"!5 BauWerk_11 Max Dudler Jacob-und-WilhelmGrimm-Zentrum Berlin Impressum Deutsche BauZeitschrift BauWerk_11 wird in Koproduktion von DBZ und Ulrike Sengmüller als Begleitheft zur Veranstaltungsreihe D BZ BAU Seite im Wintersemester 2010/2011 herausgegeben. Inhalt | Impressum 2 Herausgeber: Ulrike Sengmüller Ringseisstraße 5 | 80337 München [email protected] Editorial 3 Redaktion: Ulrike Sengmüller (v.i.S.d.P.), Uta Heindl Layout: Uta Heindl Druck: Bauverlag BV GmbH Objektdokumentation Lesetempel 4 Soweit nicht anders angegeben, liegen die Abbildungsrechte bei den Architekten oder den jeweiligen Unternehmen. Max Dudler Über das Bauen von Bibliotheken Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. 12 Titelfoto: Stefan Müller, Berlin Titelskizze: Max Dudler Fachbeiträge Klassische Bibliotheksatmosphäre: Oberflächen aus amerikanischem Laubholz 14 Funktionalität und Ästhetik: Energieeffiziente Tageslichtelemente im großen Lesesaal 18 Optimale Lichtverhältnisse: Blendschutz durch intelligente Sonnenschutzsteuerung 22 Angenehme Arbeitsatmosphäre: Linoleum für Tisch und Boden 23 Bautafel 24 Beteiligte Hersteller – Auswahl 24 Planungsbeteiligte 27 Sponsoring-Partner Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum ist seit seiner Eröffnung im November 2009 bereits mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet worden. Es fügt sich dezent und zugleich kraftvoll in den städtebaulichen Raum ein, überzeugt in Erschließung, Orientierung, Zonierung – vor allem aber ist es eine Bibliothek, die sich an ihren historischen Vorbildern messen lassen kann und gleichzeitig allen Medien unseres schnellen Zeitalters den gebührenden Raum lässt. Der BDA Preis Berlin 2009 würdigt hier besonders die „Ambivalenz zwischen Ruhe, Ordnung und Konzentration einerseits sowie Transparenz und Offenheit andererseits.“ Diese Wirkung verdankt das Gebäude vor allem dem Herzstück des Bauwerks: dem zentralen Lesesaal. Eingerahmt von traditionellen Materialien wie Holz und Linoleum und erhellt von Tageslicht, das durch die Lichtdecke einflutet, verströmt er eine Atmosphäre der Konzentration und Stille. Mit BauWerk_11 wollen wir ihnen einen Einblick geben in die Gedanken, die hinter diesem Bau stehen und wie sie verwirklicht wurden. Viel Freude beim Lesen! Ulrike Sengmüller Architektin Foto: Stefan Müller, Berlin Inhalt Lesetempel Baudaten Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum, Geschwister-Scholl-Straße 1, 10117 Berlin-Mitte Humboldt-Universität zu Berlin Zentralbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin mit Computer- und Medienservice Max Dudler, Berlin/Zürich/Frankfurt Andreas Enge (Projektleiter), Jochen Soydan (Projektleiter), Andrea Deckert, Gesine Gummi ProCon, Ingenieurgesellschaft für wirtschaftliches Bauen mbH Ingenieurbüro Peter Widell, Berlin Leonhardt, Andrä und Partner, Berlin ZWP Ingenieur-AG, NL Berlin Müller – BBM Brandschutz GmbH, NL Berlin Max Dudler mit Lützow 7 Arun Kuplas, New York Dr. Ruth Tesmar, Berlin, Rolf Wicker, Berlin Objekt Bauherr Nutzung Architekt Mitarbeiter Projektsteuerung Bauleitung Tragwerksplanung Haustechnik Brandschutzkonzept Landschaftsplanung Kunst am Bau Offener Realisierungswettbewerb Planungs- und Bauzeit BGF Nutzfläche BRI 2004 2005 – 2oo9 37 460 m2 21 850 m2 138 570 m3 Foto: Stefan Müller, Berlin Mitten im Zentrum von Berlin, nur wenige Gehminuten von der berühmten Museumsinsel und dem Bahnhof Friedrichstraße entfernt, hat die traditionsreiche Humboldt-Universität zu Berlin ihre neue Zentral­ bibliothek realisieren lassen, die die bisher über das Stadtgebiet verstreuten Teilbibliotheken – zum ersten Mal in der 200-jährigen Geschichte der Universität – in einem Gebäude zusammenführt. Das neue Jacob-und-Wilhelm-Grimm- Zentrum ist momentan die größte Freihandbibliothek Deutschlands und beinhaltet außerdem das Rechenzentrum der Universität, die Bibliotheksverwaltung sowie Versammlungs- und Schulungsräume. Städtebaulich ist die Tatsache berücksichtigt, dass Berlin eine sehr flache, mehr in die Horizontale als in die Vertikale ausgedehnte Stadt ist, deren Bauten in der Regel nicht über 22 Meter hoch sind – mit Ausnahme der öffentlichen Bauwerke. Um die Bedeutung der Bibliothek als öffentlicher Ort gesammelten Wissens zu markieren, um ein städtebauliches Zeichen für das Buch zu setzen, wird die Linie der oberen Stadtbegrenzung in einem Teil des Gebäudes überschritten. Dieser auf 38 Meter emporragende Gebäudeteil reiht sich zugleich in die Silhouette der Kulturlandschaft der nahen Museumsinsel ein. Fotos (2): Stefan Müller, Berlin Die Konzentration eines großen Teils der Nutzungen in diesem großen Gebäudetrakt eröffnet stadträumlich im Nahbereich die Möglichkeit, das Gewebe der Blöcke der Berliner Dorotheenstadt für einen kleinen städtischen Vorplatz längs des S-Bahn-Viadukts zu öffnen. Der Platz dient als Entree für die große Anzahl der täglichen Nutzer der Bibliothek. Vom Vorplatz aus gelangt man zentral in ein langgestrecktes, zweigeschossiges Foyer, dessen Höhe sich an dem gegenüberliegenden S-Bahn-Viadukt orientiert. Dieser an der Südseite des Platzes gelegene Raum bildet den lichtdurchfluteten Auftakt einer raffinierten Raumfolge zum Herzstück des Gebäudes, dem großen Lesesaal. Der Lesesaal wurde (durch den erhöhten Gebäudeteil vor direktem Südlicht geschützt) im rückwärtigen Gebäudeteil angeordnet. Durch seine Größe, seine terrassierte, gleichsam landschaftliche Konzeption erzielt der Raum eine außenraumartige Wahrnehmung, die noch durch die großflächige Verglasung des „Himmels“ unterstützt wird. Der freie Blick in die Wolken suggeriert fast ein Lesen unter dem freien Himmel. Die Diskussion, ob ein zentraler Lesesaal oder eine Anzahl dezentraler kleiner Säle zu schaffen seien, wurde mit der Entscheidung für beides abgeschlossen: Von dem großen, abgetreppten Saal aus sind alle 2,5 Millionen Medieneinheiten zu erreichen, auf den Terrassen des Saals verteilen sich die Leseplätze, darunter befinden sich die Computer­ arbeitsplätze. Mit dem Lesesaal wurde ein zentraler Raum geschaffen, der auch ein dezentrales Arbeiten ermöglicht. Da alle Medien unter einem Dach vereint und frei zugänglich sind, werden im humboldtschen Sinne Wissens­ gebiete zusammengeführt und die Besucher zugleich angeregt, die Grenzen dieser Gebiete im wahrsten Sinne des Wortes zu überschreiten. Der Lesesaal erhält durch die Symmetrie ein Gegenüber. Aus dem Zweck und Anlass seiner Errichtung ist durch architektonische Mittel ein Raum des Buchs und seiner Leser gestaltet worden, ein Raum, ­dessen Identität an die Bedeutung alter Bibliotheken anknüpfen kann. Ergänzend zum introvertierten, zentralen Lesesaal sind in der Bibliothek flexibel erweiterbare, individuelle Lese­inseln an der Fassade an­geordnet. Eigentlicher Höhepunkt der Rauminszenie­rung ist die auf etwa 24 Meter Höhe befindliche Forschungs­bibliothek, welche die wertvollen Bestände der Sammlung der Brüder Grimm bewahrt. Von ­diesem erhabenen Stadtbalkon aus blickt man, wie einst Eduard Gärtner, auf ein Panorama der Stadt Berlin. Die Fassaden vermitteln subtil die dahinterliegenden Nutzungen des Gebäudes durch die variierenden Öffnungen im Steinkörper nach außen. Die auf der Basis des Grundrasters von 1,50 m variierten Abstände der Fassadenlisenen, die bildlich auch als Bücherrücken gelesen werden könnten, stehen im inneren Zusammenhang mit den Funktionen Freihandmagazin und Leseplätzen. Die Fassade wurde in gelblich gebändertem Juramarmor realisiert, welcher, unterstützt durch ein Hochdruck-Wasserstrahlverfahren, durch seine natürliche Stein­struktur wirkt. Süd-Ansicht Ost-Ansicht Längsschnitt Querschnitt Fotos (4): Stefan Müller, Berlin Trotz der großen Gebäudetiefe von ca. 50 m und inneren Möblierungsdichte besitzt die Bibliothek eine überraschende Durchlässigkeit und Offenheit. Der Grund dafür liegt in der konsequenten Maßordnung, welche Architektur und Möblierung gleichermaßen zugrundeliegen. Die Nutzer haben von fast jedem beliebigen Standpunkt aus eine Aussicht aus dem bzw. eine Durchsicht durch das Gebäude. Dem Wunsch nach einfacher Orientierung entsprechend wurde die innere Organisation des Gebäudes aus einer einfachen Symmetrie in der Mittelachse entwickelt. Blick von Südosten Blick aus der Universitätsstraße nach Norden Blick aus der Geschwister-Scholl-Straße Blick aus der Geschwister-Scholl-Straße Natursteinverkleidung 06 40 mm hochdruckwassergestrahlter Kalkstein-Juramarmor, hinterlüftet auf Edelstahlankern befestigt, Fugen geschlossen, Quarzsand-besandet 07 100 mm Mineralwoll-Wärmedämmung 08 Fenstersohlbank hinter Steinverkleidung 09 Aluminiumrinne als integrierte Fassadenentwässerung hinter Steinverkleidung 10 zu Revisionszwecken abnehmbare Sturzplatten 11 bündig integrierte Edelstahlteller als Seiteneinschlag- Blitzschutz 12 Taubenvergrämung mit federgespannten Edelstahldrähten Terrassenbelag 13 50 mm hochdruckwassergestrahlter Kalkstein-Juramarmor, hinterlüftet auf Edelstahlabstandshaltern, Fugen offen 14 folienabgedichtete Edelstahlwanne auf druck- und wasserfester Wärmedämmung 15 Edelstahl- Gitterrost farbbeschichtet Deckenkonstruktion 16 350 mm Stahlortbetonflachdecke mit integrierten Zuluftleitungen 17 225 mm Bodenaufbau: Linoleumbelag, schwimmender Estrich, druckfeste Ausgleichsdämmung Ausbau 18 raumhohe Bücherregale mit integrierten Zuluftauslässen Fassadenschnitt Fotos (2): Stefan Müller, Berlin Außenfenster 01 raumhohe Drehflügel-Aluminiumfenster mit 2-fach-Isolierverglasung, farb­ beschichtet 02 seitliche Aluminiumaufsatzprofile zur Halterung von Schienenführung und Windprallscheibe 03 äußere Windprallscheibe mit Entlüftungsöffnungen und VogeleinflugSicherungsdrähten 04 außen liegende, elektrisch betriebene, schienengeführte Sonnen- und Blendschutzmarkise hinter Windprallscheibe 05 Aluminiumpaneel-Deckenrandverkleidungen an zweigeschossigen Fenstern Eingangshalle mit Kunstwerken „Bullet Holes“ von Arun Kuplas !" #" Grundriss 1. OG Grundriss 5. OG Grundriss Erdgeschoss Grundriss 6. OG siehe Seite 20 Treppenaufgang am Lesesaal Im Inneren wird die Ruhe und Klarheit des Entwurfes durch die Reduzierung des Farbkanons auf wenige Töne erreicht: Weißgrau, Schwarzgrau, rötliches Holz (Black Cherry), dunkelrot und dunkelgrün gehaltene Möbeloberflächen. Die Freihandbereiche sind mit glatten schwarzen Linoleumböden, matten schwarzgrauen Stahlblech-Bü­cher­regalen und weiß gestrichenen Wänden und Decken gestaltet. Die Sonderbereiche wie Lesesäle, Lesekabinen sowie die Einbauten der Haupteingangshalle wurden mit Wandverkleidungen und Deckenverkleidungen in amerikanischem Kirschbaumfurnier ausgestattet. Stark be­anspruchte Bereiche wie die Haupteingangshalle und die den Lesesaal begleitende Freitreppe erhielten einen Natursteinboden in dem gebänderten Jura­marmor der Fassade. Lesetische und Tischleuchten sind Architektenentwürfe. Für die obere Leuchtenabdeckung wurden transluzente Verbund-Quarzitstein-Glasplatten in Referenz zu Tischbeleuchtungen in historischen Lesesälen verwendet. In der Haupteingangs­halle hat die Humboldt-Universität Fotokunst-Paneele des New Yorker Künstlers Arun Kuplas in die Wandverkleidungen integriert. Um die Speichermasse der Decken nutzen zu können und um das Raumklima so angenehm wie möglich zu gestalten, wurde auf abgehängte Decken verzichtet. Sämtliche haustechnischen Installationen sind im Boden oder in den Betondecken geführt. Die zuluftführenden Leitungen zur Aktivierung der Beton­ speichermassen sind in den Decken geführt. Die Roh­ decken werden dadurch gekühlt und nehmen im Gegenzug Raumwärme auf. Auf eine Klimatisierung des Gebäudes konnte so verzichtet werden. Fotos (2): Stefan Müller, Berlin Fotos (2): BAUBILD, Stephan Falk Energiekonzept Für die Zentralbibliothek ist es durch die integrale Zusammenarbeit aller am Planungsprozess Beteiligten gelungen, ein schlankes, energieeffizientes Gebäude zu entwickeln – unter Einhaltung höchster Komfortbedingungen für die Nutzer und höchster Versorgungssicherheit für die technischen Anlagen im Gebäude. Realisiert wurde ein Einklang zwischen technischen Erfordernissen und einem hervorragenden architektonischen Gebäudekonzept. Energetisch hat das Gebäude die Ziel­ vorgaben weit unterschritten. Der Primärenergiebedarf beträgt 107 kWh/m²a. Bereits in den frühen Planungsphasen wurden Konzepte entwickelt und abgewogen, die letztendlich zu diesem „Leuchtturm-Objekt“ führten. So hat die ZWP Ingenieur-AG Gebäudesimula­ tionen für die Bereiche des zentralen Lesesaals und des Freihandbereichs durchgeführt, im Hinblick auf thermische und strömungstechnische Verläufe, die zur Optimierung der Anlagenauswahl und deren Dimensionierung dienten. Auch die Fassadenbereiche wurden strömungstechnisch und thermisch simuliert, um die natürliche Lüftung der angrenzenden Büroräume in den oberen Geschossen des Hochhauses zu gewährleisten. Eine Verschattungs­ simulation des Daches über dem zentralen Lese­ bereich erlaubte Rückschlüsse auf die optimale Anordnung des Sonnenschutzes und dessen bauphysikalische Eigenschaften. Lüftungskonzept Die Herausforderung an das Lüftungskonzept kann in grundsätzlich vier Versorgungsbereiche mit unterschiedlichsten Anforderungen eingeteilt werden. Zum einen gehört der voluminöse „Zentrale Lesebereich“ und zum anderen der „Freihand­ bereich“ mit großen Raumtiefen, welcher Platz für ca. 2,5 Mio. Bücher bietet. Auch zentrale Archivräume mit höchsten Anforderungen an die Raumkonditionen im Hinblick auf Temperatur und Feuchte sowie der gesamte Bereich des Rechenzentrums, mit ca. 450 m² Grundfläche und höchsten Anforderungen an die Versorgungssicherheit, zählen dazu. Im terrassenförmigen zentralen Lesebereich ist es gelungen, die Zulufteinbringung an den Seitenwänden der Aufenthaltsbereiche anzuordnen und somit optimale Raumkonditionen im Aufenthaltsbereich zu schaffen. Es wurde darauf verzichtet, den gesamten Luftraum des zentralen Lesebereichs zu konditionieren. Die Abluft wird direkt in den oberen Bereich des Lesesaals abgeführt, damit wird die äußere thermische Belastung der Aufenthaltsbereiche minimiert und der Luftwechsel somit auf ein Mindestmaß reduziert. Der Freihandbereich wird auf Grund seiner hohen Raumtiefen mechanisch mit Zuluft versorgt. Hier wurde eine Luftrate von 4 m³/h m² gewählt, um einen hygienisch erforderlichen Luftwechsel zu gewährleisten. Die Raumanforderungen an den Freihandbereich wurden so definiert, dass hohe Schwankungen der Temperatur und Feuchte vermieden werden. Bedingt durch Geometrie und Nutzung weist dieser Bereich hohe innere Lasten auf. Diese sind zurückzuführen auf die Besucher und die Ausleuchtung der Bücherregale. Mit dem gesamten Luftwechsel ist eine Abfuhr der thermischen Lasten nur bedingt möglich. Daher wird eine luftgeführte Betonaktivierung eingesetzt, d. h. die Zuluftführung erfolgt von den einzelnen Steigepunkten über Aluminiumrohr­ leitungen mit innenliegenden axial verlaufenden Radial-Lamellen in der Betondecke. Die Rohrleitungen weisen einen Außendurchmesser von 10 cm auf. Grafik: ZWP Ingenieur AG Niederlassung Berlin 10 Temperaturverteilung Zentraler Lesebereich Da die Zulufttemperatur vor Eintritt in die Betondecke ca. 14 °C beträgt, kühlt diese die Betondecke ab. Dadurch wird die Zuluft erwärmt und mit ca. 20 °C in den Raum geführt. Das Abkühlen der Betondecke führt dazu, dass die inneren Lasten durch die Betondecke aufgenommen werden können und der Freihand­ bereich abgekühlt wird. Die Anordnung der Zuluftauslässe erfolgt oberhalb der Bücherregale. Die Abluft wird an vier Stellen zentral an Steigepunkten abgeführt. Somit ist im Freihandbereich kein Luftkanalnetz unterhalb der Decken erforderlich und die Raumhöhe konnte auf 2,75 m ausgebildet werden, was zu einer optimalen gesamten Gebäudehöhe führt und insgesamt ein sehr nachhaltiges Gebäudekonzept ermöglicht. Dieses System ist energetisch äußerst sinnvoll, da die inneren Wärmelasten ganzjährig anstehen und über einen großen Zeitraum eine Freikühlung über die zentralen Lüftungsanlagen genutzt wird. Die zentralen Lüftungsanlagen sind darüber hinaus mit hocheffizienten Wärmerückgewinnungssystemen ausgestattet und erreichen einen Rückgewinnungsgrad von 74 %. Insgesamt werden 64 000 m³/h umgewälzt. Die zentralen Archivräume mit den höchsten Raumanforderungen wurden vom Gebäudekonzept zunächst optimal innen im Gebäude angeordnet. Dadurch fallen die äußeren thermischen Störgrößen weg und die thermischen Lasten sind – Sommer wie Winter – nicht gegeben. Dieses führt zu Minderungen der Energieverbräuche der Versorgungsanlagen. Die Zuluft wird zentral thermisch grundaufbereitet und dann für jeden einzelnen Archivraum über Zonen-Nacherhitzer und -kühler sowie Befeuchter in Abhängigkeit des Raumanforderungsprofils nachbereitet. Kältekonzept Der Hauptverbraucher von Kälteenergie ist das Rechenzentrum mit einem Kältebedarf von 300 kW. Darüber hinaus besteht zur Betriebsaufrechterhaltung die Notwendigkeit höchster Versorgungssicherheit an die Kälte- und Stromversorgung. Schließlich versorgt das Rechenzentrum im Grimmzentrum nicht nur das Gebäude, sondern auch weitere Liegenschaften der HumboldtUniversität zu Berlin. Daher wurde das Kälteversorgungskonzept für diese Abnehmer im Rechenzentrum als n+1 und für die Kälteerzeugung als 2n-System aufgebaut. Das System ist so ausgewählt, dass über einen großen Zeitraum ein Freikühlbetrieb möglich ist, d. h. die Kältemenge wird aus der Umweltenergie erzeugt. Daher wurde die Systemtemperatur für diesen Versorgungsbereich (als Hochtemperaturbereich) mit 16/19 °C ge­wählt. Die Kälteerzeugung erfolgt über magnetisch gelagerte Turbokältemaschinen mit einem COP-Wert im Teilleistungs­ bereich von bis zu 11. Für die Rückkühlung dieses Kältekreises sorgt ein Hybrid-Kühlturm mit einer Leistung von 500 kW. Der Freikühlbereich ist bis zu einer Außentemperatur von 15 °C möglich und weist eine Leistung von ca. 280 kW auf. Die optimale Abfuhr der Wärmelasten im Rechenzentrum erfolgt teilweise direkt durch Wärmetauscher in den Serverschränken, somit kann eine hohe Packungsdichte der Serverschränke gewählt werden. In anderen Nutzungsbereichen wird die Kälteenergie direkt über das Kühldeckensystem in den Raum geführt und die Lüftungsanlage sorgt lediglich für den hygienisch erforderlichen Luftaustausch. Für die Kälteversorgung dieser Bereiche sind zwei Kältemaschinen mit insgesamt 1300 kW und offenen Rückkühlwerken zuständig, wobei ein System auch im Störfall für die Versorgung des Rechenzentrums genutzt werden kann. Wärmekonzept Das Gebäude weist eine sehr kompakte Bauweise auf. Diese ist gekoppelt mit einem ausgewogenen Verhältnis an Fensterflächen (Tageslichteinfall zu Wärmeverlust) und einer bauphysikalisch optimalen Außenhüllenkonstruktion. Diese Eigenschaften führen dazu, dass der spezifische Heizwärmebedarf bei 36 kWh/ m²a liegt. Der Wärmeverbrauch teilt sich in statische (450 kW) und dynamische (1000 kW) Heizung auf. Die Wärmeerzeugung erfolgt über zwei Komponenten. Zum einen wird ein Blockheizkraftwerk mit einer Leistung von 200 kW als Grundlast eingesetzt und zum anderen zwei Brennwertkessel mit 2 x 600 kW als Spitzenlast. Der Energieträger ist Erdgas. Die Wärmeabgabe an die Räume erfolgt im Hauptversorgungsbereich des Freihand­ bereichs über an der Fassade in den Stützenkonstruktionen integrierte Heizflächen. Diese sorgen dafür, dass die an der Fassade angeordneten einzelnen Leseplätze ein Behaglichkeitsfeld erzeugen und den Kaltlufteinfall der Fensterflächen eliminieren. Beleuchtungskonzept Das Beleuchtungskonzept fügt sich optimal in das architektonische Gesamtkonzept ein und verbindet Gestaltung mit Funk­ tionalität der Nutzung. Im Freihandbereich sind in Abstufung zur Raumtiefe einzelne Schaltkreise aufgebaut, die in Ab­hängigkeit des Tageslichteinfalls entsprechend gedimmt werden können, was wesentlich zur Reduzierung des Strom­bedarfs führt. Vorrangig wurden Leuchten mit hoher Lichtausbeute und langer Lebensdauer ausgewählt. Als Leuchtmittel werden hauptsächlich T5-Leuchten mit elektronischen Vorschaltgeräten verwendet. Somit ist ein Optimum an Energieausbeute und Stromverbrauch gegeben. Die Leuchtbänder zwischen den Bücher­regalen stellen ein technisch integriertes System dar. Es wurden nur Durchführungen für die erforderlichen Sprinklerköpfe eingearbeitet und harmonisch integriert. Sven Bega, ZWP Ingenieur-AG 12 Max Dudler 3 Foto: Jessica Siegel 2 Über das Bauen von Bibliotheken Max Dudler Die Moderne wird in der Literatur häufig als Prozess kreativer Zerstörung beschrieben: Altes verliert seine Bedeutung, wird verlassen, zerstört und durch Neues ersetzt. Scheinbar zwangsläufig gilt dies auch in Bezug auf die Entwicklung der Stadt. Ehemals hervorgehobene Bautypen der europäischen Stadt, wie das Schloss des Herrschers, verlieren mit fortschreitender Entwicklung unserer pluralistischen Gesellschaft ihren zentrierenden, alle Teile der Gesellschaft bindenden Gehalt. Doch wodurch werden sie ersetzt? Fragt man, ob heute tatsächlich noch Bauwerke geschaffen werden, die durch ihre Funk­ tion und ihren inhaltlichen Anspruch die Identität der europäischen Bürgergesellschaft zentral repräsentieren können, stößt man sehr bald auf einen ehemals randständigen Typus – die Bibliothek. Die Bibliothek als besonderes Haus in der europäischen Stadt nimmt auch als öffentlicher, allen gleichermaßen zugänglicher Innenraum eine besondere Stellung in der Wahrnehmung und kollektiven Erinnerung der Menschen ein. Die Auseinandersetzung mit dem Thema Bibliotheksbau stellt für das Büro aus diesem Grund auch eine zentrale Herausforderung dar. Fast könnte man sagen, dass sich in der Auseinandersetzung mit dem Typus Bibliothek der Entwurfsansatz des Büros besonders exemplifiziert beziehungsweise voll entwickeln konnte. Dies gilt sowohl für die Struktur und Ausgestaltung der Gebäude im Detail als auch für den Versuch, die zerstörerischen Kräfte der Moderne zu bändigen – zugunsten einer Architektur, welche aus der Geschichte ihre Kraft und Berechtigung schöpft. Einer Architektur, die mit und neben der historischen besteht, ja eine neue Einheit mit ihr zu bilden imstande ist. Das Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum in Berlin, die Diözesanbibliothek in Münster, der Entwurf für den Neubau der Bibliothek der Folkwang Hochschule in Essen und die Gebäude der Pädagogischen Hochschule auf dem ehemaligem SihlpostAreal in Zürich stellen in jeweils unterschiedlicher Situation und variierendem Maßstab den Versuch dar, Gebäude zu schaffen, die erkennbar in der Kontinuität einer kulturellen Identität stehen, genauer, der Kontinuität der europäischen Stadt. Max Dudler wurde in Altenrhein in der Schweiz geboren. Er studierte Architek­tur an der Städelschule in Frankfurt a. M. bei Prof. Günther Bock und an der Hochschule der Künste Berlin bei Prof. Ludwig Leo. Zunächst arbeitete er im Büro von Oswald Matthias Ungers, bevor er 1986 in Gemeinschaft mit Karl Dudler und Pete Wellbergen ein eigenes Büro gründete. Seit 1992 leitet er sein eigenes Büro mit Niederlassungen in Berlin, Zürich und Frank­furt a. M.. Nach verschiedenen Lehraufträgen und Gastprofessuren, u. a. in Vene­dig, Mantua, Dortmund und Wien, wurde Max Dudler 2004 als Pro­fessor der Klasse Baukunst der Kunstakademie Düsseldorf beru­fen. 1 Auszeichnungen seit 2005 4 5 2010 DAM Architectural Book Award 2010, Anerkennung für „Bibliothek”, Hrsg. Milan Bulaty Auszeichnung vorbildlicher Bauten in Nordrhein-Westfalen 2010, MWEBWV NRW, Architektenkammer NRW, Diözesanbibliothek und Verwaltungsbauten Bischöfliches Generalvikariat, Münster, Große Nike 2010, Nike für die beste städtebauliche Interpretation, Architekturpreis des BDA, Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum, Berlin 2009 Architekturpreis Berlin 2009, Auszeichnung, Architekturpreis e. V., Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum BDA Preis Berlin, Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum, Berlin Auszeichnung beispielhaftes Bauen Landkreis Böblingen 2003 – 2009, Architektenkammer BW, Museum Ritter, Waldenbuch 6 7 8 2007 Architekturpreis NRW 2007, Bund Deutscher Architekten, Diözesanbibliothek, Priesterseminar und Verwaltungsbauten BGV, Münster Auszeichnung guter Bauten 2007, BDA Münster, Diözesanbibliothek, Priesterseminar und Verwaltungsbauten BGV, Münster 2006 Auszeichnung für gute Bauten in der Stadt Zürich, Baudirektion der Stadt Zürich, IBM Headquarter Zürich 2005 Züricher Oberländer Baupreis, Architekturforum Zürcher Oberland, Zentrum Kirchgasse Wetzikon 9 Max Dudler, Berlin Oranienplatz 4 10999 Berlin T 030 6151073 F 030 6145071 [email protected] www.maxdudler.de 1 2/3 4 5 6 7 8 9 10/11 12/13 10 11 Hochhausensemble Hagenholzstrasse, Zürich IBM Headquarter, Zürich-Altstetten Liechtensteinische Landesbank, Zürich Haus Bergfrieden, Saas im Prättigau Hotel „Quartier 65“, Mainz Weisenau Diözesanbibliothek Münster Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Berlin Haus Hopp, Weimar Museum Ritter, Waldenbuch Landesbehördenzentrum Eberswalde 12 13 14 Klassische Bibliotheksatmosphäre Oberflächen aus amerikanischen Laubhölzern Foto: Stefan Müller, Berlin Angesichts des neuen Informationszeitalters stellt der Bau einer Bibliothek eine besondere Hersauforderung dar. Internet und neue Datenträger machen den Zugriff auf Wissen immer schneller und leichter und sind aus dem wissenschaftlichen Arbeiten nicht mehr wegzudenken. Daher ist es unabdingbar, dass in einer neuen Bibliothek neben Büchern auch sämtliche neuen Medien ihren Raum haben und sie sich den neuen Arbeitsweisen anpasst. Trotz alledem sollen Bibliotheken auch heute noch ihre ganz eigene Atmosphäre vermitteln: Ruhe, Konzentration und Entschleunigung. Um all diesen Anforderungen gerecht zu werden, spielt die Materialwahl bei der Ausstattung der Räume eine besondere Rolle. Holz ist hier ein klassisches Material, das über die Jahrhunderte die Bibliotheken der Welt geprägt hat. Katalogsammlung Im Inneren des Jakob-und-WilhelmGrimm-Zentrums wird die Ruhe und Klarheit des Entwurfes durch die Reduzierung des Farbkanons auf wenige Töne erreicht. Die Möbeloberflächen sind in Schwarzgrau, rötlichem Holz (Black Cherry), _ Dunkelrot und Dunkelgrün gehalten. Glatte, schwarze Linoleumböden, matte, schwarzgraue Stahlblech-Bücherregale und weiß gestrichene Wände und Decken prägen die Freihandbereiche. In den Sonderbereichen wie Lesesälen, Lesekabinen Foto: Stefan Müller, Berlin sowie die Einbauten der Haupteingangshalle kommt in Wandverkleidungen und Deckenverkleidungen die warme und beruhigende Anmutung von amerikanischem Kirschbaumfurnier – American Cherry – zum Zuge. Insbesondere die gediegene Atmosphäre des gro­ßen zentralen Lesesaals wird vom warmen, rotbraunen Farbton dieser Holzart geprägt, die den Raum gänzlich umhüllt. Der rötliche Ton harmoniert besonders gut mit dem dunklen Grün der Tischoberflächen aus Linoleum – ebenfalls ein naturnahes Material. Die notwendige Erdung erhält der Raum durch die dunklere Bodenfläche. Hier wurde Parkett aus dem besonders robusten amerikanischen Nussbaum verwendet. Analog wurden auch die kleineren Lesesäle und das Auditorium ausgestattet. American Cherry, auch American Black Cherry genannt, ist eine sehr auffallende Holzsorte, häufig mit einer charakteristischen und einmaligen Zeichnung. Diese erhöht den Reiz des Holzes und seinen Ruf als eines der schönsten unter den amerikanischen Harthölzern. Gummitaschen (gum pockets) und Punktäste (pin knots), wie auch vorkommendes Splintholz, sind in Cherry nach den Sortierregeln der Na­tional Hardwood Lumber Association (NHLA) erlaubt. Gerade diese Charakteristika führen zu sehr individu- ellen Stücken, die von Designern und Architekten weltweit äußerst begehrt sind. American Cherry wird für viele hochwertige Anwendungen genutzt, wie zum Beispiel Bautischlerei, Möbel, Schränke, Fußböden und Musikinstrumente. Das Holz hat eine mittlere Dichte mit guten Biegeeigenschaften und mittleren Werten für Festigkeit und Bruchschlagarbeit. Das rot bis rotbraune Kernholz von American Cherry dunkelt unter Lichteinwirkung nach und bildet so einen Kontrast zum Cremeweiß des Splintholzes. Das mittelschwere Holz hat eine feine, gleichmäßige, gerade Faser. Sie ähnelt manch- 16 links oben: Treppenaufgang am Lesesal mit Einbauten in American Cherry links Mitte: Walnuss-Parkett im Forschungslesesaal links unten: Cafeteria in der Eingangshalle mit Stühlen „Black Cherry“ (Entwurf: Max Dudler) Fotos (3): Stefan Müller, Berlin American Black Walnut ist ein sehr modisches Holz für die Verwendung bei Möbeln, im Innenausbau für Türen, Fußböden und Vertäfelungen sowie hochwertigen Tischlerarbei­ ten. Es wird gern im Kontrast gegenüber helleren Hölzern eingesetzt. Der Splint ist cremeweiß, während das Kernholz hellbraun bis dunkel-schokoladenbraun ausfällt, gelegentlich mit einem purpurnen Farbschimmer und dunkleren Streifen. Walnut wird von einigen Lieferanten wahlweise gedämpft, wodurch das Splintholz dunkler wird, oder ungedämpft angeboten. Das Holz ist allgemein geradfaserig, hat aber manchmal auch eine wellige Textur, wodurch eine attraktive, dekorative Zeichnung entsteht. Das dunk­le Kernholz hellt sich durch UV-Licht-Einwirkung im Laufe der Zeit auf. Walnut ist sehr widerstandsfähig gegen KernholzFäule und gilt als eines der dauerhaftesten Hölzer, selbst unter Bedingungen, die Fäule begünstigen. Walnut ist mit der Hand und Maschinen leicht zu bearbeiten und lässt sich gut nageln, schrauben und kleben. Es hält Farben und Beizen sehr gut und kann zu einer edlen Oberfläche poliert werden. Das Holz sollte langsam getrocknet werden, um Schäden zu vermeiden. Walnut zeichnet sich durch eine gute Dimensionsstabilität aus. Das zähe, harte Holz weist eine mittlere Dichte auf, hat eine mäßige Biege- und Druckfestigkeit, geringe Steifigkeit und gute Dampfbiege-Eigenschaften. Der American Hardwood Export Council (AHEC) ist die führende internationale Handelsorganisation für die amerikani­ sche Laubholzindustrie. Sie vertritt Exporteure der amerikanischen Laubholzfirmen und alle wichtigen amerikanischen Verbände für Laubholzprodukte. AHEC konzentriert seine Bemühungen auf die Unterstützung der Architekten, Anwender, Designer und Verarbeiter mit technischen Informationen zu einer Reihe von Laubholzarten, Produkten und Liefernachweisen. Dazu wurde nun auch die Website www.americanhardwood.org neu und übersichtlich gestaltet. Foto: Stefan Müller, Berlin mal der des Hard Maple, welches weniger auffällig als in anderen amerikanischen Hartholzarten ist. American Cherry kann naturbedingte, braune Markflecken und kleine Harztaschen enthalten, die ihm seine einzigartige Erscheinung verleihen. Das Holz ist fest, hat ein gutes Stehvermögen und die Textur ist fein, so dass sich sehr glatte Oberflächen mit einem seidigen Glanz erzielen lassen. Es ist leicht maschinell zu verarbeiten, zu nageln und gut zu verleimen. Geschliffen, gebeizt und poliert, ergibt das Holz eine ausgezeichnete glatte Oberfläche. Es trocknet ziemlich schnell mit mäßig großer Schwindung und hat nach der technischen Trocknung ein gutes Stehvermögen. American Cherry gilt als widerstandsfähig gegen Kernholz-Fäule. PC-Pool AHEC Europe c/o MPR Dr. Muth Public Relations Warburgstraße 36 | 20354 Hamburg T 040 429240-0 | F 040 4227787 [email protected] www.americanhardwood.org 18 Funktionalität und Ästhetik Energieeffiziente Tageslichtelemente im großen Lesesaal Tageslicht für das „geistige Zentrum“ Kein Zweifel: Der große Lesesaal mit seinen 252 Studierplätzen ist das funktionale und geistige Zentrum des Hauses. Er ist in Terrassen angelegt, die sich vom Erd­ geschoss bis auf Höhe des vierten Stockwerkes des Gebäudes wie in einem rechteckigen Audimax nach oben erstrecken. Und auch ohne künstliche Beleuchtung ist es tag­hell. Für die raumfüllende Ausleuchtung sind 92 Oberlichter von LAMILUX aus der Produktreihe LAMILUX CISystem Glasarchitektur F in das Flachdach integriert worden. Tageslicht steigert nachweislich das Wohlbefinden und fördert die Leistungsfähigkeit und das Konzentrationsvermögen. So erweisen sich die Tageslichtsysteme im Jacobund-Wilhelm-Grimm-Zentrum als integraler Bestandteil der Gebäudehülle, um das architektonische Konzept umzusetzen: Raum schaffen für Konzentration, um sich in ruhiger Atmosphäre Forschung und Bildung zu widmen. Hinzu kommt der ästhetische Gesichtspunkt. Der Blick von unten: Die Tageslichtelemente in den Abmessungen 2,55 x 2,55 Meter befinden sich in einzelnen, abgetrennten Kassetten, was dem langen Raum weitere Struktur verleiht und der strengen Formensprache des Gesamtgebäudes entspricht. Die Elemente sind streng in 4 geo­- metrischen Reihen zu jeweils 23 Stück angeordnet und mit Laufstegen aus aufgeständerten Gitterrosten verbunden. Um die in der Innenansicht harmonische Integration der Tageslichtelemente in das Flachdach zu verwirklichen, ging technische Feinarbeit voraus. Stichwort „optimaler Bauanschluss“: Für die energieeffiziente Verbindung der Tageslichtelemente mit dem Baukörper wurde eine spezielle, fugenlose Unterkonstruktion aus einem torsionssteifen, glasfaserverstärkten Verbundaufsatzkranz mit durchgehender Wärmedämmzone entwickelt. Auf diese speziell ausgeformte Unterkonstruktion wiederum wurde ein optimiertes thermisch konsequent getrenntes Profilsystem montiert. Für die Befestigung der aufgeständerten Wartungswege wurden in die Aufsatzkränze Stahlaussteifungen und Lastabtragungen kraft- und formschlüssig einlaminiert. Ästhetik und Energieeffizienz Denn allein um den Tageslichteinfall geht es natürlich bei solch einem großen Objekt nicht mehr. So sehr der ästhetische Eindruck auch eine Rolle spielt, von mindestens ebensolcher Bedeutung sind auch die energetischen Qualitäten der Oberlichter. In der heutigen Zeit gehört eine hervorragende Wärmedämmung von Bauelementen zu den Muss-Anforderungen an jede moderne Gebäudehülle. Dies hilft nicht zuletzt Heizkosten einzusparen. In den LAMILUX-Tageslichtsystemen ist davon keine Komponente ausgenommen. Beispiel Verglasung: Für die Oberlichter der Humboldt-Uni griff man auf eine Zwei-Scheiben-Isolierverglasung zurück. Die obere Scheibe bildet ein Einscheibensicherheitsglas (ESG) mit Heat-Soak-Test, die untere Scheibe besteht aus einem 16 mm starken Verbundsicherheitsglas. Der Aufbau der Verglasung wurde als kombiniertes Sonnen- und Wärmeschutzglas durchgeführt. Bei einem Gesamtenergiedurchlass g von 26 % verfügt das System über eine Lichtransmission von 47 %. Der Wärmeschutzwert Ug beträgt 1,1 W/(m²K). Die Verglasung musste als Funktionsglas mit bedingter Betretbarkeit zu Fotos (5): Bernd Hartung, Berlin Der freie Blick in den Himmel Berlins – das ist (neben den ungewöhnlichen Leseterrassen) das wohl Bemerkenswerte an dem großen Lesesaal des Jacob-und-WilhelmGrimm-Zentrums der Humboldt-Universität. Dieser Blick wird möglich durch 92 in das Flachdach integrierte LAMILUX-Oberlichter. Sie sorgen nicht nur für klare Sicht, sondern auch für einen großzügigen Tageslichteinfall ins Innere und schaffen so ein ein einzigartiges, hell erleuchtetes Konzentrationsambiente. 20 links oben: Grundriss 6. Obergeschoss links Mitte: Übersicht Tageslichtelemente RWA links unten: 92 Oberlichter sorgen für eine konzentrations­ fördernde Arbeitsatmosphäre. rechte Seite: Freier Blick in den Himmel Berlins Foto: Bernd Hartung, Berlin Reinigungs- und Wartungsarbeiten ausgelegt werden. Der Nachweis dieser Tragfähigkeit wurde durch erfolgreiche Bauteilprüfungen mit der Landesgewerbe­anstalt erbracht. Diese Verglasungen wurden sowohl in den 82 festverglasten Tageslichtelementen als auch in den zehn für die RWA-Funktion zu öffnenden eingesetzt. Schnitt CI-System Glasarchitektur F Thermisch ideales Verbundsystem aus Aluminium und Glas Foto: Bernd Hartung, Berlin Bei der Entwicklung des im Jacob-undWilhelm-Grimm-Zentrum eingesetzten LAMILUX CI-Systems Glasarchitektur F hat man sich besonders darauf konzentriert, eine optimale Dämmung des Gesamtsystems zu erreichen und Wärmebrücken auszuschalten. Dafür hat der Hersteller einige Bauteile konstruiert, die für hervorragende Isothermenverläufe in den Tageslichtelementen sorgen: Einen großen Beitrag zu einer optimierten Wär- medämmung leistet die durchgehend geschäumte Kerndämmzone zwischen den Innen- und den Außenprofilen der Konstruktion. Diese machen das CI-System Glasarchitektur F zu einem hochfesten, thermisch idealen Verbundsystem. Die Profilkonstruktion wurde mit zwei unterschiedlichen Beschichtungsfarben ausgeführt. Während im Innenbereich ein mattes Weiß im RAL-Farbton 9016 dominiert, ist die Außenansicht in einem eleganten Anthrazit im RAL-Farbton 7021 gehalten. Über die LAMILUX Heinrich Strunz GmbH Anordnung der Gitterroste um ein Glaselement Seit knapp 60 Jahren produziert die Heinrich Strunz GmbH mit Sitz im oberfränkischen Rehau unter dem Markennamen LAMILUX qualitativ hochwertige Tageslichtsysteme aus Kunststoff, Glas und Aluminium. Architekten, Bauingenieure, Bauplaner und Dachdecker setzen die LAMILUX CI-Systeme sowohl beim Bau von Industrie-, Verwaltungs- und Hallenkomplexen als auch im privaten Wohnungsbau ein. Ihre bauliche Funktion besteht vor allem in der optimalen Lenkung natürlichen Lichts in das Innere von Gebäuden. Mit steuerbaren Klappensystemen ausgestattet dienen sie auch als Rauch- und Wärmeabzugsanlagen (RWA) und energieeffiziente Einrichtung für die natürliche Be- und Entlüftung von Gebäuden. Die Bandbreite der LAMILUX CI-­Systeme reicht von Lichtkuppeln über Lichtbänder bis hin zu ästhetisch formgeben­den Glasdachkonstruktionen. Große Kompetenzen besitzt das Unternehmen in der Entwicklung und Herstellung von Steuerungssystemen LAMILUX CI-Con­ trol für die Ansteuerung und Automation von Rauch- und Wärmeabzugsanlagen sowie Lüftungs- und Sonnenschutzeinrichtungen. Mit 400 Beschäftigten hat LAMILUX 2009 einen Umsatz von 86 Millionen Euro erwirtschaftet. LAMILUX Heinrich Strunz GmbH Zehstraße 2 | 95111 Rehau T 09283 595-0 | F 09283 595-290 [email protected] www.lamilux.de 22 Optimale Sichtverhältnisse Angenehme Arbeitsatmosphäre Blendschutz durch intelligente Sonnenschutzsteuerung Linoleum für Tisch und Boden Wer konzentriert und effektiv lernen will, ist auf eine optimale Ausleuchtung des Arbeitsplatzes angewiesen. Richtig dosiert ist natürliches Licht am besten für Physis und Psyche. Allerdings kann es je nach Sonnenstand auch unangenehme Auswirkungen haben – vor allem, wenn das Arbeitsmittel Computer ins Spiel kommt. Mit ca. 2,5 Mio. Medieneinheiten ist das Jakob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum der Berliner Humboldt-Universität Deutschlands größte Freihandbibliothek, in der etwa 3,5 km Regallänge Platz fanden. Sorgfältig aufeinander abgestimmte Materialien in zurückhaltenden, ruhigen Farben bestimmen die klassische Atmosphäre der Innenarchitektur. Von 500 der insgesamt 1250 öffent­li­chen Arbeitsplätze in der neuen Bibliothek können Nutzer per Wireless LAN im Internet weitere Wissensquellen anzapfen und ihre Recherche­ergebnisse direkt ins Laptop eingeben. Je nach Einfallwinkel und Intensität des Tageslichts entstehen dabei Reflexionen, Spiegelungen und Blendungen auf dem Com­ puterbildschirm. Um das zu verhindern, sind die Dachöffnungen mit motorisi­erten Horizontalscreens ausgestattet. Sie werden bei zu hohem Lichteinfall mit einem ­Sensor aktiviert und fahren dann automatisch in eine Sonnenschutzposi­tion. Eine effektive Vernetzung der sonnenschutzrelevanten Elemente im Jacobund-Wilhelm-Grimm-Zentrum gewährleistet ein spezielles Bussystem von Somfy: animeo IB+. Da an den einzelnen Gebäudeseiten unterschiedliche Einflussfaktoren wie Sonne, Wind und Regen auf die Behän­­ge wirken, ist die Fassade in insgesamt 14 Zonen gegliedert. Sie lassen sich bei Impuls der außenliegenden Wetter­sta­tion individuell ansteuern. So rea­gieren sowohl die Horizontalbehänge der Dachverglasung als auch die Verschattungen an den Fenstern zuverläs­sig auf Sonneneinstrahlung, Windentwicklung und Feuchtigkeit – aber eben nur jene Bereiche, die von diesen Faktoren be­troffen sind. Das schützt die Screens vor Beschädigung und ermöglicht ­gleichzeitig optimale Sichtverhältnisse ­ für die Raumnutzer – unabhängig davon, in ­welchem Gebäudeteil sie sich befinden. Für die vielbegangenen Bodenbeläge – ca. 5000 Besucher täglich nutzen die Bibliothek – hat der Architekt nach dauerhaften, strapazierfähigen Materialien gesucht. Das auf rund 26 000 m2 in Sonderbreite verlegte Marmoleum Dual erfüllt diesen Anspruch. Es entspricht den Anforderungen an die Akustik in einer Bibliothek und den gestalterischen Vorstellungen von Architekt und Bauherr. So harmoniert der schwarze Linoleumbelag (Nr. 630) mit dem warmen Ton der Kirschbaumfurniere, den schwarzgrauen Regalen und den angrenzenden beigefarbenen Kalksteinböden und kontrastiert mit den weißen Wand- und Stützverkleidungen des Gebäudes. Zudem bleibt das Material innerhalb des eng gesteckten Kostenrahmens, was bei öffentlichen Bauten eine besondere Rolle spielt. Herz des Grimm-Zentrums ist der terrassenförmig und offen angelegte Große Lesesaal mit 252 Leseplätzen. Die Tischplatten in allen Lesebereichen wurden mit Forbo Furniture Linoleum der Qualität Desk Top 4162 ausgestattet. In ihrem ­satten Dunkelgrün strahlen sie Ruhe aus und laden zu konzentriertem Arbeiten ein. Beim Einsatz als Möbelbelag kommen die haptischen Vorzüge des natürlichen Baumaterials Linoleum besonders zur ­Geltung: Es ist elastisch und fühlt sich ange­nehm warm an. Seine matte Oberfläche spiegelt nicht, Fingerabdrücke ­bleiben weitestgehend unsichtbar. Zudem ist Linoleum antistatisch, was sich besonders angenehm bei der Arbeit mit dem Laptop auswirkt und die Staubbildung deutlich reduziert. Fotos (3): Stefan Müller, Berlin Gesteuert durch animeo IB+ erhalten die Computerplätze in der Eingangshalle bedarfsoptimierte Verschattung. links: Im Zentralen Lesesaal sind den Fachgebieten einzelne Terrassen zugeordnet. Die links des Fensters zu sehenden Motorsteuer­ geräte von Somfy sind normalerweise unter einer Deckplatte versteckt und steuern je bis zu vier 230-Volt-Wechselstrom-Antriebe, welche die Screen­ behänge bewegen. rechts oben: Von den Leseterrassen haben die Bibliotheksbenutzer direkten Zugang zu den Bücherregalen. www.somfy-objekte.de rechts unten: Als Fußbodenbelag für die sogenannten Lese-Inseln wählten die Architekten schwarzes Linoleum. www.forbo-flooring.de 24 Bautafel Beteiligte Hersteller – Auswahl Dach Sonnenschutzsteuerung „animeo IB+“ Dachsystem Vedag GmbH, Bamberg Glasoberlichter Lesesaal Lamilux Heinrich Strunz GmbH Zehstraße 2 95111 Rehau fon 09283 595-0 fax 09283 595-290 [email protected] www.lamilux.de Somfy GmbH, Felix-Wankel-Straße 50 72108 Rottenburg/Necker fon 07472 930-0 fax 07472 930-9 [email protected] www.somfy-objekte.de [S. 22] Sicherheitstechnik Siemens Building Technologies GmbH & Co. KG, Berlin Innenausbau Trockenbau / Akustikdecken Saint-Gobain Rigips GmbH, Düsseldorf Knauf Gips KG, Iphofen [S. 18] Lichtdecke Technischer Ausbau Bodenbelag Linoleum „Marmoleum Dual“ Forbo Flooring GmbH Steubenstraße 27 33100 Paderborn fon 05251 1803-0 fax 05251 1803-200 [email protected] www.forbo-flooring.de [S. 23] Decken- und Regalbeleuchtung Fassade Aufzüge Rentex Wand- und Deckensysteme GmbH, Eggenstein-Leopoldshafen Natursteinfassade aus Jura-Kalkstein, Oberfläche „aqua power“ FB Aufzüge GmbH & Co. KG, Dresden Beschläge Lichtstelen (Entwurf: Max Dudler) FSB – Franz Schneider Brakel GmbH + Co KG, Brakel Leipziger Leuchten, Leipzig Hofmann Naturstein GmbH & Co. KG Anton-Hofmann-Allee 97956 Werbach-Gamburg fon 09348 81-0 fax 09348 81-48 [email protected] www.hofmann-naturstein.de Buchfördersystem Swisslog Holding AG, CH-Buchs Heizung und Kältetechnik J. Wolfferts GmbH, Berlin Fensterrahmen / Beschläge Betonkerntemperierung Schüco International KG, Bielefeld Kiefer Luft- und Klimatechnik, Stuttgart Fenster / Innenverglasung Heizkörper Metallbau Kettner GmbH, Stäbelow Kampmann GmbH Lingen Sonnenschutz: Senkrechtmarkisen Warema Renkhoff SE, Marktheidenfeld Kühlwasserkonditionierung Hydrotec Technologies AG, Wildeshausen Raumlufttechnik Pleitz GmbH, Laucha/Unstrut Holzverkleidungen, Tresenanlage, Sondereinbauten Oertel Innenausbau GmbH, Neumark Innenausstattung Parkettboden „American Black Walnut“ AHEC Europe c/o MPR Dr. Muth Public Relations Warburgstraße 36 20354 Hamburg fon 040 429240 fax 040 42227787 [email protected] www.americanhardwood.org [S. 14] Lenneper GmbH & Co. KG Gummersbach Lichtschalter, Steckdosen Albrecht Jung GmbH & Co. KG, Schalksmühle Holz „American Black Cherry“ für Innenausbauten AHEC Europe c/o MPR Dr. Muth Public Relations Warburgstraße 36 20354 Hamburg fon 040 429240 fax 040 42227787 [email protected] www.americanhardwood.org [S. 14] 26 Bautafel Bautafel Beteiligte Hersteller – Auswahl Planungsbeteiligte Möbelbelag „Furniture Linoleum Desk Top“ Brandschutz Feuerlöschtechnik / Brandschutz­ anlagen Kraftanlagen Hamburg GmbH, Hamburg ProCon Ingenieurgesellschaft mbH Fasanenstraße 29 10719 Berlin fon 030 8872769-0 fax 030 8872769-11 [email protected] www.procon-ing.de Tragwerksplanung Planung CAD-Programm [S. 23] Graphisoft Deutschland GmbH, München Tische (Entwurf: Max Dudler) Büchner Möbel GmbH, Reichenbach Außenanlagen Lindemann projekt.net GmbH & Co. KG, Berlin Bodenbelag Außenraum / Außenanlagen Stühle Bibliothek Stechert Stahlrohrmöbel GmbH, Wilhermsdorf Leseleuchten (Entwurf: Max Dudler) Mawa Design GmbH, Michendorf Sanitärobjekte ISG Sanitärhandelsgesellschaft mbH & Co. KG, Essen LaTiSt GmbH, Berlin Leonhardt, Andrä und Partner Beratende Ingenieure VBI, GmbH Rosenthaler Straße 40/41 10178 Berlin fon 030 283983-0 fax 030 283983-21 [email protected] www.lap-consult.com Planung Cafeteria Ingenieurbüro Seewöster GmbH Baiertaler Straße 69 69168 Wiesloch fon 06222 9243-0 fax 06222 9243-33 www.seewoester.de Planer TGA, Medien- und Computertechnik ZWP Ingenieur-AG, NL Berlin Bülowstraße 66, Aufgang D3 10783 Berlin fon 030 755008-0 fax 030 755008-99 [email protected] www.zwp.de Bauleitung Keramag – Keramische Werke Aktiengesellschaft, Ratingen Ingenieurbüro Peter Widell Marburger Straße 3 10789 Berlin fon 030 2119077 Armaturen Brandschutzkonzept Franke GmbH, Bad Säckingen Müller-BBM GmbH, NL Berlin Schöneberger Straße 15 10963 Berlin fon 030 217975-0 fax 030 217975-35 [email protected] www.muellerbbm.de Konferenztechnik pro video Handelsgesellschaft mbH, Berlin Foto: Stefan Müller, Berlin Forbo Flooring GmbH Steubenstraße 27 33100 Paderborn fon 05251 1803-0 fax 05251 1803-200 [email protected] www.forbo-flooring.de Projektsteuerung www.dbzplusbaucolleg.de