahmen nekrotisierender und fibrosierender Prozesse zur
Gewebezerstörung. Ausgehend von nekrotischen Granulomen in der Lunge kann es zur
Ausbreitung der Erreger im Wirt bzw. Besiedelung anderer Organe (z. B. Milz) kommen [2,
3]. Proteine bzw. Enzyme, die bei diesen Vorgängen (Zerstörung von Membranen und
anschließende Ausbreitung der Erreger im gesamten Wirtsorganismus) eine wichtige Rolle
einnehmen, gehören zu den Haupt-Virulenzfaktoren. Diese sind bei M. tuberculosis in der
sog. RD1-Region (region of difference) lokalisiert und gehören zu einem 9 Gene
umfassenden Sekretionssystem (ESX-1 locus), welches für die Sekretion der HauptvirulenzFaktoren ESAT-6 und CFP-10 zuständig ist. Die letzteren beiden Proteine sind hauptsächlich
bei der Translokation der Mykobakterien vom Phagosom ins Zytosol und der anschließenden
intrazellulären Ausbreitung beteiligt. Eine Deletion dieser Region liegt bei allen attenuierten
M. bovis BCG-Impfstämmen zugrunde [20, 22, 25]. Neuere Untersuchungen deuten auf eine
regulatorische Funktion des CFP10/ESAT6-Komplexes bei der Apoptose infizierter
Makrophagen zu unterschiedlichem Infektionszeitpunkt hin [12].
Genetische Studien an dem attenuierten, avirulenten Stamm Mycobacterium tuberculosis
H37Ra zeigten die Beteiligung weiterer zahlreicher essentieller Gene an der Pathogenese,
da deren Mutation zu einem signifikanten Virulenzverlust führte. Für folgende Gene konnte
eine Beteiligung an der Virulenz nachgewiesen werden: PE/PPE/PE-PGRS Gene kodieren
Proteine, die für die Fibronectin-Bindung bzw. Oberflächen-Antigen-Variation verantwortlich
sind; Gene, die für Stress-Proteine kodieren (mazG) und solche, die für die Regulation
wichtiger Bioynthese-Gene zuständig sind (phoP – Transkriptionsaktivierung der
Lipidbiosynthese, ilvD – Transkriptionsaktivierung der Aminosäure-Biosynthese, pks12 und
nrp – Transkriptionsaktivierung der Polyketid-Biosynthese); weiterhin kommt Mutationen in
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wichtigen Promotor-Bereichen eine Bedeutung zu, z. B. in Promotoren für den EnergieMetabolismus (lpdA-glpD2), Cofaktor-Biosynthese (pabB), Nukleotid Metabolismus
(nrdH/nrdE/nrdF2), Lipid-Metabolismus (phoH2) und Protein-Degradation (ftsH) [29].
Zusätzlich an der Höhe der Virulenz beteiligt sind verschiedene Sigma-Faktor(σ)-Gene (sigA
bzw. rpoV), die für die Transkription zahlreicher Gene verantwortlich sind und deren Mutation
zur Attenuierung virulenter M. tuberculosis-Stämme führt [6, 29]; für SigC wird eine
essentielle Beteiligung bei der Pathogenese diskutiert, da bei SigC-Mutationen die
Ausbildung nekrotischer Granulome in Lunge und Milz ausbleibt [15, 26].
Ausprägung der Pathogenität: obligat pathogen; Menschen mit Beeinträchtigung der zellulären Immunität
(z. B. AIDS-Patienten) sind besonders anfällig und neigen zu schweren bis fulminanten
Krankheitsverläufen [2, 3].
Infektionsdosis: sehr niedrig: ≤10 (1 - 3) infektionstüchtige Erreger [27]!
Allergenität:
keine Allergenität im engeren Sinne; eine Infektion führt bei immunkompetenten Menschen
aber zu einer Überempfindlichkeitsreaktion vom Spättyp (delayed type hypersensitivity
reaction), die auch als „verzögerte allergische Reaktion“ bezeichnet wird. Die positive
Tuberkulinreaktion ist Ausdruck einer solchen Überempfindlichkeitsreaktion vom Spättyp [3,
9].
Toxigenität:
keine Exotoxinbildung [3].
Krankheit
Bezeichnung:
Tuberkulose:
Lungentuberkulose,
Miliartuberkulose,
Lymphknotentuberkulose,
Nierentuberkulose,
Meningitis
tuberculosa,
Knochenund
Gelenktuberkulose,
Hauttuberkulose [2, 3].
Inkubationszeit: bei inhalativer Erregeraufnahme 2-3 Wochen bis zur Ausbildung eines tuberkulösen
Primäraffektes in der Lunge (Primäraffekt und befallene regionäre Lymphknoten bilden den
Primärkomplex); 2-3 Monate bis zur Entstehung von Granulomen am Ort des Primäraffektes,
lokalisierten Streuherden (oft Spitzenherden) und – bei Immunschwäche, Kleinkindern –
einer Miliartuberkulose [2, 3]; bei Inokulation (z. B. Sektionsverletzung) abhängig von
eingebrachter Erregermenge, Ort der Inokulation und Abwehrlage des Infizierten.
Symptome:
uncharakteristische allgemeine Krankheitssymptome wie Fieber, Gewichtsverlust,
Schwächegefühl und Nachtschweiß; bei Lungentuberkulose (>90% aller Fälle) Husten,
Auswurf, Dyspnoe, häufig exsudative Pleuritis, später Hämoptysen (Auswurf mit
Blutbeimengung) (Die primäre Lungeninfektion verläuft häufig symptomlos und heilt klinisch
unter Zurücklassung röntgenologisch sichtbarer Narbenbildung und Verkalkungen ab,
hinterlässt aber im Zentrum granulomatöser Läsionen offenbar lebenslang persistierende,
vermehrungsfähige Tuberkuloseerreger!); bei Nierentuberkulose Dysurie, schmerzhafte
Nierenlager, „sterile“ Leukozyturie, Hämaturie, im weiteren Verlauf Niereninsuffizienz; bei
Meningitis tuberculosa Benommenheit, Kopfschmerzen, Schwindel, häufig Nackensteifigkeit,
Ausfallerscheinungen der basalen Hirnnerven (weil die Schädelbasis bevorzugt befallen ist);
bei Lymphknotentuberkulose schmerzhafte Lymphknotenschwellungen; bei Knochen- und
Gelenktuberkulose Symptome abhängig von Lokalisation (häufig im Bereich der Wirbelsäule
– Spondylodiscitis mit Rückenschmerzen und Bandscheibenvorfall-ähnlichen Beschwerden);
bei Miliartuberkulose ggf. sepsisähnlicher Verlauf [2, 3].
Schwere, Verlauf und Prognose: Soweit sich der Primärkomplex – meist wegen hoher Infektionsdosen oder
geschwächter Immunabwehr – nicht zurückbildet, kommt es zur Vergrößerung und
Verflüssigung der Primärläsion und zur hämatogenen oder lymphogenen Streuung in
unterschiedlichste Organsysteme (z. B. ZNS, Knochen, Haut, Nieren) und zur Ausbildung der
entsprechenden Organtuberkulose. Bei Anschluss des nekrotischen Gewebes an das
Bronchialsystem entsteht eine Kaverne, und es werden ggf. große Erregermengen über den
Atemtrakt ausgeschieden (offene Lungentuberkulose mit höchster Ansteckungsgefahr!). Die
Miliartuberkulose (lebensgefährlichste Verlaufsform) entwickelt sich durch Einbruch einer
verkäsenden (nekrotischen) Läsion in eine Pulmonalvene mit unkontrollierter Erregeraussaat
(bei kleinen Kindern oder Versagen der zellulären Immunabwehr aufgrund genetischer
Defekte oder AIDS) [2,3].
Die Tuberkulose des Erwachsenen ist häufig Folge einer Reaktivierung alter, tuberkulöser
Herde, so dass neben den oben angegebenen Inkubationszeiten Jahre bis Jahrzehnte bis
zum
Auftreten
einer
behandlungsbedürftigen
Erkrankung
vergehen
können
(Postprimärtuberkulose). Das Risiko, nach Infektion mit M. tuberculosis eine klinisch
manifeste Tuberkulose zu entwickeln, ist in den ersten beiden Jahren nach Ansteckung am
größten [2, 3].
Wichtigster Risikofaktor ist heute die HIV-Infektion; weitere Risikofaktoren sind Diabetes
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mellitus, Silikose, Niereninsuffizienz, immunsuppressive Therapie, maligne hämatologische
Erkrankungen, erhöhter Alkoholkonsum, Rauchen und Drogenabhängigkeit [10, 30].
Bei rechtzeitiger Diagnose, fehlender oder geringer Resistenz der Tuberkuloseerreger gegen
Antituberkulotika und nicht völligem Versagen der zellulären Immunabwehr ist die Prognose
der Tuberkulose heute im Allgemeinen gut. Miliartuberkulose oder tuberkulöse Meningitis
sind aber weiterhin lebensbedrohende Erkrankungsformen; auch die Erkrankungen durch
multiresistente Erregerstämme sind deutlich schwieriger auszuheilen und erfordern meist
eine wesentlich längere Behandlungsdauer [2, 3, 27, 30].
Komplikationen/Folgekrankheiten: Wenn man den tuberkulösen Primärkomplex, der sich meist symptomlos
zurückbildet, als primäre Infektionsfolge betrachtet, sind alle Formen der klinische
manifesten, behandlungsbedürftigen Tuberkulose einschließlich der Postprimärtuberkulose
mit ihren jeweiligen Organschäden als Komplikationen bzw. Folgekrankheiten anzusehen [2,
3].
Pathologie:
Histologisch finden sich zwei Reaktionsformen: die exsudative und die produktive
Reaktionsform. Die exsudative Reaktionsform entsteht als Folge einer Infektion bei einem
Menschen (früher meist Kinder, heute auch Erwachsene), der vorher noch nicht mit M.
tuberculosis in Kontakt gekommen war. Sie ist gekennzeichnet durch akute bis subakute
Entzündungszeichen mit Exsudatbildung und Ansammlung polymorphkerniger Leukozyten.
Die produktive (granulomatöse) Reaktionsform entwickelt sich als Ausdruck der aktivierten
zellulären Immunabwehr bei Personen, die bereits einen Primärkomplex hinter sich haben.
Die zugehörige Läsion ist der Tuberkel, der Makrophagen charakteristischer Morphologie,
sogenannte Epitheloidzellen, enthält. Im Zentrum des Tuberkels verschmelzen diese
Epitheloidzellen zu mehrkernigen LANGERHANSschen Riesenzellen [3].
Im nekrotischen Inneren der granulomatösen Herde entwickelt sich durch Zerfall der
abgestorbenen Zellmasse eine amorphe, käsige Substanz, die sogenannte verkäsende
Nekrose, die sich bei Freisetzung größerer Mengen hydrolysierender Enzyme verflüssigen
kann und bei Anschluss an das Bronchialsystem ausgehustet wird, so dass sich ein
Hohlraum, eine Kaverne, bildet, in der Tuberkelbakterien optimale Wachstumsbedingungen
finden (s. o.) [2, 3].
Verkäsende Läsionen in der Lunge oder den regionären Lymphknoten können durch
Fibrosierung und Verkalkung gegebenenfalls unter erheblicher Narbenbildung ausheilen,
enthalten aber meist weiterhin vermehrungsfähige Erreger und bleiben im Röntgenbild
lebenslang nachweisbar [2, 3].
Die Diagnose der Tuberkulose stützt sich auf bildgebende (z. B. Röntgenuntersuchung),
Diagnose:
immunologische sowie mikrobiologische Untersuchungsverfahren [3].
Eine detailliertere Beschreibung der Röntgendiagnostik der Tuberkulose geht über den
Rahmen dieses Dossiers hinaus. Auf die Bedeutung von Kalkschatten in der Lunge und den
Hiluslymphknoten für die Erkennung einer latenten Infektion mit M. tuberculosis wurde schon
hingewiesen.
Immunologische Diagnoseverfahren: Die Tuberkulinreaktion ist das klassische Verfahren
zum Nachweis einer Auseinandersetzung des Immunsystems mit dem Tuberkuloseerreger
und zugleich ein typisches Beispiel für eine Immunreaktion vom Spättyp [9]. Tuberkulin wird
aus dem Überstand von Mykobakterienkulturen gewonnen und ist eine Mischung aus
niedermolekularen Proteinen (heute als gereinigte Zubereitung: purified protein derivative –
PPD). Zwei bis drei Tage nach Applikation des Tuberkulins kommt es an der
Applikationsstelle zu einer Induration, nicht nur Hautrötung, wenn der entsprechende Patient
mit M. tuberculosis in Kontakt getreten war (Der Test wird etwa 4 Wochen nach Erstinfektion
positiv und bleibt es potentiell lebenslang unabhängig vom Verlauf der Krankheit!). Die
Testung erfolgt heute weniger als TINE-Test (Applikation in die Haut mittels eines Stempels),
sondern in der Regel als MENDEL-MANTOUX-Test (Applikation mittels einer feinen Nadel
intrakutan) [2, 3, 11]. Ähnliche, aber spezifischere und empfindlichere diagnostische
Aussagen erlauben die sogenannten IGRAs (Interferon-Gamma Release Assays) (weniger
Kreuzreaktionen, auch nicht bei BCG-Geimpften!). Sie beruhen auf der durch spezifische M.
tuberculosis-Antigene stimulierten Interferon-γ-Freisetzung aus sensibilisierten Lymphozyten
von Patienten, deren Immunsystem auf den Tuberkuloseerreger reagiert hat. Das Prinzip
®
kommt heute als QuantiFERON -TB Gold in-Tube- oder als T-SPOT.TB-Test zur
Anwendung [4, 11, 14].
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Therapie:
Mikrobiologische Nachweisverfahren: Diese umfassen mikroskopische, kulturelle und
molekularbiologische Techniken [2, 3].
Da Tuberkuloseerreger langsam wachsen, im Untersuchungsmaterial oft nur in geringer
Anzahl vorliegen bei gleichzeitig hoher Dichte schnell wachsender Bakterien der natürlichen
Standortflora und da insbesondere Sputum häufig eine zäh-schleimige Beschaffenheit
aufweist, wird den eigentlichen mikrobiologischen Untersuchungsschritten eine
Vorbehandlung zur selektiven Dekontamination und Anreicherung vorgeschaltet (Behandlung
mit NaOH zur Dekontamination, mit N-Acetylcystein zur Verflüssigung des Schleims und
Zentrifugation zur Anreicherung). Bei primär sterilem Ausgangsmaterial entfällt die NaOHBehandlung [2, 3].
Der mikroskopische Erregernachweis stützt sich auf die genannte Säurefestigkeit: Die
Mykobakterien werden mit Hilfe der ZIEHL-NEELSEN-Färbung oder einer Färbung mit
Fluoreszenzfarbstoffen (z. B. Auramin) sichtbar gemacht, die beide auf demselben Prinzip
der Säurefestigkeit beruhen. Die Erreger lassen sich allerdings nur zuverlässig auffinden,
4
wenn das Untersuchungsmaterial >10 Erreger/ml enthält. Bei geringerer Erregerdichte ist die
Mikroskopie häufig falsch negativ. Außerdem erlaubt sie nur die Aussage „säurefeste
Stäbchenbakterien“, eine Zuordnung zu einer Mykobakterienspezies lässt sich
morphologisch nicht sicher vornehmen, auch wenn das Vorkommen zopfartiger Agglomerate
(„Cord-Bildung“) auf M. tuberculosis hinweist [3]. Der mikroskopische Nachweis von
Tuberkulosebakterien im Sputum ist ein wichtiger Hinweis auf die Infektiosität des Patienten
4
(Erregerdichte ≥10 Bakterien/ml) [11].
Für den kulturellen Erregernachweis werden mindestens je ein fester Spezialnährboden und
ein flüssiges Spezialmedium beimpft, denen Malachitgrün oder Antibiotika zur Unterdrückung
der „Begleitflora“ zugesetzt sind, und die bis zu 8 Wochen bebrütet und dabei wöchentlich auf
Wachstum überprüft werden. Flüssignährmedien, die einen Indikator zum Nachweis
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mykobakteriellen Wachstums enthalten (z. B. C-markierte Fettsäuren, die zu CO2
metabolisiert werden, die in speziellen Detektionssystemen gemessen wird), haben eine
kürzere Nachweisdauer als feste Nährböden und erlauben den Nachweis geringerer
Erregerkonzentrationen. Geeignete Untersuchungsmaterialien sind Sputum, Trachealsekret,
Bronchialspülflüssigkeit, bei Kleinkindern Magensaft, Urin (bei Nierentuberkulose), Stuhl (bei
Darmtuberkulose), Liquor (bei tuberkulöser Meningitis), Biopsiematerial (z. B. bei
Hauttuberkulose), operativ entnommene Lymphknoten, Blut oder Knochenmark (bei
Miliartuberkulose) oder operativ gewonnenes Knochen- oder Gelenkmaterial [2, 3, 11].
Angezüchtete Mykobakterien werden anhand ihres Wachstumsverhaltens, ihrer
Koloniemorphologie und bestimmter physiologischer Leistungen bis zur Speziesebene
identifiziert, was einschließlich Primärkultur und Resistenzbestimmung 2-3 Monate dauern
kann [2, 3]. Zur zuverlässigen Diagnose einer Lungentuberkulose sind mindestens 3
Morgensputumproben (nach Abhusten, kein Speichel!) zu untersuchen [11].
Molekularbiologische PCR-basierte Verfahren können sowohl den Direktnachweis von M.
tuberculosis aus klinischem Untersuchungsmaterial als auch die Identifizierung aus der
Kultur (nach Amplifikation des 16S-rRNA-Gens Nachweis der speziesspezifischen 16SrRNA-Signaturregion) erheblich beschleunigen. Allerdings ist der molekularbiologische
Direktnachweis etwas unempfindlicher als die Kultur, was besonders bei Materialien mit
geringer Erregerdichte ins Gewicht fällt. Bei allen Nachweisverfahren führt die Untersuchung
mehrerer Proben zu einer deutlichen Steigerung der Nachweisempfindlichkeit [3].
Wegen des Vorkommens von Resistenzen gegen Antituberkulotika bis zur Multiresistenz hat
die Empfindlichkeitsprüfung angezüchteter Tuberkuloseerreger, die gegenüber anderen
Bakterien spezifische Besonderheiten aufweist, erhebliche praktische Bedeutung. Typische,
gegen M. tuberculosis wirksame Chemotherapeutika sind: Isoniazid, Rifampicin,
Pyrazinamid, Ethambutol, Streptomycin, Amikacin, Kanamycin, Capreomycin, Rifabutin,
Rifapentin, Protionamid, Ethionamid, Cycloserin, p-Aminosalicylsäure (PAS) und neuere
Fluorochinolone (Levofloxacin, Moxifloxacin) [2, 3, 24].
Als Antituberkulotika erster Wahl (Erstrangmedikamente) gelten Isoniazid, Rifampicin,
Pyrazinamid und Ethambutol [24]; Reservetherapeutika (Zweitrangmedikamente) sind
Protionamid, Ethionamid, Streptomycin, Kanamycin, Amikacin, Capreomycin, Rifabutin,
Rifapentin, Cycloserin, p-Aminosalicylsäure und die Fluorochinolone Levofloxacin und
Moxifloxacin [24]. Wegen der Gefahr des Auftretens resistenter Mutanten und wegen
gewünschter synergistischer Wirkung wird eine Kombinationstherapie mit 3 bis 4 Pharmaka
durchgeführt, die bei unkomplizierter Tuberkulose über 6 Monate fortgeführt werden muss.
Standardtherapie der unkomplizierten Lungentuberkulose des Erwachsenen: Isoniazid,
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Rifampicin, Pyrazinamid und Ethambutol für 2 Monate (Initialphase), gefolgt von einer 4monatigen Kontinuitätsphase mit Isoniazid und Rifampicin [24]. Bei extrapulmonalen
Tuberkulosen, HIV-Koinfektion, Kindern und Patienten mit Grundkrankheiten anderer Art ist
die Behandlungsdauer (Initial- und/oder Kontinuitätsphase) ggf. zu verlängern. Die
Behandlung von Infektionen mit resistenten Stämmen erfordert viel Erfahrung und ein
individuell adaptiertes Therapieschema und sollte deshalb speziellen Behandlungszentren
vorbehalten bleiben [24]. Man unterscheidet Monoresistenz = Resistenz gegen ein einziges
antituberkulöses Medikament; Polyresistenz = Resistenz gegen mehr als ein Medikament,
jedoch nicht gegen Isoniazid und Rifampicin; Multiresistenz („multidrug-resistant tuberculosis“
– MDR-TB = Resistenz gegen die zwei Erstrangmedikamente Isoniazid und Rifampicin; und
„extensively drug-resistant tuberculosis“ – XDR-TB = MDR-TB plus Resistenzen gegen eines
der Fluorochinolone und mindestens eines der injizierbaren Reserveantituberkulotika
(Amikacin, Capreomycin, Kanamycin) [30].
Prophylaxe (Prävention): Die Impfung mit einem attenuierten Mycobacterium-bovis-Stamm (BCG = Bacille
CALMETTE-GUÉRIN) wird von der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim Robert-KochInstitut seit 1998 nicht mehr empfohlen, da sie nur begrenzt wirksam ist und nennenswerte
Nebenwirkungen vor allem bei erworbener oder angeborener Immundefizienz haben kann [3,
30]. Bei Personen, die mit einem Patienten mit ansteckungsfähiger Tuberkulose Kontakt
hatten und daraufhin Tuberkulin-positiv wurden und ein erhöhtes Erkrankungsrisiko
aufweisen (z. B. Kinder <4 Jahre, Immunsupprimierte, Alkoholiker), besteht die Indikation zu
einer Chemoprävention (präventiven Therapie) mit Isoniazid als Monobehandlung für (6-) 9
Monate. Sie soll bei Tuberkulinkonvertern innerhalb der vergangenen 2-3 Jahre eine
Effektivität von 60-80% aufweisen. Als Chemoprophylaxe wird die medikamentöse
Behandlung nach Kontakt mit ansteckenden Tuberkulosepatienten bereits vor Nachweis
einer latenten tuberkulösen Infektion bezeichnet und wird ebenfalls mit Isoniazid
durchgeführt. Wenn 8-12 Wochen nach dem letzten Kontakt mit der Indexperson keine
latente Tuberkulose nachweisbar ist (IGRA-negativ), kann die Prophylaxe beendet werden
[3, 24].
Da heute in Mitteleuropa der Mensch mit ansteckungsfähiger Tuberkulose (offene
Lungentuberkulose) praktisch die einzige Infektionsquelle darstellt, kommt der frühzeitigen
Erkennung und Behandlung Erkrankter große Bedeutung für die Verhinderung von weiteren
Infektionen zu. Dies gilt besonders auch für die Reaktivierungstuberkulosen alter Menschen,
die häufig spät erkannt werden und für ihr familiäres Umfeld eine nennenswerte Bedrohung
darstellen. Weitere wichtige präventive Maßnahmen sind die Umgebungsuntersuchung
erkrankter Personen, die Tuberkulin/IGRA-Testung und/oder Röntgenuntersuchung von
Kontaktpersonen sowie die Überwachung von Risikogruppen (z. B. Immigranten aus
Entwicklungsländern, beruflich exponierten Personen) [30].
Erkrankte an offener Lungentuberkulose sind bis zum Negativwerden der
Erregerausscheidung über das Sputum zu isolieren [27, 30].
Die Beobachtung, dass die Behandlung von Patienten mit rheumatoider Arthritis mit antiTumornekrosefaktor-Medikamenten [monoklonale Antikörper Adalimumab (ADA), Infliximab
(INF) und Atanercept (RTA)] das Risiko, an Tuberkulose zu erkranken, erhöht, erfordert bei
Exposition ebenfalls die Durchführung einer Chemoprävention oder Chemoprophylaxe [7,
24].
Epidemiologie
Übertragungswege und Eintrittspforten: Die aerogene Erregerübertragung durch Einatmen von
„Tröpfchenkernen“ (<5µm), welche der Erkrankte beim Husten, Niesen, Sprechen oder
Singen freisetzt, ist der epidemiologisch wichtigste Übertragungsweg [30]. Die Tröpfchen
selbst sedimentieren rasch oder werden von den Selbstreinigungsmechanismen der
Atemwege eliminiert, so dass von ihnen nur eine geringe Infektionsgefahr ausgeht [3]. Auf
Oberflächen angetrocknete, erregerhaltige Tröpfchen werden trotz der erheblichen
Trocknungsresistenz von M. tuberculosis ebenfalls nicht als relevante Infektionsquelle
angesehen [30]. Auch bei extrapulmonalen Tuberkulosen kann es zur Erregerausscheidung
kommen, z. B. über Urin, Eiter oder erregerhaltiges Wundsekret, von denen selten infektiöse
Aerosole ausgehen können [16, 27, 30]. Ausnahmsweise kann der Tuberkuloseerreger auch
perkutan durch Inokulation übertragen werden, wenn es zu Verletzungen mit einem
kontaminierten Gegenstand (z. B. mit einer Injektionsnadel oder einem Skalpell bei der
Sektion oder Operation) gekommen ist [17].
Erregerreservoire: M. tuberculosis ist primär ein menschlicher Krankheitserreger und wenigstens in
Mitteleuropa ist der erkrankte Mensch gegenwärtig praktisch das einzige epidemiologisch
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bedeutsame Erregerreservoir [30].
Obwohl die Tuberkulose durch M. tuberculosis an sich eine Erkrankung des Menschen ist,
können Tiere, vor allem Haus- und Nutztiere (s. o.), gelegentlich durch Kontakt mit kranken
Menschen infiziert werden und dann als Infektionsquelle für andere Menschen dienen. Diese
Form der Tuberkulose ist demnach eine Anthropozoonose [30].
Infektionsentstehung: Primärinfektion: exogen durch Inhalation oder – selten – Inokulation des Erregers;
Tuberkulose des Erwachsenenalters: häufig endogen als Ausdruck einer Reaktivierung einer
latenten Infektion [2, 3, 27, 30].
Inzidenz/Prävalenz: Weltweit gehört die Tuberkulose zusammen mit AIDS und Malaria zu den häufigsten
Infektionskrankheiten. Laut WHO erkrankten 2010 8,8 Millionen Menschen neu an dieser
Krankheit, 2011 waren es noch 8,7 Millionen (minus 2,2%) [28]. Für die WHO-Region Europa
wurden folgende Zahlen berichtet: Prävalenz: 56/100.000; Inzidenz: 42/100.000 [28]. In
Deutschland sind Inzidenz und Prävalenz niedrig und seit Jahren abnehmend: 4.330
gemeldete Fälle im Jahr 2010, was einer Inzidenz von 5,3 pro 100.000 Einwohner entspricht
[13]; 96,3% dieser Fälle betrafen Erwachsene, 3,7% Kinder <15 Jahre. Überproportional
hohe Inzidenzraten betreffen Personen, die aus Hochprävalenzländern stammen [30].
Mortalität/Letalität: Laut WHO lag die Zahl der Todesfälle an Tuberkulose 2011 weltweit bei 1,4 Millionen
Menschen [28]. Für die WHO-Region Europa wird für 2011 eine Mortalität (ohne HIVKoinfektion) von 5/100.000 Einwohner (absolut 45.000 Todesfälle) angegeben. In
Deutschland lag die Mortalität 2010 bei 0,17/100.000 Einwohner, die entsprechende Letalität
betrug 3,1% [13].
Infektiosität/Kontagionsindex: Bis zu 17% der IGRA-positiven Erwachsenen entwickeln eine aktive
Tuberkulose; bei deutlicher Immundefizienz liegt der Prozentsatz wesentlich höher. Bei
Kindern steigt das Erkrankungsrisiko in Abhängigkeit vom Lebensalter auf mehr als 40% an
[30].
Zoonose:
Widerstandsfähigkeit - Tenazität
Endosporenbildung: keine [21].
Resistenzen (Trockungs-, Chemo-, Thermo-, Strahlenresistenz ): ausgeprägte Widerstandsfähigkeit
gegenüber zahlreichen äußeren Umwelteinflüssen durch hohen Lipidgehalt der Zellwand;
höhere Resistenz gegenüber kationischen Detergentien und manchen Desinfektionsmitteln;
hohe Austrocknungsresistenz (Überleben im Staub oft monatelang möglich) [2, 3, 21].
Resistenz gegen antituberkulöse Medikamente nimmt leider gerade in den entwickelten
Ländern zu: In Deutschland betrug im Jahr 2010 die Multiresistenz 1,7%, andere
Resistenzen fanden sich bei 12,6% der Stämme [13]. Weltweit erreichten MDR-TB-Stämme
2011 die Zahl von 60.000, in der WHO-Region Europa lag der Prozentsatz bei 15% für
Neuinfektionen und bei 44% für Wiederbehandlungen [28].
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Stand: 04/2014
Arbeits- und Gesundheitsschutz/Gefährdungsbeurteilung
Schutzstufe/Sicherheitsstufe: Schutzstufe 3 nach BioStoffV bzw. Sicherheitsstufe 3 nach GenTSV. Die
mikroskopische Untersuchung von menschlichem Untersuchungsmaterial, der direkte
molekularbiologische Erregernachweis sowie der Ansatz von diagnostischen Kulturen
können unter Bedingungen der Schutzstufe 2 erfolgen (TRBA 100). Die Weiterverarbeitung
positiver Kulturen muss dann in Schutzstufe 3 vorgenommen werden.
Gefährdende Tätigkeiten/Expositionssituationen: häufiger und/oder längerer und/oder intensiver,
ungeschützter Kontakt mit ansteckungsfähigen Patienten; gefährdende Tätigkeiten in
medizinischen Einrichtungen: Sputuminduktion, Bronchoskopie, Intubation, Beatmung
(Absaugen), Reanimation. Weitere Tätigkeitsbereiche mit erhöhtem Expositionsrisiko:
Pathologie, Rechtsmedizin, bakteriologische Laboratorien, Betreuung von Risikogruppen
(Obdachlose,
Drogenabhängige,
Häftlinge,
HIV-Infizierte,
Migranten
aus
Hochprävalenzländern) [27, 30].
Organisatorische und technische Maßnahmen: Isolierung von Patienten mit vermuteter oder bestätigter
Tuberkulose bis zum Ausschluss bzw. für die Dauer ihrer Ansteckungsfähigkeit (keine
Kohortenisolierung!); ausreichende Raumlüftung (häufige Fensterlüftung nach außen oder
raumlufttechnische Anlage mit Unterdruck im Patientenzimmer, Schleuse für
Patientenzimmer nicht erforderlich!); strikte Trennung von Patienten mit HIV-Infektion;
ansteckungsfähige Patienten sollten ihr Isolierzimmer nicht verlassen oder beim Verlassen
sowie bei Anwesenheit anderer Personen im Isolierzimmer einen Mund-Nasen-Schutz
tragen. Bei geschlossener Lungentuberkulose und extrapulmonalen Formen ist eine
Isolierung in der Regel nicht erforderlich; kontaminierte Bereiche umgehend mit gegen
Mykobakterien wirksamem Desinfektionsmittel desinfizieren, sonst entsprechend
Hygieneplan Flächen täglich desinfizierend reinigen; kontaminierte Gegenstände und Abfälle
im Patientenzimmer in dicht verschließbaren Behältnisse zur Entsorgung sammeln [27, 30].
Spezielle tätigkeitsbezogene Schutzmaßnahmen: soweit möglich, Vermeidung von Expositionssituationen
(s. o.) und Vermeidung von Aerosolbildung, Patienten zur Kooperationsbereitschaft anhalten
(„Hustenetikette“), Händedesinfektion auch bei Verwendung von Handschuhen [27, 30]!
Persönliche Schutzausrüstung (PSA): bei Versorgung ansteckungsfähiger Patienten Tragen eines
Atemschutzes, der die Kriterien einer FFP-2-Maske nach DIN EN 149 erfüllt (gilt auch für
Reinigungs- und technisches Personal, Besucher); Schutzkittel (über der normalen
Dienstkleidung) und Schutzhandschuhe tragen (bei hoher Kontaminationsgefahr Einwegkittel
verwenden), die ebenfalls im Patientenzimmer zur Entsorgung gesammelt werden [27, 30].
Berufsbedingte Erkrankungen/gefährdete Personen und Berufsgruppen: Tuberkulose als Berufskrankheit:
medizinisches Personal einschließlich Beschäftigte in der Pathologie, Rechtsmedizin und
Mikrobiologie, Mitpatienten, Betreuer von Risikogruppen (s. o.), in der Geriatrie und
Altenpflege Tätige, Beschäftigte im Rettungsdienst [27, 30].
Sofortmaßnahmen bei Unfällen/Erste Hilfe: desinfizierende Reinigung kontaminierter Bereiche,
Händedesinfektion und Desinfektion kontaminierter anderer Hautoberflächen [27, 30]; bei
mutmaßlicher Inhalation von erregerhaltigen Aerosolen nach Rücksprache mit dem D-Arzt
oder Betriebsarzt evtl. Chemophrophylaxe [24].
Arbeitsmedizinische Vorsorge: § 4 und Anhang Teil 2 Abs.1 ArbMedVV.
Andere gesetzliche Regelungen: Infektionsschutzgesetz (IfSG): Nach § 6 Abs. 1 Nr.1 IfSG sind vom
feststellenden Arzt namentlich zu melden Erkrankung und Tod an einer
behandlungsbedürftigen Tuberkulose, auch wenn ein bakteriologischer Nachweis nicht
vorliegt. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 10 IfSG sind der Meldung hinzuzufügen das Land, in dem die
Infektion wahrscheinlich erworben wurde sowie Geburtsland und Staatsangehörigkeit des
Patienten. Außerdem ist nach § 7 Abs. 1 Nr. 32 IfSG durch das untersuchende Laboratorium
namentlich zu melden der direkte Nachweis von Mycobacterium tuberculosis/africanum,
Mycobacterium bovis: „Meldepflicht für den direkten Erregernachweis sowie nachfolgend für
das Ergebnis der Resistenzbestimmung; vorab auch für den Nachweis säurefester Stäbchen
im Sputum“.
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