3.2 Parteien und Koalitionen 3.2.1 Parteienverhalten am Beispiel der Stabilitätspolitik: Politischer Konjunkturzyklus Beurteilung des stabilitätspolitischen Erfolgs der Regierung, Wahl oder Abwahl Wähler Regierung Beeinflussung der Wähler durch Politikergebnisse (z.B. Arbeitslosenquote, Inflation, Wachstum) 27-Mai-04 B. Boockmann, Wirtschaftspolitik für Betriebswirte 1 3.2 Parteien und Koalitionen Modell nach Nordhaus Ökonomischer Hintergrund: Phillips-Kurve (Literatur: Wagner, Stabilitätspolitik, S. 30ff.) kurzfristige Phillips-Kurve : πt = a(uN-ut) + bπte mit πt = Inflationsrate, ut =Arbeitslosenquote, u N=natürliche Arbeitslosenquote, πte = erwartete Inflationsrate kurzfristiger (d.h. gegeben die Inflationserwartungen πte ) trade-off zwischen (Niveau der) Arbeitslosenquote und (Niveau der) Inflation 27-Mai-04 B. Boockmann, Wirtschaftspolitik für Betriebswirte 2 1 3.2 Parteien und Koalitionen Modell nach Nordhaus (2) Langfristig seien die Inflationserwartungen korrekt: πte = πt Einsetzen ergibt die langfristige Phillips-Kurve: (1-b) πt = a(uN-ut) Falls b =1, kein langfristiger trade-off zwischen Arbeitslosigkeit und Inflation 27-Mai-04 B. Boockmann, Wirtschaftspolitik für Betriebswirte 3 3.2 Parteien und Koalitionen Modell nach Nordhaus (3) • Wähler begrenzt rational: evaluieren die Regierung nur gemäß der aktuellen Arbeitslosigkeit und Inflation (Wähler sind „vergesslich“) • Politiker maximieren die Zustimmung zu ihrer Politik durch Setzung der stabilitätspolitischen Instrumente unter der Nebenbedingung der kurzfristigen PhillipsKurve 27-Mai-04 B. Boockmann, Wirtschaftspolitik für Betriebswirte 4 2 3.2 Parteien und Koalitionen π Kurzfristige Phillipskurve π̂ Isostimmenkurve û 27-Mai-04 u uN B. Boockmann, Wirtschaftspolitik für Betriebswirte 5 3.2 Parteien und Koalitionen π langfristige Phillipskurve kurzfristige Phillipskurve 2 t1 3 t 0, t 4 u uN 27-Mai-04 B. Boockmann, Wirtschaftspolitik für Betriebswirte 6 3 3.2 Parteien und Koalitionen Kritik am Nordhaus-Modell 1. Steuerbarkeit von Inflation und Arbeitslosigkeit? – Wirkungsverzögerungen – Institutionen, z.B. unabhängige Zentralbanken 2. Stimmenmaximierung als Ziel (opportunistisches Verhalten) = realistische Annahme? 3. Wähler durchschauen den Mechanismus – Annahme der „Vergesslichkeit“ der Wähler methodisch unbefriedigend – Wähler lernen, Effekt „verbraucht sich“ 27-Mai-04 B. Boockmann, Wirtschaftspolitik für Betriebswirte 7 3.2 Parteien und Koalitionen Zu Punkt 2: Modell der Parteienideologie (Hibbs 1977) als Gegenentwurf • Wählergruppen haben unterschiedliche Präferenzen • Linke Parteien haben Anhänger mit großem Interesse an der Reduzierung der Arbeitslosigkeit • Rechte Partei haben vermögenden Anhänger, die ein großes Interesse an geringer Inflation haben • Phillips-Kurve ist auch langfristig nicht vertikal • Aufgrund der Möglichkeit von Stimmenthaltungen oder der Verletzung einer anderen Annahme gilt das MWT nicht 27-Mai-04 B. Boockmann, Wirtschaftspolitik für Betriebswirte 8 4 3.2 Parteien und Koalitionen π langfristige Philippskurve πL πR u uL 27-Mai-04 uR B. Boockmann, Wirtschaftspolitik für Betriebswirte 9 3.2 Parteien und Koalitionen Politische Konjunkturzyklen mit rationalen Wählern? • Variante der Hibbs-Modells mit rationalen Erwartungen: Alesina 1987 • kurzfristige Phillips-Kurve negativ geneigt bei nicht vorhersehbaren Politikänderungen • Wahlausgang ist nicht vorhersehbar • linke Regierungen verfolgen expansive Politik, rechte Regierungen kontraktive Politik • Ergebnis: politischer Konjunkturzyklus in den Nachwahljahren 27-Mai-04 B. Boockmann, Wirtschaftspolitik für Betriebswirte 10 5 3.2 Parteien und Koalitionen π t2 langfristige Phillipskurve t1 kurzfristige Phillipskurve rechte Regierung linke Regierung t1 u t2 uN 27-Mai-04 B. Boockmann, Wirtschaftspolitik für Betriebswirte 11 3.2 Parteien und Koalitionen Empirische Evidenz für (West-)Deutschland, 1960-2004 8 7 6 5 4 3 2 1 0 0 2 4 6 8 10 12 14 -1 27-Mai-04 B. Boockmann, Wirtschaftspolitik für Betriebswirte 12 6 3.2 Parteien und Koalitionen Andere Modelle des politischen Konjunkturzyklus • Budgetzyklus: Zyklen in der Höhe und der Zusammensetzung des Staatsbudgets („Wahlgeschenke“) • Im Parteienmodell entsprechend Hibbs: Linke Parteien für höhere Staatsausgaben und Steuern als rechte Parteien • Empirische Evidenz hierfür --> nächste Folie • Gruppenbegünstigungspolitik (z.B. Landwirte, Stahlarbeiter); siehe Peters, Kap. 15.2 27-Mai-04 B. Boockmann, Wirtschaftspolitik für Betriebswirte 13 3.2 Parteien und Koalitionen Staatsausgaben und Ideologie: Garrett 1998 • Left-Labour(LL)-Index: Erfasst Parlamentssitze und Kabinettsportfolios linker Parteien sowie Mitgliedschaft und Geschlossenheit von Gewerkschaften Korrelationskoeffizienten von Staatsausgaben und LLIndex im Industrieländervergleich 1966-73 1974-79 1980-84 1985-90 27-Mai-04 Staatsausgaben gesamt 0.36 0.56 0.50 0.51 Sozialtransfers 0.14 0.12 0.30 0.34 Staatsverbrauch ohne Militär 0.67 0.63 0.58 0.48 B. Boockmann, Wirtschaftspolitik für Betriebswirte 14 7 3.2 Parteien und Koalitionen 3.2.2 Koalitionen Annahmen: • Parteipräferenzmodell (Hibbs) • 3 Parteien im Parlament (SPD, Grüne, CDU) • jeweils 2 Parteien bilden eine Koalition, die die Mehrheit im Parlament besitzt • zwei sich nicht ausschließende Projekte: Förderung der Windenergie, Förderung der Steinkohle • Parteien haben kardinal messbare Nutzen für diese Programme • Nutzen bei Nichtrealisation des Projekts auf null normalisiert 27-Mai-04 B. Boockmann, Wirtschaftspolitik für Betriebswirte 15 3.2 Parteien und Koalitionen Politische Tauschgeschäfte: Nutzenzuwachs aus der ... Förderung Förderung der Windder Steinenergie (W) kohle (S) SPD -2 5 Grüne 5 -2 CDU -2 -2 •Es findet sich eine Koalition SPD-Grüne •Wie ist das Ergebnis normativ zu beurteilen? 27-Mai-04 B. Boockmann, Wirtschaftspolitik für Betriebswirte 16 8 3.2 Parteien und Koalitionen Instabilität von Koalitionen: Entstehung eines Zyklus in den Koalitionsprogrammen Koalition Programm SPD, Grüne SPD, CDU Grüne, CDU SPD, Grüne 27-Mai-04 W,S ¬W,S ¬W, ¬ S W,S SPD 3 5 0 3 Nutzen Grü. CDU 3 -4 -2 -2 0 0 3 -4 B. Boockmann, Wirtschaftspolitik für Betriebswirte 17 3.2 Parteien und Koalitionen Institutionelle Stabilisierung politischer Tauschgeschäfte • Koalitionsvertrag • Absicherung der Koalition durch Teilung politischer Handlungsgewalt – Zuteilung von Kabinettsressorts – Zuteilung wichtiger Positionen in Ausschüssen 27-Mai-04 B. Boockmann, Wirtschaftspolitik für Betriebswirte 18 9