Posterpresentation Morbus Wilson Symposium

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Die molekularbiologische Untersuchung von Morbus Wilson
Durchmusterung des ATP7B Gens auf Mutationen
Dr. Alfred Cornelis Looman - Gene Analysis Service GmbH - Berlin
Posterpresentation Morbus Wilson Symposium am 14.10.2000 in Rosenheim
1. Einleitung
1.1. Detektion des verantwortlichen Genes
1.2. Das Kupfer transportierende Protein ATP7B
1.3. Veränderungen im Gen führen (nicht immer) zu Veränderungen im Protein
1.4. Zwei Chromosomen - zwei Genkopien
2. Methodik der ATP7B Genanalyse
2.1. DNA-Isolierung aus Blut
2.2. Verfielfältigung der ATP7B Genabschnitte
2.3. Isolierung der Genabschnitte
2.4. Bestimmung der Basenabfolge der Genabschnitte (Sequenzierung)
2.5. Auswertung der Ergebnisse
3. Fazit und Ausblick
Literaturreferenzen
Danksagung
1.1. DETEKTION DES VERANTWORTLICHEN GENES
Die molekulare Grundlage der Wilsonschen Krankheit sind Defekte im Kupfer transportierenden Protein
„P-Type-ATPase” (ATP7B). Dieses Protein ist u.A. notwendig für den Transport von Kupfer aus der Leber in die Galle.
Der Bauplan (Gen) für das ATP7B-Protein wurde zwischen 1985 und 1988 von verschiedenen Arbeitsgruppen auf dem
Chromosom 13 des Menschen entdeckt. 1993 wurde das Gen isoliert und in seiner Struktur vollständig aufgeklärt 1-3).
Die Information des ATP7B-Gens liegt über etwa 80.000 Buchstaben (Basen) des Erbguts verteilt und gliedert sich in
21 Abschnitte. Auf diesen Abschnitten liegt die Information für die richtige Art und Reihenfolge der Proteinbausteine,
die Aminosäuren, kodiert. Sie wird im Zellkern vom Chromosom abgeschrieben und zur Boten-RNA zusammengefügt, die dann in der Zelle als Bauanleitung für das Protein verwendet wird. In Fig. 1 ist dieser, in jeder Zelle
stattfindende, Informationsfluß schematisch dargestellt.
Figur 1. Vom Gen zum wirksamen Protein
ATP7B-Genort auf Chromosom 13 (~80.000 Basen)
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10,11,12
13 14
15
16
17
18,19 20
21
Transkription
Splicing
ATP7B-mRNA (7500 Basen)
100 bp
5'
1
2
3
4
5
6
7
8
9 10
11
12
13
14
15
16
17
18
19 20
21
Translation
ATP7B Protein (1411 Aminosäuren)
NH2
Cu
1
Cu
2
Cu
3
Cu
4
Cu
5
Cu Tm Tm
6 1 2
Tm Tm Ph
3
4
Tm
5
Td ch
ATP
loop
ATP TmTm
hinge 6 7
COOH
Die Information des ATP7B-Gens befindet
perzelle auf dem Chromosom Nr. 13. und
Buchstaben (Basen) verteilt auf 21, für
kodie- renden Abschnitten und dazwischen
Ab- schnitte, die sog. Introne.
sich in jeder Körumfaß ca. 80.000
Proteinbausteinen
scheinbar sinnlose
Nur in den Zellen, wo die Information gebraucht wird (z.B.
Leber, Gehirn), wird die genetische Information für das
ATP7B-Protein in einer „Arbeitskopie” abgeschrieben (Transkription). Daraus wird eine „Bauanleitung” (mRNA) für die
3' Proteinfabriken der Zelle (Ribosomen) gebildet, wobei die
scheinbar sinnlosen Informationsabschnitte aus der Bauanleitung herausgetrennt werden (Splicing).
Anhand der 7500 Buchstaben der mRNA bauen die Proteinfabriken 1411 Aminosäuren in der richtigen Reihenfolge zum
Kupfer transportierenden ATP7B-Protein zusammen (Translation). Das Protein unterteilt sich in verschiedene, für die Funktion wichtige, Abschnitte.
1.2. DAS KUPFER TRANSPORTIERENDE PROTEIN ATP7B
Das 1411 Aminosäuren große ATP7B-Protein enthält verschiedene Abschnitte, die für die Funktion des Proteins eine
wichtige Rolle spielen. Am Beginn des Proteins befinden sich 6 Abschnitte Cu 1-6, die durch ihre spezielle
Aminosäurenabfolge in der Lage sind Kupfermoleküle zu binden. Die sog. Transmembrandomänen Tm 1-7 sorgen
dafür, daß das Protein fest in der Umhüllung der Zelle eingebunden wird. Weitere Abschnitte des Proteins sind für die
Verlagerung der gebundenen Kupfermoleküle von der Zell-Innenseite zur Außenseite zuständig (Phosphatase, Td,
Phosphorylierung, ATP-Bindung). Nur das korrekte Zusammenspiel aller Abschnitte des Proteins sorgt für eine
geregelte Kupferausscheidung. Veränderungen in den funktionellen Abschnitten des ATP7B-Proteins können den
Kupfertransport beeinträchtigen oder verhindern. Das ATP7B-Protein an seinem Platz in der Zellmembran ist in Fig. 2
schematisch dargestellt.
Fig. 2. Das Protein an seiner Wirkungsstätte
Cu5
Cu4
Tm7
Tm6
Td
Tm5
Tm4
Cu6
Kupferbindung
Cu3
Tm3
Zellmembran
Tm2
Tm1
Zell-Außenseite
Cu2
NH2
Cu1
Zell-Innenseite
Phosphatase
Phosphorylierung/ATP-Bindung
COOH
Positionierung in der Zellmembran des ATP7B-Proteins4.
Die Kupfer bindenden Abschnitte Cu1-6 enthalten die
Aminosäurenfolge Gly-Met-Thr-Cys-X-Ser-Cys. Der Phosphataseabschnitt enthält die Abfolge Thr-Gly-Glu-Ala. Das
Transmembransegment
Td
enthält
die
Abfolge
Cys-Pro-Cys Die Phosphorylierungsstelle ist durch die
Abfolge Asp-Lys- Thr-Gly-Thr, die ATP-Bindungstelle
durch
die
Abfolgen
Ser-Glu-His-Pro-Leu,
Thr-Gly-Asp-Asn
und
Gly-Asp-GlyVal-Asn-Asp
gekennzeichnet.
Fehler in der Information für das ATP7B-Gen führen über
eine fehlerhafte Bauanleitung letztendlich zu einem fehlerhaften Protein, das den Kupfertransport nicht mehr korrekt
durchführen kann. Z.B. die häufig vorkommende
His1069Gln Mutation in dem ATP-bindenden Abschnitt
des Proteins.
1.3. VERÄNDERUNGEN IM GEN FÜHREN (NICHT IMMER) ZU VERÄNDERUNGEN IM PROTEIN
Seit der Basenabfolgebestimmung des ATP7B Gens 1993, ist eine molekularbiologische Untersuchung des Morbus
Wilson möglich. Durch Untersuchung von WD-Patientengruppen und Vergleichsgruppen, die nicht von der Krankheit
betroffen waren, wurden mehr als 190 verschiedene Veränderungen in diesem Gen gefunden. Diese Veränderungen
unterteilen sich in solche, die sowohl in der gesunden Population als auch in der Patientengruppe vorkamen (sog. Polymorphismen) und solche, die ausschließlich bei Patienten mit WD angetroffen wurden (Mutationen).
Bislang wurden über 140 Mutationen gefunden die zur Beeinträchtigung oder Ausfall der Kupfer transportierenden
Funktion des ATP7B-Proteins führen. Eine der häufig vorkommenden Mutationen ist eine Veränderung an der Stelle
der Aminosäure 1069 im Protein. Durch die Veränderung eines Buchstaben in der Bauanleitung (A statt C) wird statt
der Aminosäure Histidin, die Aminosäure Glutamin in das Protein eingebaut. Durch diese Veränderung ist eine
wichtige Funktion des Proteins (die ATP-Bindung) gestört.
1.4. ZWEI CHROMOSOMEN-ZWEI GENKOPIEN
Da vom Chromosom 13 zwei Kopien in jeder Körperzelle vorhanden sind, ist die Bauanleitung für das ATP7B-Protein
auch zweifach vorhanden. Sie stammt zur Hälfte vom Chromosom des Vaters, und zur anderen Hälfte vom mütterlichen Chromosom. Nur wenn beide Chromosomen an der Stelle des ATP7B-Gens einen oder mehrere Mutationen enthalten, sind beide Bauanleitungen für das Protein defekt und verursachen das WD-Syndrom.
Ist nur ein defektes Chromosom vererbt worden, tritt das WD-Syndrom nicht auf. Das defekte Chromosom kann aber
weiter vererbt werden. Man spricht von „Träger” der Krankheit.
Über den Nachweis von Mutationen im Erbgut kann festgestellt werden, ob der Patient von WD betroffen sein wird
oder ob er Träger der Krankheit ist. Im nachfolgenden Abschnitt wird gezeigt, wie bei einer solchen Untersuchung vorgegangen wird.
2.1. DNA-ISOLIERUNG AUS BLUT
Aus 0,2 ml des vom Arzt entnommenen Blutes (A) werden die DNA-haltigen weißen Blutkörperchen isoliert. Diese
werden mit einer Enzymlösung bei 550C aufgeschlossen (B), und die dann austretende DNA wird mit Hilfe von
Zentrifugation (C) gereinigt.
Die aufgereinigte DNA dient als Ausgangsmaterial für die Genanalyse. Sie enthält die Information für alle ~40.000
Gene des Menschen, die auf 23 Chromosomen-Paare verteilt sind. Aus 0.2 ml Blut werden ca. 6 Mikrogramm DNA
gewonnen.
A: Ausgangsmaterial Blut
B: Aufschluß der weißen Blutzellen
C: Zentrifugation der isolierten DNA
2.2. VERVIELFÄLTIGUNG DER ATP7B GENABSCHNITTE
Die Untersuchung von etwa 7500 Basen des ATP7B Gens aus den insgesamt 3 Milliarden Basen der menschlichen
DNA gleicht dem Auffinden einer Nadel im Heuhaufen. Um dies zu ermöglichen, werden die Genabschnitte mit Hilfe
der sog. Polymerase-Kettenreaktion (PCR) gezielt vervielfältigt.
In einer vor Verunreinigungen geschützten Umgebung (D) werden folgende Komponenten im Reagenzröhrchen
zusammengegeben: Eine kleine Menge der gereinigten DNA, DNA-Bausteine (Nukleotiden), kurze, synthetische DNAMoleküle die dem Beginn und Ende des Genabschnittes exakt gleichen (sog. Primer) und ein Enzym (DNAPolymerase) das in der Lage ist DNA ohne Fehler zu vervielfältigen.
Dieses Reaktionsgemisch durchläuft im sog. Thermocycler (E-F) 35 Mal folgende Temperaturwechsel: 30 Sek. 95oC,
25 Sek. 67oC, 60 Sek. 72oC. In jedem Schritt der Reaktion wird der zu untersuchende Abschnitt der DNA verdoppelt.
Am Ende des Vorgangs liegen 235 oder ca 34.000.000.000 Kopien vom gleichen Genabschnitt vor. Das Verhältnis von
Nadel und Heuhaufen hat sich jetzt umgekehrt.
D: PCR-Arbeitsplatz
E: Thermocycler
F: Thermocycler-Detail
2.3. ISOLIERUNG DER GENABSCHNITTE
Die Polymerase-Kettenreaktion wird für jeden der 21 Genabschnitte des ATP7B-Gens durchgeführt. Anschließend
werden die vervielfältigten DNA-Fragmente mit Hilfe der Gelelektrophorese (G-I) ihrer Größe nach getrennt, angefärbt
und durch Bestrahlung mit UV-Licht sichtbar gemacht (J). Jetzt können die Fragmente mit einem Skalpell aus dem Gel
ausgeschnitten werden (K) und einer weiteren Reinigung unterzogen werden.
G: Beladen des Geles mit Reaktionsansätzen
H: Einstellen der elektrischen Spannung I: Trennung der DNA-Fragmenten im Gel
J: Genabschnitten nach der elektrophoretischen Trennung
K: Isolieren der Genabschnitten aus dem Gel
2.4. BESTIMMUNG DER BASENABFOLGE DER GENABSCHNITTE (SEQUENZIERUNG)
Mit einer ähnlichen Reaktion wie der, die bei der Vervielfältigung der Genabschnitte verwendet wurde, wird jetzt jedes
einzelne gereinigte Genfragment in seinem Aufbau untersucht. Bei dieser Reaktion werden die verschiedenen Bausteine der DNA (G, A, T und C) jeweils mit einer anderen Farbe gekennzeichnet. Nach Ablauf der „Sequenzierungsreaktion” werden die Bausteine der Fragmente im automatischen DNA-Analysegerät (L,M) getrennt und mit Hilfe von
Laserlicht sichtbar gemacht. Im Computer werden die einzelnen Farbsignale in die jeweiligen Buchstaben umgesetzt
(N) und das Ergebnis kann als Buchstabenfolge des Fragments abgelesen werden.
L: DNA-Sequenzierungsautomaten
M: Innenansicht Sequenzautomaten
N: Umsetzung der Farbsignale in DNA-Buchstaben
2.5. AUSWERTUNG DER ERGEBNISSE
Die ermittelten Basenabfolgen der einzelnen Genabschnitte werden mit einer Standard-Basenabfolge für das ATP7BGen verglichen. Abweichungen unterteilen sich in normale Variationen (Polymorphismen) und Veränderungen mit
Konsequenzen für die Funktion des Proteins (Mutationen). Veränderungen können entweder auf nur einem Chromosom vorhanden sein (heterozygot) oder beide Chromosomen (väterliches und mütterliches) können von der gleichen
Mutation betroffen sein (homozygot). In den Figuren (J-L) sind einige Veränderungen im ATP7B-Gen dargestellt:
J: Variation im Exon 8: Thr762Thr
K: Variation im Exon 10: Arg832Lys
L: Variation im Exon 13: Thr991Thr
ACA
homozygot
AGG (Arg)
homozygot
ACG
homozygot
ACA und ACC
heterozygot
AGG und AAG
Arg und Lys
heterozygot
ACG und ACA
heterozygot
N: Mutation im Exon 14: His1069Gln
M: Mutation im Exon 15: 3464delG
Normale Basenabfolge
homozygot
Normale Basenabfolge: CAC (His)
homozygot
Auf einem Chromosom fehlt
der Buchstabe G an der Stelle
3464 im Gen (heterozygot)
Literatur
P
nach Aminosäure Pro 1134 ist das
Protein defekt.
CAC (His) und CAA (Gln)
heterozygot
von einem Chromosom wird ein
defektes Protein abgelesen.
Fazit und Ausblick
Durch die Entwicklungen der letzten 15 Jahre ist es möglich geworden die molekulare Grundlage und damit die
Ursache der Wilsonschen Krankheit aufzuspüren. Über die Feststellung von Veränderungen im ATP7B-Gen sind
Rückschlüsse über das Ausbrechen und in Zukunft eventuell auch über den Verlauf und die optimale Therapie der
Krankheit, möglich.
Die Genanalyse unterstützt die klinische Diagnose in Zweifelsfällen oder wenn die Symptome der Krankheit noch
nicht deutlich hervortreten.
Über eine Genanalyse lassen sich Träger der Krankheit, die selber nicht betroffen sind, aber die Krankheit weiter
vererben können, ausfindig machen. Insbesondere für Verwandte von Morbus Wilson Patienten kommt eine solche
Untersuchung in Frage.
Theoretisch ist es möglich in Leber- oder Gehirnzellen eine „gesunde” Kopie des ATP7B-Gens einzuschleusen und
das defekte Gen zu ersetzen. Mann spricht von Gentherapie. Ein bislang noch nicht gelöstes Problem hierbei ist, daß
möglichst alle Leberzellen eines Patienten dauerhaft repariert werden müssen. Versuche hierzu sind bereits angelaufen.
LITERATURREFERENZEN
1
Bull, P.C. et al. (1993) The Wilson disease gene is a putative copper transporting P-type ATPase symilar to the Menkes gene. Nature Genetics 5:327-337
Tanzi, R.E. et al. (1993) The Wilson disease gene is a copper transporting ATPase with homology to the Menkes disease gene. Nature Genetics 5:344-350
3
Petrukhin, K. et al. (1993) Mapping, cloning and genetic characterization of the region containing the Wilson disease gene. Nature Genetics 5:338-343
4
DiDonato, M. and Sarkar, B. (1997) Copper transport and ist alterations in Menkes and Wilson’s diseases. Biochimica Biophysica Acta 1360:3-16
2
DANKSAGUNG
Wir danken Dr. med. E. Heyl, Dr. W. Parr und Dr. J. Ruprecht der Heyl Chem.-Pharm. Fabrik GmbH & Co. KG für die Initierung dieser Untersuchung und die
fachliche Diskussion.
Unser besonderer Dank gilt Dr. H.-J. Kühn, Klinik für Neurologie, Universität Leipzig für das zur Verfügungstellen einer Patientenprobe.
Gene Analysis Service GmbH - Goerzallee 253 - 14167 Berlin
Tel. 030-84707430 - Fax 030-84707430 - E-mail: [email protected] - Internet: www.gene-analysis-service.de
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