KAPITEL 6 Der Erste Gödelsche Unvollständigkeitssatz

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KAPITEL 6
Der Erste Gödelsche Unvollständigkeitssatz
Unvollständigkeit und Unentscheidbarkeit
Mathematische Logik (WS 2013/14)
Kapitel 6: Unvollständigkeit
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Übersicht
1
Der 1. Gödelsche Unvollständigkeitssatz:
Informelle Formulierung und Beweisidee
2
Formalisierung des Berechnungsbegriffs:
Primitiv rekursive und partiell rekursive Funktionen
3
Arithmetische Relationen und Repräsentierbarkeit rekursiver
Relationen
4
Gödelisierung und die formale Fassung des Unvollständigkeitssatzes
5
Beweis des 1. Unvollständigkeitssatzes
6
Der 2. Unvollständigkeitssatz und die Unentscheidbarkeit in der
Prädikatenlogik
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
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6.1 Überblick
Der 1. Gödelsche Unvollständigkeitssatz:
Informelle Formulierung und Beweisidee
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Wahrheit vs. Beweisbarkeit
Bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts sind die führenden
Mathematiker (wie z.B. Hilbert) davon ausgegangen, dass jeder wahre Satz in der
Mathematik auch beweisbar ist.
Der (Gödelsche) Vollständigkeitssatz (für die Prädikatenlogik erster Stufe) zeigt,
dass dies für die logisch wahren Sätze tatsächlich gilt, nämlich dass es einen
Kalkül K der Prädikatenlogik gibt, in dem genau die allgemeingültigen Sätze
beweisbar sind: σ ⇔ `K σ
Gödel hat aber 1931 im Gegensatz hierzu auch gezeigt, dass dies für die
mathematisch wahren Sätze nicht gilt. Dies trifft bereits auf die Theorie der
Arithmetik, d.h. auf die in der Struktur N = (N; ≤; +, ·; 0, 1) der natürlichen
Zahlen (mit der üblichen Ordnung sowie Addition und Multiplikation) wahren
Sätze zu: Es gibt keinen Kalkül K, in dem genau die in N geltenden Aussagen
beweisbar sind. (Insbesondere gilt dies dann für mächtigere Strukturen wie z.B.
die Analysis d.h. die Theorie der reellen Zahlen.)
Diese Aussage ist Inhalt des 1. Gödelschen Unvollständigkeitssatzes.
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
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Vorläufige Formulierung des Unvollständigkeitssatzes (1)
Gehen wir davon aus, dass wir Aussagen über die Struktur N = (N; ≤; +, ·; 0, 1)
der natürlichen Zahlen in der Sprache L = L(N ) = L(≤; +, ·; 0, 1) formulieren,
so lässt sich der Unvollständigkeitssatz auch wie folgt formulieren:
1. GÖDELSCHER UNVOLLSTÄNDIGKEITSSATZ (SEMANTISCHE VERSION;
UVS’): Es gibt keine entscheidbare L-Theorie T , sodass C` (T ) = Th(N ) gilt,
d.h. dass für alle L-Sätze σ gilt:
(∗) T ` σ ⇔ N σ
Gäbe es nämlich einen Kalkül K mit `K σ ⇔ N σ, so würde wegen der
Adäquatheit des Shöenfield-Kalküls (und wegen des Deduktionstheorems) für die
Theorie T , die aus den Axiomen von K sowie den als Axiomen formulierten Regeln
von K die Gleichung (∗) gelten. Da für einen Kalkül die Menge der Axiome und
Regeln entscheidbar ist, wäre aber dann T entscheidbar im Widerspruch zu UVS’.
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Vorläufige Formulierung des Unvollständigkeitssatzes (2)
Tatsächlich hat Gödel den Unvollständigkeitssatz in einer etwas schärferen
syntaktischen Form gezeigt:
1. GÖDELSCHER UNVOLLSTÄNDIGKEITSSATZ (UVS): Es gibt keine
entscheidbare L-Theorie T mit
T beweist ein hinreichend großes Fragment der Arithmetik
(etwa: PA− ⊆ C` (T ))
T ist konsistent und vollständig.
Da die Theorie jeder Struktur vollständig und konsistent ist, ergibt sich hieraus
die bereits formulierte semantische Version UVS’ des Unvollständigkeitssatzes.
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Bemerkungen (1)
Die Formulierungen von UVS und UVS’ sind vorläufig, da diese den
intuitiven Begriff der Entscheidbarkeit enthalten.
Um die Aussagen zu präzisieren, müssen wir daher diesen Begriff
formalisieren (mathematisieren). Hierzu werden wir in Kapitel 6.2 den
formalen Begriff der rekursiven Menge (natürlicher Zahlen) definieren,
von dem man allgemein annimmt, dass er den Begriff der entscheidbaren
Menge präzisiert (Church-Turing-These).
Ordnet man dann jeder L-Formel σ effektiv eine Codenummer, die
Gödelnummer pσq von σ zu, so kann man argumentieren, dass eine Theorie
T = (L, Σ) genau dann entscheidbar ist, wenn die Menge der
Gödelnummern der Axiome von T (d.h. der Menge Σ) rekursiv ist.
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Bemerkungen (2)
Wir werden hier aus Zeitgründen nur die semantische Version UVS’ des
Unvollständigkeitssatzes beweisen. Der Beweis der allgemeineren
syntaktischen Version UVS ist jedoch ähnlich (s. Skript von Herrn Gloede).
In UVS’ kann man die Gleichung (∗) durch
(∗∗) T σ ⇔ N σ
ersetzen, da - wegen der Adäquatheit des Shoenfieldkalküls T σ ⇔ T ` σ gilt.
Den Unvollständigkeitssatz kann man auch rein berechenbarkeitstheoretisch
formulieren (s. Kapitel 6.2). UVS’ ist äquivalent zu:
Die Theorie Th(N ) ist unentscheidbar. D.h., es gibt keinen Algorithmus, der
für beliebige L-Sätze σ feststellt, ob diese in N gelten.
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Beweisidee von UVS (und UVS’): Kern des Beweises (1)
Wir skizzieren nun den Beweis von UVS’ und isolieren dabei die erforderlichen
technischen Resultate und Begriffe, die dann in den folgenden Abschnitten
nachgeliefert werden.
Sei T eine entscheidbare Theorie mit T ⊆ Th(N ). Zu zeigen ist dann, dass
Th(N ) 6⊆ C` (T ) gilt, d.h., dass es einen Satz σ ∈ Th(N ) gibt mit T 6` σ.
Gödel gibt hierzu einen (von T abhängenden) in N geltenden L-Satz σ an, der
intuitiv und korrekterweise von sich behauptet
“Ich bin nicht aus T beweisbar!”
Der Satz σ gilt dann in N , aber - wegen der Wahrheit von σ - ist σ nicht aus T
beweisbar, d.h. σ ∈ Th(N ) \ C (T ).
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Beweisidee von UVS (und UVS’): Kern des Beweises (2)
ABER wie kann ein L-Satz σ von sich sagen “Ich bin nicht aus T
beweisbar!”?
L-Sätze machen Aussagen über Zahlen und nicht über Theorien, Sätze,
Beweisbarkeit etc.!
LÖSUNG: Gödel kodiert (“gödelisiert”) Formeln ϕ durch Zahlen, nämlich
deren “Gödelnummern” pϕq, und endliche Zahlfolgen durch einzelne Zahlen.
Der Satz σ besagt dann genauer “Es gibt keine Zahl x, die eine Folge
x1 , . . . , xm von Zahlen kodiert, sodass diese Gödelnummern von Formeln
ϕ1 , . . . , ϕm sind, die einen T -Beweis der Formel mit Gödelnummer n bilden.”
Durch ein Diagonalargument ist dabei die Zahl n so gewählt, dass diese
Gödelnummer einer Formel τ ist, die T -beweisbar zu σ äquivalent ist (d.h.
T ` τ ↔ σ).
Aus der T -Unbeweisbarkeit von τ folgt also die T -Unbeweisbarkeit von σ,
weshalb der Satz σ gedeutet werden kann, dass er (implizit) sagt “Ich bin
nicht aus T beweisbar!”
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Beweisidee von UVS (und UVS’): Kern des Beweises (3)
Der aufwändigste Schritt im Beweis von UVS bzw. UVS’ ist zu zeigen, dass
sich das (gödelisierte) Beweisprädikat durch eine Formel in der Sprache L
der Arithmetik beschreiben lässt.
Das gödelisierte Wahrheitsprädikat “n ist die Gödelnummer eines Satzes, der
in N gilt” ist dagegen nicht durch einen L-Satz beschreibbar (Satz von
Tarski; Kapitel 6.6). Der Satz “Ich bin nicht (in N ) wahr!” lässt sich also
nicht durch einen L-Satz beschreiben. Hier können daher im Gegensatz zum
Gödelsatz die Sprachebenen nicht “vermengt” werden: Der Satz “Ich bin
nicht wahr!” lässt sich nicht via Gödelisierung durch einen Satz der
Arithmetik umschreiben, ist also in seiner Vermischung der Sprachebenen
sinnlos.
Würde es solch einen Satz σ 0 geben, so erhielte man (vgl. Paradoxie des
Lügners) folgenden Widerspruch:
N σ0 ⇔ N 6 σ0
Dies würde also zeigen, dass die Prädikatenlogik in sich widersprüchlich ist!
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Beweisidee von UVS’: Erläuterung der einzelnen
Beweisschritte
Im Folgenden werden wir die einzelnen Schritte des gerade skizzierten Beweises
etwas näher erläutern.
Hierbei werden wir uns allerdings auf den Beweis von UVS’ beschränken.
Dies führt zu folgender Vereinfachung: Es genügt, den oben beschriebenen Satz σ
so zu konstruieren, dass dieser (wie oben) für einen Satz τ besagt “τ ist nicht
T -beweisbar”, wobei aber nun lediglich N τ ↔ σ (und nicht notwendigerweise
T ` τ ↔ σ) gelten muss.
Man kann dann folgern, dass der Satz τ nicht aus T -beweisbar ist, aber in N
wahr ist, also für diesen Satz τ ∈ Th(N ) \ C` (T ) gilt. Dies beweist aber gerade
die schwache Version UVS’ des Unvollständigkeitssatzes.
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Beweisidee von UVS’: Schritt 1 - Gödelisierung
Durch Induktion ordnen wir jedem (L-)Term t und jeder (L-)Formel ϕ eine
Gödelnummer ptq bzw. pϕq zu.
Dies geschieht effektiv, sodass wir aus der Formel ϕ die Gödelnummer pϕq
berechnen können und umgekehrt für eine Zahl n entscheiden können, ob
diese Gödelnummer einer Formel ist und gegebenenfalls diese berechnen
können (und entsprechend für Terme).
Weiter ordnen wir jeder endlichen Folge n0 , . . . , nk von Zahlen eine Zahl
hn0 , . . . , nk i zu. (Wegen der eindeutigen Zerlegbarkeit von Zahlen in deren
Primfaktoren können wir z.B. definieren
hn0 , . . . , nk i := p0n0 +1 · · · · · pknk +1 ,
wobei pm die m-te Primzahl ist.)
Wichtig ist hierbei wiederum, dass Kodierung und Dekodierung effektiv
durchführbar sind.
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Beweisidee von UVS’: Schritt 2 - Das gödelisierte
Beweisprädikat Bew
Definiere die 2-st. Relation Bew ⊆ N × N durch
(q, r ) ∈ Bew
⇔ q ist die Gödelnummer einer Zahlenfolge
q = hm1 , . . . , mn i, wobei mn = r und
m1 , . . . mn Gödelnummern von Formeln
ϕ1 , . . . , ϕn sind und ϕ1 , . . . , ϕn ein T -Beweis ist
Es gilt dann
ϕn , . . . , ϕn T -Beweis von ϕ ⇔ (hpϕ1 q, . . . pϕn qi, pϕq) ∈ Bew
(1)
D.h. die 2-stellige Relation Bew auf N beschreibt das Beweisprädikat
(modulo Gödelisierung).
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Beweisidee von UVS’: Schritt 3 - Repräsentation von Bew
in L
Zeige, dass es eine L-Formel β ≡ β(v1 , v2 ) gibt mit
(q, r ) ∈ Bew ⇔ N β[q/v1 , r /v2 ]
(2)
Hierbei ist die Ziffer n die kanonische Darstellung der Zahl n als
geschlossener L-Term: 0 + 1 + · · · + 1.
| {z }
n-mal
Hierzu werden wir 1) beobachten, dass wegen der Entscheidbarkeit von T auch das Beweisprädikat Bew entscheidbar
ist, und 2) zeigen, dass jede entscheidbare Relation durch eine L-Formel repräsentierbar ist. (NB: Hierbei werden wir
mit der mathematischen Präzisierung des Entscheidbarkeitsbegriffs arbeiten.)
NB: Da (für jeden L-Satz τ ) T ` τ genau dann gilt, wenn es einen
T -Beweis von τ gibt, folgt aus (??) und (??):
T ` τ ⇔ N ∃v1 β[pτ q/v2 ]
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(3)
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Beweisidee von UVS’: Schritt 4 - Diagonalisierungslemma
Im nächsten Beweisschritt zeigen wir dann (durch eine trickreiche
Diagonalisierung):
DIAGONALISIERUNGSLEMMA Zu jeder Formel ϕ ≡ ϕ(v2 ) (in der nur die
Variable v2 frei vorkommt) gibt es einen Satz τ mit
N τ ↔ ϕ[pτ q/v2 ]
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Beweisidee von UVS’: Schritt 5 - Der nichtbeweisbare aber
wahre Satz τ
Schließlich wenden wir das Diagonalisierungslemma auf die Formel ϕ :≡ ¬∃v1 β
an. Für den aus (4) erhaltenen Satz τ gilt dann:
N τ ↔ ¬∃v1 β[pτ q/v2 ]
(5)
Setze nun (für diesen Satz τ ): σ :≡ ¬∃v1 β[pτ q/v2 ].
Dann besagt σ gerade “Es gibt keinen T -Beweis des Satzes τ ”, und wegen (??)
ist in N der Satz σ zu dem Satz τ äquivalent.
Dass hieraus folgt, dass der Satz τ die gewünschten Eigenschaften hat, d.h., dass
T 6` τ aber N τ gilt, zeigt man wie folgt:
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Beweisidee von UVS’: Schritt 5 - Der nichtbeweisbare aber
wahre Satz τ (Fortsetzung)
1. T 6` τ : Indirekter Beweis:
T `τ
⇒ N ∃v1 β[pτ q/v2 ]
⇒ N 6 ¬∃v1 β[pτ q/v2 ]
⇒ N 6 τ
⇒ T 6 τ
⇒ T `
6 τ
(nach (??))
(nach Definition von )
(nach (??))
(da T ⊆ Th(N ))
(Korrektheitssatz)
Widerspruch (da T wegen T ⊆ Th(N ) konsistent ist)!
2. N τ : Dies ergibt sich aus T 6` τ wie folgt:
T 6` τ
⇒ N 6 ∃v1 β[pτ q/v2 ]
⇒ N ¬∃v1 β[pτ q/v2 ]
⇒ N τ
(nach (??))
(nach Definition von )
(nach (??))
Damit ist die Beweisskizze abgeschlossen.
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In den folgenden Abschnitten werden wir die Begriffe und Ergebnisse
bereitstellen, die zur Ausführung des Beweises von UVS’ erforderlich sind:
Formalisierung des Berechnungsbegriffs durch den Begriff der
Rekursiven Funktion (Kapitel 6.2)
Repräsentierbarkeit rekursiver und rekursiv aufzählbarer Mengen
(Kapitel 6.3)
Gödelisierung und formale Formulierung des 1. Unvollständigkeitssatzes (Kapitel 6.4)
Beweis des 1. Gödelschen Unvollständigkeitssatzes (Kapitel 6.5)
In Kapitel 6.6 werden wir dann noch kurz auf den 2. Gödelschen
Unvollständigkeitssatz eingehen und auf die Unentscheidbarkeit der
Prädikatenlogik.
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6.2 Grundlagen der Berechenbarkeitstheorie
1
Die intuitiven Grundbegriffe der Berechenbarkeitstheorie
2
Entscheidbarkeit und Aufzählbarkeit in der Logik
3
Formalisierung des Berechenbarkeitsbegriffs
4
Primitiv rekursive Funktionen
5
Beispiele primitiv rekursiver Funktionen
6
Rekursive Funktionen und rekursiv aufzählbare Mengen
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6.2.1
Die intuitiven Grundbegriffe der
Berechenbarkeitstheorie
Hier werden im Wesentlichen die bereits im Teil zur Aussagenlogik vorgestellten
Konzepte der Berechenbarkeit, Entscheidbarkeit und Aufzählbarkeit nochmals
eingeführt (Wiederholung).
Neu ist lediglich das Projektionslemma.
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Algorithmen und deren Aufgabenstellung
Ein Algorithmus (Rechenvorschrift) ist eine Vorschrift zur Lösung eines
Problems.
Aufgrund der Aufgabenstellung unterscheiden wir verschiedene Typen von
Algorithmen.
Typen von Problemen / Algorithmen:
Entscheidungsprobleme / Entscheidungsverfahren
Aufzählungsprobleme / Aufzählungsverfahren
Berechnungsprobleme / Berechnungsverfahren
Bei der Diskussion dieser Konzepte beschränken wir uns auf den Fall, dass Ein(und Ausgabe-)daten (einzelne) natürliche Zahlen sind. (Die Verallgemeinerung
auf andere Daten und auf den mehrstelligen Fall ist eine einfache Übung.)
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Entscheidbarkeit
Entscheidungsproblem: Stelle fest, ob eine natürliche Zahl eine gewisse
Eigenschaft E hat.
Solch ein Problem kann durch eine Menge M beschrieben werden:
M = {x ∈ N : E (x)}
Entscheidungsverfahren (EV): Algorithmus zur Lösung eines
Entscheidungsproblems M = {x ∈ N : E (x)}
• Eingabe: x ∈ N
• Ausgabe: JA (oder 1), falls E (x) und NEIN (oder 0), falls ¬E (x)
M ist entscheidbar, wenn es ein Entscheidungsverfahren für M gibt.
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Aufzählbarkeit
Aufzählungsproblem: Liste alle Zahlen mit einer gewissen Eigenschaft E
auf (in beliebiger Reihenfolge; Wiederholungen zugelassen).
Solch ein Problem kann (wie ein Entscheidungsproblem) durch eine Menge
M beschrieben werden: M = {x ∈ N : E (x)}
Aufzählungsverfahren (AV): Algorithmus zur Lösung eines
Aufzählungsproblems M = {x ∈ N : E (x)}
• Eingabe: keine
• Ausgabe: Alle Zahlen mit Eigenschaft E , aufgelistet in
beliebiger Reihenfolge (und evtl. mit Wiederholungen).
M ist aufzählbar, wenn es ein Aufzählungsverfahren für M gibt.
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Berechenbarkeit
Berechnungsproblem: Ordne einer Zahl n eine andere Zahl (mit einer i.a.
von n abhängenden Eigenschaft) zu.
Solch ein Problem kann durch eine Funktion beschrieben werden:
f :N→N
Berechnungsverfahren (BV): Algorithmus zur Lösung eines
Berechnungsproblems f : N → N
• Eingabe: x ∈ N
• Ausgabe: f (x)
f ist berechenbar, wenn es ein Berechnungsverfahren für f gibt.
Nachdem wir die Grundbegriffe der Berechenbarkeit, Entscheidbarkeit und
Aufzählbarkeit eingeführt haben, diskutieren wir kurz die Beziehungen
zwischen diesen Konzepten.
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Entscheidbarkeit vs. Aufzählbarkeit
M entscheidbar ⇒ M aufzählbar.
(Die Umkehrung gilt i.a. nicht!)
M entscheidbar ⇔ M monoton aufzählbar.
M, M 0 entscheidbar ⇒ M, M ∩ M 0 , M ∪ M 0 entscheidbar.
M, M 0 aufzählbar ⇒ M ∩ M 0 , M ∪ M 0 (aber i.a. nicht M) aufzählbar.
M entscheidbar ⇔ M und M aufzählbar.
(KOMPLEMENTLEMMA)
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Berechenbarkeit vs. Entscheidbarkeit/Aufzählbarkeit
M entscheidbar ⇔ cM berechenbar.
Hierbei ist cM : N → N die charakteristische Funktion von M:
(
1 falls x ∈ M
cM (x) =
0 falls x 6∈ M
M aufzählbar ⇔ M = ∅ oder M ist der Wertebereich einer
berechenbaren Funktion f .
f ist berechenbar ⇔ Gf entscheidbar ⇔ Gf aufzählbar.
Hierbei ist Gf der Graph von f :
Gf = Graph(f ) = {(x, f (x)) : x ∈ N}
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Aufzählbarkeit und Suchprobleme
PROJEKTIONSLEMMA Eine Menge A ist genau dann aufzählbar, wenn
sie Projektion einer (2-dim.) entscheidbaren Menge B ist, d.h.
x ∈ A ⇔ ∃y [(x, y ) ∈ B]
gilt.
BEWEISIDEE. O.B.d.A. A 6= ∅, also etwa x0 ∈ A.
“⇒” Ist A Wertebereich der berechenbaren Funktion f , so setze
B = {(f (x), x) : x ≥ 0}.
“⇐” Ist A Projektion der entscheidbaren Menge B, so ist A Wertebereich der
folgenden berechenbaren Funktion f :
(
x falls z = 2x · 3y und (x, y ) ∈ B
f (z) =
x0 sonst
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6.2.2
Entscheidbarkeit und Aufzählbarkeit
in der Logik
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Beweise und Beweisbarkeit
(i) Der Beweisbegriff ist entscheidbar. D.h., man kann effektiv feststellen, ob
eine Formelfolge ϕ1 , . . . ϕn ein Beweis (im Shoenfield-Kalkül) ist.
Allgemeiner: Ist T eine entscheidbare Theorie, so ist auch die Menge der
Beweise aus T entscheidbar.
(ii) Der Beweisbarkeitsbegriff ist aufzählbar: Da eine Formel ϕ genau dann
beweisbar ist, wenn es einen Beweis ϕ1 , . . . ϕn von ϕ gibt, folgt dies aus (i)
mit dem Projektionslemma. Allgemeiner gilt dies wiederum für die
Beweisbarkeit aus einer entscheidbaren Theorie T :
AUFZÄHLBARKEITSLEMMA. Ist eine Theorie T entscheidbar, so ist der
deduktive Abschluss C` (T ) = {σ : T ` σ} aufzählbar. Insbesondere ist die Menge
C` (∅) = {σ : ` σ} aufzählbar.
BEWEIS. Ist T entscheidbar, so ist auch die Menge der T -Beweise, d.h.
~ :ψ
~ ist Beweis von ϕ aus T }
B = {(ϕ, ψ)
entscheidbar, und C` (T ) ist die Projektion von B.
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Umgekehrt lässt sich jede aufzählbare Theorie T effektiv axiomatisieren:
AXIOMATISIERBARKEITSLEMMA. Sei T eine aufzählbare Theorie.
Dann gibt es eine entscheidbare Theorie T 0 mit C` (T ) = C` (T 0 ).
BEWEISIDEE. Ist T endlich, so ist T entscheidbar und man kann
T 0 := T setzen. Für unendliches T sei σ1 , σ2 , . . . eine Aufzählung von T .
Sei nun τn die n-fache Konjunktion von σn . Dann gilt τn äq σn , weshalb
für T 0 := {τn : n ≥ 1} gilt: C` (T ) = C` (T 0 ). T 0 ist aber entscheidbar, da
ein Satz σ der Länge n genau dann in T 0 ist, wenn σ mit einem der Sätze
τ1 , . . . , τn übereinstimmt.
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Folgerungen aus dem Aufzählbarkeitslemma (1)
WAHRHEITSLEMMA. Die Menge {σ : σ} der allgemeingültigen Sätze
ist aufzählbar.
BEWEIS. Nach dem Aufzählbarkeitslemma ist
C (∅) = {σ : ` σ}
aufzählbar und nach dem Adäquatheitssatz gilt
{σ : ` σ} = {σ : σ}.
BEMERKUNG. Da nach dem Adäquatheitssatz ` und übereinstimmen, also
C (T ) = {σ : T σ} und C` (T ) = {σ : T ` σ} übereinstimmen, schreiben wir
im Folgenden meist kurz C (T ) statt C` (T ).
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Folgerungen aus dem Aufzählbarkeitslemma (2)
KOROLLAR. Ist T vollständig und entscheidbar, so ist auch C (T ) entscheidbar.
BEWEIS. O.B.d.A. ist T konsistent (sonst ist C (T ) trivialerweise entscheidbar).
Nach dem Aufzählbarkeitslemma ist C (T ) aufzählbar. Offensichtlich ist dann auch
A = {¬σ : σ ∈ C (T )} ∪ {σ : ¬σ ∈ C (T )}
aufzählbar. Wegen der Vollständigkeit und Konsistenz von T gilt aber A = C (T ).
Die Behauptung folgt mit dem Komplementlemma.
Mit dem Axiomatisierbarkeitslemma folgt hieraus:
LEMMA ÜBER DIE ENTSCHEIDBARKEIT VOLLSTÄNDIGER THEORIEN. Für
eine vollständige Theorie T sind folgende Aussagen äquivalent:
C (T ) ist aufzählbar.
C (T ) ist entscheidbar.
Es gibt eine entscheidbare Theorie T 0 mit C (T ) = C (T 0 ).
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Folgerungen aus dem Aufzählbarkeitslemma (3)
Da für eine Struktur A Th(A) vollständig ist und C (Th(A)) = Th(A)
gilt, folgt insbesondere:
LEMMA ÜBER DIE ENTSCHEIDBARKEIT DER THEORIEN VON
STRUKTUREN. Für eine Struktur A sind folgende Aussagen äquivalent:
Th(A) ist aufzählbar.
Th(A) ist entscheidbar.
Es gibt eine entscheidbare Theorie T mit C (T ) = Th(A).
Die semantische Version UVS’ des Unvollständigkeitssatzes (in der
vorläufigen Fassung) ist also (wie bereits früher erwähnt) äquivalent zu der
Aussage, dass Th(N ) nicht entscheidbar ist.
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6.2.3
Formalisierung des Berechenbarkeitsbegriffs
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Formalisierungen des Berechenbarkeitsbegriffs
Der Begriff der berechenbaren Funktion wurde auf zahlreiche
unterschiedliche Arten formalisiert (s. Vorlesung “Theoretische
Informatik”). Beispiele:
Turing-Maschinen
Register-Maschinen
Rekursive Funktionen
Markov-Algorithmen
Es wurde gezeigt, dass alle diese Konzepte äquivalent sind. Dies hat zu
folgender Überzeugung geführt:
CHURCH-TURING-THESE Eine Funktion ist genau dann im intuitiven
Sinn berechenbar, wenn diese im Sinne eines der obigen formalen
Konzepte berechnet werden kann.
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
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Rekursive und primitiv rekursive Funktionen
Hier werden wir das formale Konzept der rekursiven Funktion einführen.
Zunächst betrachten wir die primitiv rekursiven Funktionen, die von Gödel
eingeführt wurden. Diese erfassen noch nicht alle berechenbaren
Funktionen (aber die typischen, in der Praxis verwendeten berechenbaren
Funktionen sind primitiv rekursiv).
Später werden wir dann das Konzept der primitiv rekursiven Funktion zu
dem Begriff der rekursiven Funktion erweitern, der nach der
Church-Turing-These den intuitiven Berechenbarkeitsbegriff erfasst.
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
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6.2.4
Primitiv rekursive Funktionen
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
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Definition der primitiv rekursiven Funktionen: Idee
Definiere eine Klasse von berechenbaren Funktionen über N induktiv durch
Festlegung
einer Ausgangsmenge einfacher berechenbarer Funktionen
von Operatoren, die berechenbare Funktionen in berechenbare
Funktionen überführen.
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
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Definition der primitiv rekursiven Funktionen:
Ausgangsfunktionen
Ausgangsfunktionen
S(x) = x + 1
Nachfolger
Uin (x1 , . . . , xn ) = xi
n-stellige Projektion auf die
i-te Komponente
(n ≥ 1, 1 ≤ i ≤ n)
Cin (x1 , . . . , xn ) = i
n-stellige konstante Funktion
mit Wert i
(n, i ≥ 0)
Mathematische Logik (WS 2013/14)
Kapitel 6: Unvollständigkeit
40 / 129
Definition der primitiv rekursiven Funktionen:
Abschlussoperationen
Abschlussoperationen
Simultane Substitution (Explizite Definitionen)
Primitive Rekursion (Einfache Implizite Definitionen)
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
41 / 129
Definition der primitiv rekursiven Funktionen: Substitution
Simultane Substitution
Seien g : Nm → N und h1 , . . . , hm : Nn → N m- bzw. n-stellige
Funktionen. Die aus g durch simultane Substitution von h1 , . . . , hm
entstehende n-stellige Funktion
f = g (h1 , . . . , hm )
ist definiert durch
∀~x ∈ Nn (f (~x ) = g (h1 (~x ), . . . , hm (~x )))
NB: g , h1 , . . . , hm berechenbar ⇒ g (h1 , . . . , hm ) berechenbar.
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
42 / 129
Definition der primitiv rekursiven Funktionen: Primitive
Rekursion
Primitive Rekursion
Seien g : Nn → N und h : Nn+2 → N Funktionen. Die durch primitive
Rekursion über g und h definierte Funktion
f (n+1) = PR(g , h)
ist definiert durch
∀~x ∈ Nn (f (~x , 0) = g (~x ))
∀~x ∈ Nn ∀y ∈ N (f (~x , y + 1) = h(~x , y , f (~x , y )))
NB: g , h berechenbar ⇒ f = PR(g , h) berechenbar.
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
43 / 129
Beispiele von primitiven Rekursionen (1)
BEISPIEL 1: Addition f+ (x, y ) = x + y
Rekursionsgleichungen:
x + 0 = x (d.h. f+ (x, 0) = x)
x + (y + 1) = (x + y ) + 1 (d.h. f+ (x, y + 1) = f+ (x, y ) + 1 = S(f+ (x, y )))
(2)
Es gilt also f+ = PR(g (1) , h(3) ) für
g (x) = x, d.h. g = U11
h(x, y , z) = z + 1, d.h. h = S(U33 )
Es gilt also: + = f+ = PR(U11 , S(U33 ))
Die Addition lässt sich also mit Hilfe der primitiven Rekursion und simultaner
Substitution aus den Ausgangsfunktionen gewinnen!
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
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Beispiele von primitiven Rekursionen (2)
BEISPIEL 2: Multiplikation f· (x, y ) = x · y
Rekursionsgleichungen:
x · 0 = 0 (d.h. f· (x, 0) = 0)
x · (y + 1) = (x · y ) + x (d.h. f· (x, y + 1) = f· (x, y ) + x)
(2)
Es gilt also f·
= PR(g (1) , h(3) ) für
g (x) = 0, d.h. g = C01
h(x, y , z) = z + x, d.h. h = f+ (U33 , U13 )
Es gilt also: · = f· = PR(C01 , f+ (U33 , U13 ))
Die Multiplikation lässt sich also mit Hilfe der primitiven Rekursion und
simultaner Substitution aus den Ausgangsfunktionen und der Addition gewinnen!
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
45 / 129
Definition der primitiv rekursiven Funktionen
DEFINITION. Die Klasse PRIM der primitiv rekursiven Funktionen ist die
kleinste Funktionsklasse, die
die Ausgangsfunktionen S, Uin und Cin enthält und
gegen simultane Substitution und primitive Rekursion abgeschlossen
ist.
Weiter legen wir fest:
DEFINITION Eine Relation R ⊆ Nn ist primitiv rekursiv, falls die
charakteristische Funktion cR von R primitiv rekursiv ist.
NB: Primitiv rekursive Funktionen sind berechenbar, und primitiv rekursive
Relationen und Mengen sind entscheidbar.
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
46 / 129
6.2.5
Beispiele primitiv rekursiver Funktionen
Hier geben wir
Beispiele primitiv rekursiver Funktionen
weitere Abschlusseigenschaften von PRIM
an, die wir im Folgenden benötigen werden.
Mathematische Logik (WS 2013/14)
Kapitel 6: Unvollständigkeit
47 / 129
Einfache Beispiele primitiv rekursiver Funktionen
SATZ 1. Die folgenden Funktionen sind primitiv rekursiv:
f1 (x, y ) = x + y (Summe)
f3 (x, y ) = x y (Potenz)
f5 (x, y ) = x −̇y (Differenz auf N)
f7 (x, y ) = max(x, y ) (Maximum)
f9 (x) = sg (x) (Signum/Vorz.)
f2 (x, y ) = x · y (Produkt)
f4 (x, y ) = x −̇1 (Vorgänger)
f6 (x, y ) = |x − y | (Absolute Differenz)
f8 (x, y ) = min(x, y ) (Minimum)
f10 (x) = sg (x) (Antisignum/neg.Vorz.))
BEWEIS: f1 , f2
Siehe Beispiele 1 und 2 im Abschnitt 6.2.4
Mathematische Logik (WS 2013/14)
Kapitel 6: Unvollständigkeit
48 / 129
Einfache Beispiele primitiv rekursiver Funktionen (Forts.)
SATZ 1. Die folgenden Funktionen sind primitiv rekursiv:
f1 (x, y ) = x + y (Summe)
f3 (x, y ) = x y (Potenz)
f5 (x, y ) = x −̇y (Differenz auf N)
f7 (x, y ) = max(x, y ) (Maximum)
f9 (x) = sg (x) (Signum/Vorz.)
f2 (x, y ) = x · y (Produkt)
f4 (x, y ) = x −̇1 (Vorgänger)
f6 (x, y ) = |x − y | (Absolute Differenz)
f8 (x, y ) = min(x, y ) (Minimum)
f10 (x) = sg (x) (Antisignum/neg.Vorz.))
BEWEIS: f3
f3 (x, 0) = x 0 = 1 ⇒ g (x) = C11 (x) = 1
f3 (x, y + 1) = x y +1 = x y · x = f2 (f3 (x, y ), x)
⇒ h(x, y , z) = f2 (U13 , U11 )(x, y , z) = f2 (z, x)
Also: f3 = PR(C11 , f2 (U13 , U11 ))
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
49 / 129
Einfache Beispiele primitiv rekursiver Funktionen (Forts.)
SATZ 1. Die folgenden Funktionen sind primitiv rekursiv:
f1 (x, y ) = x + y (Summe)
f3 (x, y ) = x y (Potenz)
f5 (x, y ) = x −̇y (Differenz auf N)
f7 (x, y ) = max(x, y ) (Maximum)
f9 (x) = sg (x) (Signum/Vorz.)
(
x −1
BEWEIS: f4 (x) = x −̇1 =
0
f2 (x, y ) = x · y (Produkt)
f4 (x, y ) = x −̇1 (Vorgänger)
f6 (x, y ) = |x − y | (Absolute Differenz)
f8 (x, y ) = min(x, y ) (Minimum)
f10 (x) = sg (x) (Antisignum/neg.Vorz.))
x >0
sonst.
f4 (0) = 0−̇1 = 0 ⇒ g () = C00 (0) = 0
f4 (y + 1) = y
⇒ h(y , z) = U11 (y , z) = y
Also: f4 = PR(C00 , U11 )
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
50 / 129
Einfache Beispiele primitiv rekursiver Funktionen (Forts.)
SATZ 1. Die folgenden Funktionen sind primitiv rekursiv:
f1 (x, y ) = x + y (Summe)
f3 (x, y ) = x y (Potenz)
f5 (x, y ) = x −̇y (Differenz auf N)
f7 (x, y ) = max(x, y ) (Maximum)
f9 (x) = sg (x) (Signum/Vorz.)
(
x −y
BEWEIS: f5 (x) = x −̇y =
0
f5 (x, 0) = x −̇0 = x
f2 (x, y ) = x · y (Produkt)
f4 (x, y ) = x −̇1 (Vorgänger)
f6 (x, y ) = |x − y | (Absolute Differenz)
f8 (x, y ) = min(x, y ) (Minimum)
f10 (x) = sg (x) (Antisignum/neg.Vorz.))
x ≥y
sonst
⇒ g (x) = U11 (x) = x
f5 (x, y + 1) = (x −̇y )1̇ = f4 (f5 (x, y ))
⇒ h(x, y , z) = f4 (U33 )(x, y , z) = z −̇1
Also: f5 = PR(U11 , f4 (U33 ))
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51 / 129
Einfache Beispiele primitiv rekursiver Funktionen (Forts.)
SATZ 1. Die folgenden Funktionen sind primitiv rekursiv:
f1 (x, y ) = x + y (Summe)
f3 (x, y ) = x y (Potenz)
f5 (x, y ) = x −̇y (Differenz auf N)
f7 (x, y ) = max(x, y ) (Maximum)
f9 (x) = sg (x) (Signum/Vorz.)
f2 (x, y ) = x · y (Produkt)
f4 (x, y ) = x −̇1 (Vorgänger)
f6 (x, y ) = |x − y | (Absolute Differenz)
f8 (x, y ) = min(x, y ) (Minimum)
f10 (x) = sg (x) (Antisignum/neg.Vorz.))
BEWEIS: f6
f6 (x, y ) =
=
=
=
|x − y |
(x −̇y ) + (y −̇x)
f1 (f5 (x, y ), f5 (y , x))
f1 (f5 , f5 (U22 , U12 ))(x, y )
Also: f6 = f1 (f5 , f5 (U22 , U12 ))
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
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Einfache Beispiele primitiv rekursiver Funktionen (Forts.)
SATZ 1. Die folgenden Funktionen sind primitiv rekursiv:
f1 (x, y ) = x + y (Summe)
f3 (x, y ) = x y (Potenz)
f5 (x, y ) = x −̇y (Differenz auf N)
f7 (x, y ) = max(x, y ) (Maximum)
f9 (x) = sg (x) (Signum/Vorz.)
f2 (x, y ) = x · y (Produkt)
f4 (x, y ) = x −̇1 (Vorgänger)
f6 (x, y ) = |x − y | (Absolute Differenz)
f8 (x, y ) = min(x, y ) (Minimum)
f10 (x) = sg (x) (Antisignum/neg.Vorz.))
BEWEIS: f7
f7 (x, y ) =
=
=
=
max(x, y )
x + |x − y |
f1 (x, f6 (x, y ))
f1 (U12 , f6 )(x, y )
Also: f7 = f1 (U12 , f6 )
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
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Einfache Beispiele primitiv rekursiver Funktionen (Forts.)
SATZ 1. Die folgenden Funktionen sind primitiv rekursiv:
f1 (x, y ) = x + y (Summe)
f3 (x, y ) = x y (Potenz)
f5 (x, y ) = x −̇y (Differenz auf N)
f7 (x, y ) = max(x, y ) (Maximum)
f9 (x) = sg (x) (Signum/Vorz.)
f2 (x, y ) = x · y (Produkt)
f4 (x, y ) = x −̇1 (Vorgänger)
f6 (x, y ) = |x − y | (Absolute Differenz)
f8 (x, y ) = min(x, y ) (Minimum)
f10 (x) = sg (x) (Antisignum/neg.Vorz.))
BEWEIS: f8
f8 (x, y ) =
=
=
=
=
min(x, y )
x − |x − y |
x −̇|x − y |
f5 (x, f6 (x, y ))
f5 (U12 , f6 )(x, y )
Also: f8 = f5 (U12 , f6 )
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
54 / 129
Einfache Beispiele primitiv rekursiver Funktionen (Forts.)
SATZ 1. Die folgenden Funktionen sind primitiv rekursiv:
f1 (x, y ) = x + y (Summe)
f3 (x, y ) = x y (Potenz)
f5 (x, y ) = x −̇y (Differenz auf N)
f7 (x, y ) = max(x, y ) (Maximum)
f9 (x) = sg (x) (Signum/Vorz.)
(
0 falls x = 0
BEWEIS: f9 (x) =
1 sonst
f2 (x, y ) = x · y (Produkt)
f4 (x, y ) = x −̇1 (Vorgänger)
f6 (x, y ) = |x − y | (Absolute Differenz)
f8 (x, y ) = min(x, y ) (Minimum)
f10 (x) = sg (x) (Antisignum/neg.Vorz.))
(
1 falls x = 0
und f10 (x) =
0 sonst
f10 (x) = 1−̇x
= f5 (1, x)
= f5 (C11 , U11 )(x) Also: f10 = f5 (C11 , U11 )
f9 (x) = 1−̇f10 (x)
= f5 (1, f10 (x))
= f5 (C11 , f10 )(x) Also: f9 = f5 (C11 , f10 )
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
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Abschlusseigenschaften von PRIM
SATZ 2. Die Klasse PRIM der primitiv rekursiven Funktionen ist
abgeschlossen gegen
(endliche) Fallunterscheidungen
Beschränkte Summation
Beschränkter µ-Operator
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
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Abschluss von PRIM gegen Fallunterscheidungen
Abschluss gegen Fallunterscheidungen:
rekursiv, so auch



f0 (~x )

. . .
f (n) (~x ) =

fk−1 (~x )



f (~x )
k
(n)
(n)
Sind g (n) , f0 , . . . , fk
primitiv
falls g (~x ) = 0
falls g (~x ) = k − 1
falls g (~x ) ≥ k.
BEWEIS:
f (~x ) =
+
+
+
+
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f0 (~x ) · sg (|g (~x ) − C0n (~x )|)
f1 (~x ) · sg (|g (~x ) − C1n (~x )|)
...
n (~
fk−1 (~x ) · sg (|g (~x ) − Ck−1
x )|)
n
fk (~x ) · sg (g (~x )−̇Ck−1 (~x ))
Kapitel 6: Unvollständigkeit
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Abschluss von PRIM gegen beschränkte Summation
Abschluss gegen beschränkte Summation: Ist g (n+1) primitiv rekursiv, so
auch
X
f (n+1) (~x , y ) =
g (~x , z)
z<y
(wobei
P
x , z)
z<0 g (~
:= 0)
BEWEIS:
f (~x , 0) = 0
f (~x , y + 1) = f (~x , y ) + g (~x , y )
n+2
n+2
, g (U1n+2 , . . . , Un+1
)))
Also f = PR(C0n , +(Un+2
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
58 / 129
Abschluss von PRIM gegen den beschränkten µ-Operator
Abschluss gegen den beschränkten µ-Operator (beschr. Minimalisierungsoperator): Ist g (n+1) primitiv rekursiv, so auch
f (n+1) (~x , y ) = µz < y (g (~x , z) = 0)
wobei
(
kleinstes z < y mit (~x , y ) ∈ R
µz < y (R(~x , z)) :=
0
falls solch ein z ex.
sonst
BEWEISIDEE: Man zeigt zunächst, dass die 0-1-wertige Funktion g 0 mit
g 0 (~x , y ) = 1 ⇔ g (~x , y ) = 0 & ∀ z < y (g (~x , z) 6= 0)
primitiv rekursiv ist. Dann ist auch f (n+1) (~x , y ) primitiv rekursiv, da
X
f (n+1) (~x , y ) =
z · g 0 (~x , z).
z<y
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
59 / 129
Nachweis der primitiven Rekursivität von
g 0 (~x , y ) = 1 ⇔ g (~x , y ) = 0 & ∀ z < y (g (~x , z) 6= 0)
Für die 0-1-wertige primitiv rekursive Funktion
X
g0 (~x , y ) = sg (y −̇
sg (g (~x , z)))
y <z
gilt
g0 (~x , y ) = 0 ⇔ ∀ z < y (g (~x , z) 6= 0).
Für die 0-1-wertige primitiv rekursive Funktion
g1 (~x , y ) = max(g0 (~x , y ), sg (g (~x , y )))
gilt daher
g1 (~x , y ) = 0 ⇔ g (~x , y ) = 0 & ∀ z < y (g (~x , z) 6= 0).
Also: g 0 (~x , y ) = sg (g1 (~x , y )) und daher g 0 ∈ PRIM.
Mathematische Logik (WS 2013/14)
Kapitel 6: Unvollständigkeit
60 / 129
6.2.6
Rekursive Funktionen und rekursiv aufzählbare
Mengen
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
61 / 129
Obwohl die primitiv rekursiven Funktionen die gängigen berechenbaren
Funktionen umfassen, hat man Beispiele von berechenbaren Funktionen
angegeben, die nicht primitiv rekursiv sind (z.B. die Ackermann-Funktion).
Wir erweitern daher die induktive Definition der primitiv rekursiven
Funktionen um eine weitere Abschlusseigenschaft nämlich um den
(unbeschränkten) µ-Operator, den man auch als den (unbeschränkten)
Minimalisierungsoperator bezeichnet.
Der µ-Operator berechnet die kleinste Nullstelle einer Funktion. Im
Gegensatz zu dem beschränkten µ-Operator (gegen den, wie wir gezeigt
haben, die primitiv rekursiven Funktionen abgeschlossen sind), ist hier die
Suche nach der Nullstelle jedoch unbeschränkt.
Gibt es die gesuchte Nullstelle nicht, so ist die durch Anwendung des
µ-Operators bestimmte Funktion an der entsprechenden Stelle undefiniert.
Die Anwendung des µ-Operators auf eine totale Funktion kann daher zu
einer partiellen Funktion führen.
Mathematische Logik (WS 2013/14)
Kapitel 6: Unvollständigkeit
62 / 129
Die Ackermann-Funktion
Die Ackermann-Funktion α : N2 → N ist durch folgende geschachtelte Rekursion
definiert:
• α(0, y ) = y + 1
• α(x + 1, 0) = α(x, 1)
• α(x + 1, y + 1) = α(x, α(x + 1, y ))
Während bei einer primitiven Rekursion die letzte Variable die Rekursionsvariable
ist, sind hier beide Variablen x und y Rekursionsvariablen.
Durch Hauptinduktion nach x und Nebeninduktion nach y zeigt man, dass die
Ackermann-Funktion wohldefiniert, total und berechenbar ist. Weiter kann man
leicht (durch Induktion nach x) zeigen, dass jeder Zweig αx (y ) := α(x, y ) von α
primitiv rekursiv ist. Um zu zeigen, dass jedoch α selbst nicht primitiv rekursiv ist,
zeigt man, dass die Diagonale α̂(x) := α(x, x) schneller anwächst als alle primitiv
rekursiven Funktionen.
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
63 / 129
Der Minimalisierungsoperator (µ-Operator)
Sei g : Nn+1 → N eine (möglicherweise partielle) Funktion. Die aus g
durch Anwendung des µ- Operators entstehende partielle Funktion
f (n) = µ(g )
ist definiert durch
∀~x ∈ Nn (f (~x ) = µy [g (~x , y ) = 0 & ∀z < y (g (~x , z) ↓])
= min{y : g (~x , y ) = 0 & ∀z < y [g (~x , z) ↓]}),
wobei min ∅ ≡↑.
Der µ-Operator wird auch (wie bereits erwähnt) Minimalisierungs-Operator
genannt. Man spricht auch von einem Suchoperator, da ja die kleinste Nullstelle
gesucht wird.
Man beachte, dass für (totales) berechenbares g , das für jedes ~x eine Nullstelle
(~x , y ) besitzt, die Funktion f = µ(g ) wiederum total und berechenbar ist.
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
64 / 129
Definition der (partiell) rekursiven Funktionen
DEFINITION Die Klasse PREK der partiell rekursiven Funktionen ist die
kleinste Klasse (möglicherweise partieller) Funktionen, die
die Ausgangsfunktionen S, Uin und Cin enthält und
gegen simultane Substitution, primitive Rekursion und
Minimalisierung abgeschlossen ist.
Weiter legen wir fest:
DEFINITION Eine totale Funktion ist rekursiv, falls diese partiell rekursiv
ist. (Die Klasse der rekursiven Funktionen bezeichnen wir mit REK.)
NB: Rekursive Funktionen sind berechenbar.
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
65 / 129
Abschlusseigenschaften der rekursiven Funktionen
Da jede primitiv rekursive Funktion insbesondere rekursiv ist, kann man
wie im Falle der Klasse PRIM der primitiv rekursiven Funktionen folgende
Abschlusseigenschaften der Klasse REK der rekursiven Funktionen zeigen.
SATZ 3. Die Klasse REK der rekursiven Funktionen ist abgeschlossen
gegen
(endliche) Fallunterscheidungen
Beschränkte Summation
Beschränkter µ-Operator
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
66 / 129
Die Church-Turing-These
Die Church-Turing-These besagt, dass die rekursiven Funktionen gerade
die berechenbaren Funktionen sind.
BEMERKUNGEN:
Die Church-Turing-These ist kein mathematischer Satz sondern eine
Hypothese. Sie ist nicht beweisbar, da hier ein intuitives (nicht formal
mathematisch definiertes) Konzept - nämlich die Berechenbarkeit einem formalen, mathematischen Konzept - nämlich der Rekursivität gegenübergestellt wird.
Die meisten Mathematiker akzeptieren diese These.
Mehr hierzu: Vorlesung “Theoretische Informatik”
Mathematische Logik (WS 2013/14)
Kapitel 6: Unvollständigkeit
67 / 129
Rekursive und rekursiv aufzählbare Relationen
DEFINITION Eine Relation R ist rekursiv, falls deren charakteristische
Funktion cR rekursiv ist.
NB: Nach der Church-Turing-These sind die rekursiven Relationen gerade
die entscheidbaren Relationen. (Hierzu erinnere man sich, dass eine
Relation genau dann entscheidbar ist, wenn deren charakteristische
Funktion berechenbar ist.)
DEFINITION Eine Relation R ist rekursiv aufzählbar (r.a.), falls R die
Projektion einer rekursiven Relation ist.
NB: Nach der Church-Turing-These sind die r.a. Relationen gerade die
aufzählbaren Relationen. (Hierzu erinnere man sich, dass nach dem
Projektionslemma eine Relation genau dann aufzählbar ist, wenn diese
Projektion einer entscheidbaren Relation ist.)
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
68 / 129
Eine Abschlusseigenschaft der Klasse der (primitiv)
rekursiven Relationen
Im Folgenden bezeichnen wir die Klasse der (primitiv) rekursiven Relationen (wie
zuvor schon die Klasse der (primitiv) rekursiven Funktionen) mit REK (PRIM).
(Da es aus dem Kontext klar sein wird, ob wir Funktionen oder Relationen
betrachten, sollte diese Mehrdeutigkeit in der Notation keine Verwirrung stiften.)
SATZ 4. Die Klasse REK (PRIM) der (primitiv) rekursiven Relationen ist
abgeschlossen gegen die Einsetzung (primitiv) rekursiver Funktionen. D.h., ist
R(y , ~z ) eine (primitiv) rekursive Relation und f (~x ) eine (primitiv) rekursive
Funktion, so ist die Relation
R 0 (~x , ~z ) :⇔ R(f (~x ), ~z )
ebenfalls (primitiv) rekursiv.
BEWEIS. Für ~x = (x1 , . . . , xn ) und ~z = (z1 , . . . , zm ) gilt:
n+m
n+m
, . . . , Un+m
)
cR 0 = cR (f (U1n+m , . . . , Unn+m ), Un+1
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
69 / 129
6.3 Repräsentierbarkeit
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
70 / 129
In diesem Abschnitt führen wir zunächst eine Hierarchie der
L-Formeln ein, nämlich die arithmetische Hierarchie. Diese besteht
aus den Formelklassen Σ1 ⊂ Σ2 ⊂ Σ3 ⊂ . . . .
Dies führt zu einer entsprechenden arithmetischen Hierarchie für
Relationen und Funktionen über N. Hierzu legt man fest, dass eine
Relation R (bzw. Funktion f ) einer gegebenen Stufe Σn dieser
Hierarchie angehört, wenn diese Relation R (bzw. der Graph dieser
Funktion f ) durch eine Formel der entsprechenden Klasse Σn von
Formeln definiert werden kann.
Wir zeigen dann, dass die rekursiv aufzählbaren Mengen genau die
Mengen der ersten Stufe Σ1 dieser Hierarchie sind.
Insbesondere folgt hieraus, dass rekursive Funktionen und rekursive
und rekursiv aufzählbare Relationen in der Sprache L der Arithmetik
durch Formeln definierbar sind (Repräsentierbarkeitslemma).
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
71 / 129
6.3.1 Die arithmetische Hierarchie
Mathematische Logik (WS 2013/14)
Kapitel 6: Unvollständigkeit
72 / 129
Beschränkte Quantoren und die Formelklasse ∆0
Die beschränkten Quantoren sind definiert durch:
∃ x < t ϕ :≡ ∃ x (x < t ∧ ϕ)
∀ x < t ϕ :≡ ¬ ∃ x < t ¬ϕ
äq ∀ x (x < t → ϕ)
DEFINITION Eine L-Formel ϕ, in der alle Quantoren beschränkt sind, ist
eine ∆0 -Formel.
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
73 / 129
Σn - und Πn -Formeln
Σn - und Πn -Formeln werden durch Ind(n) definiert:
ϕ ist eine Σ0 - und Π0 -Formel, wenn ϕ eine ∆0 -Formel ist.
ϕ ist eine Σn+1 -Formel, wenn ϕ ≡ ∃ x1 . . . ∃ xm ψ, wobei ψ eine
Πn -Formel ist.
ϕ ist eine Πn+1 -Formel, wenn ϕ ≡ ∀ x1 . . . ∀ xm ψ, wobei ψ eine
Σn -Formel ist.
Eine Σ1 -Formel ϕ hat also die Gestalt
∃ x1 . . . ∃ xm ψ
wobei ψ eine ∆0 -Formel ist, und eine Π1 -Formel ϕ hat die Gestalt
∀ x1 . . . ∀ xm ψ
wobei ψ wiederum eine ∆0 -Formel ist.
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
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Die arithmetische Hierarchie
Wir erweitern die Definition der oben eingeführten Formelklassen,
indem wir eine Formel auch dann eine ∆0 - (Σn -, Πn -)Formel nennen,
wenn diese äquivalent zu einer ∆0 - (Σn -, Πn -)Formel (im obigen
engen Sinne) ist. Weiter bezeichnen wir mit ∆0 (Σn , Πn ) auch die
Klasse aller ∆0 - (Σn -, Πn -)Formeln (im weiten Sinne).
Da nach dem Satz über die Pränexnormalform jede Formel ϕ
äquivalent ist zu einer Σn -Formel und einer Πn -Formel (für geeignetes
n), gehört also jede Formel einer der Klassen Σn und einer der
Klassen Πn an.
Es gilt also Σ
S
S0 ⊂ Σ1 ⊂ Σ2 ⊂ . . . und Π0 ⊂ Π1 ⊂ Π2 ⊂ . . . und
Σ
=
n
n≥0
n≥0 Πn ist die Menge aller Formeln in der Sprache L der
Arithmetik.
Man nennt diese Hierarchie daher auch die arithmetische Hierarchie.
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
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Die arithmetische Hierarchie (2)
Wie man leicht einsieht, gelten folgende Beziehungen zwischen den Klassen der
arithmetischen Hierarchie:
ϕ ∈ Σn ⇔ ¬ϕ ∈ Πn
∆ 0 ⊂ Σ1 ∩ Π 1
Σn ∪ Πn ⊂ Σn+1 ∩ Πn+1
Im Folgenden werden wir nur die Formelklassen ∆0 , Σ1 und Π1 benötigen und
uns daher auf diese Klassen beschränken. Für diese beobachten wir folgende
Abschlusseigenschaften:
Die Klasse ∆0 ist gegen beschränkte Quantoren und alle Junktoren
abgeschlossen.
Die Klasse Σ1 ist gegen den Existenzquantor und gegen die Junktoren ∨ und
∧ abgeschlossen (aber nicht gegen den Allquantor und die Negation).
Die Klasse Π1 ist gegen den Allquantor und gegen die Junktoren ∨ und ∧
abgeschlossen (aber nicht gegen den Existenzquantor und die Negation).
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
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∆0 -, Σ1 - und Π1 -Funktionen
Die Stufen der arithmetischen Formelhierarchie lassen sich auf die Relationen über
N übertragen, indem man festlegt, dass eine Relation R eine ∆0 -Relation (etc.)
ist, wenn diese durch eine ∆0 -Formel (etc.) in N definiert wird.
DEFINITION Eine n-stellige Relation ist eine ∆0 (Σn , Πn ) - Relation, wenn es eine
∆0 (Σn , Πn ) - Formel ϕ ≡ ϕ(x1 , . . . , xn ) gibt, sodass für alle a1 , . . . , an ∈ N gilt
(a1 , . . . , an ) ∈ R ⇔ N ϕ[a1 , . . . , an ] ( ⇔ N ϕ[a1 /x1 , . . . , an /xn ])
Eine Funktion ist eine ∆0 (Σn , Πn ) - Funktion, wenn deren Graph eine ∆0 (Σn ,
Πn ) - Relation ist.
R ist arithmetisch, wenn R durch irgendeine Formel definiert wird.
NB: Da es nur abzählbar viele L-Formeln aber überabzählbar viele Relationen
gibt, gibt es nicht-arithmetische Relationen.
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
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6.3.2 ∆0-Relationen sind primitiv rekursiv
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
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Satz über die primitive Rekursivität von ∆0 -Relationen
SATZ 5. Sei R ⊆ Nn eine ∆0 -Relation. Dann ist R primitiv rekursiv.
Zum Beweis des Satzes zeigen wir zunächst, dass die von L-Termen
definierten Funktionen primitiv rekursiv sind.
HILFSSATZ Sei t ≡ t(x1 , . . . , xn ) ein L-Term (in dem höchstens die
Variablen x1 , . . . , xn vorkommen). Dann ist die von t und ~x = (x1 , . . . , xn )
in N definierte Funktion f = ft,~x , d.h.
f (~a) = t N [~a]
primitiv rekursiv.
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
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Beweis des Hilfssatzes durch Ind(t)
1
t ≡ xi (1 ≤ i ≤ n): Dann gilt f (~a) = ai , d.h. f = Uin ∈ PRIM.
2
t ≡ i (i = 0, 1): Dann gilt f (~a) = i, d.h. f = Cin ∈ PRIM.
3
t ≡ t1 ∗ t2 (∗ = +, ·): Dann gilt
f (~a) = ft1 ,~x (~a) ∗ ft1 ,~x (~a).
Also f = ∗(ft1 ,~x , ft2 ,~x ). Da, wie früher gezeigt, ∗ ∈ PRIM und da nach
I.V. ft1 ,~x , ft2 ,~x ∈ PRIM, folgt mit dem Abschluss von PRIM gegen
simultane Substitution, dass auch f ∈ PRIM.
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
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Beweis des Satzes
Gegeben sei eine ∆0 -Formel ϕ ≡ ϕ(~x ) (~x = (x1 , . . . , xn )). Dann genügt es
zu zeigen, dass die von ϕ(~x ) in N definierte Relation R = Rϕ,~x , d.h. deren
charakteristische Funktion cR , primitiv rekursiv ist. Wir zeigen dies durch
Induktion nach dem Aufbau von ϕ:
1. ϕ ≡ t1 = t2 : Dann gilt
~a ∈ R ⇔
⇔
⇔
⇔
N t1 = t2 [~a]
(Definition von Rϕ,~x )
t1N [~a] = t2N [~a]
(Definition von )
ft1 ,~x (~a) = ft2 ,~x (~a)
(Definition von fti ,~x )
|ft1 ,~x (~a) − ft2 ,~x (~a)| = 0
Es ist also
cR = sg (f| − | (ft1 ,~x , ft2 ,~x )).
Da - wie früher gezeigt - sg und f| − | primitiv rekursiv sind und ft1 ,~x und
ft2 ,~x nach dem Hilfssatz ebenfalls primitiv rekursiv sind, folgt die primitive
Rekursivität von cR aus dem Abschluss von PRIM gegen Substitution.
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
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Beweis des Satzes (Fortsetzung)
2. ϕ ≡ t1 < t2 : Dies zeigt man ähnlich zum Fall 1, wobei man statt der
absoluten Differenz | − | nun die Differenz −̇ verwendet.
3. ϕ ≡ ¬ψ: Dann gilt
~a ∈ R ⇔ ~a 6∈ Rψ,~x .
Also:
cR = sg (cRψ,~x ).
Da - wie früher gezeigt - sg und - nach I.V. - cRψ,~x primitiv rekursiv
sind, folgt cR ∈ PRIM wiederum aus dem Abschluss von PRIM
gegen Substitutiton.
4. ϕ ≡ ψ1 ∨ ψ2 : Dann gilt
cR = max(cRψ1 ,~x , cRψ2 ,~x )
Da max ∈ PRIM, folgt die Behauptung wie zuvor aus der I.V.
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
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Beweis des Satzes (Abschluss)
5. ϕ ≡ ∃ y < t ψ: Dann gilt
~a ∈ R ⇔ ∃ b < ft (~a)((~a, b) ∈ Rψ,~x )
Hieraus erhält man
cR (~a) = sg (
X
cRψ,~x (~a, b))
b<ft (~a)
Da cRψ,~x nach I.V., ft nach dem Hilfssatz und sg wie früher gezeigt
primitiv rekursiv sind, folgt hieraus die primitive Rekursivität von cR
mit dem Abschluss von PRIM gegen Substitution und beschränkte
Summation.
NB: Nach Definition gilt für ϕ ≡ ∀ y < t ψ: ϕ ≡ ¬∃ y < t ¬ϕ. Der beschränkte
Allquantor muss also in dem induktiven Beweis nicht berücksichtigt werden, da er
durch den beschränkten Existenzquantor und die Negation definiert ist.
Damit ist der Satz bewiesen.
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
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Abschlusseigenschaften der Klassen der primitiv rekursiven
und rekursiven Relationen
Bevor wir uns Anwendungsbeispiele von Satz 5 ansehen, bemerken wir, dass die
den Definitionsklauseln der ∆0 -Relationen entsprechenden Abschlusseigenschaften
auch für die Klassen der primitiv rekursiven und rekursiven Relationen gelten.
Dies ergibt sich aus einfachen Modifizierungen der entsprechenden Schritte im
Beweis von Satz 5.
SATZ 5. Die Klasse REK (PRIM) der (primitiv) rekursiven Relationen ist
abgeschlossen gegen
die Junktoren ¬ und ∨ (und damit gegen alle Junktoren)
den beschränkten Existenzquantor (und damit wegen
∀x < y R(y , ~z ) ⇔ ¬(∃x < y (¬R(y , ~z )))
auch gegen den beschränkten Allquantor)
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
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Beispiele 1: Teilbarkeit und Primzahlen
Die Teilbarkeitsrelation “a|b ⇔ a teilt b” wird durch folgende
∆0 -Formel ϕ| (x1 , x2 ) definiert (ist also primitiv rekursiv):
ϕ| :≡ x1 6= 0 ∧ ∃ y < x2 + 1 (x1 · y = x2 )
Der Graph der Restfunktion bei der ganzzahligen Division
rest(a, b) := Rest(a : b) wird durch die ∆0 -Formel
ϕrest (x, y , z) :≡ ∃ u < x + 1 (x = u · y + z)
beschrieben. D.h. rest ist eine ∆0 -Funktion und der Graph Grest von
rest ist primitiv rekursiv. Damit ist aber auch die Funktion rest
primitiv rekursiv, da rest(a, b) = µ x < a (cGrest (a, b, x) = 1).
Die Menge PZ der Primzahlen wird durch folgende ∆0 -Formel
ϕPZ (x2 ) definiert (ist also primitiv rekursiv):
ϕPZ :≡ 1 < x2 ∧ ∀z < x2 + 1 (ϕ| [z/x1 ] → z = 1 ∨ z = x2 )
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
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Beispiele 2: Kodierung von Zahlenpaaren
Als weiteres Anwendungsbeispiel zeigen wir, dass es Bijektionen Nn → N (für alle
n ≥ 1) gibt, die ∆0 und primitiv rekursiv sind.
Man erhält eine bijektive Abbildung τ : N × N → N, d.h. eine Nummerierung der
Zahlenpaare, indem man – anschaulich gesprochen – den rechten oberen
Quadranten der (diskreten) Zahlenebene vollständig durchläuft, wobei man alle
Nebendiagonalen der Reihe nach jeweils von (rechts) unten nach (links) oben
durchläuft (Diagramm: s. Tafel).
Diese Bijektion τ lässt sich wie folgt explizit definieren (Übung!):
τ (a, b) =
(a + b)(a + b + 1)
+b
2
Mit Hilfe dieser Darstellung können wir zeigen, dass der Graph von τ eine
∆0 -Relation ist, und hiermit dann weiter zeigen, dass τ primitiv rekursiv ist.
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
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Beispiele 2: Kodierung von Zahlenpaaren (Forts.)
LEMMA. (a) Die Funktion
τ (a, b) =
(a + b)(a + b + 1)
+b
2
ist eine ∆0 -Funktion, weshalb der Graph von τ primitiv rekursiv ist.
(b) Die Funktion τ ist primitiv rekursiv.
(c) Die Umkehrfunktionen von τ , d.h. die Funktionen πi : N → N mit
πi (τ (a1 , a2 )) = ai (i=1,2) sind ∆0 und primitiv rekursiv.
BEWEIS (a) Es gilt
τ (a, b) = c ⇔ ∃ d (2 · d = (a + b) · (a + b + 1) & c = b + d)
wobei d < (a + b) · (a + b + 1) + 1 gilt. Der Graph Gτ von τ wird also durch
folgende ∆0 -Formel definiert:
∃ u < (x + y ) · (x + y + 1) + 1 (2 · u = (x + y ) · (x + y + 1) ∧ z = y + u)
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
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Beispiele 2: Kodierung von Zahlenpaaren (Forts.)
LEMMA. (a) Die Funktion
τ (a, b) =
(a + b)(a + b + 1)
+b
2
ist eine ∆0 -Funktion, weshalb der Graph von τ primitiv rekursiv ist.
(b) Die Funktion τ ist primitiv rekursiv.
(c) Die Umkehrfunktionen von τ , d.h. die Funktionen πi : N → N mit
πi (τ (a1 , a2 )) = ai (i=1,2) sind ∆0 und primitiv rekursiv.
BEWEIS (b) Da τ (a, b) = µz [(a, b, z) ∈ Gτ ] und da PRIM gegen den
beschränkten µ-Operator abgeschlossen ist, genügt, es eine prim. rek. Fkt. f
anzugeben, sodass z durch f (a, b) beschränkt werden kann. Offensichtlich hat
f (a, b) = (a + b) · (a + b + 1) + 1 + b diese Eigenschaft.
(c) Da der Graph von τ ∆0 ist, folgt der 2. Teil von (c) mit zuvor gezeigten
Abschlusseigenschaften von PRIM aus folgender Charaktersierung von π1 (für π2
analog): π1 (c) = µ z < c + 1 (∃ u < c + 1 (τ (z, u) = c))
Beweis des 1. Teiles analog (mit ∃z < . . . statt µ z < . . . ).
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
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Beispiele 3: Prim. rek. Kodierung von Zahlentupeln fester
Länge
SATZ. (a) Die durch
τ1 (a1 ) := a1
τ2 (a1 , a2 ) := τ (a1 , a2 )
τn+1 (a1 , . . . , an+1 ) = τ (a1 , τn (a2 , . . . , an+1 )) (n ≥ 2)
definierten Funktionen τn : Nn → N (n ≥ 1) sind bijektiv und primitiv
rekursiv.
(b) Die Umkehrfunktionen πn,i von τn mit πn,i (τn (a1 , . . . , an )) = ai sind
ebenfalls primitiv rekursiv (1 ≤ i ≤ n).
BEWEISIDEE (a) Dies folgt durch eine einfache Induktion nach n aus
Bijektivität und primitiver Rekursivität von τ . (b) zeigt man wie die
entsprechende Aussage für τ .
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
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∆0 vs. primitive Rekursivität
Als Randbemerkung sei angefügt (wir werden das im Folgenden nicht
benötigen), dass ∆0 -Funktionen i.a. nicht primitiv rekursiv sind. Es gibt
Funktionen, deren Graph primitiv rekursiv (und ∆0 ) ist, die aber nicht
primitiv rekursiv sind (Die Ackermann-Funktion ist hierfür eine Beispiel).
Aus dem Satz über die primitive Rekursivität von ∆0 -Relationen können
wir jedoch mit Hilfe der primitiv rekursiven Bijektionen τn : Nn → N
schließen, dass (partielle) Σ1 -Funktionen (partiell) rekursiv und
Σ1 -Relationen rekursiv aufzählbar sind.
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
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Satz über die Rekursivität von Σ1 -Funktionen
SATZ 7. Sei f eine (partielle) Σ1 -Funktion. Dann ist f (partiell) rekursiv.
BEWEIS. Nach Annahme ist der Graph von f : Nn → N eine Σ1 -Relation. Es gibt
also für geeignetes m ≥ 1 eine ∆0 -Formel ϕ ≡ ϕ(x1 , . . . , xn , y , z1 , . . . , zm ) sodass
f (a1 , . . . , an ) = b ⇔ N ∃ z1 . . . ∃ zm ϕ[a1 , . . . , an , b]
Ist nun R die von ϕ definierte primitiv rekursive Relation, so gilt
f (a1 , . . . , an ) = µ b [∃ z1 . . . ∃ zm ((a1 , . . . , an , b, z1 , . . . , zm ) ∈ R)]
Kodieren wir die Zeugen z1 , . . . , zm und b mit Hilfe von τm+1 durch eine Zahl z,
so folgt:
f (a1 , . . . , an ) =
=
=
πm+1,m+1 (µ z [(a1 , . . . , an , πm+1,m+1 (z), πm+1,1 (z), . . . , πm+1,m (z)) ∈ R])
πm+1,m+1 (µ z sg (cR (a1 , . . . , an , πm+1,m+1 (z), πm+1,1 (z), . . . , πm+1,m (z))))
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Satz über die rekursive Aufzählbarkeit von Σ1 -Relationen
SATZ 8. Sei R ⊆ Nn eine Σ1 -Relation. Dann ist R rekursiv aufzählbar.
BEWEISIDEE. Nach dem Satz über die primitive Rekursivität der
∆0 -Relationen ist R die mehrfache Projektion einer primitiv rekursiven
Relation P:
(a1 , . . . , an ) ∈ R ⇔ ∃x1 . . . ∃xm [(a1 , . . . , an , x1 , . . . , xm ) ∈ P]
Diese Projektionen kann man mit Hilfe der primitiv rekursiven Funktion τm
in eine einfache Projektion über eine (primitiv) rekursive Relation P 0
zusammenfassen:
(a1 , . . . , an ) ∈ R ⇔ ∃x [(a1 , . . . , an , πm,1 (x), . . . , πm,m (x)) ∈ P]
R ist daher r.a.
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
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Im den ersten beiden Teilen des Abschnitts 6.3 haben wir die arithmetische
Hierarchie von Formeln bzw. Relationen und Funktionen eingeführt und
haben gezeigt:
∆0 -Relationen sind primitiv rekursiv.
Σ1 -Relationen sind rekursiv aufzählbar.
Σ1 -Funktionen (und damit auch ∆0 -Funktionen) sind rekursiv.
In den beiden weiteren Teilen des Abschnitts 6.3 wollen wir nun zeigen,
dass für die beiden letzten Aussagen auch die Umkehrung gilt. Es lassen
sich also alle (primitiv) rekursiven Funktionen und alle rekursiv
aufzählbaren (und daher auch alle (primitiv) rekursiven) Mengen durch
(Σ1 -)Formeln der Sprache L definieren.
Um dies zu zeigen benötigen wir zunächst die Beobachtung, dass sich
endliche Zahlenfolgen mit Hilfe einer ∆0 -Formel beschreiben lassen.
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6.3.3 Das Gödelsche Lemma
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Das Gödelsche Lemma
LEMMA Es gibt eine ∆0 -Funktion π : N2 → N mit der folgenden
Eigenschaft: Für jedes k ≥ 1 und für jede Folge a0 , . . . , ak−1 von k
natürlichen Zahlen gibt es eine Zahl b ≥ k, sodass
∀ i < k (π(b, i) = ai ).
Zum Beweis greifen wir auf die ∆0 -Paarfunktion τ und deren
∆0 -Umkehrfunktionen πi zurück. Weiter verwenden wir den Chinesischen
Restsatz aus der Zahlentheorie, den wir hier ohne Beweis vorstellen.
CHINESISCHER RESTSATZ. Seien ai , di (i < k) natürliche Zahlen mit
ai < di , wobei d0 , . . . , dk−1 teilerfremd seien. Dann gibt es eine Zahl a,
sodass für i < k
rest(a, di ) = ai (d.h. a ≡ ai mod di )
gilt.
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Beweisidee
Gesucht ist eine ∆0 -Funktion π, die aus dem geeignet gewählten Code b einer
beliebigen, gegebenen endlichen Folge a0 , . . . , ak−1 die einzelnen Folgenglieder
berechnet: π(b, i) = ai .
Setze c := max(k, a0 , . . . , ak−1 ) und m := c!.
Dann sind m + 1, 2m + 1, . . . , km + 1 paarweise teilerfremd.
Der Chinesische Restsatz (angewandt auf die Folgenglieder ai und
di := (i + 1)m + 1) zeigt die Existenz einer Zahl a mit
a ≡ ai mod(i + 1)m + 1.
Für b := τ (a, m) gilt dann ai = rest(π1 (b), (i + 1)π2 (b) + 1).
Also hat π(b, i) := rest(π1 (b), (i + 1)π2 (b) + 1) die gewünschte Eigenschaft.
Es bleibt zu zeigen, dass der Graph von π eine ∆0 -Relation ist!
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Beweisidee (Fortsetzung und Abschluss)
Es bleibt zu zeigen, dass der Graph von
π(b, i) := rest(π1 (b), (i + 1)π2 (b) + 1)
eine ∆0 -Relation ist: Seien ϕrest (x,y,z), ϕπ1 (x, y ) und ϕπ2 (x, y ) ∆0 -Formeln, die
die Graphen von rest, π1 und π2 beschreiben. Dann wird der Graph von π durch
die Formel
ϕ(x, y , z)
:≡
∃ x1 < x + 1 ∃ x2 < x + 1 ∃ u < (y + 1) · x + 1 + 1
(ϕπ1 (x, x1 ) ∧ ϕπ2 (x, x2 ) ∧ u = (y + 1) · x2 + 1 ∧ ϕrest (x1 , u, z)))
beschrieben.
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6.3.4
Repräsentierbarkeit von rekursiven Relationen und
Funktionen
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Repräsentierbarkeitssatz für die rekursiven Funktionen
SATZ 9. Sei f : Nn → N (partiell) rekursiv. Dann ist f eine Σ1 -Funktion
(d.h. der Graph von f durch eine Σ1 -Formel definierbar).
BEWEIS. Es genügt zu zeigen, dass
1
2
die primitiv rekursiven Ausgangsfunktionen S, Uin und Cin
Σ1 -Funktionen sind und
die Klasse der Σ1 -Funktionen gegen Substitution, primitive Rekursion
und den µ-Operator abgeschlossen ist.
Der erste Teil der Behauptung ist trivial:
ϕS (x, y ) :≡ y = x + 1
ϕUin (x1 , . . . , xn , y ) :≡ y = xi
ϕCin (x1 , . . . , xn , y ) :≡ y = i
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Beweis (Fortsetzung und Abschluss)
Von den nachzuweisenden Abschlusseigenschaften der Σ1 -Funktionen zeigen wir
nur den Abschluss gegen primitive Rekursion, der am interessantesten ist.
Seien g (n) und h(n+2) Σ1 -Funktionen und entstehe f (n+1) aus g und h durch
primitive Rekursion: f (~x , 0) = g (~x ) & f (~x , y + 1) = h(~x , y , f (~x , y ))
Nach dem Gödelschen Lemma gibt es dann zu gegebenem ~x und y eine Zahl v
mit f (~x , 0), . . . , f (~x , y ) = π(v , 0), . . . , π(v , y )
Diese Zahl v lässt sich durch folgende Relation R beschreiben:
(~x , y , v ) ∈ R :⇔ π(v , 0) = g (~x ) ∧ ∀ z < y + 1 [π(v , z + 1) = h(~x , z, π(v , z))]
Also:
f (~x , y ) = z ⇔ ∃ v (R(~x , y , v ) ∧ π(v , y ) = z)
Überführt man diese Beschreibung des Graphen von f mit Hilfe der ∆0 -Formel für
den Graphen von π und der Σ1 -Formeln für die Graphen von g und h in eine
Formel, so ist diese Σ1 .
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Repräsentierbarkeitssatz für die r.a. Relationen
KOROLLAR 1. Sei R ⊆ Nn r.a. Dann ist R eine Σ1 -Relation.
BEWEIS
Sei R die Projektion der rekursiven Relation R 0 .
Nach Definition ist dann die charakteristische Funktion cR 0 von R 0 ebenfalls
rekursiv.
Nach dem Repräsentierbarkeitssatz für rekursive Funktionen gibt es also eine
Σ1 -Formel ϕ mit
(~x , y ) ∈ R 0 ⇔ cR 0 (~x , y ) = 1 ⇔ N ϕ[~x , y , 1]
Für die Projektion R von R 0 folgt:
~x ∈ R ⇔ ∃ y : (~x , y ) ∈ R 0 ⇔ ∃ y : cR 0 (~x , y ) = 1 ⇔ N ∃ y ϕ[~x , y , 1]
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101 / 129
Zusammenfassung Repräsentierbarkeitssatz
Die früheren Ergebnisse, dass (partielle) Σ1 -Funktionen (partiell) rekursiv
sind (Satz 7) und dass Σ1 -Relationen r.a. sind (Satz 8), ergeben
zusammen mit den Repräsentierbarkeitssätzen (Satz 9 und Korollar 1):
SATZ 10 (CHARAKTERISIERUNGSSATZ)
(i) Eine (partielle) Funktion f ist genau dann (partiell) rekursiv, wenn f
eine (partielle) Σ1 -Funktion ist.
(ii) Eine Relation R ist genau dann rekursiv aufzählbar, wenn R eine
Σ1 -Relation ist.
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102 / 129
6.4
Gödelisierung und die Präzisierung des 1.
Gödelschen Unvollständigkeitssatzes
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Gödelnummern von Termen und Formeln
Wir ordnen nun induktiv jedem L-Term t und jeder L-Formel ϕ eine
Gödelnummer ptq bzw. pϕq zu:
p0q := 30 = 1
ps = tq := 2 · 30 · 5psq · 7ptq
p1q := 31 = 3
ps < tq := 2 · 31 · 5psq · 7ptq
pvi q := 32 · 5i
p¬ϕq := 2 · 32 · 5pϕq
ps + tq := 33 · 5psq · 7ptq pϕ ∨ ψq := 2 · 33 · 5pϕq · 7pψq
ps · tq := 34 · 5psq · 7ptq
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p∃ vi ϕq := 2 · 34 · 5i · 7pϕq
Kapitel 6: Unvollständigkeit
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Primitiv rekursive Relationen auf den Gödelnummern
Wie die Gödelnummern definiert werden, ist weitgehend belanglos. Wichtig ist,
dass die Gödelisierung effektiv und (natürlich) eindeutig ist. Entscheidbare
Relationen und Funktionen auf den Termen und Formeln werden dann (primitiv)
rekursive Relationen und Funktionen auf den Gödelnummern.
So kann man z.B. leicht zeigen:
LEMMA. Folgende Relationen und Funktionen sind primitiv rekursiv:
T = {ptq : t Term}
F = {pϕq : ϕ Formel}
Fx = {pϕq : ϕ Formel mit FV (ϕ) = {x}}
num(n) = pnq
sub mit sub(pϕq, n) = pϕ[n/v0 ]q, falls v0 ∈ FV (ϕ)
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
105 / 129
Formale Fassung von UVS’
Wir können nun die Aussage der semantischen Version des 1.
Unvollständigkeitssatzes präzisieren:
ERSTER UNVOLLSTÄNDIGKEITSSATZ (GÖDEL) Die Theorie Th(N )
der natürlichen Zahlen ist nicht rekursiv axiomatisierbar.
DEFINITION Eine Theorie T ist rekursiv, wenn die Menge
T̂ := {pσq : σ ∈ T }
der Gödelnummern der Sätze aus T rekursiv ist. Eine Theorie T heißt
rekursiv axiomatisierbar, wenn es eine rekursive Theorie T 0 mit
C (T 0 ) = C (T ) gibt.
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
106 / 129
6.5
Der Beweis des
1. Gödelschen Unvollständigkeitssatzes
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
107 / 129
Das gödelisierte Beweisprädikat: Vorbemerkungen
Wir haben nun alle erforderlichen Hilfsmittel bereitgestellt, um den - bereits in
Abschnitt 6.1. skizzierten - Beweis des Unvollständigkeitssatzes auszuführen.
Wir betrachten zuerst das gödelisierte Beweisprädikat Bew . Hierzu beobachten
wir zunächst, dass man mit Hilfe der von uns gezeigten Abschlusseigenschaften
der primitiv rekursiven Funktionen und Relationen leicht zeigen kann, dass die
gödelisierten Axiomenmengen und Regelrelation für den Shoenfieldkalkül primitiv
rekursiv sind (Übung):
HILFSSATZ. Folgende Mengen und Relationen sind primitiv rekursiv:
A
= {pϕq : ϕ Axiom}
R1
= {(pψq, pϕq) : ϕ folgt mit einer Regel (mit 1 Prämisse) aus ψ}
R2
= {(pψ1 q, pψ2 q, pϕq) : ϕ folgt mit einer Regel (mit 2 Prämissen)
aus ψ1 und ψ2 }
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
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Das gödelisierte Beweisprädikat: Definition
Mit Hilfe der π-Funktion aus dem Gödelschen Lemma und von A, R1 , R2 und T̂
definiert man die 2-st. gödelisierte Beweisrelation Bew ⊆ N2 durch
Bew (y , x)
∃k < y [π(y , k) = x∧
∀ i < k + 1 (π(y , i) ∈ A ∨ π(y , i) ∈ T̂ ∨
∃ i 0 < i ((π(y , i 0 ), π(y , i)) ∈ R1 )∨
∃ i 0 , i 00 < i ((π(y , i 0 ), π(y , i 00 ), π(y , i)) ∈ R2 )]
:⇔
Hierfür gilt offensichtlich:
(q, r ) ∈ Bew
⇔ q ist die Gödelnummer einer Zahlenfolge
m1 , . . . , mn , wobei mn = r und
m1 , . . . , mn Gödelnummern von Formeln
ϕ1 , . . . , ϕn sind und ϕ1 , . . . , ϕn ein T -Beweis ist
Also:
ϕn , . . . , ϕn T -Beweis von ϕ ⇔ (hpϕ1 q, . . . pϕn qi, pϕq) ∈ Bew
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
(6)
109 / 129
Das gödelisierte Beweisprädikat: Rekursivität
LEMMA. Das gödelisierte Beweisprädikat
Bew (y , x)
:⇔
∃k < y [π(y , k) = x∧
∀ i < k + 1 (π(y , i) ∈ A ∨ π(y , i) ∈ T̂ ∨
∃ i 0 < i ((π(y , i 0 ), π(y , i)) ∈ R1 )∨
∃ i 0 , i 00 < i ((π(y , i 0 ), π(y , i 00 ), π(y , i)) ∈ R2 )]
ist rekursiv.
BEWEIS. Da die π-Funktion nach dem Gödelschen Lemma ∆0 ist und die
Gleichheitsrelation trivialerweise diese Eigenschaft hat, sind nach Satz 5 π und =
(primitiv) rekursiv. Weiter sind nach dem Hilfssatz A, R1 , R2 ebenfalls (primitiv)
rekursiv und nach Annahme ist T̂ rekursiv. Da die rekursiven Relationen gegen
Einsetzung rekursiver Funktionen, gegen Junktoren und gegen beschränkte
Quantoren abgeschlossen sind (Satz 4 und 6), folgt hieraus die Behauptung.
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
110 / 129
Das gödelisierte Beweisprädikat: Repräsentierbarkeit
Da - wie gerade gezeigt - das Beweisprädikat Bew rekursiv, also
insbesondere rekursiv aufzählbar ist, folgt mit dem Repräsentierbarkeitssatz
(Satz 10), dass es eine Σ1 -Formel β ≡ β(v1 , v2 ) gibt mit
(q, r ) ∈ Bew ⇔ N β[q/v1 , r /v2 ]
(7)
Man beachte, dass aus (??) und (??)
T ` τ ⇔ N ∃v1 β[pτ q/v2 ]
(8)
folgt. Nämlich:
T `τ
⇔
⇔
⇔
⇔
Es gibt einen T -Beweis ϕ1 , . . . , ϕn von τ
Es gibt eine Zahl q mit Bew (q, pτ q)
Es gibt eine Zahl q mit N β[q/v1 , pτ q/v2 ]
N ∃v1 β[pτ q/v2 ]
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
(Def. `)
((??))
((??))
(Def. )
111 / 129
Das Diagonalisierungslemma
Als nächstes zeigen wir das Diagonalisierungslemma:
LEMMA Sei ϕ eine (Π1 -)Formel der Sprache L mit FV (ϕ) = {v2 }. Dann
gibt es einen (Π1 -)Satz τ aus L, sodass gilt:
N τ ↔ ϕ[pτ q/v2 ]
(9)
Zum Beweis benötigen wir folgenden Hilfssatz (Beweis: Übung!):
HILFSSATZ Die durch


p∀y (y = n → ψ[y /v2 ])q falls n = pψq für eine L-Formel
d(n) =
ψ mit FV (ψ) = {v2 },


0
sonst
definierte (Diagonal-)Funktion d : N → N ist (primitiv) rekursiv, also eine
Σ1 -Funktion. Hierbei wird die Variable y so gewählt, dass y 6∈ V (ϕ) (für die
Formel ϕ aus dem Diagonalisierungslemma).
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
112 / 129
Beweis des Diagonalisierungslemmas
Sei ϕd ≡ ϕd (x, y ) eine Σ1 -Formel, die den Graphen von d definiert
(wobei o.B.d.A. x, y 6∈ V (ϕ)).
Definiere:
ψ ≡ ψ(v2 ) :≡ ∀y (ϕd [v2 /x, y /y ] → ϕ[y /v2 ])
n := pψq
NB τ ist Π1 -Satz, falls ϕ Π1 -Satz.
τ :≡ ∀y (y = n → ψ[y /v2 ])
Nach Definition von d und Wahl von ϕd gilt dann, dass
pτ q = d(pψq) = d(n) und daher (da ϕd (x, y ) den Graphen von d
beschreibt)
(∗) N ϕd [n/x, pτ q/y ].
Es folgt
⇒
⇒
⇒
N
N
N
N
τ
τ
τ
τ
↔ ψ[n/v2 ]
(nach Def. von τ )
↔ ∀y (ϕd [n/x, y /y ] → ϕ[y /v2 ]) (nach Def. von ψ)
↔ ∀y (y = pτ q → ϕ[y /v2 ])
(wegen (∗))
↔ ϕ[pτ q/v2 ]
(da äquivalent)
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
113 / 129
Der nichtbeweisbare aber wahre Satz τ
Wir wenden nun das Diagonalisierungslemma auf die Formel
ϕ(v2 ) :≡ ¬∃v1 β(v1 , v2 )
an (wobei β die Σ1 -Formel ist, die das gödelisierte Beweisprädikat Bew
repräsentiert). Dies liefert uns einen Satz τ mit der Eigenschaft
N τ ↔ ¬∃v1 β[pτ q/v2 ]
(10)
Weiter ist τ ein Π1 -Satz, da ¬∃v1 β(v1 , v2 ) eine Π1 -Formel ist.
Es bleibt zu zeigen, dass τ nicht aus T beweisbar aber wahr ist:
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
114 / 129
Korrektheit der Wahl von τ
1. T 6` τ : Indirekter Beweis:
T `τ
⇒ N ∃v1 β[pτ q/v2 ]
⇒ N 6 ¬∃v1 β[pτ q/v2 ]
⇒ N 6 τ
⇒ T 6 τ
⇒ T `
6 τ
(nach (??))
(nach Definition von )
(nach (??))
(da T ⊆ Th(N ))
(Korrektheitssatz)
Widerspruch (da T wegen T ⊆ Th(N ) konsistent ist)!
2. N τ : Dies ergibt sich aus T 6` τ wie folgt:
T 6` τ
⇒ N 6 ∃v1 β[pτ q/v2 ]
⇒ N ¬∃v1 β[pτ q/v2 ]
⇒ N τ
(nach (??))
(nach Definition von )
(nach (??))
Damit ist der Unvollständigkeitssatz bewiesen!
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
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Anmerkungen zum Unvollständigkeitssatz:
Peano-Arithmetik (1)
Das wohl am häufigsten benutzte rekursive Axiomensystem der Arithmetik ist die
Peano Arithmetik PA.
Die Axiome von PA beschreiben die grundlegenden Eigenschaften der
Nachfolgerfunktion +1 (P1 - P2), die Rekursionsgleichungen der Addition + und
Multiplikation · (P3 - P6) sowie das Induktionsprinzip, soweit sich dieses in der
ersten Stufe ausdrücken lässt (IND = Schema):
P1
P2
P3
P4
P5
P6
IND
x + 1 6= 0
x +1=y +1→x =y
x +0=x
x + (y + 1) = (x + y ) + 1
x ·0=0
x · (y + 1) = (x · y ) + x
ϕ[0/x] ∧ ∀x(ϕ → ϕ[x + 1/x]) → ∀xϕ (für jede Formel ϕ ≡ ϕ(x))
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
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Anmerkungen zum Unvollständigkeitssatz:
Peano-Arithmetik (2)
Das endlich axiomatisierte Fragment PA− der Peano-Arithmetik PA enthält die
folgenden Axiome, die die grundlegenden algebraischen Eigenschaften von + und
· (A1 - A7), die Ordnungsaxiome für < (A8 - A10), sowie die Verträglichkeit von
< mit + und · (A11 - A12) beschreiben. Weiter wird sichergestellt, dass 0 die
kleinste Zahl (A15) und 1 der Nachfolger von 0 bzgl. < (A14) ist und dass jede
Zahl mit Hilfe von + von jeder kleineren Zahl erreichbar ist (A13):
A1
A3
A5
A7
A9
A11
A13
A15
(x + y ) + z = x + (y + z)
x +y =y +x
x · (y + z) = (x · y ) + (x · z)
x ·1=1
x <y ∧y <z →x <z
x <y →x +z <y +z
x < y → ∃z(x + z = y )
∀x(0 = x ∨ 0 < x)
A2
A4
A6
A8
A10
A12
A14
(x · y ) · z = x · (y · z)
x ·y =y ·x
x +0=x ∧x ·0=0
¬x < x
x <y ∨x =y ∨y <x
0<z ∧x <y →x ·z <y ·z
0 < 1 ∧ ∀x(0 < x → 1 = x ∨ 1 < x)
BEMERKUNG. Man zeigt leicht, dass PA ` PA− gilt. PA− ist eine echte
Teiltheorie von PA (dh. C (PA− ) ⊂ C (PA)). Es gilt sogar, dass PA generell nicht
endlich axiomatisierbar ist.
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
117 / 129
Anmerkungen zum Unvollständigkeitssatz: Syntaktische
Formulierung
Die syntaktische Form des Unvollständigkeitssatzes lässt sich mit Hilfe von
PA− wie folgt formulieren:
ERSTER UNVOLLSTÄNDIGKEITSSATZ (GÖDEL; syntaktische Form)
Sei T eine rekursiv axiomatisierbare konsistente Erweiterung von PA− .
Dann ist T unvollständig. (Insbesondere ist PA unvollständig.)
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
118 / 129
Anmerkungen zum Unvollständigkeitssatz: Syntaktische
Formulierung: Beweisidee
Der wesentliche Unterschied zum Beweis der von uns bewiesenen semantischen Version des UVS ist, dass man hier den Begriff
der Repräsentierbarkeit verschärfen muss. So reicht es nun zur Repräsentation einer Relation R(a1 , . . . , an ) nicht mehr aus,
eine Formel ϕ(x1 , . . . , xn ) mit
(a1 , . . . , an ) ∈ R ⇔ N ϕ[a1 /x1 , . . . , an /xn ]
anzugeben, sondern man benötigt nun
(a1 , . . . , an ) ∈ R ⇔ PA
−
` ϕ[a1 /x1 , . . . , an /xn ].
Hierdurch wird der Beweis des entsprechend verschärften Repräsentierbarkeitssatzes - der nun besagt, dass jede r.a. Relation auf
die beschriebene Art in PA− repräsentierbar ist - komplizierter. Da die Diagonalfunktion primitiv rekursiv, also deren Graph r.a.
ist, kann man dann im Diagonalisierungslemma Wahrheit in N durch Beweisbarkeit aus PA− ersetzen, d.h., man erhält zu der
Formel ϕ nun einen Satz τ mit
−
PA ` τ ↔ ϕ[pτ q/v2 ]
Hiermit kann man dann im Wesentlichen wie im Beweis der semantischen Version argumentieren (s. auch Beweisskizze in 6.1).
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
119 / 129
Anmerkungen zum Unvollständigkeitssatz:
Π1 -Unvollständigkeit
Wie wir gesehen haben, gibt es zu jeder rekursiv axiomatisierbaren
L-Theorie T , in der nur wahre Sätze über N beweisbar sind, einen
Π1 -Satz τ , der aus T nicht beweisbar ist (wir sagen auch: T ist
Π1 -unvollständig).
Dagegen lässt sich jeder in N wahre Σ1 -Satz aus PA− beweisen.
D.h., die rekursiven Theorien PA− und PA sind Σ1 -vollständig.
Insbesondere gibt es also eine Allaussage ∀xϕ, sodass für jede Zahl n
ϕ[n/x] aus PA beweisbar ist aber nicht ∀xϕ. (Dies lässt sich so
erklären, dass es keinen einheitlichen Beweis gibt, der auf jede Zahl n
angewendet werden kann.)
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
120 / 129
6.6
Der 2. Unvollständigkeitssatz, der Satz von Tarski
und die Unentscheidbarkeit der Prädikatenlogik
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
121 / 129
Der 2. Gödelsche Unvollständigkeitssatz: Idee
Gödel hat nicht nur gezeigt, dass es keinen Kalkül gibt, in dem gerade die wahren
Sätze aus N beweisbar sind (1. Unvollständigkeitssatz), sondern auch, dass für
jeden hinreichend beweisstarken widerspruchsfreien Kalkül K der Arithmetik die
Widerspruchsfreiheit nicht mit Mitteln des Kalküls allein gezeigt werden kann (2.
Unvollständigkeitssatz).
Zur Rechtfertigung eines solchen Kalküls müssen daher Methoden verwendet
werden, die über die von dem Kalkül bereitgestellten Methoden hinausgehen,
deren Rechtfertigung also noch schwieriger ist.
Man kann dies so interpretieren, dass das Hilbertsche Programm nicht ausführbar
ist. Dessen Idee war, immer mächtigere Kalküle der Mathematik einzuführen und
deren Konsistenz wie folgt zu rechtfertigen. Für den ersten Kalkül sollte die
Konsistenz evident sein, da dieser nur sehr einfache, unproblematische (finitäre)
Methoden bereitstellt. Die Konsistenz des nächsten Kalküls sollte dann allein mit
Methoden des ersten Kalküls beweisbar sein, usw.
Zur Formalisierung der Aussage des 2. Unvollständigkeitssatzes definieren wir
zunächst die Konsistenzformel.
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
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Der 2. Gödelsche Unvollständigkeitssatz: die
Konsistenzformel (1)
In der endlich axiomatisierten Theorie PA− der Arithmetik lässt sich jeder
Satz σ aus 0 = 1 herleiten: PA− ∪ {0 = 1} ` σ.
Eine hinreichend starke Theorie T der Arithmetik (d.h. eine Theorie T mit
PA− ⊆ C (T )) ist also genau dann konsistent, wenn der Satz 0 = 1 nicht aus
T beweisbar ist: T konsistent ⇔ T 6` 0 = 1.
Für rekursives T können wir nun die Aussage T 6` 0 = 1 mit Hilfe des im
Beweises des 1. UVS eingeführten gödelisierten Beweisprädikats Bew für T
durch ¬∃y Bew (y , p0 = 1q) ausdrücken.
Da wir das Prädikat Bew durch die Formel β repräsentieren können, folgt
¬∃y Bew (y , p0 = 1q) ⇔ N ¬∃v1 β[p0 = 1q/v2 ]
Für eine rekursiv axiomatisierte Erweiterung T von PA− gilt daher:
T konsistent ⇔ N ¬∃v1 β[p0 = 1q/v2 ]
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123 / 129
Der 2. Gödelsche Unvollständigkeitssatz: die
Konsistenzformel (2)
Wie wir gesehen haben, gilt für eine rekursiv axiomatisierte Erweiterung T
von PA− :
T konsistent ⇔ N ¬∃v1 β[p0 = 1q/v2 ]
Die Formel
ConsT :≡ ¬∃v1 β[p0 = 1q/v2 ]
drückt daher die Konsistenz von T aus, weshalb wir diese als
Konsistenzformel (für T ) bezeichnen.
(Wir sehen also, dass für rekursives T nicht nur die Beweisbarkeit aus T
durch eine L-Formel beschrieben werden kann sondern auch die Konsistenz
von T . Die metamathematische Aussage der Konsistenz lässt sich also
wiederum durch eine mathematische Aussage ersetzen, d.h. eine Aussage
über das System der Arithmetik durch eine Aussage innerhalb des Systems
ersetzen.)
Mit Hilfe der Konsistenzformel lässt sich der 2. UVS wie folgt präzisieren:
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
124 / 129
Der 2. Gödelsche Unvollständigkeitssatz: präzise
Formulierung
2. UNVOLLSTÄNDIGKEITSSATZ VON GÖDEL. Sei T eine konsistente
rekursive Theorie der Arithmetik mit PA ⊆ C (T ). Dann gilt T `
6 ConsT .
Wir verzichten auf den Beweis hier. Eine Beweisskizze findet sich im Skript
von Herrn Gloede.
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
125 / 129
Der Satz von Tarski
Die Beweise der beiden Gödelschen Unvollständigkeitssätze basieren auf der
Beobachtung, dass sich der (gödelisierte) Beweisbarkeitsbegriff für eine rekursive
Theorie T der Arithmetik durch eine Formel der Arithmetik repräsentieren lässt:
T ` σ ⇔ ∃x Bew (x, pσq) ⇔ ∃v1 β[pσq/v2 ]
Tarski hat dagegen gezeigt, dass der Wahrheitsbegriff der Arithmetik sich nicht
derart darstellen lässt:
SATZ VON TARSKI Es gibt keine L-Formel γ ≡ γ(x), sodass für alle L-Sätze σ
gilt:
N σ ⇔ N γ[pσq/x]
Der Satz von Tarski besagt gerade, dass die Menge Th(N ) = {σ : N σ} der
wahren Sätze der Arithmetik nicht arithmetisch ist. Da (nach dem
Repräsentierbarkeitssatz) jede r.a. Menge arithmetisch ist, bedeutet dies
insbesondere, dass Th(N ) nicht r.a. ist. Da andererseits, für eine rekursive Theorie
T die Menge C (T ) = {σ : T ` σ} r.a. ist, folgt, dass es keine rekursive Theorie
T mit C (T ) = Th(N ) gibt. Der Satz von Tarski ist daher eine Verschärfung der
semantischen Version des 1. Gödelschen Unvollständigkeitssatzes.
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
126 / 129
Der Satz von Tarski: Beweis
Der Beweis ist indirekt. Wir gehen von der Widerspruchsannahme aus, dass für
die Formel γ ≡ γ(x)
(i) N σ ⇔ N γ[pσq/x]
für alle L-Sätze gilt.
Nach dem Diagonalisierungslemma (für v2 ≡ x und ϕ ≡ ¬γ ) gibt es dann einen
Satz τ mit
N τ ↔ ¬γ[pτ q/x]
d.h.
(ii) N τ ⇔ N ¬γ[pτ q/x]
Setzt man nun τ für σ in (i) ein, so folgt mit (ii)
N γ[pτ q/x] ⇔ N ¬γ[pτ q/x]
Dies aber widerspricht der Definition von .
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
127 / 129
Unentscheidbarkeit der Allgemeingültigkeit in der PL
Als letzte Anwendung der Beweisideen, die den Beweisen der
Unvollständigkeitssätze zugrundeliegen, zeigen wir, dass (für die Sprache L der
Arithmetik) die Frage, ob ein Satz σ allgemeingültig (d.h. logisch wahr ist)
unentscheidbar ist. Da ein Satz σ genau dann allgemeingültig ist, wenn ¬σ nicht
erfüllbar ist, folgt hieraus auch die Unentscheidbarkeit des Erfüllbarkeitsproblems,
d.h. der Frage, ob ein Satz σ ein Modell besitzt.
SATZ VON CHURCH. Die Menge {σ : σ L-Satz & σ} ist unentscheidbar.
Church hat dies ursprünglich für eine andere Sprache als L gezeigt. Trachtenbrot
hat gezeigt, dass es genügt, Sprachen zu betrachten, die ein 2-stelliges
Relationszeichen enthalten (also L(<)).
(Wir unterscheiden hier und im folgenden Beweis nicht zwischen Entscheidbarkeit
und Rekursivität, d.h. verwenden die Church-Turing-These.)
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Kapitel 6: Unvollständigkeit
128 / 129
Unentscheidbarkeit der Allgemeingültigkeit in der PL:
Beweisidee des Satzes von Church
Für L folgt der Satz von Church aus den oben kurz erwähnten syntaktischen
Verschärfungen des Repräsentierbarkeitssatzes und des Diagonalisierungslemmas,
in denen N durch PA− ` ersetzt werden (und die im Beweis der syntaktischen
Version des 1. UVS benötigt werden).
Wir zeigen zunächst, dass die Menge der aus PA− beweisbaren Sätze nicht entscheidbar ist.
Andernfalls wäre - wegen des Abschlusses der entscheidbaren Mengen gegen Komplement - auch die Menge der nicht
aus PA− beweisbaren Sätze entscheidbar und damit nach der C-T-These die Menge deren Gödelnummern
G = {pσq : PA− 6` σ} rekursiv und damit durch eine Formel ϕ in PA− repräsentierbar:
(∗) PA
−
6` σ ⇔ PA
−
` ϕ[pσq/v2 ]
Die Anwendung der syntaktischen Version des Diagonalisierungslemmas liefert dann einen Satz τ mit
PA
−
` τ ↔ ϕ[pτ q/v2 ]
Setzt man aber τ in (∗) ein, so kann man folgern, dass - im Widerspruch zur Konsistenz von PA− - PA− 6` τ genau
dann gilt, wenn PA− ` τ gilt.
Die Unentscheidbarkeit der Menge {σ : σ} ergibt sich hieraus wiederum indirekt.
Nehmen wir an, dass {σ : σ} entscheidbar ist, so ist auch die Menge
G = {σ : PA
−
6` σ} = {σ : 6` α → σ} = {σ : 6 α → σ}
entscheidbar (wg. Adäquatheitssatz und Abschluss entscheidbarer Mengen gegen Komplement), wobei α die
Konjunktion der (endlich vielen!) Axiome von PA− ist.
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