Seite 1 Gliederung der Vorlesung Vorlesung 1 (heute): Vorlesung 2 (10. Nov.): Vorlesung 3 (24. Nov.): Grundlagen Geldpolitik und Zeitinkonsistenz Regulierung und die aktuelle Finanzkrise Vorlesung 4 (8. Dez.): noch offen Weitere Themen (Auszug): Arbeitslosenversicherung und Arbeitslosigkeit Determinanten von Wachstum: Kapital, Humankapital, Innovationen Fiskalpolitik und Verschuldung Sozialpolitik, Klimapolitik, Bildungspolitik,... Seite 2 Vorlesung 1 - Überblick Wirtschaftspolitik: Ziele, Instrumente, Institutionen Buch: Rainer Klump (2006): Wirtschaftspolitik. Verlag: Pearson. 1.1 Was ist Wirtschaftspolitik? 1.2 Wettbewerb, Marktgleichgewicht und Hauptsätze der Wohlfahrtsökonomik 1.3 Ziele der Wirtschaftspolitik: Wohlfahrtstheoretische Grundlagen 1.4 Marktversagen Öffentliche Güter und externe Effekte Zunehmende Skalenerträge und natürliche Monopole Asymmetrische Information und Anreize Seite 3 1.1 Was ist Wirtschaftspolitik? Praktische Wirtschaftspolitik • Zielgerichtetes Eingreifen in das Wirtschaftsgeschehen • Handeln besonders legitimierter Instanzen • Teilgebiet der allgemeinen staatlichen Politik Staatliche und nichtstaatliche Träger der Wirtschaftspolitik Theoretische Wirtschaftspolitik / Theorie der Wirtschaftspolitik • Teilgebiet der Volkswirtschaftslehre • Anwendung der ökonomischen Theorie • Wissenschaftliche Beratung der praktischen Wirtschaftspolitik Seite 4 Elemente der Theorie der Wirtschaftspolitik • Theoriebezug: Die Ansatzpunkte und Instrumente der Wirtschaftspolitik werden aus der ökonomischen Theorie abgeleitet. • Zielbezug: Die Vorschläge müssen sich an expliziten oder impliziten Zielen orientieren. • Trägerbezug: Die spezifischen Interessen der Träger der Wirtschaftspolitik sind zu berücksichtigen. Seite 5 Ökonomische Theorie und theoretische Wirtschaftspolitik Unterschiedliche ökonomische Theorien als Grundlage der theoretischen Wirtschaftspolitik p S • Mikroökonomik - Kernkonzept: Markt p* - Fokus: Teilmärkte D • Makroökonomik - Kernkonzept: Wirtschaftskreislauf q* - Fokus: Zusammenspiel der Märkte 1 Güterstrom Geldstrom q 2 Seite 6 Ökonomische Theorie und theoretische Wirtschaftspolitik • Institutionenökonomik u2 - Kernkonzept:Wirkung von Institutionen - Fokus: Institutionendesign • Wohlfahrtsökonomik - Kernkonzept: Gesellschaftliche Wohlfahrtsfunktion Effizienz Verteilung - Fokus: Fundierung von Zielen und Erarbeitung von Empfehlungen zur Zielerreichung u1 • Neue Politische Ökonomie - Kernkonzept: Heterogenität von Interessen - Erklärung von tatsächlichen Ergebnissen Seite 7 Werturteile und wirtschaftspolitische Beratung Modellkonzepte wissenschaftlicher Beratung nach J. Habermas (1964) • Technokratisches Modell: Politiker lassen Zielvorgaben und Vorschläge für geeignete Instrumente von wissenschaftlichen Beratern entwickeln. • Dezisionistisches Modell: Politiker geben Ziele vor, Berater suchen nach den geeigneten Instrumenten. • Pragmatistisches Modell: Berater suchen zusammen mit Politikern nach wissenschaftlich und politisch vertretbaren Lösungen. Seite 8 Rationale Wirtschaftspolitik (1) Kennzeichen rationaler Wirtschaftspolitik • Gegebene wirtschaftspolitische Ziele sollen optimal mit den vorhandenen Instrumenten erreicht werden. • Aus einem ökonomischen Erklärungsmodell lässt sich ein wirtschaftspolitisches Entscheidungsmodell ableiten, wobei die Konstanz bestimmter Strukturparameter unterstellt wird. • Beispiel: Wie lassen sich auf einem Markt bestimmte Zielwerte für Preis und Menge erreichen? Seite 9 Rationale Wirtschaftspolitik (2) Ökonomisches Erklärungsmodell p1 = a1 + bq1 p1 = d1 – cq1 p S d1 p1 Das Marktmodell erklärt simultan Preis und Menge a1 D q1 q Seite 10 Rationale Wirtschaftspolitik (3) Korrespondierendes wirtschaftspolitisches Entscheidungsmodell p*2 = a2 + bq*2 p*2 = d2 – cq*2 Regel von Tinbergen: Um zwei unabhängige Ziele zu erreichen, sind mindestens zwei unabhängige Instrumente notwendig. p d2 S d1 p1 p*2 a1 D a2 q1 q*2 q Seite 11 Rationale Wirtschaftspolitik (4) Probleme rationaler Wirtschaftpolitik • „Lucas‘ Critique“ (Robert Lucas 1976): Die Strukturparameter des Erklärungsmodells verändern sich, weil die wirtschaftspolitischen Eingriffe antizipiert werden. • Eine ökonomische Beziehung wird dann instabil, wenn man sie wirtschaftspolitisch ausbeuten will (Charles Goodhart 1975) Seite 12 Rationale Wirtschaftspolitik (5) Konsequenzen aus der Lucas-Kritik für die theoretische Wirtschaftspolitik • Mikrofundierung der Erklärungsmodelle • Berücksichtigung von Informationsverteilung und Erwartungsbildung • Berücksichtigung spieltheoretischer Zusammenhänge • Berücksichtigung institutioneller Rahmenbedingungen Seite 13 1.2 Wettbewerb, Marktgleichgewicht und Hauptsätze der Wohlfahrtsökonomik Marktallokation und Wirtschaftspolitik Benchmark: Das kompetitive Gleichgewicht (Wettbewerbsgleichgewicht) Das Wirken der unsichtbaren Hand (Adam Smith) und deren Voraussetzungen Was heißt effizient? Kompetitive Gleichgewichte und effiziente Allokationen Seite 14 Marktallokation und Wirtschaftspolitik (1) Determinanten der Nachfrage nach einem Gut • Preis des Gutes („Gesetz der Nachfrage“) Parameter: Wenn der Preis steigt, sinkt die nachgefragte Menge. • Einkommen (Inferiore oder normale Güter) • Preise anderer Güter (Substitutionsoder Komplementärgüter) • Präferenzen der Nachfrager • Erwartungen Seite 15 Marktallokation und Wirtschaftspolitik (2) Determinanten des Angebotes eines Gutes • Preis des Gutes („Gesetz des Angebotes“) Wenn der Preis steigt, steigt die angebotene Menge. Parameter: • Preise anderer Güter • Preise der Produktionsfaktoren • Produktionstechnik • Erwartungen Seite 16 Marktallokation und Wirtschaftspolitik (3) Wichtige Voraussetzungen für einen vollkommenen Markt • Vollständige Information aller Marktteilnehmer • Übereinstimmung individueller und gesellschaftlicher Nutzen und Kosten Bedingungen für vollständige Konkurrenz (kompetitiver Markt) • Vollkommener Markt • Große Zahl von Anbietern und Nachfragern (keine Marktmacht) Seite 17 Marktallokation und Wirtschaftspolitik (5) • Wohlfahrtsanalyse: Im Konkurrenzgleichgewicht ist die Summe aus Konsumentenrente (KR) und Produzentenrente (PR) maximal • Das Ergebnis gilt sehr viel allgemeiner, wie wir in Kapitel 1.3 sehen werden. Seite 18 Marktallokation und Wirtschaftspolitik (6) Das Marktgleichgewicht bei vollständiger Konkurrenz (kurz: kompetitives Gleichgewicht) dient als Referenzmodell, um wirtschaftspolitische Eingriffe unter allokativen Gesichtspunkten zu rechtfertigen Sie werden relevant im Fall von Marktversagen, wenn die Effizienz der Marktallokation gestört ist Dies ist z.B. der Fall: • wenn das Marktgleichgewicht instabil ist • wenn kein vollkommener Markt vorliegt • wenn Marktmacht auftritt Mögliche Marktfehler Aber was heißt „Effizienz“? Seite 19 1.3 Ziele der Wirtschaftspolitik: Wohlfahrtstheoretische Grundlagen Anwendungen der Wohlfahrtsökonomik Wohlfahrtsökonomie und Wirtschaftspolitik Sozialen Wohlfahrtsfunktionen Das Unmöglichkeitstheorem von Arrow (Übung) Begründungen für Ziele und Zielbeziehungen Seite 20 Wohlfahrtsökonomik und Wirtschaftspolitik (1) Alternative Ansätze zur Analyse von Zielen der Wirtschaftspolitik • Analyse der tatsächlich verfolgten Ziele (positive Theorie) • Analyse der Ziele, die aus übergeordneten (politischen oder ethischen) Gründen verfolgt werden sollten (normative Theorie) Wohlfahrtsökonomik (Welfare Economics) • Herleitung von Zielen der Wirtschaftspolitik aus übergeordneten Prinzipien des „Gemeinwohls“ • Herleitung von Allokationszielen (und Stabilisierungszielen) aus potenziellen Marktfehlern • Herleitung von möglichen Verteilungszielen • Beurteilung und Lösung möglicher Zielkonflikte zwischen Allokations- und Verteilungszielen Seite 21 Wohlfahrtsökonomik und Wirtschaftspolitik (2) Paretianische Wohlfahrtsökonomik nach Vilfredo Pareto (1896/97) • Für normative Aussagen dient in der Wohlfahrtsökonomie das Konzept des Pareto-Optimums: Ein Zustand (bzw. eine Allokation) ist dann optimal (=effizient), wenn kein Individuum besser gestellt werden kann, ohne ein anderes Individuum schlechter zu stellen. • Ein Zustand ist dann (Pareto-)besser als ein anderer, ... wenn kein Individuum schlechter gestellt wird, aber mindestens eines besser. (lax: ...wenn alle Individuen besser gestellt werden!) Seite 22 Wohlfahrtsökonomik und Wirtschaftspolitik (3) Vorteile des Pareto-Bewertungskriteriums: • Es ist strikt individualistisch. • Es hilft, da es eine gegebene Anfangsverteilung unterstellt, bei der Trennung zwischen Allokations- und Verteilungsproblemen. Seite 23 Wohlfahrtsökonomik und Wirtschaftspolitik (4) Optimaler Gütertausch bei vollständiger Konkurrenz • Die Aufteilung zweier Güter auf zwei Individuen ist dann paretooptimal, wenn die Grenzraten der Gütersubstitution für sämtliche Individuen gleich sind (und damit der gesellschaftlichen Grenzrate der Gütersubstitution entsprechen). • Die Menge aller Tauschoptima (bei unterschiedlicher Anfangsverteilung) liegt auf der Kontraktkurve im Güterraum und auf der Nutzenmöglichkeitskurve im Nutzenraum. Seite 24 Wohlfahrtsökonomik und Wirtschaftspolitik (5) • Kontraktkurve und Nutzenmöglichkeitskurve Güterraum B Nutzenraum N N A Seite 25 Wohlfahrtsökonomik und Wirtschaftspolitik (6) Optimale Faktorallokation bei vollständiger Konkurrenz • Die Allokation zweier Produktionsfaktoren auf die Produktion zweier Güter ist dann pareto-optimal, wenn die Grenzraten der Faktorsubstitution in beiden Produktionsrichtungen identisch sind. • Die Menge aller pareto-optimalen Faktorallokationen liegt auf der Kontraktkurve im Faktorraum und auf der Produktionsmöglichkeitenkurve (Transformationskurve) im Güterraum. • Die Steigung der Transformationskurve ist die Grenzrate der Transformation. Seite 26 Wohlfahrtsökonomik und Wirtschaftspolitik (7) • Kontraktkurve und Transformationskurve Faktorraum T Güterraum T Seite 27 Wohlfahrtsökonomik und Wirtschaftspolitik (8) Simultanes Tausch- und Produktionsoptimum bei vollständiger Konkurrenz (Wettbewerbsgleichgewicht) Die (gesellschaftliche) Grenzrate der Substitution stimmt mit der Grenzrate der Transformation überein. Seite 28 Wohlfahrtsökonomik und Wirtschaftspolitik (9) • Es gilt der 1. Hauptsatz der Wohlfahrtsökonomie: Jedes Wettbewerbsgleichgewicht ist ein Pareto-Optimum. Lax: (Kompetitive) Marktgleichgewichte sind effizient! • Dies ist die unsichtbare Hand von Adam Smith! • Wirtschaftspolitische Konsequenzen aus dem 1. Hauptsatz: - Wettbewerb führt zu einem individuell und gesellschaftlich optimalen Zustand. - Abweichungen von der vollständigen Konkurrenz führen zu suboptimalen Zuständen und sollten daher korrigiert werden. Seite 29 Wohlfahrtsökonomik und Wirtschaftspolitik (11) • Jeder Punkt auf der Wohlstandsgrenze ist ein Wettbewerbsgleichgewicht (keine Trivialität!). • Somit gilt unter vollständiger Konkurrenz auch der 2. Hauptsatz der Wohlfahrtsökonomie: Jedes Pareto-Optimum ist bei entsprechender Ausgangsverteilung als Wettbewerbsgleichgewicht realisierbar. • Wirtschaftspolitische Konsequenzen aus dem 2. Hauptsatz: - Das Allokationsproblem kann bei vollständiger Konkurrenz vom Verteilungsproblem getrennt werden. - Über die optimale Verteilung von Gütern und Produktionsfaktoren muss mit Hilfe eines anderen Kriteriums entschieden werden. Seite 30 Wohlfahrtsökonomik und Wirtschaftspolitik (12) • Die oben hergeleiteten Bedingungen optimaler Allokation gelten nur für private Güter; bei anderen Arten von Gütern müssen sie modifiziert werden • Man unterscheidet Güter nach der Rivalität im Konsum einerseits und nach der Ausschließbarkeit vom Konsum andererseits Rivalität im Konsum Keine Rivalität im Konsum Ausschließbarkeit vom Konsum Private Güter Clubgüter Keine Ausschließbarkeit vom Konsum Allmendegüter (Reine) öffentliche Güter Seite 31